key: cord-028967-l5ioyhur authors: Scherbaum, Werner A. title: Diabetes Update 2020: das Wichtigste für die ärztliche Praxis date: 2020-07-10 journal: Diabetologe DOI: 10.1007/s11428-020-00642-7 sha: doc_id: 28967 cord_uid: l5ioyhur At the virtual event Diabetes Update 2020, numerous new findings and recommendations on diagnosis, therapy and management of diabetes and related topics were presented, of which the topics type 2 diabetes, diabetes and heart, diabetes and pregnancy as well as vaccinations are described in detail in separate articles in the current issue of Der Diabetologe. In the following, the most important and, from the author’s point of view, most relevant news from the other diabetes-related subject areas are briefly presented. In der DIRECT-Studie wurde bei insgesamt 306 Patienten/Innen mit Typ-2-Diabetes in 49 hausärztlichen Praxen in Nordengland und Schottland geprüft, inwieweit durch ein Gewichtsmanagementprogramm eine starke Gewichtsreduktion und eine Diabetesremission erreicht werden können. Teilnehmer/ Innen der Interventionsgruppe erhielten u. a. einen Mahlzeitenersatz durch eine flüssige Formuladiät von 825-853 kcal pro Tag über 3-5 Monate; danach wurde stufenweise wieder eine Normalkost eingeführt. Die Kontrollgruppe wurde mit einer leitlinienorientierten Standardtherapie versorgt. In der Interventionsgruppe wurden die antidiabetische und die antihypertensive Therapie schon zu Studienbeginn abgesetzt. Nach 12 Monaten hatten 24 % der Teilnehmer/Innen der Interventionsgruppe, aber keiner in der Kontrollgruppe eine Gewichtsabnahme von mindestens 15 kg erreicht. Eine Diabetesremission (definiert durch einen HbA1c-Wert von weniger als 6,5 %) wurde bei 46 % der Teilnehmer/Innen der Interventionsgruppe, aber nur 4 % der Kontrollgruppe erzielt. Die 2019 publizierten 2-Jahres-Ergebnisse der Studie ergaben nun, dass eine Remission des Diabetes immer noch bei mehr als 1/3 der Teilnehmer/Innen der Interventionsgruppe, aber nur bei 3 % der Kontrollgruppe vorlag. Erwartungsgemäß war die Chance für eine Diabetesremission umso höher, je stärker die Gewichtsreduktion ausgeprägt war. Über die Reduktion der täglich zugeführten Kalorien hinaus spielt die Zusammensetzung der Mahlzeiten für den Erfolg einer Gewichtsverminderung bei Adipositas und T2D eine wesentliche Rolle. Das zeigte auch eine kürzlich publizierte dänische Studie, bei der Personen mit Typ-2-Diabetes über 6 Wochen hinweg entweder mit einer kohlenhydratarmen Diät mit 30 % Kohlenhydraten und einer entsprechenden Erhöhung des Fettgehalts auf 40 % oder einer isokalorischen Kost mit 50 % Kohlenhydraten und 33 % Fett ernährt worden waren und danach über 6 Wochen hinweg die andere Kost zuführten. Im Vergleich zu der Gruppe mit konventioneller Ernährung kam es in der Gruppe mit kohlenhydratarmer Diät zu einem signifikant stärkeren Abfall des HbA1c-Werts und der Nüchternglukosekonzen-tration sowie auch des postprandialen Glukoseanstiegs, des Leber-und des Pankreasfettgehalts [2]. Im Gegensatz zu den klassischen Ernährungsempfehlungen für Patienten/Innen mit Typ-2-Diabetes von 6 Mahlzeiten pro Tag ergab eine neue Studie, dass Menschen mit T2D von einer Beschränkung auf 3 Mahlzeiten pro Tag profitieren. Die Zufuhr von 3 Mahlzeiten pro Tag führte im Vergleich zu einer isokalorischen Zufuhr von 6 Mahlzeiten pro Tag . Dies ist eine ausge-sprochen positive Entwicklung. In einer weiteren Arbeit der DPV-Initiative wurde gezeigt, dass bei insgesamt 3553 Patienten/Innen mit T1D, jünger als 18 Jahre (medianes Alter: 12 Jahre), mit