key: cord-297859-p57pl45i authors: Mahlke, Lutz; Flohé, Sascha; Matthes, Gerrit; Paffrath, Thomas; Wagner, Frithjof; Wölfl, Christoph title: Chirurgie in der SARS-CoV-2-Pandemie: Empfehlungen zum operativen Vorgehen date: 2020-06-02 journal: Unfallchirurg DOI: 10.1007/s00113-020-00830-6 sha: doc_id: 297859 cord_uid: p57pl45i BACKGROUND: In February 2020 Germany was also hit by the SARS-CoV‑2 pandemic. Even patients infected by SARS-CoV‑2 or COVID-19 may need operative procedures. Currently, no uniform recommendations exist on precautions to be taken when operating on these patients. Furthermore, they may differ from one hospital to another. METHODS: The task force COVID-19 of the emergency, intensive and severely injured section of the German Trauma Society (DGU e. V.) has developed consensus-based recommendations on surgical treatment of patients with SARS-CoV‑2 infections. Great importance is placed on the implementation in hospitals at all levels of care. RESULTS: The indications for surgical interventions in patients with COVID-19 infections require an extremely critical evaluation. When indicated these surgical intervention should ideally be performed in a separate operating theater. All personnel involved should wear personal protective equipment with FFP2 masks, face shields and double gloves. The emergency team in the resuscitation bay should generally wear the same personal protective equipment. Special training is mandatory and the exposure of team members should be minimized. CONCLUSION: The recommendations are principally used for all kinds of surgery and comply with the currently available knowledge. Nevertheless, all recommendations represent a compromise between maximum safety of all medical staff and practicability in the routine hospital workflow. Einleitung Im Dezember 2019 trat erstmals in Wuhan, China, eine bis dahin unbekannte Virusinfektion auf, die sich rasch von China aus in die ganze Welt verbreitete. Die Virusinfektion mit severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV-2) ist hochkontagiös, daher besteht auch für die Mitarbeiter des Krankenhauses ein hohes Risiko [1] . Die Erkenntnisse über das neue Virus wachsen in einer unglaublichen Geschwindigkeit. Wissenschaftliche Beobachtungen und Empfehlungen werden in einer noch nie da gewesenen Geschwindigkeit veröffentlicht. Klassische Regeln der Erkenntnisbewertung der wissenschaftlichen Gemeinschaft finden ebenso wie die Regeln der evidenzbasierten Medizin nur noch begrenzt Anwendung. In diesem Spannungsfeld von teilweise divergierender Empfehlung und dem Kampf um die Deutungshoheit der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse wünscht sich der praktizierende Chirurg zusammengefasste Erkenntnisse für die Alltagtätigkeit im und um den OP. Aus diesem Grunde hatdie Task-Force COVID-19 der Sektion Notfall-, Intensiv-und Schwerverletztenversorgung der Deutschen Gesellschaft Unfallchirurgie (DGU e. V.). Empfehlungen zur operativen Versorgung von Patienten mit SARS-CoV-2-Infektionen entwickelt. Die Autoren repräsentieren Kliniken der Maximalversorgung und der Schwerpunktversorgung aus allen Teilen Deutschlands. Auf die Umsetzbarkeit in Kliniken aller Versorgungsstufen wurde großen Wert gelegt. Die Empfehlungen sind auf Konsensbasis und Bewertung der verfügbaren Informationen mit dem Stand April 2020 formuliert worden. Über die persönliche Schutzausrüstung (PSA) für Mitarbeiter der Anästhesie sind in einer kürzlich erschienenen Publikation sehr detailliert das Vorgehen und das notwendige Equipment beschrieben worden [2] , sodass hier v. a. das Vorgehen für die Mitarbeiter der chirurgischen Fachdisziplinen beleuchtet wird. Das Anlegen und Ablegen der PSA müssen geschult und trainiert werden, um die Compliance zu erhöhen und auch das Risiko der Selbstkontamination gerade beim Ablegen der PSA zu minimieren. Sofern es Personalschlüssel und Ausbildungsstand der Abteilung erlauben, ist die Schaffung von speziell geschulten "COVID-19"-OP-Teams sinnvoll. Auch der Unfallchirurg kann AGP ausgesetzt sein, auch wenn die meisten muskuloskeletalen Prozeduren nicht so einzustufen sind. Die Anlage einer Thoraxdrainage beim Pneumothorax stellt sicher eine solche Maßnahme dar, ebenso wie die septische Chirurgie, bei der die Anwendung einer Jet-Lavage indiziert sein kann. Auch ventrale transthorakale oder zervikale Wirbelsäuleneingriffe können