key: cord-020789-slsfhrkx authors: Kleines, Michael title: Virale Atemwegserkrankungen – Influenza, RSV und neue Viren date: 2017-10-27 journal: nan DOI: 10.1055/s-0043-114856 sha: doc_id: 20789 cord_uid: slsfhrkx nan Atemwegsinfektionen sind häufig und werden meist durch Viren ausgelöst. Bei den meisten Fällen ist der obere Respirationstrakt betroffen, aber bei bis zu einem Drittel der Fälle werden auch Erkrankungen des unteren Respirationstrakts beobachtet. Dabei kann es u. a. zur Bronchitis, zu Exazerbationen chronisch obstruktiver Atemwegserkrankungen oder zu ambulant erworbenen Pneumonien kommen. Die Hauptlast der Respirationstraktinfektionen tragen Kinder. Kinder machen etwa 5-6 akute Atemwegserkrankungen im Jahr durch, die mit einer obstruktiven Klinik einhergehen. Es gibt Hinweise, dass genetische Faktoren des Wirts symptomatische Infektionen mit Respirationstraktpathogenen begünstigen, z. B. ein einzelner Nukleotidaustausch im Interleukin-4-Gen [1] . Die große Mehrheit der Atemwegsinfektionen wird in Mitteleuropa von Viren ausgelöst. Trotzdem werden viele Patienten mit Antibiotika behandelt. Virusinfektionen des Respirationstrakts verändern die Zusammensetzung des Bakterioms des oberen Teils und begünstigen die bakterielle Kolonisierung des unteren Respirationstrakts. Beides erleichtert die Entwicklung einer Pneumonie im Rahmen einer bakteriellen Superinfektion [2] . Infektionen mit viralen Respirationstraktpathogenen können auch Erkrankungen beeinflussen, die sich außerhalb des Respirationstrakts manifestieren. So wurde eine Assoziation von Infektionen des oberen Respirationstrakts mit Schüben der Multiplen Sklerose postuliert [3] . Für andere, bereits bekannte Viren wurde ein größeres pathogenes Potenzial festgestellt (Rhinoviren, Enteroviren). Zur Orientierung über die jeweils aktuell in Deutschland zirkulierenden respiratorischen Viren und deren typische Saisonalität steht seit einigen Jahren der Internetauftritt des Netzwerks für respiratorische Viren zur Verfügung (http://rvdev.medical-dpc.com/ inhalte/start-viren.html; ▶ Abb. 1). Früher bewährte Verfahren (z. B. Virusanzucht oder Antikörpernachweis) sind nicht mehr Methode der Wahl, weil sie zeitaufwendig und nicht für alle Erreger im Routinelabor verfügbar sind (Virusanzucht) oder weil Sensitivität und Spezifität für den Nachweis akuter Infektionen nicht ausreichen (Antikörpernachweis). Heutzutage sind Virusdirektnachweise durch Nukleinsäureamplifikationsverfahren, z. B. Polymerasekettenreaktion (PCR) oder isothermale Amplifikationsverfahren, die diagnostischen Methoden der Wahl für den Nachweis respiratorischer Viren. Die Bedeutung der entsprechenden Viren ließ sich nur durch die Anwendung moderner molekularer Methoden erkennen, und sie werden auch am besten durch molekulare Verfahren diagnostisch erfasst. In den letzten Jahren hat es eine Weiterentwicklung der verfügbaren Technologien (ausgehend von der für ein einzelnes Virus spezifischen Standard-PCR mit einem Zeitbedarf von 2-3 h) in 2 Richtungen gegeben: Zum einen sind nun Multiplexverfahren verfügbar, die organsystemorientiert alle relevanten Erreger für ein definiertes Krankheitsbild in einem Reaktionsansatz nachweisen können, z. B. für bis zu 19 verschiedene respiratorische Viren. Zum anderen sind Point-of-Care-Systeme entwickelt worden, die in wenig störanfälligen geschlossenen Systemen den Nachweis von Viren in sehr kurzer Zeit ermöglichen und geeignet sind für nicht speziell in molekularen Verfahren geschultes Personal. Der Nachweis von Influenzaviren durch Nukleinsäureamplifikation ist mittlerweile in einer Reaktionszeit von 15 min möglich. Die Bedeutung, die Next-Generation-Sequencing-Verfahren