key: cord-312697-ffxcze6c authors: Dübel, Stefan; Hust, Michael; Frenzel, André; Schirrmann, Thomas title: Rekombinante, vollständig humane Antikörper zur Behandlung akuter COVID-19 date: 2020-06-26 journal: BIOspektrum (Heidelb.) DOI: 10.1007/s12268-020-1404-4 sha: doc_id: 312697 cord_uid: ffxcze6c nan COVID-19 (coronavirus disease 2019) ist eine akute schwere virale Erkrankung der oberen Atemwege und Lungen, die vom neuartigen SARS-CoV-2-Virus hervorgerufen wird und zum ersten Mal in Wuhan (China) Ende 2019 beschrieben wurde. Gegen diese Erkrankung werden aktuell zahlreiche Impfstoffe entwickelt, jedoch akut an COVID-19 Erkrankten hilft ein Impfstoff nicht mehr. Bereits Ende Januar 2020 wurden deshalb neutralisierende Antikörper im Magazin Science als vielversprechende direkte Behandlungsmethode gegen das neue Coronavirus SARS-CoV-2 -damals offi ziell noch keine Pandemie -vorgeschlagen [1] . Solche Antikörper sind eine komplementäre Ergänzung zu den derzeit laufenden Virus-Impfstoff-Entwicklungen, da sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch den bereits an COVID-19 erkrankten Patienten helfen können. Bis zum Erreichen eines weltweit ausreichenden Impfschutzes, der noch Jahre in der Zukunft liegen dürfte oder vielleicht sogar nie erreicht wird, könnte man mit neutralisierenden Antikörperwirkstoffen die vielen noch zu erwartenden lebensbedrohlich Erkrankten heilen und zudem Risikopopulationen sowie medizinisches Personal schützen. Dies könnte sehr schnell gehen: Aufgrund der großen Erfolge rekombinanter Antikörperwirkstoffe (fast 100 zugelassene Medikamente) stehen dafür zudem bereits heute umfangreiche Produktionskapazitäten und defi nierte Produktionsprozesse zur Verfügung, während diese bei einem neuartigen Impfstoff aus Viruskomponenten erst noch zeitaufwendig entwickelt, skaliert und zugelassen werden müssen. Die Idee der Verwendung von neutralisierenden Antikörpern gegen Infektionserkrankungen ist nicht neu. [4, 5] . Der Vorteil der "polyklonalen" Seren kann also auch durch "multiklonale" Antikörpercocktails, das heißt komplett definierte Mischungen rekombinanter monoklonaler Antikörper, erreicht werden. Solche multiklonalen Gemische monoklonaler rekombinanter Antikörper werden auch bereits bei anderen Infektionen klinisch getestet, z. B. gegen Staphylococcus aureus (www. symphogen.com/pipeline). Ein typischer Impfstoff ("aktiver Impfstoff"), der aus inaktiviertem oder partiellem Virusmaterial besteht, kann COVID-19-Patienten nicht heilen. Der Grund liegt darin, dass ak tive Impfstoffe zuerst eine Immunantwort auslösen müssen -erst diese schützt dann nach in der Regel einigen Wochen vor einer Infektion. Daher hilft einem bereits infi zierten Patienten ein solcher aktiver Impfstoff meist nichts mehr. Neutralisierende Antikörper können diese Behandlungslücke füllen und somit Impfstoffe auf Virusbasis ergänzen, denn die Antikörper-Immuntherapie (auch als "passive Impfung" bezeichnet) komplementiert die noch nicht ausreichend vorhandenen eigenen Antikörper im Körper des Patienten unmittelbar nach ihrer Injektion und kann so schnell dazu beitragen, die Viruslast zu senken. Aufgrund Zahlreiche der mittlerweile 96 zugelassenen therapeutischen Antikörper wurden durch unterschiedliche, weitgehende Anpassung der Sequenz von Tierantikörpern ("Chimerisierung" oder "Humanisierung") gewonnen [6] . Am schnellsten -und am nächsten an der natürlichen menschlichen Sequenz -lassen sich neutralisierende Antikörper jedoch durch Antikörper-Phagen-Display [7] herstellen (Abb. 1). Hier ist man auch nicht auf B-Zell-Spenden rekonvaleszenter Patienten angewiesen, da man universelle Antikörpergenbibliotheken, wie z. B. HAL9/10 oder die YUMAB-Bibliotheken, sofort und ohne Zugriff auf Patienten nutzen kann [8] . So können im Gegensatz zu humanisierten oder synthetischen Antikörpern humane monoklonale Antikörper isoliert werden, die sich in der Sequenz in keiner Weise von Antikörpern unseres eigenen (gesunden) Körpers