u. U. mit Aerosolbildung einhergehen. Diese AGP müssen als Hochrisikobereich bei COVID-19-Patienten angesehen werden, insbesondere bei Eingriffen an den oberen Atemwegen bzw. an der Lunge. Thoraxchirurgen, HNO-Ärzte und Anästhesisten bei der Intubation sind daher als sehr gefährdet zu betrachten. Den Unfallchirurgen trifft dieses extrem hohe Risiko regelhaft nur im Rahmen einer Notfallintervention im Schockraum und in den obigen seltenen Situationen. Die Viruslast im Plasma scheint dagegen gering zu sein. Huang et al. berichten, dass von 41 COVID-19-Erkrankten 6 (15 %)im weiterenVerlaufpositive "Realtime-PCR"-Teste im Serum entwickelten; sie nennen das RNA-Aemie [11] . Viele Autoren konnten jedoch auch konsekutiv keine Viruslast im Plasma nachweisen [12, 13] . Auch die bisherigen Virusnachweise im Darm und im Stuhl lassen keine hohe Viruslast erkennen [13] , zumal unklar ist, ob es sich hierbei noch um ein infektiöses Virus handelt [14] . Vermutlich ist daher das Infektionsrisiko bei Anwendung der Jet-Lavage, der oszillierenden Säge oder der Diathermie, die ebenfalls zur Aerosolbildung führen, bei Operationen im Bereich des Bauchs oder der Extremitäten als eher gering einzuschätzen. Der Schutz mit einer FFP2-Maske aus der Routine müsste dort ausreichen. Public Health England [15] empfiehlt bei Eingriffen mit Aerosolentstehung die Verwendung einer FFP3-Maske. Andere Quellen, z. B. RKI und die WHO [14] , halten die Verwendung einer N95-, entspricht einer FFP2-Maske, für ausreichend. Einige Autoren empfehlen statt der Verwendung einer FFP3-bzw. bei schlechtsitzenden Masken die Verwendung eines "powered air-purifying respirator" (PAPR), im Prinzip einen Vollschutzhelm mit motorisierter Luftreinigung [16] . Da Da es sich bei der Coronavirenübertragung um eine Tröpfcheninfektion handelt, ist prinzipiell eine Infektion über die Konjunktiven möglich [22] . Hier ist neben dem oben beschriebenen Schutzschild auch eine Schutzbrille ("goggles") anzudenken. Die "gewöhnliche" Brille, etwa zum Ausgleich einer Sehschwäche, reicht hierbei ausdrücklich nicht [23] . Während die meisten Autoren vorschlagen, entweder eine Schutzbrille oder einen Gesichtsschutz zu tragen [13, 20, 24, 25] , empfehlen Wax und andere die Kombination von Schutzschild und Brille [2] . Hierbei ist jedoch einschränkend zu bedenken, dass es sich um Vorgaben für Intensivmediziner und Anästhesisten handelt, die ja bei vielen ihrer invasiven Prozeduren deutlich höheren Infektionsrisiken ausgesetzt sind. Für den Operateur erweist sich eine Schutzbrille oft als hinderlich; eine Unfallchirurg https://doi.org/10.1007/s00113-020-00830-6 © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 L. Mahlke · S. Flohé · G. Matthes · T. Paffrath · F. Wagner · C. Wölfl · Sektion Notfall-, Intensivund Schwerverletztenversorgung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie e. V. (DGU) Surgery during the SARS-CoV-2 pandemic. Recommendations on operative procedures Abstract Background. In February 2020 Germany was also hit by the SARS-CoV-2 pandemic. Even patients infected by SARS-CoV-2 or COVID-19 may need operative procedures. Currently, no uniform recommendations exist on precautions to be taken when operating on these patients. Furthermore, they may differ from one hospital to another. Methods. The task force COVID-19 of the emergency, intensive and severely injured section of the German Trauma Society (DGU e. V.) has developed consensus-based recommendations on surgical treatment of patients with SARS-CoV-2 infections. Great importance is placed on the implementation in hospitals at all levels of care. infections require an extremely critical evaluation. When indicated these surgical intervention should ideally be performed in a separate operating theater. All personnel involved should wear personal protective equipment with FFP2 masks, face shields and double gloves. The emergency team in the resuscitation bay should generally wear the same personal protective equipment. Special training is mandatory and the exposure of team members should be minimized. Conclusion. The recommendations are principally used for all kinds of surgery and comply with the currently available knowledge. Nevertheless, all recommendations represent a compromise between maximum safety of all medical staff and practicability in the routine hospital workflow. Die Kontamination von Schuhen mit