key: cord-0004737-r9cefnht authors: Betsch, C.; Schmid, P. title: Angst essen Impfbereitschaft auf?: Der Einfluss kognitiver und affektiver Faktoren auf die Risikowahrnehmung im Ausbruchsgeschehen date: 2012-12-19 journal: Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz DOI: 10.1007/s00103-012-1595-z sha: 0cf46ffec79a535a18962df940ed15d08c39a5ce doc_id: 4737 cord_uid: r9cefnht During the influenza pandemic in 2009 individuals had the choice of either receiving a vaccination or running the risk of becoming infected with the pandemic influenza virus A (H1N1). For many individuals knowledge of a likely infection and possibly serious health consequences stood in contrast to a vague fear of the vaccination itself. What has a stronger influence on the decision to be vaccinated: the cognitive estimation of risk or the feeling of risk? Based on data collected during the 2009 influenza A (H1N1) pandemic we tested the relative influence of the cognitive and affective aspects of risk on estimation of the individual willingness to be vaccinated. In doing so we also focused on fear. The results indicate that the feeling of risk had a significant effect on the willingness to be vaccinated. In contrast, the classic, cognitive estimation of a risk was no longer a significant predictor when the feeling of risk was also used to predict the willingness to be vaccinated. A highly felt risk to become infected with influenza A (H1N1) substantially increased the willingness to be vaccinated. A highly felt risk regarding the vaccination, on the other hand, decreased the willingness to be vaccinated. Fear of the vaccination significantly decreased the willingness to be vaccinated even when fear of the spreading disease was also very high. The implications of the results for crisis communications will also be discussed. Häufig erleben wir, dass unsere Gefühle (Affekt) und Gedanken (Kognitionen) nicht in dieselbe Richtung weisen: Nach den Terroranschlägen in New York im Jahr 2001 wählten beispielsweise viele Amerikaner eher das Auto als das Flugzeug, um innerhalb Amerikas zu reisen. Ihr Gefühl sagte ihnen: Reisen mit dem Flugzeug ist gefährlich! -obwohl sie vielleicht wussten, dass die Wahrscheinlichkeit, auf langen Reisen mit dem Auto zu verunglücken, ungleich höher ist als bei Reisen mit dem Flugzeug [1]. In der Influenzapandemiezeit 2009 stand die Bevölkerung vor der Wahl, sich impfen zu lassen oder sich der Gefahr auszusetzen, an der Influenza A (H1N1) zu erkranken. Das Wissen um eine wahrscheinliche Ansteckung und um möglicherweise schwerwiegende Krankheitsverläufe stand im Gegensatz zu Gefühlen diffuser Angst vor dem Impfstoff. Beispiele für mögliche Auslöser dieser Angst [2] sind die von Impfgegnern kritisierte Verwendung von Thiomersal in Impfstoffen [3] oder die in Serien-E-Mails verbreitete Idee, das im pandemischen Impfstoff enthaltene Squalen verursache das Golfkriegssyndrom [4] . Was beeinflusst nun die (Impf-)Entscheidung stärker: das gefühlte Risiko zu erkranken bzw. Nebenwirkungen zu erleiden oder die kognitive Einschätzung der jeweiligen Risiken? Anhand von Daten, die wir während der H1N1-Pandemie 2009 erhoben ha-ben, wird im Folgenden der relative Einfluss von kognitiver und affektiver Risikowahrnehmung auf die Impfbereitschaft untersucht. Dabei legen wir ein besonderes Augenmerk auf Angst. Angst wird in vielen Studien häufig als (einziger) Prädiktor erfasst und ist vor allem in Ausnahmesituationen, wie z. B. bei Influenzaausbrüchen relevant. Ferner wird häufig diskutiert, ob zur Erhöhung der Impfraten sog. Furchtappelle eingesetzt werden sollten. Furchtappelle sind eine Kommunikationsstrategie, die nicht auf Information und Beratung, sondern eher auf überredendes Überzeugen setzt (sog. Persuasion). Dabei wird gezielt Angst ausgelöst, um ein Schutzverhalten zu erwirken. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie werden hinsichtlich ihrer Implikationen für die Krisenkommunikation diskutiert. Psychologische Theorien zum Schutzverhalten nehmen an, dass Personen sich dann schützen, wenn sie ein hohes Risiko wahrnehmen, etwa an einer Krankheit zu erkranken [5, 6] . Dem entgegen wirkt das Risiko, das die Schutzmaßnahme selbst mit sich bringt -wie z. B. mögliche Nebenwirkungen einer Impfung [7, 8] . Weitere Aspekte wie die wahrgenommene Empfänglichkeit für die Krankheit, der erwartete Nutzen einer Schutz-maßnahme (z. B. einer Impfung) und die Barrieren, die ihrer Umsetzung im Wege stehen (z. B. Impfung nur im Gesundheitsamt mit langen Wartezeiten statt bequem beim Hausarzt), beeinflussen die Schutzintention. Wie eine Metaanalyse zeigte [7] hat sich das wahrgenommene Erkrankungsrisiko in vielen Studien als ein verlässlicher Prädiktor der Impfentscheidung erwiesen. Risiko wird operationalisiert als eine Kombination aus der wahrgenommenen Wahrscheinlichkeit zu erkranken und dem erwarteten Schweregrad der Erkrankung [9, 10, 11] . In der Folge werden wir von dieser Kombination als kognitiv vermitteltem Risiko oder als "risk as analysis" sprechen [12, 13, 14] . In gleicher Weise wird das Risiko für das Auftreten von Nebenwirkungen einer Impfung betrachtet [8, 10, 11] . Neben dem kognitiven "risk as analysis" wird in der psychologischen Literatur auch die Existenz eines "risk as feelings" angenommen -also eines gefühlsmäßig vermittelten Risikos, das sich auf Gefühle und Gefühlslagen wie Bedrohlichkeit, Angst und Besorgnis stützt [12, 13, 14] . Studien haben gezeigt, dass das gefühlsmäßig vermittelte Risiko einen unabhängigen und teilweise sogar stärkeren Einfluss auf Risikoentscheidungen haben kann als ein kognitiv vermitteltes Risiko [14] . Um Verhalten in Risikosituationen zu erklären, sollten daher sowohl das kognitiv vermittelte Risiko als auch das Risikogefühl erfasst werden. Dass ein Risikogefühl oder Angst auch bei Impfentscheidungen eine Rolle spielt, wurde in zahlreichen empirischen Studien berichtet: Die Besorgnis (worry), an Influenza A (H1N1) zu erkranken, korrelierte positiv mit der Impfintention bei italienischen Universitätsstudenten [15] ; die Ausprägung der Angst (fear) vor Influenza A (H1N1) war in Malaysia signifikant mit berichtetem Schutzverhalten korreliert [16] . Für griechische Frauen waren die beiden häufigsten Gründe, ihre Töchter nicht gegen sexuell übertragbare humane Papillomviren (HPV) impfen zu lassen, ein selbst berichteter Mangel an Wissen sowie die Angst vor Nebenwirkungen [17] . Auch Ergebnisse aus Fokusgruppen mit Eltern [18] zeigen, dass die Furcht vor Nebenwirkungen oder sogar vor dem Tod durch eine Influenzaimpfung wesentliche Impfhindernisse sind. Diese Angst der Eltern beeinflusst auch die folgende Generation, also die Heranwachsenden selbst, in ihrer Entscheidung [18] . Ängste vor impfpräventablen Erkrankungen waren in einer qualitativen Studie hauptsächlich bei Eltern komplett geimpfter Kinder zu finden, während sich Personen mit ungeimpften Kindern stärker vor Impfnebenwirkungen fürchteten [19] . In Deutschland zeigte sich 2010 in einer repräsentativen Befragung von Eltern mit Kindern im Alter von 0 bis 13 Jahren, dass 14% der Eltern schon einmal aus Angst vor Nebenwirkungen oder Impfschäden eine Impfung ausgelassen haben [20] . Unter Eltern mit Vorbehalten gegenüber dem Impfen waren es sogar 40%. Angst und Gefühle der Bedrohlichkeit (threat) können schon durch kurze Besuche impfkritischer Internetseiten ausgelöst werden; dadurch sinkt in der Folge die Impfintention [21] . Angst scheint also auch bei Routineentscheidungen die Impfbereitschaft zu beeinflussen. In Ausbruchssituationen ist Angst jedoch ein besonders wichtiger Faktor. Risiken, die global, unkontrollierbar, schwer einzudämmen und mit Katastrophenpotenzial behaftet sind, lösen