einer Diabetesdauer von mehr als 1 Jahr (im Mittel: 4,2 Jahre), die HbA1c-Werte in den ersten 12 Monaten nach Beginn der CGM im Vergleich zu den Ausgangswerten hochsignifikant niedriger waren und dass die Häufigkeit der diabetischen Ketoazidose unter Anwendung der CGM binnen 6-12 Monaten signifikant abnahm [11] . Schließlich wurde in einer Zusammenarbeit der deutsch/österreichischen DPV-Gruppe und einem australischen Konsortium (WACDD) nachgewiesen, dass bei Kindern mit einer Manifestation des T1D vor dem 15. Lebensjahr (Daten von 1995-2016) der mittlere HbA1c von 8,3 auf 7,8 % (DPV) bzw. von 9,2 auf 8,3 % (WACDD) reduziert wurde und gleichzeitig die Rate an schweren Hypoglykämien jährlich um 2 % (DPV) bzw. 6 % (WACDD) abnahm ([12]; . Abb. 2). Dies zeigt, dass -im Gegensatz zu der altbekannten Botschaft aus der DCCT -bei einer strukturierten Diabetestherapie mit Anwendung der neuen Technologien ein besserer HBA1c-Zielwert bei T1D nicht generell mit einer Erhöhung des Hypoglykämierisikos einhergeht. Die Alltagstauglichkeit eines modernen Closed-Loop-Systems wurde in einer multizentrischen Studie aus den USA belegt, in der 168 Patienten/Innen mit T1D (Alter: 14-71 Jahre, HbA1c: 5,4-10,6 %) randomisiert entweder mit einem Closed-Loop-System oder mit einer sensorunterstützten Pumpentherapie über 6 Monate hinweg behandelt wurden. Mit dem Closed-Loop-System stieg die Zeit im Zielbereich von 70-180 mg/dl (3,9-10 mmol/l) von 61 % auf 71 %, während sie in der Kontrollgruppe unverändert bei 59 % blieb. Auch bezüglich der mittleren Glukosekonzentration und des HbA1c-Wertes fand sich ein deutlicher Vorteil des Closed-Loop-Systems. Episoden von schweren Hypoglykämien traten mit beiden Systemen nicht auf [13] . Das Die Ergebnisse neuer Studien bestärkten den Erfolg intravitrealer Anti-VEGF-Injektionen, insbesondere bei der proliferativen diabetischen Retinopathie. Hervorzuheben ist dabei ein Therapieschema nach dem sog. Protokoll S, bei dem erstmals 2015 in einer randomisierten Studie bei Patienten/Innen mit PDR der Vorteil einer kontinuierlichen repetitiven Therapie mit dem Anti-VEGF Ranibizumab gegenüber einer panretinalen Lasertherapie (2-3 Sitzungen mit ca. 1500 Herden) nachgewiesen wurde. In einem Follow-up von 2 Jahren verbesserte sich der Visus in der mit Anti-VEGF behandelten Gruppe im Vergleich zur Gruppe mit Lasertherapie signifikant, und auch die Rate der erforderlichen Vitrektomien war in ersterer Gruppe niedriger [14] . Der Vorteil des Algorithmus von Protokoll S wurde auch in einer aktuellen Posthoc-Studie bestätigt, wobei es unter einer solchen Therapie nach 6 Monaten in 56 % der Fälle zu einer Auflösung der Neovaskularisationen kam. Die Autoren/ Innen folgerten aus den Ergebnissen dieser Studie, dass unter der IVOM-Therapie mit weniger DME, höherem Visus und dauerhaft besserem Gesichtsfeld zu rechnen sei [15] . Ähnlich positive Ergebnisse Hypertonie · Diät, Essen und Ernährung · Adipositas · Diabetische Angiopathien · Migranten/Innen Diabetes update 2020: the most important points for medical practice Abstract At the virtual event Diabetes Update 2020, numerous new findings and recommendations on diagnosis, therapy and management of diabetes and related topics were presented, of which the topics type 2 diabetes, diabetes and heart, diabetes and pregnancy as well as vaccinations are described in detail in separate articles in the current issue of Der Diabetologe. In the following, the most important and, from the author's point of view, most relevant news from the other