key: cord-0004683-ekdf65zr authors: Künkel, U.; Schreier, E. title: Caliciviren Virale Auslöser akuter Gastroenteritiden: Virale Auslöser akuter Gastroenteritiden date: 2014-03-13 journal: Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz DOI: 10.1007/s00103-002-0428-x sha: 0d4d069840c76f1da71b8711e029c9efebd199c5 doc_id: 4683 cord_uid: ekdf65zr Human caliciviruses are highly infectious and co-circulate worldwide. They are responsible for many individual cases and extensive outbreaks of acute gastroenteritis. The ability of the viruses to survive in the environment facilitates the fecal-oral spread through water, food, aerosols, and person-to-person contact. Therefore, they are an important global public health problem. Despite the lack of a cell culture or animal model system to grow caliciviruses, great advances in our understanding of these pathogens, especially of the NLVs, have been made by using molecular methods. More and more information about the viral genome is being accumulated in data bases. This information will be used to develop sensitive molecular methods for the better understanding of the viral biology and epidemiology and will assist in developing strategies to prevent and control infections. Die weltweit in großer genetischer Vielfalt kozirkulierenden, hochinfektiösen und Umwelteinflüssen gegenüber recht widerstandsfähigen humanen Caliciviren verursachen neben vereinzelten Infektionen sehr oft regelrechte Gastroenteritisausbrüche.Sie verbreiten sich durch Kontamination von Nahrungsmitteln oder Wasser sowie durch direkte Personenkontakte sowohl durch Schmierinfektion als auch über Aerosole und sind daher eine große Herausforderung an die Hygiene und das Gesundheitswesen. Trotz des Fehlens von Zellanzucht-und Tiermodellsystemen für diese humanpathogenen Viren wurden durch den Einsatz molekularer Diagnose-und Charakterisierungsmethoden große Fortschritte in Bezug auf das Verständnis humaner Caliciviren, vor allem der "Norwalk-like-Viren", gemacht.Immer mehr Genomsequenzen dieser Viren werden in internationalen Datenbanken publiziert. Sie bilden die Grundlage für die Verbesserung der molekularen Methoden zur Analyse der viralen Pathogenese und Epidemiologie und zur Entwicklung effektiver Präventionsund Kontrollstrategien. Humane Caliciviren · Norwalk-like-Viren (NLVs) · Sapporo-like-Viren (SLVs) · Virale Gastroenteritis · Lebensmittelbedingte Erkrankungen Gastroenteritiden (Magen-und Darminfektionen) sind global verbreitet und in der Dritten Welt eine der häufigsten Ursachen der Kindersterblichkeit. Es wird geschätzt, dass jedes Jahr 1,5 Billionen Diarrhöfälle auftreten, in deren Folge 2,5-3,2 Millionen Kinder unter fünf Jahren sterben [1, 2] . In den Industriestaaten sind die Gastroenteritiden nach den Atemwegserkrankungen die zweithäufigste Erkrankung im Kindesalter, wobei es hier aber selten zu Komplikationen kommt. Sehr viele Agenzien wie Bakterien,Viren, Parasiten und Toxine können Durchfallerkrankungen und Erbrechen oder sogar lebensbedrohliche Syndrome auslösen. Nach Einschätzung der WHO wird ein großer Anteil der Durchfallepisoden durch kontaminierte Lebensmittel verursacht. Allein in den USA wird die Zahl der jährlichen Erkrankungen,die durch Lebensmittelinfektionen ("foodborne diseases") bedingt sind, auf 76 Millionen geschätzt, was immerhin 36% der pro Jahr in diesem Land auftretenden Gastroenteritiden entspricht [3] .Man kann davon ausgehen,dass in Regionen, in denen die Hygiene und das Niveau sanitärer Einrichtungen sehr viel