unterscheiden. Dadurch gelang es uns bereits, ohne Vorimmunisierung 18 zu 100 Prozent protektive Antikörper gegen SARS-CoV-2 zu isolieren -schließlich nutzt unser eigener Körper nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 exakt das gleiche Genrepertoire bei seiner Immunantwort, welche den meisten Infi zierten dann auch zu einem Verlauf ohne Symptome verhilft. Interessanterweise wurde bei einigen wenigen Antikörpern im Virusprotektionsassay auf Zellen auch eine verstärkte Lyse als Hinweis auf eine effektivere Infektion durch SARS-CoV-2 beobachtet. Solche Antikörper könnten Repräsentanten des vorhergesagten antibody dependent enhancement [3] sein. Aufgrund dieser körpereigenen Herkunft wird für menschliche Antikörper, welche nicht gegen menschliche Antigene gerichtet sind, generell ein sehr geringes Nebenwirkungsprofi l erwartet. Dennoch besteht theoretisch die Möglichkeit, dass aufgrund zufälliger Kreuzreaktion mit Teilen menschlicher Proteine doch eine Reaktivität mit menschlichem Gewebe entstehen könnte. Durch Vortests auf menschlichem Gewebe können solche Antikörper, sollten sie auftreten, während der Entwicklung des Medikaments aber aussortiert werden. Die TU Braunschweig hat bereits mithilfe des Phagen-Displays erfolgreich neutralisierende Antikörper gegen andere tödliche Viren erzeugt, beispielsweise den Antikörper X10H2 zum Schutz gegen das Sudan-Ebolavirus oder neutralisierende Antikörper gegen Venezuelan equine encephalitis virus (VEEV), Western equine encephalitis virus (WEEV) sowie viele der tödlichsten Toxine. Es gelang auch erstmals die Generierung eines Antikörpers, der in vivo gegen das extrem gefährliche Marburg-Virus schützte [9] . Einige dieser Antikörper, z. B. gegen Diphtherietoxine, zeigten zudem eine bessere Neutralisation als die derzeit verwendete klinische Standardbehandlung mit Antiserum [5] . Auf Basis dieser Erfahrungen begannen wir im Februar dieses Jahres in Braunschweig an der TU und parallel an deren Ausgründung YUMAB GmbH mit Arbeiten zu dem Ziel, vollständig menschliche Antikörper zu entwickeln, welche die SARS-CoV-2-Infektion verhindern können. So konnte bisher ein sehr großer Satz von mehr als 750 komplett menschlichen monoklonalen Antikörpern gegen das SARS-CoV-2-Spike(S)-Protein gefunden und sequenziert werden. Diese wurden dann rekombinant hergestellt, und über 300 davon konnten bereits auf Virusneutralisierung getestet werden. Dabei inhibierten bisher 118 Antikörper erfolgreich die Bindung der SARS-CoV-2-Spike-Proteine an den menschlichen Rezeptor ACE2, der unter anderem auf Lungenzellen vorkommt. Wichtigstes Resultat ist jedoch, dass aus dieser Gruppe auch schon 18 Antikörper identifiziert wurden, welche zu 100 Prozent protek- BIOspektrum | 04.20 | 26. Jahrgang tiv gegenüber einer Infektion durch Virusisolate von COVID-19-Patienten in Zellkultur über einen Zeitraum von bis zu fünf Tagen waren. Solche protektiven Antikörper sind die vielversprechendsten Kandidaten zur Entwicklung eines spezifischen Medikaments gegen akute COVID-19 und durchlaufen derzeit einen schnellen Entwicklungsprozess, um den Antikörper mit den optimalen Arzneimittelmerkmalen zu identifizieren und zu produzieren. Im Erfolgsfall könnte dieses Medikament schließlich auch prophylaktisch angewendet werden, um medizinisches Pfl egepersonal, vorerkrankte Patienten oder Risikopopulationen sofort, und damit schneller als ein klassischer Impfstoff, zu schützen. ó New coronavirus threat galvanizes scientists Perspectives of immune therapy in coronavirus disease 2019 Treatment of SARS-CoV-2: how far have we reached? Generation and characterization of protective antibodies to Marburg virus Human antibodies neutralizing diphtheria toxin in vitro and in vivo Rekombinante Antikörper Designing human antibodies by phage display Generation and analysis of the improved human HAL9/10 antibody phage display libraries Post-exposure protection in mice against Sudan virus by a two antibody cocktail