key: cord-0004745-52scfdrc authors: Mylonas, I.; Gingelmaier, A.; Friese, K. title: Systemische Infektionen in der Geburtshilfe date: 2006-02-28 journal: Gynakologe DOI: 10.1007/s00129-006-1805-6 sha: 1e54e81818a4f46fa9c9400378ac13a7fc8a7a57 doc_id: 4745 cord_uid: 52scfdrc The importance of systemic infections in pregnancy is often underestimated. This is primarily due to the fact that pregnant women, in the majority of cases, do not notice any complaints or only have unspecific flu-like symptoms (e.g. toxoplasmosis). Serological screening within the framework of German maternity care is often insufficient to diagnose existing or emerging infections in time. However, the long-term consequences for the affected children and their parents can be immense. A serological TORCH analysis should be performed if a pregnant woman complains about any typical or unspecific symptoms on suspicion of an infection. Infektionen während der Schwangerschaft sind besonders gefürchtet, da nicht nur die Mutter, sondern auch das Kind gefährdet ist. Systemische mütterliche Infektionen sind häufig mit einem Abort, einer Frühoder auch Totgeburt assoziiert. Eine präpartale Transmission ist während der akuten oder chronischen systemischen Ausbreitung einer Infektion im mütterlichen Organismus möglich. Einige Erreger besitzen die besondere Fähigkeit, über die Plazentaschranke oder die fetalen Membranen Zugang zum Fetus zu bekommen (. Tab. 1). Infektionsbedingte Komplikationen für das Kind beinhalten u. a. eine direkte (Embryopathie, Fetopathie) sowie indirekte fetale (Frühgeburt, Spontanabort) Schädigung. Bei klinischem bzw. sonographischem Verdacht auf eine Infektion während der Schwangerschaft oder eine fetale Schädigung ist die sog. "TORCH-Serologie" obligater Bestandteil der Diagnostik [12, 20] : F T Toxoplasmose; F O "others" (Hepatitis, HIV, Syphilis, Lues etc.?); F R Röteln; F C Zytomegalie; F H Herpes simplex. Toxoplasma gondii, der Erreger der Toxoplasmose, gehört als Protozoon zu den Sporozoen. Die zyklische Entwicklung dieser Spezies spielt sich im Darm von Katzen oder katzenartigen Tieren ab, die den Hauptwirt von Toxoplasma gondii darstellen. Menschen und Säugetiere nehmen die Oozysten, die der Hauptwirt über den Kot ausscheidet, oral auf, z. B. Schwangere, die eine Katze versorgen und dabei in den Kontakt mit deren Kot gelangen. Eine weitere wichtige Infektionsquelle stellt der Verzehr von toxoplasmazystenhaltigem, rohem oder ungenügend erhitztem Fleisch dar [12] . Am häufigsten verläuft eine Toxoplasmoseinfektion bei einer Schwangeren symptomlos. Es können aber auch unspezifische, "grippeartige" Anzeichen auftreten, z. B. Müdigkeit, Muskel-und Gliederschmerzen, Fieber. Schwere Verlaufsformen mit u. a. Enzephalitis, Pneumonie, Myokarditis treten extrem selten und vorwiegend bei immuninsuffizienten Menschen, z. B. Aids-Patienten, auf [12] . Das Risiko einer pränatalen Infektion steigt mit der Dauer der Schwangerschaft, gleichzeitig nimmt die Schwere des Krankheitsbildes beim Fetus im Verlauf der Schwangerschaft ab [12, 20] . Eine Erstinfektion der Schwangeren im 1. Trimenon führt in 5-25 der Fälle zu einer pränatalen Infektion, die häufig zu einer schweren Schädigung bzw. einem Abort führt. Im 2. Trimenon erfolgt die Übertragung auf bis zu 40 der Feten mit einem meist mittelschweren Krankheitsbild und im 3. Trimenon werden 65-100 der Kinder infiziert mit meist geringen Krankheitsfolgen. Nur etwa 1 erleidet die klassischen Manifestationen: Chorioretinitis, Hydrozephalus, intrazerbrale Verkalkungen mit postenzephalitischen Schäden. Jedoch können bei Geburt symptomarme Kinder im Verlauf ihres späteren Zusammenfassung Systemische Infektionen in der Schwangerschaft werden in ihrer Bedeutung immer wieder unterschätzt. Das liegt vor allem daran, dass viele Infektionen von der Schwangeren unbemerkt ablaufen oder nur mit einer unspezifischen, grippeähnlichen Symptomatik (z. B. Toxoplasmose) einhergehen. Das serologische Screening im Rahmen der deutschen Mutterschaftsvorsorge ist häufig nicht ausreichend, um bestehende oder neu eingetretene Infektionen rechtzeitig zu erkennen. Die Spätfolgen für die betroffenen Kinder und deren Eltern können jedoch erheblich sein. Eine TORCH-Serologie sollte bei jedem Verdacht auf eine infektionsbedingte, wenn auch unspezifische Symptomatik bei der Schwangeren durchgeführt werden. The importance of systemic infections in pregnancy is often underestimated. This is primarily due to the fact that pregnant women, in the majority of cases, do not notice any complaints or only have unspecific flulike symptoms (e.g. toxoplasmosis). Serological screening within the framework of German maternity care is often insufficient to diagnose existing or emerging infections in time. However, the long-term consequences for the affected children and their parents can be immense. A serological TORCH analysis should be performed if a pregnant woman complains about any typical or unspecific symptoms on suspicion of an infection. Infection · Pregnancy · Obstetrics · TORCH bis zu 90 der Fälle beschrieben. Die Diagnostik erfolgt serologisch bzw. molekularbiologisch. Entsprechend der Mutterschaftsrichtlinie sollte ein HBsAg-Screening im 3. Trimenon bei allen Schwangeren erfolgen. Bei Nachweis von HBsAg ist die Überprüfung des Anti-HDV-Antikörpers zur Diagnose einer akuten Hepatitis D notwendig. In der Schwangerschaft kann eine HBV-Impfung risikolos erfolgen. Alle Neugeborenen von HBsAg-positiven Müttern sollten bis maximal 12 h postpartal einer Simultanimpfung unterzogen werden (. Tab. 3) . Da eine Übertragung des HBV von Müttern mit HBeAg und HBV-DNA-Positivität in fast allen Fällen angenommen werden muss, wird zur Prävention eine Kaiserschnittentbindung in Kombination mit einer simultanen Immunprophylaxe diskutiert [15] . Das Hepatitis-C-Virus (HCV) ist für etwa 90 der posttransfusioneIl akquirierten Hepatitiden verantwortlich, wobei allerdings das größte Risiko einer HCV-Infektion bei i.v.-Drogenkonsum besteht. Etwa 80 der Infektionen sind klinisch inapparent, 60-85 gehen über in eine chronische Verlaufsform mit erhöhtem Risiko für die Entwicklung einer Leberzirrhose und eines HCC. Der Infektionsnachweis gelingt nur serologisch bzw. molekularbiologisch mit hochsensitiven Testsystemen. Anti-HCV-IgM-Antikörper können nicht nachgewiesen werden. Vor dem Stillen sollte bei Anti-HCV-positiven Müttern deshalb der HCV-RNA-Nachweis durchgeführt werden und bei einem positiven Testergebnis das Abstillen empfohlen werden. Auf die besondere Situation HIV-positiver Schwangerer soll im Folgenden nur sehr kurz eingegangen werden, da im letzten Jahr ein Themenheft "Die HIV-Patientin in Gynäkologie und Geburtshilfe" erschienen ist ("Der Gynäkologe", Bd. [28] . Die erworbene Syphilis (S. aquisita) wird von der angeborenen (S. connata) unterschieden. Die erworbene Syphilis ist eine zyklische Infektionskrankheit, bei der sich klinisch auffällige und klinisch unauffällige Stadien abwechseln, unterschieden werden 4 Stadien (. Tab. 4) . Die angeborene Syphilis tritt nur bei zu spät erkannter und nicht behandelter Infektion der Schwangeren auf. Zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft, bevorzugt aber ab der 18. SSW, kann T. pallidum ssp. pallidum transplazentar übertragen werden. Bei der frühen latenten und der späten latenten Syphilis sind die Patienten bis auf wenige Ausnahmen symptomfrei. Schwangere sollten in jedem Fall im 1. Trimenon und kurz vor der Geburt serologisch auf Syphilisantikörper untersucht werden. Es empfiehlt sich auch, bei Frauen nach einem Abort, einer Totgeburt und nach Frühgeburten eine Syphilisserologie durchführen zu lassen. Der direkte Erregernachweis kann im Dunkelfeld erfolgen. Als serologischer Suchtest gelangt der Treponema-pallidum-Hämagglutinations(TPHA)-Test zur Anwendung. Eine negativer Test schließt eine Infektion