schlechter sind, lebensmittelbedingte Erkrankungen zwangsläufig noch sehr viel häufiger auftreten, zumal über viele Fälle sporadischer Erkrankungen zumeist gar nicht berichtet wird.Auch Gastroenteritisausbrüche repräsentieren oft nur die "Spitze eines Eisbergs". Aber wegen der großen Zahl an Betroffenen und der damit verbundenen sozialökonomischen Auswirkungen erregen gerade sie besondere Aufmerksamkeit und Besorgnis. Human caliciviruses are highly infectious and co-circulate worldwide.They are responsible for many individual cases and extensive outbreaks of acute gastroenteritis.The ability of the viruses to survive in the environment facilitates the fecal-oral spread through water, food, aerosols, and person-to-person contact.Therefore, they are an important global public health problem.Despite the lack of a cell culture or animal model system to grow caliciviruses, great advances in our understanding of these pathogens, especially of the NLVs, have been made by using molecular methods.More and more information about the viral genome is being accumulated in data bases.This information will be used to develop sensitive molecular methods for the better understanding of the viral biology and epidemiology and will assist in developing strategies to prevent and control infections. Human caliciviruses · Norwalk-like viruses (NLVs) · Sapporo-like viruses (SLVs) · Viral gastroenteritis · Foodborne disease Viren, einer Gruppe der humanen Caliciviren, zuzurechnen ist. Inzwischen schätzt man sogar, dass bis zu 95% aller nichtbakteriellen Gastroenteritisausbrüche durch Norwalk-like-Viren verursacht sein könnten [5] . Caliciviren sind humane und animale Pathogene (Tabelle 2), wobei die Norwalk-like-Viren (NLVs) derzeit als häufigste Erregergruppe virusbedingter Gastroenteritiden des Menschen gelten. Die humanen Caliciviren, die der Familie der Caliciviridae zugeordnet werden, wurden aufgrund ihrer Morphologie anfänglich in "kleine, runde, strukturierte Viren" ("small round structured viruses", SRSVs) und klassische humane Caliciviren unterteilt. Gemäß einer Festsetzung des "International Committee on Taxonomy of Viruses" (ICTV) werden jetzt die beiden Genera "Norwalk-like-Viruses" (NLVs) und "Sapporo-like-Viruses" (SLVs) [6] unterschieden. Diese Viren verursachen sowohl vereinzelte Infektionen als auch Gastroenteritisausbrüche, die alle Altersgruppen betreffen können. Zur Familie der Caliciviridae gehören auch zwei tierpathogene Genera. Der Prototyp der hochinfektiösen NLVs, das Norwalk-Virus, wurde 1972 immunelektronenmikroskopisch entdeckt [7] , vier Jahre nach einem Gastroenteritisausbruch in Norwalk, Ohio, USA. Das Sapporovirus, welches das klassische humane Calicivirus repräsentiert, wurde 1977 als Ursache eines Gastroenteritisausbruches in Sapporo, Japan, identifiziert [8] . In den Folgejahren wurde zunehmend deutlich, dass neben Rota-, Astro-und enteropathogenen Adenoviren auch Caliciviren häufig Auslöser nichtbakteriell oder nichtparasitologisch verursachter akuter menschlicher Gastroenteritiden sind (s. Tabelle 1). Die relativ späte Erkennung der medizinischen Bedeutung (Häufigkeit und Pathogenität) der humanen Caliciviren hängt zum Teil auch damit zusammen, dass es schwierig ist, mit diesen Viren zu arbeiten. Ihre Anzucht in der Zellkultur ist bisher noch nicht gelungen. Es stehen daher nur sehr geringe Virusmengen für Untersuchungszwecke zur Verfügung. Erst seit etwa 1990 wurde es mit der Anwendung molekulardiagnostischer Methoden, die die Analyse des Virusgenoms