für das Routinelabor gewinnen werden, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen [4, 5] . Parallel zur Entdeckung weiterer viraler Respirationstraktpathogene hat es auch Fortschritte im Bereich der Entwicklung antiviraler Wirkstoffe sowie Impfstoffen gegeben. Davon hat die Möglichkeit zum Management von Influenzavirusinfektionen am meisten profitiert. Aber auch für das Management von RSV-Infektionen und Infektio-nen mit anderen respiratorischen Viren deuten sich substanzielle Fortschritte an. So sind mittlerweile 16 Impfstoffkandidaten für RSV in klinischer Entwicklung. Zusätzlich sind vielversprechende spezifisch antiviral wirkende Substanzen in der Entwicklung, u. a. monoklonale Antikörper [6, 7] . Biologie Virustypen Influenzavirusinfektionen lassen sich weltweit nachweisen. Sie werden ausgelöst durch den Influenza-A-, Influenza-B-und Influenza-C-Virus aus der Familie der Orthomyxoviren. Die genannten Virustypen werden aufgrund der Sequenzinformation des viralen Ribonukleoproteins unterschieden. Influenza-C-Viren sind überwiegend humanspezifisch, wurden aber auch aus Schweinen isoliert [8] . Sie haben im Vergleich zu Influenza-A-und Influenza-B-Viren ein reduziertes pathogenes Potenzial. Auch Influenza-B-Viren lassen sich überwiegend in Menschen nachweisen, aber auch in Seehunden und Pferden [8] . Influenza-A-Viren dominieren in verschiedenen Wasservogelarten, können aber auch Säugetierspezies infizieren. Dazu gehören neben dem Menschen u. a. Pferde, Schweine und Seehunde. Influenza-A-Viren teilt man anhand der Sequenz ihrer Oberflächenantigene Hämagglutinin (H) und Neuraminidase (N) in Subtypen (z. B. H1N1) ein: man unterscheidet 18 H-Varianten und 11 N-Varianten [9] . Die meisten der denkbaren Kombinationsmöglichkeiten von H und N wurden in der Natur bereits beobachtet. Menschliche Infektionen wurden in der Vergangenheit überwiegend durch die Subtypen H1N1, H2N2 und H3N2 ausgelöst. Es ließen sich aber auch humane Infektionen mit H5, H6, H7, H9 und H10 beobachten (▶ Tab. 1). Merke Sowohl Antigenic Drift als auch Antigenic Shift führen zu neuen Influenzavirusvarianten, die den durch den Wirtsorganismus aufgebauten Immunschutz unterlaufen und so zu neuen Ausbrüchen führen können. Influenzavirusinfektionen treten saisonal in der kalten Jahreszeit auf, sodass es auf jeder Erdhalbkugel alljährlich eine eigene Grippewelle gibt. Im Rahmen dieser Grippewellen werden schätzungsweise 5-20 % der Bevölkerung im Ausbruchsgebiet durch Influenzaviren infiziert. Auch außerhalb der klassischen Influenzasaison werden Influenzavirusinfektionen labortechnisch nachgewiesen. Diese können u. U. zu örtlich und zeitlich limitierten Kleinstausbrüchen führen [10] . Grundlage der alljährlichen Grippewelle ist die Antigenic Drift, durch die Virusvarianten immer wieder auf eine durch Vorjahresinfektionen nicht optimal geschützte Bevölkerung treffen. Influenza-B-Viren sindje nach Saisonfür 1-60 % aller Influenzavirusinfektionen verantwortlich. Meist schwankt der Anteil der Influenza-B-Viren zwischen 15 % und 35 %. Der Anteil der Influenza-B-Virus-Infektionen steigt zum Ende der Influenzasaison an. Seit mehr als 20 Jahren zirkulieren 2 durch Antigenic Drift auseinander hervorgegangene Influenza-B-Virus-Linien. Jeweils einer davon dominiert in einer Saison stark. Für die beiden Influenza-B-Virus-Linien besteht keine Kreuzprotektion [11] . Häufig sind Superinfektionen durch Bakterien oder Pilze, die 5-10 Tage nach der Influenzavirusinfektion auftreten [10] . Eine wichtige Erkrankung aus der Gruppe der grippalen Infekte des unteren Respirationstrakts ist die Bronchitis. Sie ist die zweithäufigste Grundlage für das