potenziell infektiösem Material ist ein allgemein bekanntes Problem. Aus diesem Grund sind übliche OP-Schuhe undurchlässig für Flüssigkeiten und leicht zu reinigen sowie zu desinfizieren [27] . Zusätzliche Überschuhe werden aus diesem Grunde nicht als erforderlich angesehen und sogar abgelehnt, insbesondere da das An-und Ausziehen ein zusätzliches Kontaminationsrisiko bergen [23, 28] . Abweichend davon empfehlen z. B. Ti et al. das Tragen von "boot covers" als Bestandteil der Schutzausrüstung für den Transfer von COVID-19-Patienten in den OP [16] . Es bleibt jedoch offen, ob die dort üblicherweise außerhalb des OP getragenen Schuhe den oben genannten Vorgaben für OP-Schuhwerk entsprechen und deswegen ggf. ein zusätzlicher Schutz notwendig ist. In diesem Fall ist die sekundäre Kontaminationsgefahr beim Ausziehen der Überschuhe dringend im Hinterkopf zu behalten [23, 25] . Unter der Abwägung dieser Erkenntnisse empfehlen die Autoren, keine Überschuhe zu verwenden. Grundsätzlich gilt, dass nur dringliche oder lebenserhaltende Operationen an COVID-19-Patienten durchgeführt werden sollen. Dies geschieht v. a. zum Schutz der Patienten, da durch operative Maßnahmen der Verlauf der COVID-19-Erkrankung, z. B. durch Diskonnexion vom Beatmungsgerät, deutlich protrahiert werden kann [29] . In einer chinesischen retrospektiven Untersuchung berichten Lei et al. über 34 bestätigte COVID-19-Patienten mit Pneumonie, die noch während ihrer asymptomatischen Inkubationszeit verschiedene operative Eingriffe erhalten hatten. Davon mussten anschließend 44 % intensivmedizinisch behandelt werden, 7 (20,5 %) von diesen verstarben auf der ITS [30] . Die Indikation, die die Notwendigkeit einer operativen Intervention begründet, muss mit dem Patienten bezüglich der Chancen und Risiken erörtert werden. Diese zentrale Bedeutung der Einwilligung wird auch durch die Pandemie nicht berührt bzw. soll auch gerade den Aspekt der komplizierenden Viruspneumonie enthalten. Nun gibt es eine dritte Komponente bei der Indikationsstellung, die Gefahr, die von einem potenziell infizierten Patienten für das Behandlungsteam ausgeht. Gerade in Zusammenschau mit den oben genannten Risiken durch die Narkose und Operation für den Patienten muss die Indikation sehr streng gestellt werden. Nach Möglichkeit sollte in der OP-Routine-Zeit und nicht im Bereitschaftsdienst operiert werden. Der Personalaufwand wie der zeitliche Aufwand sind deutlich größer als bei Operationen an Nichtinfizierten. Sofern die Dringlichkeit des operativen Eingriffs die Verschiebung erlaubt, sollte präoperativ immer eine PCR-Testung auf SARS-CoV-2 erfolgen. Ist ein Eingriff auch bei fehlendem Testergebnis unumgänglich, ist nach Auffassung der Autoren in Abwägung der bekannten Fakten, der zu erwartenden steigen-den Prävalenz der Infektion und zur Vermeidung, dass ein Krankenhaus zu einem neuen Infektionscluster wird, ein solcher Eingriff unter den gleichen Kautelen durchzuführen, wie ein Eingriff bei bestätigter COVID-19-Infektion. Hiervon kann in Abhängigkeit des regionalen Infektgeschehens abgewichen werden. Unter den aktuellen Kautelen ist in Deutschland auch operativ weiterhin eine Individualmedizin entsprechend den genannten Indikationen möglich. Peri-und intraoperative Handlungsrichtlinien sollten regelmäßig an die lokalen Gegebenheiten (Erkrankungsfälle im Einzugsgebiet), Verfügbarkeit von Schutzausrüstung und die prinzipiellen räumlichen Voraussetzungen im Krankenhaus angepasst werden. Die Indikation zu Operationen bei Verdacht auf oder nachgewiesener CO-VID-19-Infektion ist streng zu stellen und in der Regel auf Notfalleingriffe oder dringliche Operationen beschränkt. Erreicht der Covid-19-Erkrankte bzw. SARS-CoV-2-positive Patient den OP-Bereich, wird er in der Vorbereitung oder im OP umgelagert; ein Schleusen verbietet sich. Bestenfalls erfolgt der Eingriff in einem separierten Teil des OP-Trakts (COVID-OP, septischer OP etc.). Der Schutz des Personals erfolgt, angepasst an die Tätigkeit, anhand der Empfehlungen in der Regel mit FFP-2-Maske, Visier und doppelten Handschuhe. Es ist weiterhin auf die Reduktion des beteiligten Personals zu achten. Unnötige Assistenz sollte vermieden werden; es sollten keine Ausbildungseingriffe bei COVID-19-Patienten durchgeführt werden. EinhoherTrainingsgrad im Umgang mit der Schutzausrüstung und den Abläufen im OP ist dringend zu fordern. Dies bedeutet