erlauben, offensichtlich, dass verschiedene Genera, Genogruppen und Genotypen humaner Caliciviren weltweit kozirkulieren und es sehr viel mehr humane Calicivirusinfektionen gibt, als bislang angenommen. Ihren Namen erhielten die Caliciviren aufgrund einer tassenförmigen Einbuchtung, die bei den klassischen humanen Viruspartikeln (SLVs) mitunter im Elektronenmikroskop (EM) sichtbar ist. Er leitet sich vom lateinischen Wort "calix" (dt. Tasse, Becher, Kelch) ab. Einige SLV-Partikel zeigen auch eine dem Davidstern sehr ähnliche Oberflächenstruktur (Abb. 1b). Die NLVs besitzen diese charakteristischen Oberflächengestaltungen nicht (s. Abb. 1a). Die Viruspartikel haben kein Hüllprotein, und ihr Durchmesser schwankt zwischen 27 und 40 nm. Caliciviren sind einzelsträngige RNA-Viren. Je nach Virusspezies besteht das Genom aus 7.400 bis 8.300 Nukleotidbausteinen (7,4-8,3 kb), das bei den vier Genera der Caliciviridae unterschiedlich organisiert ist [9] . Das virale Genom wird von einem Kapsid aus 180 Kapsidproteinen eingeschlossen, die als Dimere 90 Kapsomere bilden. Das NLV-Genom enthält (ähnlich den animalen Vesiviren) drei offene Leserahmen (ORFs) [9] . Der erste ORF (ORF1) kodiert die Nichtstrukturproteine. Mittels Sequenzanalyse konnten, ausgehend vom N-Terminus (5'-Ende) des Genoms, in Abfolge die Gene für die Nichtstrukturproteine Helikase, Protease und RNA-abhängige RNA-Polymerase lokalisiert werden. Der zweite ORF (ORF2) kodiert ausschließlich das bereits erwähnte Kapsidprotein, ein Strukturprotein. Der am C-Terminus (3'-Ende) des Genoms liegende dritte ORF (ORF3) kodiert ein weiteres kleines basisches Strukturprotein, über dessen Funktion jedoch noch Unklarheit besteht [10] . Das Genom der SLVs besteht wie das Genom der animalen Lagoviren aus nur zwei ORFs (ORF1 und ORF2), wobei das Kapsidproteingen im ORF1 im Anschluss an die Nichtstrukturproteine lokalisiert ist (Abb. 2). Das Gen, das für das Kapsidprotein kodiert, ist von ganz besonderem Interesse, weil seine Sequenzvariabilität sowohl die genetischen als auch antigenen Unterschiede zwischen den Viren begründet. Eine an der Au-ßenseite des Viruskapsids lokalisierte Domäne weist z. B. bei den NLVs die größten Sequenzvariationen auf und enthält mit großer Wahrscheinlichkeit die entscheidenden Determinanten für die Stammspezifität und Zellbindung [11] . Aufgrund der genetischen Unterschiede, die auch innerhalb der Genera NLV und SLV bestehen, wird jede Spezies noch in verschiedene genetische Gruppen, auch Genogruppen genannt, unterteilt. Eine durch humane Caliciviren verursachte akute Gastroenteritis äußert sich zumeist durch starke Übelkeit, heftiges Erbrechen, schweren Durchfall und ausgeprägte abdominale Krämpfe. Im Allgemeinen treten diese Symptome nach einer Inkubationszeit von 24 bis 48 Stunden auf und dauern dann etwa zwölf bis 60 Stunden an [12] . Es wird auch noch über zusätzliche Symptome wie Fieber, Kopfschmerz und Schüttelfrost berichtet. Es müssen aber nicht immer alle diese Symptome gemeinsam auftreten. So kam es vor, dass Patienten nur unter starkem Erbrechen litten, sodass dann lediglich von einer "winter vomiting disease" die Rede war [13] . Fatale Folgen einer akuten Calicivirusinfektion sind wegen der damit verbundenen mitunter recht schweren Dehydratation vor allem für Menschen mit bereits geschwächtem Gesundheitszustand zu befürchten. Therapeutisch ist deshalb eine Humane Caliciviren sind weltweit verbreitet und recht stabil gegenüber Umwelteinflüssen. So sollen sie Temperaturen bis zu 