aus, wenn klinisch kein Verdacht auf eine Frühinfektion besteht. Nach Infektion bleibt der Test lebenslang positiv. Als Bestätigungstest wird der FTA-ABS(Fluoreszenz-Treponema-Antikörper-Absorptions)-Test genutzt. Zur Therapiekontrolle gelangen der VDRL("veneral disease research laboratory")-Test und der RPR(Rapid-Plasma-Reagin)-Test zur Anwendung. Die Therapie erfolgt durch hochdosierte parenterale Penicillin-G-Gaben. Bei Pe- Die durch das Rubellavirus hervorgerufenen Röteln zählen wegen ihrer hohen Fehlbildungsrate, das kongenitale Rubellasyndrom (CRS), welches primär Herz-, Augen-und Ohrfehlbildungen umfasst, zu den am meisten gefürchteten Infektionen in der Schwangerschaft. Die Übertragung des Erregers erfolgt durch Tröpfcheninfektion. Das Rötelnvirus befällt überwiegend die lymphadenoiden Organe, die Haut, Schleimhäute und Synovialgewebe, gelegentlich das perivaskuläre Gewebe und -in der Schwangerschaftdie Plazenta. Die Infektion ist mit einem Exanthem vergesellschaftet (. Tab. 5). Der Fetus kann diaplazentar infiziert werden. Bei der mütterlichen Erstinfektion liegen die fetalen Infektionsraten wesentlich höher als die Raten für Embryopathien. Die Häufigkeit des CRS liegt bei ca. 1:6000-120.000 Lebendgeborenen [4, 5, 6, 8, 9, 14, 17] . Das Risiko des CRS sinkt von etwa 70-90 in der 1. SSW auf etwa 3,5 in der 18. SSW, wobei das Risiko bei Infektionen nach der 18. SSW in der Regel <3,5 beträgt (. Tab. 5). Die klassischen Organfehlbildungen treten primär bei Infektionen während der 1. bis 11. SSW. auf. Bei Infektionen zwischen der 12. und 17. SSW. sind in abnehmendem Maße vor allem ZNS-Schädigungen und Beeinträchtigungen des Hörens zu erwarten. Bei mütterlichen Röteln nach der 18. SSW wurden in Studien keine signifikanten Auffälligkeiten beim Neugeborenen oder Säugling beobachtet. Zum Infektionsnachweis und zur Beurteilung der Immunitätslage werden IgM-, IgA-und IgG-Antikörper bestimmt (. Abb. 1). Standardtest ist der Hämagglutinationshemmtest (HAH). Eine gezielte pränatale Diagnostik ist mittels PCR (Polymerasekettenreaktion) aus Chorionzotten, Fruchtwasser und Fetalblut sowie durch Virusnachweis möglich. Da die IgM-Antikörperproduktion vor der 21. SSW zu geringfügig für einen Nachweis sein kann, sollte zur Vermeidung falsch-negativer Befunde die Chordozentese keinesfalls vor der 22. SSW erfolgen. Bei akuten Röteln in den ersten 10 SSW sollte wegen des hohen Risikos für die Entwicklung eines CRS eher ein Schwangerschaftsabbruch in Betracht gezogen werden. Differenzialdiagnostische Schwierigkeiten bereiten die durch das Parvovirus B19 und durch Entero-, Ebstein-Barrund Adenoviren bedingten Exantheme sowie Arzneimittelallergien und auch die bei einer Parvovirus-B19-lnfektion auftretenden Gelenkaffektionen. Die Rötelnprophylaxe erfolgt durch aktive bzw. passive Impfung. Reinfektionen nach einer Impfung sind bei Kontakt mit dem Wildvirus wegen fehlender lokaler Immunität im Nasopharynx vor allem bei niedrigen HAH-und IgG-Titern relativ häufig. Reinfektionen sind in der Regel asymptomatisch. Dabei kommt es zu einem hohen Anstieg der IgG-Antikörper mit mehr oder weniger ausgeprägter IgM-, aber meist signifikanter IgA-Antikörperbildung. Reinfektionen können trotz präexistierender HAH-und IgG-Antikörper zu fetalen Infektionen führen, jedoch nur in Ausnahmefällen zu einem CRS [1, 5] . Die versehentliche Impfung seronegativer Frauen perikonzeptionell oder in der Frühschwangerschaft kann in etwa 2 der Fälle zur fetalen Infektion führen, bisher wurden jedoch keine Schädigungen des Kindes nachgewiesen. Allerdings sollte nach einer Impfung eine Kontrazeption über 3 Monate empfohlen werden. Für die Therapie stehen heute vor allem Ganciclovir bzw. Foscarnet oder Aciclovir zur Verfügung. Impfstoffe sind zzt. in klinischer Erprobung. Für seronegative Schwangere, insbesondere nach beruflichem hCMV-Kontakt, wird auch die Gabe von i.v.