key: cord-030631-cc79j9j4 authors: Marcus, Benjamin A.; Achenbach, Peter; Ziegler, Anette-Gabriele title: Typ-1-Diabetes: Früherkennung und Ansätze zur Prävention: Update 2020 date: 2020-08-19 journal: Diabetologe DOI: 10.1007/s11428-020-00668-x sha: doc_id: 30631 cord_uid: cc79j9j4 The incidence of type 1 diabetes is increasing, especially in young children. Early diagnosis is possible in the asymptomatic stage of islet autoimmunity. Screening is offered to high-risk families, but also feasible and useful in the general population, in studies such as Fr1da(plus) in Bavaria (Germany). Complications at clinical manifestation can be prevented by early diagnosis. Participation in experimental interventions to delay stage progression is possible. Numerous approaches to secondary prevention are being pursued. Treatment with the monoclonal antibody teplizumab successfully delayed progression to clinical diabetes in patients in stage 2. Infants at high risk for developing type 1 diabetes can be identified by genetic screening. Primary prevention pursues, among others, the goal of preventing the onset of the autoimmune reaction. The POInT trial aims to improve immune tolerance to insulin by oral exposure in high-risk children and to delay or prevent the onset of autoimmunity. Following up on the focus issue “Early detection and preventive treatment of type 1 diabetes” published in this journal in 2018, this article gives an update on selected developments over the past 2 years. Große prospektive Geburtskohorten haben unser Verständnis für die Entstehung des Typ-1-Diabetes und den natürlichen Verlauf dieser chronischen Autoimmunerkrankung entscheidend vorangebracht, und tun dies ist auch weiterhin. Wir kennen die genetischen Faktoren, die das Auftreten der Erkrankung begünstigen. Wir können einen Typ-1-Diabetes heute durch den Nachweis von Inselantikörpern diagnostizieren, lange bevor es zu Veränderungen des Glukosestoffwechsels oder gar zu Symptomen kommt. In einer bahnbrechenden Präventionsstudie konnten die klinische Manifestation bereits um mehrere Jahre hinausgezögert und die Betazellfunktion stabilisiert werden, was auch die Suche nach ei-ner kausalen Therapie befruchten könnte. Das immer bessere Verständnis der komplexen Vorgänge, die zur Fehlleitung des Immunsystems und zur fortschreitenden Zerstörung von Betazellen führen, eröffnet darüber hinaus verschiedene Ansatzpunkte, das Entstehen von Autoimmunität zu verhindern und den Prozess aufzuhalten. Im Themenheft dieser Zeitschrift Früherkennung und präventive Behandlung des Typ-1-Diabetes -Weichenstellungen für die Zukunft [1] vom Juni 2018 wurden diese Bereiche bereits ausführlich dargestellt. In diesem Beitrag sollen als Update ausgewählte neue Ergebnisse und Entwicklungen der letzten 2 Jahre vorgestellt werden. Der Nachweis von gegen unterschiedliche Betazellantigene gerichteten Autoantikörpern im Blut ist der etablierte und derzeit wichtigste Marker für den Autoimmunprozess, der den Typ-1-Diabetes charakterisiert. Es kommt zu einem Untergang der insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse durch autoreaktive T-Zellen mit zunächst langsam, dann kurz vor der Manifestation rasch abnehmender Insulinproduktion. Eine gestörte Glukosetoleranz lässt sich erst feststellen, wenn bereits ein Großteil der Betazellen ihrer Funktion nicht mehr nachkommen kann. Die 4 wesentlichen Autoantikörper sind Insulinautoantikörper (IAA), Glutamatdekarboxylaseautoantikörper (GADA), Antikörper ge-gen das insulinomassoziierte Antigen 2 (IA-2A) und Zinktransporter-8-Autoantikörper (ZnT8A). Autoantikörpern markiert das Frühstadium des Typ-1-Diabetes Der Nachweis von 2 oder mehr dieser Autoantikörper beim asymptomatischen Kind ohne gestörten Glukosestoffwechsel ist inzwischen als eines der Frühstadien des Typ-1-Diabetes (Stadium 1) anerkannt. Beim Stadium 2 liegen zudem mäßig erhöhte Nüchternglukosewerte und/oder eine gestörte Glukosetoleranz vor. Der (neu) manifestierte Typ-1-Diabetes nach gültigen klinischen und laborchemischen Kriterien ist das Stadium 3 (. Tab. 1). Anhand In der COVID-19-Pandemie leistet die Fr1da plus -Studie