60°C überleben können [15] . Bestimmte Lebensmittel wurden besonders häufig als Ursache für eine durch NLVs ausgelöste Gastroenteritis ausgemacht. Hierzu zählen z. B. Muscheln, die die Viren über das Wasser, in dem sie leben, aufnehmen und in ihrem Gewebe anreichern [16, 17] .Vor allem der rohe Verzehr der kontaminierten Muscheln kann eine Infektion bewirken. So wurde einer der größten durch NLVs verursachten Ausbrüche im Juni/Juli 1978 in Australien durch den Verzehr kontaminierter Austern ausgelöst und betraf mehr als 2000 Personen [18] . Grundsätzlich besteht bei allen ungekocht konsumierten Nahrungsmitteln einschließlich Wasser ein erhöhtes Infektionsrisiko, wenn die hygienischen Verhältnisse bei der Herstellung und/oder Verarbeitung unzureichend sind. Die infektiöse Dosis ist für Caliciviren äußerst gering und liegt bei weniger als 100 Viruspartikel [15] .Dies ermöglicht eine sehr effektive Verbreitung der Viren durch direkte Kontakte von Person zu Person. Die häufig sehr rasche Ausbreitung einer Infektion in Gemeinschaftseinrichtungen lässt darauf schließen,dass neben der fäkal-oralen Übertragung auch die aerogene Übertragung durch Bildung virushaltiger Aerosole während des Erbrechens eine Rolle spielt.Auch die lang anhaltende Virusausscheidung über den Stuhl, die durchaus zwei Wochen umfassen kann (länger ist eher die Ausnahme), kann zusätzlich zur Verbreitung beitragen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn erkrankte Personen Kontakt zu vielen anderen Menschen haben (z. B. in Gemeinschaftsunterkünften) oder aber im Lebensmittel-und Gaststättengewerbe bzw. in Ausbildungsstätten tätig sind. Aufgrund der ausgeprägten Variabilität der NLVs, aber wohl auch wegen des Fehlens einer umfassenden protektiven Immunität ist die mehrmalige Infektion von Personen möglich. Es wurde beobachtet, dass NLV-induzierte Gastroenteritiden auf der nördlichen Erdhalbkugel besonders häufig in den Monaten Oktober bis Mai auftreten [19, 20, 21] . Für ein gehäuftes Auftreten in den kälteren Monaten des Jahres sprechen auch die Berichte über die "winter vomiting disease" [13, 22, 23] . Da, wie bereits erwähnt, bis zu 95% aller nichtbakteriellen Gastroenteritisausbrüche durch NLVs verursacht sein könnten [5] , sind diese Viren eine außerordentliche Herausforderung für das öffentliche Gesundheitswesen. Um dieser beträchtlichen Belastung besser begegnen zu können, wurde im Jahr 2000 durch die EU im Rahmen des Netzwerkes "Virale Gastroenteritiden" das Forschungsprojekt "Epidemiology of Foodborne Viruses in Europe" ins Leben gerufen, das die Kapazitäten medizinischer und gesundheitsdienstlicher Einrichtungen der Teilnehmerländer vereint [24] . Mittels Elektronenmikroskopie (EM) und Immunelektronenmikroskopie (IEM) lassen sich Caliciviren im Stuhl von Patienten nachweisen (s. Abb. 1a, b) . Allerdings werden zur Durchführung einer EM in der Regel 10 5 -10 7 Viruspartikel/ml benötigt, zudem verlangt sie sehr anspruchsvolle Techniken, sodass ihr Einsatz für umfangreiche epidemiologische Studien weniger geeignet ist. Auch Enzym-Immunoassays (EIAs) für den Antigennachweis im Stuhl unter Verwendung von z. B. rekombinanten Virusproteinen haben sich aufgrund der ausgeprägten antigenen Variabilität der humanen Caliciviren sowie der begrenzten Nachweisempfindlichkeit bisher nicht durchgesetzt (>10 5 Viruspartikel/ml). Die Methode der Wahl zur Diagnostik humaner Caliciviren ist gegenwärtig die RT-PCR,die zum Nachweis der viralen RNA eingesetzt wird.Sie besitzt eine hohe Nachweisempfindlichkeit (10 2 Viruspartikel/ml) [19, 25, 26, 27] . Mit dieser Methode kann die RNA nicht nur in Stuhlproben, sondern auch in Nahrungsmitteln und Wasser nachgewiesen werden [28, 29, 30] . Hinzu kommt,dass die Sequenzierung der PCR-Produkte zusätzlich Informationen zur genetischen Vielfalt der Caliciviren liefert. Die molekulare Feinanalyse (Sequenzvergleiche und Stammbäume) erlaubt die Differenzierung der Viren und ihre Zuordnung zu Genera,Genogruppen, Genotypen und eventuell sogar zu Subtypen auf Nukleotid-oder Aminosäureebene (s.Abb.3 und 4) [26, 31] ,was für die Aufklärung von Infektketten und Übertragungswegen von großer Bedeutung ist. Abbildung 5 zeigt eine solche phylogenetische Analyse einer Auswahl der in den Jahren 1998-2001 in Deutschland zirkulierenden NLVs der gegenwärtig auch global dominierenden Genogruppe II (GII). Auch dieser Stammbaum wurde auf der Grundlage der durch die Kapsidgene kodierten Aminosäuren (aa) der Kapsidproteine der NLVs unter Einbeziehung der Referenzviren Lordsdale/93/UK, Mexico/89/MX, und Hawaii/71/US erstellt. Im genannten Zeitraum wurden in Deutschland nur selten NLVs der GI gefunden. Ob intertypische Rekombinationsereignisse zur Variabilität der Viren beitragen, lässt sich noch nicht abschließend beantworten. Prinzipiell aber müssen sie berücksichtigt werden, zumal sie für RNA-Viren, wie z. B. Polioviren, durchaus bekannt sind [32] . Doppelinfektionen mit NLVs unterschiedlicher Genotypen als Voraussetzung für intertypische Rekombinationsereignisse sind bereits beobachtet worden [33] . Kürzlich wurde ein argentinisches Isolat (Arg320/95/AR) als ein potenzielles rekombinantes Virus eingeordnet. Seine Polymerase weist eine 95%ige aa-Identität mit dem Stamm Lordsdale/93/UK auf, während beim Kapsidprotein zu 95% aa-Identitäten mit dem Stamm Mexico/89/MX bestehen [34] . Erste Hinweise auf intertypische Rekombinationsereignisse ergaben sich 1997/98 aus der Sequenzanalyse von zwei differenten Genomregionen (z. B. ORF1 und ORF3) auch für deutsche Virusisolate [19] . Im Jahr 2001 wurden dann bei Untersuchungen von Gastroenteritisausbrüchen, die im Rahmen des EU-Projekts "Epidemiology of Foodborne Viruses in Europe" [24] durchgeführt wurden, in Frankreich, den Niederlanden und in Deutschland weitere rekombinante NLVs nachgewiesen. In allen diesen Fällen wurde als Rekombinationsort der Übergang des ORF1 zum ORF2 identifiziert. Ob Rekombinationsorte auch in anderen Genomregionen vorliegen können, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Erste eigene Befunde weisen auf einen zusätzlichen Rekombinationsort im ORF3. Auch die SLVs sind weltweit in den unterschiedlichsten Populationen nachzuweisen. Die durch diese Viren verursachten Gastroenteritiden betreffen vorwiegend Säuglinge und Kleinkinder, jedoch wird kaum über schwere Verläufe mit Klinikeinweisungen berichtet. Zudem wurden SLVs bisher nur selten im Zusammenhang mit lebensmittelbedingten Gastroenteritisausbrüchen nachgewiesen. In der Literatur wird über SLV-Nachweisraten von 0,9 bis 6,6% bei Untersuchungen sporadischer Durchfallerkrankungen mit einer Häufung der Fäl-Abb.3 Übersichtsstammbaum zur Familie Caliciviridae aus [9] , erstellt auf der Basis der Sequenzen der Kapsidproteingene. Die Aufspaltung in genetische Gruppen innerhalb der Zweige "Norwalklike-Viruses" und "Sapporo-like-Viruses" ist hier bereits gut erkennbar le bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis zwei Jahren berichtet [35, 36, 37, 38] . Es wurden auch mit SLV-Infektionen assoziierte