Ausstellen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Die Ursache für Bronchitis ist bei Patienten ohne schwere Grunderkrankungen häufig nicht bakteriell. Trotzdem werden oft Antibiotika verschrieben. Eine Auswertung randomisierter Studien ergab nur marginale Vorteile (eine um einen halben Tag verkürzte Hustendauer, aber keine signifikante Verkürzung der Krankheitsdauer) bei mit Antibiotika behandelten Patienten gegenüber Placebogruppen [12] . Es konnte abgeleitet werden, dass in Deutschland Influenzaviren während der Influenzasaison für bis zu 25 % der akuten Bronchitisfälle verantwortlich sind [10] . Auch andere respiratorische Viren spielen hier eine wichtige Rolle. Aufgrund des hohen Änderungspotenzials von Influenzaviren durch Antigenic Drift und Antigenic Shift ist das Auftreten neuer humanpathogener Influenzaviren ein regelmäßiges Phänomen. In der Regel handelt es sich nur um geringe Veränderungen durch Punktmutationen von Saison zu Saison. Aber auch diese haben medizinisch relevante Konsequenzen, da eine jährliche Überprüfung und ggf. Anpassung der Impfstoffzusammensetzung nötig ist. Die WHO empfiehlt, den etablierten trivalenten durch einen quadrivalenten Impfstoff zu ersetzen. Grund ist das Neuauftreten der zweiten, nicht kreuzprotektiven Linie des Influenza-B-Virus durch die mangelnde Vorhersehbarkeit des in der nächsten Saison dominierenden Stamms. Die Saison 2015/2016 hat wieder die Notwendigkeit des quadrivalenten Impfstoffs unterstrichen, da auch in dieser Saison im Impfstoff keine schützende Komponente gegen das Influenza-B-Virus vorhanden war. Möglicherweise ist dies die Grundlage für die beobachtete hohe Zahl an Influenza-B-Virus-Infektionen. Influenza-A-Viren haben aufgrund des hier möglichen Antigenic Shift ein noch viel größeres Änderungspotenzial. Seit 1997 (H5N1, ▶ Tab. 1) kommt es in kurzer Folge immer wieder zum Auftreten von Influenza-A-Virus-Subtypen, die den Speziessprung z. B. vom Vogel in den Menschen schaffen und dort zu Infektionen mit hoher Letalität führen können. Letzter wichtiger Vertreter dieser Reihe, die von Subtypen mit den Hämagglutininkomponenten H5, H7 und H9 dominiert wird, ist ein Influenza-A-Virus vom Subtyp H7N9, das 2013 in China nachgewiesen wurde und eine größere Zahl humaner Infektionen verursacht hat (▶ Tab. 1). Dieses Virus hat eine Letalität von bis zu 39 %. Mehr als 60 % der Todesfälle hatten eine Grunderkrankung. Nach 2010 ist es zusätzlich zu vereinzelten humanen Fällen von H5N6, H6N1 und H10N8 gekommen, sowie einer Anzahl von humanen Infektionen mit H3N2v, einem Schweineinfluenzavirus, das sehr verschieden vom humanen H3N2-Subtyp ist [13] . Bisher hat keiner der im vorhergehenden Abschnitt genannten Virusstämme das Potenzial entwickelt, sich effizient von Mensch zu Mensch auszubreiten. Aus diesem Grund ist es bisher noch nicht zu einer Pandemie mit humanen Infektionen mit einem dieser Viren gekommen. Bei Fledermäusen wurden in den letzten Jahren die Influenza-A-Virus-Subtypen H17N10 und H18N11 neu entdeckt. Zurzeit gibt es keinen Hinweis, dass menschliche Infektionen mit diesen Subtypen möglich sind. 2009 kam es zu einer humanen Influenzapandemie mit dem varianten Influenza-A-Virus-Subtyp H1N1 (Schweinegrippe). In Deutschland wurden mehr als 226 000 Fälle gemeldet. Morbidität und Letalität waren geringer als in den Jahren, die von den bekannten saisonalen Stämmen dominiert waren. Zu letalen Verläufen kam es in Deutschland weit überwiegend bei Patienten mit Grunderkrankungen. Auffällig war allerdings die weltweit hohe Gefährdung von Kleinstkindern und Schwangeren. Nur in Japan gab es keine signifikante Erhöhung der Letalität bei Schwangeren. Hier wurde eine Durchimpfungsrate der Schwangeren von 67 % erreicht. 