einen über die Typ-1-Diabetes-Früherkennung hinausgehenden Beitrag zur epidemiologischen Forschung. Mit einem von italienischen Wissenschaftlern entwickelten, nichtkommerziellen Verfahren werden die Kapillarblutproben auch auf IgG-Antikörper (IgG: Immunglobulin G) gegen die Rezeptorbindungsdomäne des S-Proteins von SARS-CoV-2 ("severe acute respiratory syndrome coronavirus 2") untersucht. Der Luciferaseimmunopräzipitationstest (LIPS) funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip wie der Nachweis von IAA [19] . Dabei wird auch auf anonymisierte Fr1da-Proben seit August 2019 zurückgegriffen. So kann die Immunitätslage von Kindern im stark betroffenen Bayern vor und im gesamten Verlauf der Pandemie ermittelt werden [13] . The incidence of type 1 diabetes is increasing, especially in young children. Early diagnosis is possible in the asymptomatic stage of islet autoimmunity. Screening is offered to highrisk families, but also feasible and useful in the general population, in studies such as Fr1da plus in Bavaria (Germany). Complications at clinical manifestation can be prevented by early diagnosis. Participation in experimental interventions to delay stage progression is possible. Numerous approaches to secondary prevention are being pursued. Treatment with the monoclonal antibody teplizumab successfully delayed progression to clinical diabetes in patients in stage 2. Infants at high risk for developing type 1 diabetes can be identified by genetic screening. Primary prevention pursues, among others, the goal of preventing the onset of the autoimmune reaction. The POInT trial aims to improve immune tolerance to insulin by oral exposure in high-risk children and to delay or prevent the onset of autoimmunity. Following up on the focus issue "Early detection and preventive treatment of type 1 diabetes" published in this journal in 2018, this article gives an update on selected developments over the past 2 years. Um zu prüfen, ob Teplizumab die klinische Manifestation verhindern kann, wurden in einer TrialNet-Studie Angehörige von Personen mit Typ-1-Diabetes behandelt, die selbst bereits ein Frühstadium mit multiplen Inselautoantikörpern und eine Dysglykämie oder gestörte Glukosetoleranz (Stadium 2) entwickelt hatten. Die Ergebnisse dieser Untersuchung, die für mehr als die Hälfte der Behandelten eine Verdoppelung der Zeit bis zur klinischen Erkrankung auf 4 Jahre ergaben, wurden im New England Journal of Medicine (NEJM) publiziert [14] . Somit konnte erstmals die Manifestation der Erkrankung wirksam hinausgezögert werden, was einen Durchbruch für die präventive Therapie des Typ-1-Diabetes darstellt. In die doppelblinde, randomisierte und plazebokontrollierte Phase-2-Studie wurden 76 Verwandte von Patienten mit Typ-1-Diabetes, 2 oder mehr Autoantikörpern und Dysglykämie eingeschlossen, mehrheitlich Kinder ab 8 Jahren und Jugendliche. Sie erhielten 2 Wochen lang 1-mal täglich Infusionen mit Teplizumab oder Kochsalz. Im Followup erfolgten mindestens halbjährlich Glukosetoleranztests, die Nachbeobachtungszeit betrug im Median etwas über 2 Jahre, 75 % der Probanden konnten über mehr als 3 Jahre nachverfolgt werden. Bei 19 (43%) der 44 mit Teplizumab behandelten Teilnehmenden und 23 (72 %) von 32 in der Plazebogruppe wurde ein klinischer Typ-1-Diabetes diagnostiziert. Im ersten Jahr nach der Behandlung war der Effekt besonders ausgeprägt: Hier manifestierte sich die Erkrankung nur bei 3 (7 %) Teilneh-mern in der Teplizumab-vs. 14 (44 %) in der Plazebogruppe. Jährlich erkrankten 14,9 % Auf den diesjährigen "Scientific Sessions" der "American Diabetes Association" (ADA) wurden Daten aus dem erweiterten Follow-up der Studie vorgestellt -und bei der medianen Hinauszögerung noch ein weiteres, 3., Jahr hinzugefügt. Zudem war Teplizumab in der Lage, den C-Peptid-Abfall nach Manifestation nicht nur zu bremsen, sondern signifikant umzukehren. Dies könnte bedeuten, dass nicht nur die Zerstörung der Betazellen gestoppt, sondern auch die Insulinproduktion in dysfunktionalen Zellen teilweise wiederhergestellt wurde [26] . Auch wenn derzeit noch "nur" davon ausgegangen werden sollte, dass