Ausbrüche beschrieben, von denen sowohl Kinder als auch Erwachsene betroffen waren [39, 40] . Inzwischen konnte die SLV-Nachweisrate im Stuhl durch den Einsatz sensitiver molekularer Techniken (wie z. B. RT-PCR) verbessert werden, sodass bald mehr über die klinische Bedeutung der SLV-Infektionen bekannt sein wird [41] . In verschiedenen Ländern besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen der hohen Prävalenz an Antikörpern gegen SLVs und der relativ geringen Virusnachweisrate [42, 43, 44, 45] . Ursache hierfür könnten asymptomatische Infektionsverläufe oder eine fehlende Diagnostik aufgrund nicht zur Verfügung stehender adäquater Nachweismethoden sein [46] . Auch wenn bisher in Deutschland noch nicht gezielt auf SLVs untersucht wird, so konnten in den Jahren 2000 und 2001 erste Isolate (Potsdam/00/DE und Koblenz/01/DE) am Robert Koch-Institut molekulargenetisch charakterisiert und phylogenetisch eingeordnet werden (Abb. 6) . In Finnland wurde zwischen 1993 und 1995 eine größere epidemiologische Studie zur Untersuchung der Rolle der humanen Caliciviren vom Typ SLV bei akuter Gastroenteritis von Kindern im Alter <2 Jahren (832 Fälle) mittels molekularer Techniken durchgeführt. Ein positiver Virusnachweis gelang in 60% der Fälle. Humane Caliciviren und Rotaviren fanden sich bei jeweils 29% der erkrankten Kinder. Der Anteil der SLVs betrug dabei nur 9%, und das klinische Bild stellte sich vorwiegend als milde Durchfallerkrankung dar. Die NLVs bewirkten zumeist schwerere Erkrankun-gen als die SLVs. Astroviren wurden in 10% und enteropathogene Adenoviren in 6% der virusbedingten Episoden gefunden [47] . Eine in Japan über die Jahre 1976-1995 durchgeführte Studie [48] an Kindern (<2 Jahre) eines Heimes zeigte, dass humane Caliciviren bei 15 (42%) von insgesamt 36 Ausbrüchen die Hauptverursacher akuter nichtbakterieller Gastroenteritiden waren. Rotaviren der Gruppe A konnten hingegen nur bei zehn (28%) Ausbrüchen als Auslöser der akuter Gastroenteritis identifiziert werden. Diese Studie zeigte eine hohe Prävalenz (19%) sowohl für SLVs der Genogruppe Sapporo 82 als auch für NLVs der Genogruppe GII. Lange Zeit galt der Mensch als alleiniger Wirt für NLVs. Kürzlich wurden jedoch in Großbritannien und Japan im Kot von Kälbern und Schweinen Calicivirusähnliche Partikel elektronenmikroskopisch nachgewiesen. Auch das 1976 in Newbury, Großbritannien, gefundene "Newbury Agent-2" und das 1980 in Jena nachgewiesene "Jena-Virus", beides Rinderviren, erwiesen sich nach molekularer Charakterisierung als Caliciviren. Ihrer Genomorganisation entspricht der Genomorganisation der NLVs [49, 50] . Die phylogenetische Analyse dieser animalen Caliciviren zeigte eine relativ enge genetische Verwandtschaft zu den NLVs der GI. Es wurde daher kürzlich vorgeschlagen, das genetische Klassifikationsschema (s. Tabelle 2) dieser Viren um eine dritte Genogruppe (GIII) zu erweitern [51] . Diese Befunde deuten darauf hin, dass ein tierisches Reservoir für die humane Infektion bestehen könnte. Der Beweis für das Vorliegen einer Übertragung vom Tier auf den Menschen steht allerdings noch aus [52] . Untersuchungen zur NLV-Immunität werden dadurch erschwert, dass sich die Viren bislang nicht in Zelllinien kultivieren lassen und deshalb auch kein In-vitro-Neutralisationstest zur Verfügung steht. Ältere Studien zeigen, dass nur etwa 50% der NLV-exponierten Personen erkranken und eine Kurzzeitimmu-nität gegen das Virus erwerben, die mit dem gemessenen Serumantikörperniveau korreliert. Diese Immunität