laut Slovic [22] eine sog. "dread-risk"-Wahrnehmung aus, also eine auf Angst und Furcht basierende Risikowahrnehmung. Daher sollte vor allem in Ausbruchssituationen Angst neben der Risikowahr-nehmung als wichtiger Faktor für die Bereitschaft, Schutzverhalten zu zeigen, betrachtet werden. Im Folgenden wird die kognitiv vermittelte Risikowahrnehmung ("risk as analysis": Wahrscheinlichkeit und Schweregrad) im Vergleich zum gefühlten Risiko betrachtet ("risk as feelings": Angst, Bedrohlichkeit, Besorgnis). Dabei soll der relative Einfluss beider Arten von Risikowahrnehmung auf die Impfintention in einer Ausbruchssituation ermittelt werden. Als Grundlage hierfür dient das Modell von Loewenstein und Kollegen [13, 14] . Ein besonderes Augenmerk wird zudem auf Angst gelegt, da diese in Ausbruchssituationen ein wesentlicher Faktor zu sein scheint [16, 17, 18, 19, 22] . Hypothesen Basierend auf den obigen Ausführungen erwarteten wir eine höhere Impfbereitschaft, je höher das kognitiv vermittelte Risiko ist, an Influenza A (H1N1) zu erkranken ("risk as analysis"). Je höher das kognitiv vermittelte Risiko ist, Nebenwirkungen durch den verfügbaren Impfstoff zu erleiden, desto geringer sollte die Impfbereitschaft sein [7, 8, 10, 11] . Risikogefühle ("risk as feelings") sollten einen starken zusätzlichen Einfluss auf die Impfbereitschaft haben -einen positiven bei einem gefühlten hohen Risiko bezogen auf Influenza A (H1N1) und einen negativen bei einem gefühlten hohen Nebenwirkungsrisiko [14] . Am Ende einer im Internet durchgeführten Studie mit Studierenden 1 wurden die 1 In der studentischen Studie wurden 8 verschiedene hypothetische Szenarien zum Thema Impfen bearbeitet. Das bearbeitete Szenario hatte keinen Einfluss auf die Bereitschaft, sich gegen H1N1 impfen zu lassen [F(7, 512)=1,46, p>0,17]. Die hier berichteten Variablen wurden in der ursprünglichen Studie erhoben, um den Einfluss der realen Risikowahrnehmung auf die Antworten im hypothetischen Szenario zu kontrollieren. Probanden zu ihrer Impfintention und ihrer kognitiven und affektiven Risikowahrnehmung bezogen auf die damals aktuelle Influenza-A (H1N1)-Pandemie befragt. 2175 Studierende der Universität Erfurt wurden über das Online-Rekrutierungstool ORSEE, das an der Universität Erfurt zur Anwerbung von Versuchsteilnehmern genutzt wird, zur Studie eingeladen (siehe http://www.uni-erfurt.de/psychologie/forschung/hermann-ebbinghaus-labor/). Zwischen dem 2. und 5. November 2009 nahmen 520 Personen (75,8% weiblich, Alter 21,61, SD=2,99; 11,5% bereits mit Hochschulabschluss) teil. In der Zeit vor und nach der 45. Kalenderwoche (Zeitraum, in der die Studie stattfand), war laut Robert Koch-Institut ein starker Anstieg der A (H1N1)-Fälle zu verzeichnen; der Höhepunkt der Welle lag in der 47. Woche [23] . Die Impfung gegen A (H1N1) war ab der 44. Woche verfügbar. Die folgenden Fragen wurden in einem Online-Fragebogen dargeboten und konnten durch Klicken auf Radiobuttons beantwortet werden. Die Bereitschaft zu einer Impfung gegen Influenza A (H1N1) wurde mit folgender Frage erfasst: "Bitte geben Sie an, wie Sie sich entscheiden würden, wenn Sie sich diese Woche gegen Schweinegrippe (Neue Grippe) impfen lassen könnten" (0= nicht impfen, 1= impfen mit Wirkstoff Pandemrix, dem für die breite Bevölkerung zugelassenen und verfügbaren Impfstoff). Das kognitive Risiko, an Influenza A (H1N1) zu erkranken, wurde mit 2 Fragen erfasst [Wahrscheinlichkeit: "Ich denke, wenn ich nicht die Impfung bekomme, sind meine Chancen Schweinegrippe (Neue Grippe) zu bekommen …", 1= fast null; 7= fast sicher. Schweregrad: "Schweinegrippe ist eine schwerwiegende Erkrankung", 1= stimme nicht zu; 7= stimme voll zu]. Das kognitive Risiko, nach einer Impfung mit Pandemrix Nebenwirkungen zu erleiden, wurde mit 2 analogen Fragen erfasst (Wahrscheinlichkeit: "Ich denke, wenn ich die Impfung