sich für die behandelten Patienten der Beginn der Erkrankung weiter in die Zukunft verschiebt und der Effekt bei einer dauerhaft therapiebedürftigen Erkrankung moderat erscheinen mag, wirkt sich gerade bei Kindern jedes gewonnene klinisch gesunde Jahr noch weit mehr aus als im Erwachsenenalter. Für eine individualisierte Sekundärprävention interessant wird die Tatsache, dass anhand von Biomarkern -HLA-Merkmalen (HLA: humanes Leukozytenantigen) und dem Fehlen von ZnT8A -abgeschätzt werden kann, bei welchen Patienten ein Ansprechen auf die Anti-CD3-Behandlung bessere Erfolgschancen hat [28] . Inzwischen wurden mehr als 60 Genloci identifiziert, die in unterschiedlichem Ausmaß für das Entstehen eines Typ-1-Diabetes prädisponieren. Die meisten davon sind mit der Immunantwort so-wie der Entwicklung und dem Erhalt von Toleranz gegenüber Antigenen assoziiert [4] . Die genetische Empfänglichkeitalleinführtaberwahrscheinlichnicht zum Entstehen der Inselautoimmunität. Es wird angenommen, dass Umweltfaktoren, die auf eine genetische Prädisposition treffen, entscheidend mit zur Initiierung des Autoimmunprozesses beitragen. Dabei liegt es nahe, dass dem frühen Säuglingsalter, in dem dieser Prozess noch nicht in Gang gekommen ist, eine besondere Bedeutung zukommt [23] . Nichtpharmakologische Interventionen zielen auf die Zusammensetzung der Ernährung und ggf. gezielte Supplementationen ab, auch das Darmmikrobiom rückt immer mehr in den Fokus [33] . In der interventionellen Präventionsstudie BABYDIET wurde gezeigt , dass -obwohl die zu frühe Einführung von Gluten mit der Beikost, vor dem 3. Lebensmonat, mit einem höheren Risiko einhergeht -eine darüber hinausgehende glutenfreie Ernährung das Entstehen der Inselautoimmunität nicht verhindert. Auch durch Elimination anderer potenziell antigener Proteine durch die Verwendung stark hydrolysierter Säuglingsmilch konnte in der prospektiven TRIGR-Studie die Diabetesinzidenz nicht gesenkt werden [16, 18] . Es lassen sich weiterhin keine über die allgemeingültigen Empfehlungen zu einer gesunden Säuglingsernährung hinausgehenden Ernährungsmaßnahmen zur Senkung des Typ-1-Diabetes-Risikos ableiten. Die Identifikation von Neugeborenen und Säuglingen mit einem hohen genetischen Typ-1-Diabetes-Risiko ist heute einfach und kostengünstig möglich, sodass sie auch in bevölkerungsweiten Studien angeboten werden kann. Die "Global Platform for the Prevention of Autoimmune Diabetes" (GPPAD), ein Netzwerk kooperierender Wissenschaftler und Institutionen [37] , führt dies seit 2017 regional in 5 europäischen Ländern durch. In Deutschland wird das Virusinfekte werden mit dem Typ-1-Diabetes in Verbindung gebracht, insbesondere virale Atemwegsinfekte in der frühen Kindheit und Infektionen mit Enteroviren und Durchfallerregern. Hier könnten zukünftig entsprechende Impfungen, z. B. gegen Coxsackie-Viren [31] , oder antivirale Therapien zur Senkung des Erkrankungsrisikos beitragen [10] . Dervorfast15 Jahreneingeführten Rotavirenimpfung wird ein kürzlich festgestellter geringer Rückgang der Diabetesinzidenz bei vollständig geimpften Kindern zugeschrieben. Hinweise hierzu lieferten retrospektive Auswertungen aus Australien und den USA [24, 27] , wobei die Ergebnisse einer weiteren amerikanischen Analyse dies zuletzt wieder in Frage stellten [11] . Zumindest lässt sich sicher sagen, dass auch die Rotavirenimpfungso wie alle anderen empfohlenen Schutzimpfungen -sich keinesfalls negativ auf das Typ-1-Diabetes-Risiko auswirkt. Die erstmalige, wirksame Verzögerung der Manifestation mit Teplizumab allein ist schon bemerkenswert [32] , die mögliche Reaktivierung zuvor nicht sezernierender Betazellen könnte auch die Entwicklung kausaler Therapien mit vorantreiben. In größeren Studien mit mehreren Behandlungszyklen und in der weite-ren langfristigen Nachbeobachtung der Studienpatienten wird das Potenzial der Substanz weiter untersucht werden. Die Kombination mit anderen, schon im frühen Stadium 3 in klinischen Studien eingesetzten, vielversprechenden und verträglichen Immunmodulatoren wie z. B. Abatacept oder niedrig dosiertem Antithymozytenglobulin, die an anderen Stellen