soll von der lokalen intestinalen Immunabwehr abhängen [53] . Paradoxerweise zeigen aber andere Studien, dass auch Personen mit hohem Niveau an präexistierenden NLV-Antikörpern erkranken können, wenn sie demselben Virus erneut ausgesetzt werden [54] . Das Vorhandensein von Serumantikörpern korreliert also nicht unbedingt mit dem Vorliegen einer protektiven Immunität. Unlängst zeigten Studien, dass gerade Personen mit relativ hohem Niveau an präexistierenden Antikörpern nach erneuter Exposition eher erkranken [55] . Gemäß einer Studie zur Durchseuchung der britischen Bevölkerung [56] leben in Städten prozentual mehr Personen mit spezifischen Antikörpern gegen NLVs als auf dem Lande. Die Studie zeigt, dass bei Kleinkindern im Alter zwischen sechs und elf Monaten ein deutlicher Abfall der IgG-Antikörper von 70,8 auf 21,7% zu beobachten ist, der sich mit dem Wegfall der maternalen IgG-Antikörper erklären lässt. Der beobachtete signifikante Anstieg des Anteils von Kindern mit Antikörpern im Lebensalter von zwölf bis 23 Monaten (44%) könnte mit der erhöhten Mobilität der Kinder und dem vermehrten Kontakt zu Gegenständen und Personen assoziiert sein. Bis zum fünften Lebensjahr wurden 55% Antikörperträger ermittelt. Im Lebensabschnitt zwischen fünf und neun Jahren ist ein Anstieg der Antikörper-positiven Kinder auf 69% zu beobachten, der sich aus dem Eintritt in die Schule und aus vermehrtem Kontakt zu anderen Kindern erklärt. Der dritte signifikante Anstieg in der Zahl Antikörper-positiver Personen im Alter von 20 bis 29 Jahren (79%) lässt sich mit einer möglichen Veränderung der sozialen Situation durch Eintritt in das Berufsleben und durch Familiengründung begründen. In den nachfolgenden Altersgruppen unterliegt der Anteil der Träger NLV-spezifischer Immunoglobuline (85-92%) keinen größeren Schwankungen mehr. Obwohl es in den letzten drei Jahrzehnten nicht an Bemühungen gefehlt hat, sich mit Fragen zur Immunität nach Calicivirusinfektion zu beschäftigen, ist unser diesbezügliches Verständnis nach wie vor völlig unzureichend. Die Anwendung molekularer Klonierungstechni- The magnitude of the global problem of diarrhoeal disease: a ten year update Mortality by cause for eight regions of the world: global burden of disease study Food-related illness and death in the United States A one-year study of foodborne illnesses in the municipality of Uppsala Summary of First International Workshop on Human Caliciviruses Virus taxonomy; 7th report of the International Committee on Taxonomy of Viruses Chanock (1972) Visualization by immune electon microscopy of a 27 nm particle associated with acute infectious nonbacterial gastroenteritis An outbreak of gastroenteritis associated with calicivirus in an infant home Taxonomy of the caliciviruses Norwalk virus open reading frame 3 encodes a minor structural protein X-ray crystallographic structure of the Norwalk Virus Capsid Norwalk und "Norwalk-like viruses" in epidemic Gastroenteritis Winter vomiting disease Viral gastroenteritis: small round structured viruses, caliciviruses and astroviruses.Part I.The clinical and diagnostic perspective Norwalk group of viruses Detection of Norwalk-like virus in shellfish implicated in illness Selective accumulation may acount for shellfish-associated viral illness An Australia-wide outbreak of gastroenteritis from oysters caused by Norwalk virus Molecular epidemiology of outbreks of gastroenteritis associated with small round structured viruses in Germany in 1997/98 Outbreaks of food-borne and