bekomme, sind meine Chancen, dass Nebenwirkungen auftreten …", 1= fast null; 7= fast sicher. Schweregrad: "Die Nebenwirkungen einer Schweinegrippe Impfung sind schwerwiegend", 1= stimme nicht zu; 7= stimme voll zu). Die statistische Interaktion von Wahrscheinlichkeit und Schweregrad wird in der Folge als Schätzer für das wahrgenommene Risiko verwendet [9, 14] . Das gefühlte Risiko bezogen auf Influenza A (H1N1) und die Impfung wurden jeweils mit 3 Fragen erfasst: Angst vor der Schweinegrippe und Angst vor Nebenwirkungen ("Ich habe Angst, mich mit Schweinegrippe anzustecken", "Ich habe vor Nebenwirkungen einer Schweinegrippe-Impfung Angst"; 1= stimme nicht zu; 7= stimme voll zu). Analog wurden die Bedrohlichkeit ("Ich fühle mich durch Schweinegrippe/Nebenwirkungen einer Impfung bedroht") und Besorgnis erfragt ("Ohne Impfung wäre ich besorgt, dass ich Schweinegrippe bekomme"/"Mit Impfung wäre ich besorgt, dass Nebenwirkungen auftreten)". Die Daten wurden mittels SPSS, Version 20 ausgewertet. Zur Darstellung der Mittelwerte (. Tab. 1) wurde das kognitiv vermittelte Risiko über die Multiplikation der Rohwerte der eingeschätzten Wahrscheinlichkeit mit dem erwarteten Schweregrad berechnet [9] . Angst, Bedrohlichkeit und Besorgnis in Bezug auf Influenza A (H1N1) waren erwartungsgemäß hoch miteinander korreliert 2 (. Tab Das kognitiv vermittelte Risiko, an Influenza A (H1N1) zu erkranken, korrelierte zu r=0,70 (p<0,001) mit dem gefühlten Risiko; das kognitiv vermittelte Risiko, Impfnebenwirkungen zu erleiden, korrelierte zu r=0,78 (p<0,001) mit dem gefühlten Risiko. Bundesgesundheitsbl 2013 · 56:124-130 DOI 10.1007/s00103-012-1595-z © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012 In der Influenzapandemiezeit 2009 stand die Bevölkerung vor der Wahl, sich impfen zu lassen oder sich der Gefahr auszusetzen, an Influenza A (H1N1) zu erkranken. Das Wissen um eine wahrscheinliche Ansteckung und um möglicherweise schwerwiegende Krankheitsverläufe stand für viele Bürger im Gegensatz zu Gefühlen diffuser Angst vor dem Impfstoff. Was beeinflusst nun die (Impf-)Entscheidung stärker: die kognitive Einschätzung des Risikos oder das gefühlte Risiko? Anhand von Daten, die während dieser Pandemie erhoben wurden, testen wir in der hier vorgestellten Studie den relativen Einfluss von kognitiven und affektiven Aspekten der Risikowahrnehmung auf die Impfbereitschaft. Ferner legen wir ein besonderes Augenmerk auf Angst. Die Ergebnisse zeigen, dass das gefühlte Risiko die Impfbereit-schaft signifikant beeinflusst, während die klassische kognitive Einschätzung des Risikos kein signifikanter Prädiktor mehr ist, sobald auch das gefühlte Risiko zur Vorhersage der Impfbereitschaft genutzt wird. Ein hohes gefühltes Risiko, an Influenza A (H1N1) zu erkranken, erhöhte die Impfbereitschaft deutlich; ein hohes gefühltes Impfrisiko senkte die Impfbereitschaft. Angst vor der Impfung verminderte die Impfintention signifikant, selbst wenn die Angst vor der ausbrechenden Krankheit sehr groß war. Die Ergebnisse werden hinsichtlich ihrer Implikationen für die Krisenkommunikation diskutiert. Risk as feelings · Angst · Impfentscheidung · Furchtappell Does fear affect the willingness to be vaccinated? The influence of cognitive and affective aspects of risk perception during outbreaks Abstract During the influenza pandemic in 2009 individuals had the choice of either receiving a vaccination or running the risk of becoming infected with the pandemic influenza virus A (H1N1). For many individuals knowledge of a likely infection and possibly serious health consequences stood in contrast to a vague fear of the vaccination itself. What has a stronger influence on the decision to be vaccinated: the cognitive estimation of risk or the feeling of risk? Based on data collected during the 2009 influenza A (H1N1) pandemic we tested the relative