diabetes-related subject areas are briefly presented. Hypertension · Diet, food, and nutrition · Obesity · Diabetic angiopathies · Migrants Abb. 1 9 Reduktion der Knochendichte (BMD ["bone mineral density"]) 1 Jahr nach bariatrischen Operationen, mRYBG Roux-en-Y-Magenbypass ("Roux en Y gastric bypass"), GCP , operative Faltenbildung der großen Kurvatur mit Fixierung der Falte ohne Resektion von Gewebe (["greater curvature plication"], Modifikation der SG), SG Schlauchmagenanlage ("sleeve gastrectomy"). (Aus [7]) gegenüber einer panretinalen Lasertherapie ergaben sich in einer randomisierten kontrollierten Phase-2b-Studie mit dem Anti-VEGF Aflibercept, in welcher ebenfalls eine Regression der Neovaskularisation nachgewiesen wurde [16] . Abb. 3 9 Behandlung eines chronischen diabetischen Fußulkus mit topisch verabreichtem hyperbarem Sauerstoff [26] . Mit freundlicher Genehmigung von Advanced Oxygen Therapy, Inc. Knies gingen stark zurück [21] . In einer Studie aus dem Südwesten Englands wurde gefunden, dass die Inzidenz diabetesbedingter Majoramputationen der unteren Extremität signifikant invers mit der Bereitstellung von Fußbehandlungseinrichtungen korreliert ist und die Einführungen einer entsprechenden Infrastruktur innerhalb von 2 Jahren zu einer signifikanten Reduktion der Majoramputationen führte [22] . Im internationalen Vergleich sind die Amputationsraten der unteren Extremitäten in Deutschland hoch. In einer kürzlich publizierten populationsbasierten Beobachtungsstudie wurden die kompletten nationalen Krankenhausentlassungsdaten von 2005-2015 anhand der DRG-Einträge ausgewertet. Dabei ergab sich eine Reduktion der Zahl der Amputationen an den unteren Extremitäten, insbesondere von Majoramputa-tionen oberhalb des Knies, in diesem Zeitraum, die bei Frauen (-25 %) deutlich stärker ausgeprägt war als bei Männern (-2,6 %). Die Krankenhaussterblichkeit aller Fälle mit Amputationen an den unteren Extremitäten sank von 11,2 % im Jahr 2005 auf 7,7 % in 2017 [23] . Dies weist auf eine Verbesserung der Versorgung von Patienten/Innen mit einem diabetischen Fußsyndrom hin. Dennoch liegt die absolute Zahl an Amputationen in Deutschland deutlich höher als in anderen vergleichbaren Ländern wie den Niederlanden oder in England. Entsprechend einer internationalen Vergleichsstudie zu Amputationen im Jahr 2015 liegt Deutschland mit 9,2 Majoramputationen pro 100.000 Personen/ Jahr im höchsten Viertel; der OECD-Durchschnitt beläuft sich auf 6,4 Majoramputationen pro 100.000 Einwohner/ Jahr [24] . Die Ergebnisse einer kürzlich publizierten Studie fachten die Diskussion um den Stellenwert der hyperbaren Sauerstofftherapie zur Förderung der Abheilung diabetischer Fußgeschwüre neu an. In der randomisierten doppelblinden plazebokontrollierten (durch Scheinanwendung) Studie wurde die Effektivität einer häuslichen, zyklischen, topischen Sauerstoffdrucktherapie zur Behandlung von therapierefraktären diabetischen Fußulzera untersucht, die unter einer alleinigen Standardtherapie nicht zur Abheilung gebracht werden konnten. Die Ergebnisse waren ausgesprochen positiv: Nach 12 Wochen wurde unter der TWO2-Therapie in 42% der Betroffenen eine komplette Ulkusheilung erreicht; in der Kontrollgruppe waren es nur 14 %. In der mit TWO2 behandelten Gruppe waren 12 Monate nach Beginn der Studie 56 % der Ulzera abgeheilt, in der Kontrollgruppe 27 % ( [26] , . Abb. 3). Der Referent wies darauf hin, dass die Ergebnisse dieser Studie im Gegensatz zu bisher publizierten Untersuchungen stehen, in welchen kein Vorteil