-IG in Betracht gezogen. Erst kürzlich konnte demonstriert werden, dass eine Behandlung von Schwangeren mit einem spezifischen hCMV-Hyperimmunoglobulin mit einem signifikant geringeren Risiko einer kongenitalen Infektion des Neugeborenen einherging [22] . Somit könnte diese Behandlung in der Prävention und Therapie einer kongenitalen hCMV-Infektion von Vorteil sein. Allerdings ist der Wert dieser Maßnahme zur Verhinderung einer hCMV-Infektion bisher nicht abschließend zu beurteilen, da entsprechende randomisierte Studien mit größeren Fallzahlen fehlen und die Behandlung noch als sehr kostspielig einzustufen ist. Neben den bekannten Erregern sind etliche weitere systemische Infektionserkrankungen während der Schwangerschaft in der Geburtshilfe und Perinatologie von Bedeutung. So stellt z. B. die Malaria oder eine Infektion mit methicillinresistenten Staphylokokken vor allem wegen der eingeschränkten therapeutischen Möglich- keiten eine große Herausforderung dar. Auch das West-Nile-Virus (WNV), SARS und die Vogelgrippe werden im Zusammenhang mit Schwangerschaft und fetalen Schädigungen in den letzten Jahren viel diskutiert. Noch spielen diese Erreger in unseren Breiten eine eher untergeordnete Rolle. Angesichts der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung einerseits und therapeutischen sowie teils diagnostischen Einschränkungen andererseits wird die Bedeutung dieser Erreger in den nächsten Jahren sicherlich zunehmen. Die vielfältigen und oft schwerwiegenden Folgen einer systemischen Infektion während der Schwangerschaft haben nicht nur für die Betroffenen erhebliche individuelle somatische und psychische Konsequenzen, sondern sind auch ein erhebliches "Public-health-Problem", epidemiologisch wie gesundheitsökonomisch. In Zeiten demographischer Entwicklungen, die schon seit Längerem von einem Geburtenrückgang gekennzeichnet sind, ist dieses Problem, das jedem bewusst sein sollte, nicht nur von gesundheitspo-litischer, sondern auch von familienpolitischer Bedeutung. Frauenklinik, Ludwig-Maximilians-Universität Maistraße 11, 80337 München ioannis.mylonas@med.uni-muenchen.de Subclinical rubella reinfection during pregnancy followed by transmission of virus to the fetus ACOG (1992) Rubella and pregnancy Cytomegalovirus and pregnancy Neonatal thrombocytopenic purpura and other manifestations of rubella contracted in utero Röteln und Ringelröteln Infektionen und Impfungen in der Schwangerschaft Friese K, Kachel W (Hrsg) Infektionserkrankungen der Schwangeren und des Neugeborenen Outcome of confirmed periconceptional maternal rubella Rötelnimpfung: Antikörperpersistenz für 14-17 Jahre und Irnmunstatus von Frauen ohne und mit Impfanamnese Congenital syphilis Infektionskrankheiten in Gynäkologie und Geburtshilfe Infections in pregnancy Outcome of rubella during pregnancy with special reference to the 17th-24th weeks of gestation Role of caesarean section in prevention of mother-infant transmission of hepatitis B virus Intrauterine transmission of hepatitis A virus Consequences of confirmed maternal rubella at successive stages of pregnancy Infektionsbedingte fetale Schädigungen Fetal cytomegalovirus infection: From research to clinical application Passive immunization during pregnancy for congenital cytomegalovirus infection Transmission of hepatitis C virus from mothers to infants. The vertical transmission of hepatitis C virus collaborative study group Syphilis. In Friese K, Kachel W (Hrsg) Infektionserkrankungen der Schwangeren und des Neugeborenen ed) Diseases of the liver and biliary system Herpesvirus infections of pregnancy. Part I: Cytomegalovirus and Epstein-Barr virus infections Significance of cytomegaloviral infections in pregnancy and early childhood Forgotten but not gone: the continuing scourge of congenital syphilis Vertical transmission of hepatitis A resulting in an outbreak in a neonatal intensive care unit 2 8 Vorschlag für das Management von schwangeren Frauen mit primärer CMV-Infektion