waterborne viral gastroenteritis Epidemiology of Norwalk gastroenteritis and the role of Norwalk virus in outbreaks of acute nonbacterial gastroenteritis Epidemiologic applications of novel molecular methods to detect and differentiate small round structured viruses (Norwalk-like viruses) Phylogenetische Einordnung der beiden in Deutschland identifizierten SLVs.Das Phylogramm wurde unter Verwendung des Programmpakets Phylip [31] auf der Basis von Nukleotidsequenzen des Polymerasegens erstellt Diarrheal deaths in the United States, 1979 through 1987.A special problem for the elderly Diagnosis of noncultivatable gastroenteritis viruses, the human caliciviruses Genetic polymorphism across regions of the three open reading frames of "Norwalk-like viruses Genogroup-specific PCR primers for detection of Norwalk-like viruses Molecular detection of Norwalk-like caliciviruses in Sewage The detection of small round-structured viruses in water and environmental materials Improved detection of human enteric viruses in foods by RT-PCR Phylip (Phylogeny inference package) version 3.57c.Department of Genetics Vaccine-associated cases of poliomyelitis over a 30 year period in East Germany Mixed genogroup SRSV infections among a party of canoeists exposed to contaminated recreational water Characterization of a novel human calicivirus that may be a naturally occuring recombinant The occurrence of calicivirus in infants with acute gastroenteritis Calicivirus gastroenteritis in North West London An eight-year study of the viral agents of acute gastroenteritis in humans: ultrastructural observations and seasonal distribution with a major emphasis on coronavirus-like particles Diagnosis, occurrence and clinical significance of the human "candidate" caliciviruses Outbreak of human calicivirus gastroenteritis in a day An outbreak of gastroenteritis in a home for the elderly associated with astrovirus type 1 and human calicivirus Sapporo virus: History and recent findings Prevalence of human calicivirus infections in Kenya determined by enzyme immunoassays for three genogroups of the virus Epidemiological study of prevalence of genogroup II human calicivirus (Mexico virus) infections in Japan and Southeast Asia as determined by enzyme-linked immunosorbent assay Study on occurence of human calicivirus (Mexico strain) as cause of sporadic cases and outbreaks of calicivirusassociated diarrhoea in the United Kingdom Dot blot hybridization with a cDNA probe derived from the human calicivirus Sapporo 1982 strain Norwalk virus infection of volunteers: new insights based on improved assays Human caliciviruses in acute gastroenteritis of young children in the community Members of the family Caliciviridae (Norwalk virus and Sapporo virus) are the most prevalent cause of gastroenteritis outbreaks among infants in Japan The bovine Newbury agent-2 is genetically more closely related to human SRSVs tha to animal caliciviruses Molecular characterization of a bovine enteric calicivirus: relationship to the Norwalk-like viruses Genetic classification of "Norwalk-like viruses Norwalk-like calicivirus genes in farm animals Clinical immunity in acute gastroenteritis caused by Norwalk agent Multiple-challenge study of host susceptibility to Norwalk gastroenteritis in US adults Norwalk-like viruses": public health consequencec and outbreak management Prevalence of antibodies to Norwalk virus in England: detection by enzyme-linked immunosorbent assay using baculovirus-expressed Norwalkvirus capsid antigen