einer lokal applizierten Sauerstofftherapie festgestellt worden war. Er verwies aber auf den Beschluss des G-BA, nach dem diabetische Fußulzera ab Wagner-Stadi-um 2 unter bestimmten Bedingungen mit HBO behandelt werden dürfen (s. unten). Die Vorgaben des G-BA zum möglichen Einsatz der HBO setzen eine leitliniengerechte Therapie in einer für den diabetischen Fuß qualifizierten Einrichtung und Erfolglosigkeit der Standardtherapie voraus. Der Referent betonte, dass es wesentlich kostengünstigere Behandlungen des schweren diabetischen Fußulkus gibt, deren positive Wirkung in mehreren gut kontrollierten Studien eindeutig nachgewiesen wurde, wie z. B. den Einsatz des "total contact cast", der jedoch in Deutschland finanziell nicht vergütet wird. Six-month randomized, multicenter trial of closedloop control in type 1 diabetes Panretinal photocoagulation vs intravitreous ranibizumab for proliferative diabetic retinopathy. A randomized clinical trial Rationale and application of the protocol S antivascular endothelial growth factor algorithm for proliferative diabetic retinopathy Clinical efficacy of intravitreal Aflibercept versus panretinal photocoagulation for best corrected visual acuity in patients with proliferative diabetic retinopathy at 52 weeks (CLARITY): a multicentre, single-blinded, randomised, controlled, phase 2b, non-inferiority trial Association between vessel density and visual acuity in patients with diabetic retinopathy and poorly controlled type 1 diabetes Optical coherence tomography angiography versus fluorescein angiography in the diagnosis of ischaemicdiabeticmaculopathy Detection of clinically unsuspected retinal neovascularization with wide-field optical coherence tomography angiography A lack of decline in major nontraumatic amputations in Texas: contemporary trends, risk factor associations, and impact of revascularization Decreasing rates of major lower-extremity amputation in people with diabetes but not in those without: a nationwide study in Belgium Diabetes-relatedmajorlimbamputationincidence is strongly related to diabetic foot service provision and improves with enhancement of services: peer review of the South-West of England Amputation rates of the lower limb by amputation level-observationalstudyusingGermannational hospital discharge data from Lowerextremityamputationratesinpeople with diabetes as an indicator of health systems performance. A critical appraisal of data collection 2000-2011 by the Organization for Economic Cooperation and Development (OECD) Impact of severe diabetic kidney disease on the clinical outcome of autologous cell therapy in people with diabetes and critical limb ischaemia A multinational, multicenter, randomized, doubleblinded, placebo-controlled trial to evaluate the efficacy of cyclical topical wound oxygen therapy (TWO2) in the management of chronic diabetic foot ulcers: The TWO2 Study Beschluß des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Richtlinie Methoden vertragsärztlicher Versorgung. Hyperbare Sauerstofftherapie bei diabetischem Fußsyndrom. Beschlußdatum: 21.09.2017 Cardiovascular events and mortality in white coat hypertension: a systematic review and metaanalysis Nondipping nocturnal blood pressure predicts sleep apnea in patients with hypertension Bedtime hypertension treatment improves cardiovascular risk reduction: the hygia chronotherapytrial Are patients with hypertension and diabetes mellitus at increased risk for COVID-19 infection? 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Diabetes Care