95 % der infizierten Schwangeren wurden mit Oseltamivir behandelt, 88 % davon innerhalb von 2 Tagen nach Symptombeginn. Als Ursache der besonders guten epidemiologischen Situation bei Schwangeren während der Pandemie 2009 in Japan ist das effiziente Management von Prävention und Therapie der Influenzavirusinfektion anzunehmen [14] . Während der Influenzasaison lässt sich eine Influenza i. d. R. anhand von klinischen Symptomen diagnostizieren. Auf eine labordiagnostische Abklärung kann man im ambulanten Bereich dann verzichten. Bei sporadischen Fällen oder zu Beginn der Influenzasaison oder bei schweren Verläufen sollte die Labordiagnostik auf jeden Fall erfolgen. Gute Gründe für die Durchführung der Diagnostik sind ebenso die Möglichkeit zur Durchführung von Kohortierungsmaßnahmen oder die Erfassung der Infektionsepidemiologie (Wirksamkeit der Impfung, Zuordnung von Krankheitslast zu Virustypen und -subtypen). Goldstandard für die Diagnostik von Influenzavirusinfektionen war lange Zeit die Virusisolation aus Patientenmaterial durch Anzucht auf geeigneten Zellkulturen. Aufgrund der heute zur Verfügung stehenden schnelleren, sensitiveren und automatisierbaren Verfahren ist die Virusanzucht in der täglichen Routine aber in den Hintergrund getreten. Serologische Antikörpernachweisverfahren sind ebenfalls seit langer Zeit verfügbar und werden nach wie vor häufig vom klinisch tätigen Arzt angefordert. Aufgrund von eingeschränkter Sensitivität und Spezifität der Antikörpernachweisverfahren ist der positive Vorhersagewert positiver Antikörpernachweise für eine frische Influenzavirusinfektion gering. Somit ist der Antikörpernachweis im Wesentlichen für epidemiologische Fragestellungen oder für Infektionsnachweise in einer späten Erkrankungsphase von Bedeutung, wenn Direktnachweise nicht mehr zum Ziel führen. In der frühen Phase der Influenzavirusinfektion ist der Virusdirektnachweis heute die Methode der Wahl. Zur Verfügung stehen: In der Frühphase der Impfstoffentwicklung wurden trivalente (2 Influenza-A-Virus-Stämme, 1 Influenza-B-Virus-Stamm) Ganzvirus-Impfstoffe der 1. Generation zugelassen, die eine optimale Immunantwort auslösten, aber ein großes Nebenwirkungsspektrum zeigten. Die Spaltvirus-Impfstoffe der 2. Generation, die auch heute noch verfügbar sind, zeigen nur noch ein mäßiges Nebenwirkungsspektrum bei suboptimaler Immunantwort. Die Subunit-Impfstoffe der 3. Generation zeigen ein geringes Nebenwirkungsspektrum bei einer zur 2. Generation der Impfstoffe vergleichbaren Immunantwort bzw. Schutzwirkung. Die adjuvantierten Impfstoffe der 4. Generation verbinden starke Immunantwort mit geringem Nebenwirkungsspektrum. In der Vergangenheit wurden auch Impfstoffe gegen neue Virusvarianten zugelassen, z. B. den Influenza-A-Virus-Subtyp H5N1 (Vogelgrippe), sowie Pandemieimpfstoffe, die eine schnelle Adaptation eines Basisimpfstoffs an einen pandemischen Influenza-A-Virus erlauben sollen. Bocaviren werden durch Nukleinsäureamplifikation nachgewiesen. Andere Verfahren spielen in der Routinediagnostik heute keine Rolle (▶ Tab. 4). Die Viren sind sowohl durch singuläre PCRs erfassbar als auch in gängigen Multiplex-PCRs für respiratorische Viren enthalten. Eine frische Bocavirusinfektion lässt sich nur auf Basis einer mittleren bis hohen Viruslast (> 10 000 Kopien/ml) diagnostizieren. Die Diagnose wird durch die monatelange Persistenz von Bocavirus-DNA erschwert. Im Fall von Persistenz ist die Viruslast i. d. R. niedrig. Es gibt keine Arznei-oder Impfstoffe, spezifische Therapeutika oder Vakzine sind entweder nicht zugelassen oder in keinem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium [27] . Enteroviren gehören zur Gattung Enterovirus in der Familie der Picornaviren. Die Gattung umfasst 4 Enterovirusspezies (Enterovirus A-D) und 3 Rhinovirusspezies (Rhinovirus A-C). Die unterschiedlichen Enterovirustypen können Ursache eines großen Erkrankungsspektrums sein, das von exanthematischen Erkrankungen und Fieber über Myokarditis/Perikarditis und Lähmungen bis hin zur Enzephalitis reichen kann. Enteroviren sind die häufigste Ursache viraler Meningitiden. Einige Enterovirustypen werden nur im Respirationstrakt nachgewiesen. Diese gehören überwiegend zu den Enterovirusspezies C und D. Diese Virustypen sind weltweit verbreitet und können Symptome von der banalen Infektion des oberen Respirationstrakts bis hin zur Pneumonie auslösen [28] . Schwere Verlaufsformen treten überwiegend bei Kindern und Patienten mit Grunderkrankungen aus. Aufgrund der großen Zahl an respiratorischen Enterovirustypen ist die Seroprävalenz hoch. Es gibt keine spezifischen Arznei-oder Impfstoffe, spezifische Therapeutika oder Vakzine sind für respiratorische Enteroviren nicht zugelassen. Der Wirkstoff Pleconaril ist in vitro gut wirksam, führte in klinischen Studien aber häufig zur Aggravierung der Symptome und hat daher keine Zulassung zur Therapie von Patienten mit respiratorischen Infektionen erhalten. Der Wirkstoff wurde in Einzelfällen erfolgreich bei ZNS-Infektionen durch Enteroviren eingesetzt [10] . Die neue systematische Einordnung der humanen Rhinoviren fasst sie zu 3 Spezies (Rhinovirus A-C) zusammen und ordnet sie der Gattung Enterovirus in der Familie der Picornaviren zu. Man kann über 100 Rhinovirustypen unterscheiden. Bis 2006 wurden durch molekularbiologische Untersuchungen mehr als 50 nicht anzüchtbare Rhinoviren neu entdeckt. Diese fasste man in der dafür neu geschaffenen Spezies Rhinovirus C zusammen. Merke Bei bis zu 20 % der Kinder ist eine Apnoeepisode das erste Symptom einer RSV-Infektion [32] . Die Infektion der unteren Atemwege durch RSV bei Kleinkindern ist ein signifikanter Risikofaktor für Giemen und Asthma in der ersten Lebensdekade, aber möglicherweise auch in der Adoleszenz und bei Erwachsenen. Die Lungenfunktion kann bei diesen Kindern langfristig gestört sein und zu eingeschränkter Lebensqualität und überdurchschnittlichem Arztkontakt führen [33] . Goldstandard für die Diagnostik von RSV war lange Zeit die Virusisolation aus Patientenmaterial durch Anzucht auf geeigneten Zellkulturen. Aufgrund der heute zur Verfügung stehenden schnelleren, sensitiveren und automatisierbaren Verfahren ist die Virusanzucht in der täglichen Routine aber in den Hintergrund getreten. Serologische Antikörpernachweisverfahren sind ebenfalls seit langer Zeit verfügbar und werden nach wie vor häufig vom klinisch tätigen Arzt angefordert. Aufgrund von eingeschränkter Sensitivität und Spezifität der Antikörpernachweisverfahren ist der positive Vorhersagewert positiver Antikörpernachweise für eine frische RSV-Infektion gering. Somit ist der Antikörpernachweis im Wesentlichen für epidemiologische Fragestellungen oder für Infektionsnachweise in einer späten Erkrankungsphase von Bedeutung, wenn Direktnachweise nicht mehr zum Ziel führen. In der frühen Phase der RSV-Infektion ist der Virusdirektnachweis heute die Methode der Wahl. Es stehen Schnelltests (Immunchromatografie), Antigennachweise durch ELISA, Antigennachweise durch Immunfluoreszenztest (IFT) und Nukleinsäureamplifikationsverfahren zur Verfügung (PCR, isothermale Amplifikationsverfahren). Die Sensitivität der Schnelltests liegt bei 75,3 % und die Spezifität bei 98,7 % im Vergleich zur PCR-Diagnostik [34] . Die molekulare Diagnostik ist also deutlich