der Pathogenese des Typ-1-Diabetes angreifen [5, 9] , sowie mit weiteren aufkommenden betazellregenerativen Therapien wird bereits geplant. Studien zur Früherkennung stoßen bei Eltern auf Zuspruch, und auch Familien, die bisher nicht von Typ-1-Diabetes betroffen waren, sind am Angebot primärer und sekundärer Präventionsstudien sehr interessiert. Die Möglichkeit, Komplikationen bei der Manifestation zu verhindern und erste Erfolge in der medikamentösen Sekundärprävention werden die schon länger geführte Debatte um eine Verstetigung und Ausweitung von Typ-1-Diabetes-Früherkennungsuntersuchungen, z. B. als zusätzliches Angebot bei den gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen, sicher befruchten [22] . Früherkennung und präventive Behandlung des Typ-1-Diabetes Typ-1-Diabetes im asymptomatischen Frühstadium Classification and diagnosis of diabetes: standards of medical care in diabetes-2020 Type 1 diabetes The challenge of modulating β-cell autoimmunity in type 1 diabetes Type 1 diabetes trialnet: a multifaceted approach to bringing disease-modifying therapy to clinical use in type 1 diabetes Predicting type 1 diabetes using biomarkers Birth and coming of age of islet autoantibodies A future for CD3 antibodies in immunotherapy of type 1 diabetes Rationale for enteroviral vaccination and antiviral therapies in human type 1 diabetes Association betweenRotavirusvaccinationandtype1diabetes in children Teplizumab preserves C-peptide in recent-onset type 1 diabetes: two-year results from the randomized, placebo-controlled Protégé trial Etablierte Früherkennungsstudie zu Typ-1-Diabetes testet nun Tausende Kinder auch auf Antikörper gegen SARS-CoV-2 An anti-CD3 antibody, teplizumab, in relatives at risk for type 1 diabetes Landmark models to define the age-adjusted risk of developing stage 1 type 1 diabetes across childhood and adolescence Prevention strategies for type 1 diabetes: a story of promising efforts and unmet expectations Recruiting young pre-symptomatic children for a clinical trial in type 1 diabetes: Insights from the Fr1da insulin intervention study Effect of hydrolyzed infant formula vs conventional formula on risk of type 1 diabetes: the TRIGR randomized clinical trial Ketoacidosis at onset of type 1 diabetes in children up to 14 years of age and the changes over a period of 18 years in Saxony, Eastern-Germany: A population based register study Immunological biomarkers for the development and progression of type 1 diabetes Screening for type 1 diabetes: are we nearly there yet? Type 1 diabetes-early life origins and changing epidemiology Association of rotavirus vaccination with the incidence of type 1 diabetes in children Treatment of type 1 diabetes with teplizumab: clinical and immunological followup after 7 years from diagnosis Provention bio's teplizumab continued to significantly delay the onset of insulin-dependenttype1diabetes(T1D)inpresymptomatic patients Lower incidence rate of type 1 diabetes after receipt of the rotavirus vaccine in the United States Traveling down the long road to type 1 diabetes mellitus prevention Who is enrolling? The path to monitoring in type 1 diabetestrialnet'spathwaytoprevention Continuous glucose monitoring predicts progression to diabetes in autoantibody positive children A hexavalent coxsackievirus B vaccine is highly immunogenic and has a strong protective capacity in mice and nonhuman primates Delaying diabetes onset The human gut microbiome in early-onset type 1 diabetes from the TEDDY study Früherkennung des Typ-1-Diabetes in der Fr1da-Studie Identification of infants with increased type 1 diabetes genetic risk for enrollment into Primary Prevention Trials-GPPAD-02 study design and first results Why is the presence of autoantibodies against GAD associated with a relatively slow progression to clinical diabetes? Oral insulin therapy for primary prevention of type 1 diabetes in infants with high genetic risk: the GPPAD-POInT (global platform for the prevention of autoimmune diabetes primary oral insulin trial) study protocol Yield of a public health screening of children for islet autoantibodies in Bavaria