influence of the cognitive and affective aspects of risk on estimation of the individual willingness to be vaccinated. In doing so we also focused on fear. The results indicate that the feeling of risk had a significant effect on the willingness to be vaccinated. In contrast, the classic, cogni-tive estimation of a risk was no longer a significant predictor when the feeling of risk was also used to predict the willingness to be vaccinated. A highly felt risk to become infected with influenza A (H1N1) substantially increased the willingness to be vaccinated. A highly felt risk regarding the vaccination, on the other hand, decreased the willingness to be vaccinated. Fear of the vaccination significantly decreased the willingness to be vaccinated even when fear of the spreading disease was also very high. The implications of the results for crisis communications will also be discussed. Achtzig Prozent der Probanden (n=416) gaben an, sich nicht gegen Influenza A (H1N1) impfen lassen zu wollen. Vor dem Hintergrund, dass Impfrisiken als höher eingeschätzt werden als die Risiken, die mit einer A (H1N1)-Infek tion verbunden sind, scheint die niedrige Impfbereitschaft plausibel. Im Folgenden werden die Risikovariablen zur Vorhersage der Impfbereitschaft herangezogen. Um den relativen Einfluss des kognitiv vermittelten und des gefühlten Risikos auf die Impfentscheidung zu ermitteln, wurde eine binär logistische Regression durchgeführt. Im ersten Schritt wurde nur das kognitiv vermittelte Risiko, an Influenza A (H1N1) zu erkranken bzw. Nebenwirkungen nach einer Impfung zu erleiden, als Prädiktor in die Gleichung aufgenommen (statistische Interaktion von Wahrscheinlichkeit und Schweregrad). Im zweiten Schritt wurde zusätzlich das gefühlte Risiko mit aufgenommen (Mittelwert aus Angst, Bedrohlichkeit und Besorgnis). In allen Regressionen wurden die Prädiktoren zunächst z-standardisiert. Eine Veränderung um eine Einheit im Prädiktor bedeutet demnach eine Veränderung um eine Standardabweichung in der unstandardisierten Variable. Im ersten Schritt zeigt sich, dass die beiden kognitiven Risikovariablen signifikant die Impfintention vorhersagten [kognitiv vermitteltes Risiko, an Influenza A (H1N1) zu erkranken: B=0,26, Wald=6,34, p=0,01; kognitiv vermitteltes Risiko, an Impfnebenwirkungen zu leiden: B=−0, 21 p<0,001). Die Schätzer waren zu maximal |0,57| korreliert; von einer Multikollinearität muss demnach nicht ausgegangen werden. Die Ergebnisse zeigen, dass kognitiv vermittelte Risikovariablen die Impfbereitschaft vorhersagen können. Jedoch steigt die gesamte Varianzaufklärung deutlich an, wenn auch affektive Variablen zur Vorhersage herangezogen werden. Ferner ist der Einfluss des gefühlten Risikos stärker als der Einfluss des kognitiv vermittelten Risikos. Am deutlichsten wirkt sich das gefühlte Risiko in Bezug auf Influenza A (H1N1) auf die Impfbereitschaft aus (s. auch [24] ; . Abb. 1). Was bedeutet dies nun konkret für die Impfbereitschaft? . Abb. 2 veranschaulicht die Impfbereitschaft als Funktion der Angst: Sie zeigt die Impfbereitschaft über das Spektrum der Angst vor Influenza A (H1N1) getrennt für Personen mit mittlerer bis hoher (≥3) und geringer Angst vor Impfnebenwirkungen (<3; Median=3). Die Abbildung verdeutlicht, dass steigende Angst vor Influenza A (H1N1) auch die Impfbereitschaft erhöht. Jedoch verdeutlicht sie auch (anhand der dargestellten 95%-KI), dass sich die Impfintentionen von Personen mit geringer und hoher Angst vor Nebenwirkungen über das gesamte Spektrum der Angst vor Influenza A (H1N1) signifikant voneinander unterscheiden: Selbst wenn diese Angst sehr groß ist, senkt die Angst vor Nebenwirkungen die Impfintention immer noch signifikant. Die Ergebnisse der hier dargestellten Studie demonstrieren, dass das gefühlte Risiko, das als eine Gefühlslage verstanden wird, die von