überlegen. Mittlerweile sind auch molekulare Verfahren verfügbar, die bezüglich der Geschwindigkeit mit den Schnelltests konkurrieren können (isothermale Amplifikation). Therapie der Wahl ist heute die symptomatische Therapie mit angemessener Flüssigkeits-und Sauerstoffversorgung. Eine Therapie mit Ribavirin kann erwogen werden, ist aber aufgrund der Schwierigkeiten und Gefahren bei der Administration sowie der im Normalfall schon absinkenden Viruslast bei Symptombeginn nur für immunkompromittierte Patienten empfohlen. In Entwicklung befinden sich die Wirkstoffe GS-5806 (Presatovir) und ALS-008176, die beide Phase-II-Studien erfolgreich abgeschlossen haben. Bei GS-5806 handelt es sich um einen kleinen, oral administrierbaren Fusionsinhibitor, der die Viruslast und die Mukusproduktion reduziert sowie die Gesamtsymptomatik verbessert. ALS-008176 ist ein Cytosin-Nukleosid-Analogon, das als Prodrug oral administrierbar ist. Der Wirkstoff reduziert die Viruslast [32] . Weitere Wirkstoffkandidaten befinden sich in weniger weit fortgeschrittenen Entwicklungsstadien. Zurzeit steht nur ein einziger Wirkstoff zur Immunprophylaxe zur Verfügung. Es handelt sich dabei um den gegen das F-Protein von RSV gerichteten monoklonalen Antikörper Palivizumab. Der Wirkstoff wird während der RSV-Saison monatlich administriert. Er führt zu einer Reduktion der Hospitalisierungen um 50 %. Aufgrund der hohen Kosten wird Palivizumab nur bei definierten Risikopatienten wie ehemaligen Frühgeborenen unter 32 SSW oder Säuglingen mit Herzfehlern eingesetzt. Die Verwendung aktueller epidemiologischer Daten zu RSV, wie sie das RespVir-Netzwerk zu Verfügung stellt, könnte die RSV-Saison präziser definieren und so zu einem ökonomischeren Einsatz von Palivizumab führen. ALX-0171, ein Nanoantikörper (monomere variable Domäne eines klassischen Antikörpers), reduziert Viruslast und Virusreplikation. Der Wirkstoff hat gerade für Kinder unter 2 Jahren eine Phase-I/II a-Studie erfolgreich durchlaufen, eine Phase-II-Studie beginnt in diesem Jahr. Weiter fortgeschritten ist die klinische Testung von REGN2222, einem humanen monoklonalen IgG-Antikörper, der gegen das F-Protein gerichtet ist. Hier wird im Jahr 2017 eine Phase-II-Studie bei Frühgeborenen abgeschlossen [32] . Zurzeit ist kein aktiver Impfstoff gegen RSV verfügbar. Dies ist auf die Schwierigkeit zurückzuführen, gleichzeitig eine hinreichend lang protektive Immunantwort zu induzieren, aber VED (vaccine induced disease) zu vermeiden. VED wurde in den 1960er-Jahren beim ersten Versuch der Impfstoffentwicklung mit einem formalininaktivierten RSV-Stamm beobachtet. Welche Aussage zu Bocaviren ist richtig? A Auslöser der meisten respiratorischen Bocavirusinfektionen ist die Spezies HBoV3. B Bei der Diagnostik von Bocavirusinfektionen steht die Serologie im Vordergrund. C Ein Impfstoff gegen Bocaviren befindet sich in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium. D Bocaviren verursachen ausschließlich banale Infektionen des oberen Respirationstrakts. E Nur eine Viruslast > 10 000 Kopien/ml zeigt eine frische Bocavirusinfektion an. Welche Aussage zu Entero-und Rhinoviren ist falsch? A Es wurden mehr als 100 Rhinovirustypen identifiziert. B Entero-und Rhinoviren gehören beide zur Familie der Picornaviren. C Enterovirus D68 ruft leichte bis schwere Respirationstrakterkrankungen hervor. D Entero-und Rhinoviren lassen sich ausschließlich durch serologische Verfahren nachweisen. E Es gibt keine antiviralen Impfstoffe gegen Rhino-und Enteroviren. Entwicklung befinden sich mehrere lebend attenuierte Impfstoffkandidaten in Phase-I-und Phase-II-Studien, mehrere vektorbasierte Impfstoffkandidaten in Phase-Iund Phase-II-Studien und proteinbasierende Impfstoffkandidaten in Phase-I-bis Phase-III-Studien Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt Studium der Biologie in Aachen. 