auch eine geringe Wechsel-und Personalfluktuation im OP. "Ein Team -eine OP" -Vorgehen! Practical recommendations for critical care and anesthesiology teams caring for novel coronavirus (2019-nCoV) patients Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten Empfehlungen des RKI zu Hygienemaßnahmen im Rahmen der Behandlung und Pflege von Patienten mit einer Infektion durch SARS-CoV-2 Effectiveness of N95 respiratorsversussurgicalmasksagainstinfluenza: A systematic review and meta-analysis Face masks to prevent transmission of influenza virus: a systematic review The respiratory protection effectiveness clinical trial (ResPECT): a cluster-randomized comparison of respirator and medical mask effectiveness against respiratory infections in healthcare personnel Evaluation of respiratory protection programs and practices in California hospitals during the 2009-2010 H1N1 influenza pandemic Infection prevention and control of epidemic-and pandemicprone acute respiratory infections in health care. WHO Guidelines Clinical features of patients infected with 2019 novel coronavirus in Wuhan Virological assessment of hospitalized patients with COVID-2019 Quantitative detection and viral load analysis of SARS-CoV-2 in infected patients World Health Organization Advice on the use of masks in the community, during home care and in healthcare settings in the context of the novel coronavirus (COVID-19) outbreak. www.who. int/publications-detail/advice-on-the-use-ofmasks-in-the-community-during-home-careand-in-healthcare-settings-in-the-context When to use a face mask or FFP3 respirator What we do when a COVID-19 patient needs an operation: operating room preparation and guidance Leitlinien zum Umgang mit der Corona Epidemie" Version 7 American College of surgeons (2020) COVID 19 and surgery: Personal Protective Equipment (PPE) Coronavirus (COVID-19)-update. Strategies for optimizing the supply of N95 respirators World Health Organization (2020) Requirements and technical specifications of personal protective equipment (PPE) for the novel coronavirus (2019-ncov) in healthcare settings. iris.paho.org/bitstream/ handle/10665.2/51906/requirements-%20PPE-coronavirus-eng.pdf?sequence=1&isAllowed=y. Zugegriffen: 14 World Health Organisation (2020) Modes of transmission of virus causing COVID-19: implications for IPC precaution recommendations. www.who.int/news-room/commentaries/ detail/modes-of-transmission-of-virus-causingcovid-19-implications-for-ipc-precautionrecommendations. Zugegriffen: 14 Outbreak of a new coronavirus: what anaesthetists should know World Health Organization (2020) Rational use of personal protective equipment (PPE) for coronavirus disease (COVID-19) Surgical helmets andSARSinfection Praktische Krankenhaushygiene und Umweltschutz Intubation and ventilation amid the COVID-19 outbreak-Wuhan's experience Clinical characteristics and outcomes of patients undergoing surgeries during the incubation period of COVID-19 infection ATLS student course manual Empfehlungen für den Umgang mit Unfallverletzten und OP-Indikationen Characterization of aerosols produced during surgical procedures in hospitals Als optimale Versorgungssituation wird ein komplett abgekoppelter OP mit Unterdruckklimaanlage bzw. Umkehr des "laminar flow" und Vorraum betrachtet [8, 24] . Daher ist primär ein abgetrennter OP mit möglichst wenig "Patienten-und Personal-Traffic" wünschenswert.Ein abgetrennter Vorraum ist für das An-und Ausziehen der PSA des Operateurs wünschenswert.Aus dem OP sollten vor Einschleusung des Patienten sämtliche nicht zwingend erforderlichen Geräte und Materialien entfernt werden.Die Anästhesieeinleitung sollte im OP unter Abwesenheit des OP-Teams erfolgen, um eine unnötige Kontamination zu vermeiden.Falls kein komplett getrennter septischer OP-Trakt vorhanden ist, ist die direkte Umlagerung des Patienten von der Isolationsstation im OP-Saal, bzw. im dazugehörigen Vorbereitungsraum durchzuführen, um eine Kontamination der Schleuse und des Schleusenpersonals zu vermeiden. Auch der Aufwachraum ist zu vermeiden, nach Narkoseausleitung und Überwachung im OP ist eine direkte Übergabe aus dem OP an die Isolationsstation durchzuführen.Das An-und Ausziehen der PSA sollten unbedingt vom OP-Personal trainiert und im "4-Augen-Prinzip" durchgeführt werden. Auch Schulungsvideos haben sich bewährt bzw. sind vielfältig im Netz verfügbar.