Angst, Bedrohlichkeit und Besorgnis bestimmt ist, ein zusätzlicher und vergleichsweise starker Prädikator für bzw. auch in erheblicher Weise gegen die Impfbereitschaft sein kann: Ein hohes gefühltes Risiko, an Influenza A (H1N1) zu erkranken, erhöhte die Impfbereitschaft deutlich und war stärkster Prädiktor; ein hohes gefühltes Impfrisiko reduzierte die Impfbereitschaft. Dies gilt in gleicher Weise auch für Angst, wie deren separate Betrachtung gezeigt hat. Insgesamt ist festzuhalten, dass eine eher nüchterne, kognitive Bewertung eines Risikos (hinsichtlich seiner Eintrittswahrscheinlichkeit und seines Schweregrades) keine Vorhersagekraft mehr hat, sobald Angst bzw. das gefühlte Risiko als Prädiktor in die Analyse aufgenommen wurden (vgl. [14] ). Viele Experten lehnen in Post-hoc-Bewertungen vergangener Krisen die bewusste Erzeugung von Angst z. B. vor der ausbrechenden Krankheit strikt ab oder vernachlässigen ihren potenziellen nütz-lich-instrumentellen Charakter (z. B. nach den H1N1-, EHEC-, SARS-, H5N1-Ausbrüchen; [27, 28, 29, 30] ). Dies wird z. B. in der Äußerung des Direktors des Öffentlichen Gesundheitsdienstes von Chicago deutlich: "It is our job to keep people from fear. Worry kills more than the disease" [27] . Die in den zitierten Artikeln vorgenommenen Post-hoc-Bewertungen sind nicht evidenzbasiert und repräsentieren eher die Meinungen der Autoren bzw. spiegeln ihre moralische-ethische Weltanschauung [31] . Krisensituationen sind naturgemäß schwer zu beforschen, da sie unvorhersehbar sind, aufgrund der Dringlichkeit ad hoc viel und divers kommuniziert wird und sich Sachverhalte in einer solchen Situation sehr schnell ändern können. Entsprechende Situationen lassen sich für Forschungszwecke nur schwer nachstellen, und die Feldforschung in der Krise krankt an der Kontrollierbarkeit der Bedingungen. Für evidenzbasierte oder -informierte Entscheidungen sind daher Studien wie die vorliegende Studie von großer Bedeutung. Ihre Ergebnisse zeigen, dass eine gewisse Angst vor der ausbrechenden Krankheit Schutzverhalten befördern kann. Auf Basis ähnlicher Befunde aus Asien fordern Wong und Sam [16] , Furchtappelle auch in der Krisenkommunikation nicht kategorisch abzulehnen. Eine Metaanalyse zur Wirkung von Furchtappellen zeigt, dass sie am ehesten eine Verhaltensveränderung bewirken, wenn sie starke Angst auslösen und der Bürger gleichzeitig die Überzeugung hat, dass er sich schützen kann -dies wird beispielsweise dadurch erreicht, dass auch Bewältigungsmaßnahmen mit kommuniziert werden (z. B. Informationen darüber gegeben werden, wo man sich impfen lassen kann, was die Impfung kostet etc. [32] ). Die Entscheidung für oder gegen einen Furchtappell scheint also eher eine prinzipielle Entscheidung zu sein. In einer aktuellen WHO-Kommunikationsrichtlinie für Ausbruchssituationen wird vorgeschlagen, auf die bereits bestehenden Ängste der Bevölkerung einzugehen und sie nicht weiter zu schüren [26], auch um Vertrauen und Glaubwürdigkeit nicht zu verspielen. An dieser Stelle ist weiterer Forschungsbedarf festzustellen, ins-besondere zum Effekt von Furchtappellen auf die Glaubwürdigkeit der Kommunikatoren. Die hier vorgestellte Studie hat gezeigt, dass die Angst vor einer Impfung die Impfintention immer noch signifikant senkt, und zwar selbst dann, wenn die Angst vor der ausbrechenden Krankheit sehr groß ist (vgl. . Abb. 2). Das heißt: Selbst wenn (mithilfe eines Furchtappells oder ohne) die Angst der Bevölkerung vor einer Infektionskrankheit hoch ist, sollten kommunikative Maßnahmen ergriffen werden, um die Angst vor der Impfung zu reduzieren. Da Angst vor Impfungen aus Unwissenheit oder Fehlinformationen resultieren kann [2], gehört es zu einer gelungenen Krisenkommunikation, kursierendes Falschwissen oder Gerüchte früh zu erkennen und aktiv zu dementieren bzw. richtigzustellen [33, 34, 35, 