1993-1997 Promotion am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln. 1997-2010 Institut für Medizinische Mikrobiologie in Aachen Leiter der Virologie am Labordiagnostischen Zentrum, Aachen. Korrespondenzadresse PD Dr. Michael Kleines Bereichsleiter Virologie/Serologie Labordiagnostisches Zentrum Universitätsklinikum Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen mkleines@ukaachen.de Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Dr Erstveröffentlichung Dieser Beitrag ist eine aktualisierte Version des Artikels: Kleines M. Virale Atemwegserkrankungen -neue Viren The role of host genetic factors in respiratory tract infectious diseases: systematic review, meta-analyses and field synopsis The role of respiratory viruses in the etiology of bacterial pneumonia Factors associated with onset, relapses or progression in multiple sclerosis: A systematic review Molecular diagnosis of respiratory virus infections Molecular diagnosis of respiratory viruses Advances in RSV vaccine research and development -A global agenda New options in the treatment of respiratory syncytial virus disease Zoonoses and communicable Diseases common to Man and Animals. 3. Aufl. Washington DC: Pan American Health Organization New World Bats Harbor Diverse Influenza A Viruses Die Rolle von Viren bei tiefen Atemwegsinfektionen des Erwachsenen -Teil 1: Erreger, Pathogenese und Diagnostik Live attenuated intranasal influenza vaccine Antibiotics for acute bronchitis Overview of the 3rd isirv-Antiviral Group Conference -advances in clinical management Review of the pandemic (H1N1) 2009 among pregnant Japanese women Emerging respiratory tract viral infections Synergistic combinations of favipiravir and oseltamivir against wild-type pandemic and oseltamivir-resistant influenza A virus infections in mice Influenza vaccination coverage rates in five European countries during season 2006/07 and trends over six consecutive seasons New approaches for immunization and therapy against human metapneumovirus The role of human metapneumovirus in upper respiratory tract infections in children: a 20-year experience Treatment of severe human metapneumovirus (hMPV) pneumonia in an immunocompromised child with oral ribavirin and IVIG Catalytic function and substrate specificity of the papain-like protease domain of nsp3 from the Middle East respiratory syndrome coronavirus The emergence of the Middle East respiratory syndrome coronavirus Middle East respiratory syndrome coronavirus: transmission, virology and therapeutic targeting to aid in outbreak control Coronaviruses: an overview of their replication and pathogenesis Current advancements and potential strategies in the development of MERS-CoV vaccines Human bocaviruses: possible etiologic role in respiratory infection A novel human enterovirus C (EV-C118) identified in two children hospitalised because of acute otitis media and community-acquired pneumonia in Israel A novel outbreak enterovirus D68 strain associated with acute flaccid myelitis cases in the USA (2012-14): a retrospective cohort study Human rhinoviruses Rhinoviruses and respiratory enteroviruses: not as simple as ABC RSV infection: state of the art Ongoing developments in RSV prophylaxis: a clinicianʼs analysis The Burden and longterm respiratory morbidity associated with respiratory syncytial virus infection in early childhood Rapid tests for influenza, respiratory syncytial virus, and other respiratory viruses: a systematic review and meta-analysis