36] . Möglicherweise wird der Kampf gegen eine Influenzapandemie aber auch zwischen den Pandemien gewonnen -durch Erhöhung der Impfquoten gegen die saisonale Influenza. Eine solche sieht auch der Global Action Plan for Influenza Vaccines der WHO vor [37] . Das vergangene saisonale Influenzaimpfverhalten einer Person zeigte sich in verschiedenen Studien als ein starker oder sogar der stärkste Prädiktor für das pandemische Impfverhalten [38, 39] . Beispielhaft wird diese Strategie in den USA umgesetzt: Seit 2010 besteht eine Influenzaimpfempfehlung für alle Altersgruppen ab dem 6. Lebensmonat. Bisherige Bewertungen dieser Maßnahme fallen positiv aus sowohl mit Blick auf die Impfraten als auch auf die Verringerung influenzabedingter Notfallaufnahmen [38] . Ob sich eine flächendeckende Impfempfehlung generell auf die Wahrnehmung von Impfrisiken und auf die Impfraten auswirkt [40] , sollte jedoch engmaschig untersucht werden. Risk perception and self- protective behavior Testing four competing theories of health-protective behavior Meta-analysis of the relationship between risk perception and health behavior: the example of vaccination E-health use, vaccina tion knowledge and perception of own risk: drivers of vaccination uptake in medical students The risk construct The influence of narrative vs. statistic information on perceiving vaccination risks Effect of narrative reports about vaccine adverse events and bias-awareness disclaimers on vaccine decisions: a simulation of an online patient social network Risk perception and affect Risk as feelings Evaluating a dual-process model of risk: affect and cognition as determinants of risky choice Knowledge and worry as basis for different behaviors among university students: the case of pandemic flu H1N1v Behavioral responses to the influenza A (H1N1) outbreak in Malaysia Increasing fear of adverse effects drops intention to vaccinate after the introduction of prophylactic HPV vaccine Barriers to and facilitators of child influenza vaccine-perspectives from parents, teens, marketing and healthcare professionals Making sense of perceptions of risk of diseases and vaccinations: a qualitative study combining models of health beliefs, decision-making and risk perception Elternbefragung zum Thema The influence of vaccine-critical websites on perceiving vaccination risks The perception of risk Vortrag zu Influenza A (H1N1) 2009 - Ein epidemiologischer Rückblick Risk perceptions: assessment and relationship to influenza vaccination TX 26. Word Health Organization (2012) Communication for behavioral impact Pandemics: avoiding the mistake of 1918 Risk perceptions and behaviour: towards pandemic control of emerging infectious diseases Pandemics: good hygiene is not enough Crisis communicator Can fear arousal in public health campaigns contribute to the decline of HIV prevalence? A meta-analysis of fear appeals: implications for effective public health campaigns The debunking handbook im Druck) Debunking vaccination myths-strong risk negations can increase perceived vaccination risks Sources of the continued influence effect: when discredited information in memory affects later inferences How warnings about false claims become recommendations Global pandemic influenza action plan to increase vaccine supply: progress report Trends in risk perceptions and vaccination intentions: a longitudinal study of the first year of the H1N1 pandemic Effect of expanded US recommendations for seasonal influenza vaccination: comparison of two pediatric emergency departments in the United States and Canada Survey shows more US children getting vaccines Infodemiology and infoveillance: framework for an emerging set of public health informatics methods to analyze search, communication and publication be havior on the Internet Ein aktives Monitoring (z. B. über Suchmaschinen wie Google [41]