key: cord-0005260-fecx05i8 authors: Staudinger, Thomas title: Neue Grippe (H1N1): Phantom oder intensivmedizinischer Super-GAU? – Ein Blick auf die österreichische Realität date: 2010 journal: Wien Klin Wochenschr DOI: 10.1007/s00508-010-1304-6 sha: 74162876e6c45874e45da9c337eabed24f2e6270 doc_id: 5260 cord_uid: fecx05i8 nan Im Frühherbst 2009 durfte man laut Medien mit einer Pandemie der "Neuen Grippe" von solch bedrohlichen Ausmaßen rechnen, dass nach Einführung der Vakzine die Impfstellen regelrecht überrannt wurden. Wenige Wochen später war das Thema aus der Berichterstattung verschwunden, von Seiten der Politik und der Gesundheitsbehörden war nach anfänglicher Oszillation zwischen Beschwichtigung und Überreaktion das Pendel in Richtung Harmlosigkeit ausgeschlagen und in den Wartezimmern der Impfstellen war es still geworden. Dass erst ab Ende November mit der ersten größeren Welle an Grippepatienten zu rechnen war und damit mit den ersten schweren Komplikationen, vor allem fulminanten Lungenversagen, war nach anfänglichen Berichten über einzelne kritisch kranke Patienten kein Thema mehr. Die Ausgabe des Journal of the American Medical Association (JAMA) vom 4. November 2009 war exklusiv der Influenza durch Infektion mit H1N1-Virus gewidmet. Trotz der erst seit März des Jahres 2009 aufgetretenen Erkrankungsfälle war es gelungen, die Daten relativ großer Patientenserien zu sammeln, zu analysieren und zu publizieren. Möglich war dies durch zunehmende Vernetzung von Gesundheits-und medizinischen Forschungseinrichtungen und mittels Verwendung standardisierter Erhebungsformulare, die 2003 in Erwartung einer SARS-Epidemie erstellt wurden. Durch diese in den USA und Kanada, in Mexiko sowie in Australien und Neuseeland gewonnenen Erkenntnisse [1-4] war es den medizinischen Einrichtungen Europas möglich, sich auf die anrollende Grippewelle einzustellen. Von besonderem Interesse für die Intensivmedizin sind vor allem die Patientenserien Australiens und Neuseelands, werden doch hierin die Auswirkungen einer gesamten Grippesaison auf das Gesundheitssystem und vor allem auf die intensivmedizinischen Ressourcen zusammengefasst [4, 5] . Während des dreimonatigen Winters der Südhalbkugel von Anfang Juni bis Ende August 2009 wurden 722 Patienten mit nachgewiesener H1N1-Infektion auf Intensivstationen aufgenommen. Der Grund war in der Regel respiratorische Insuffizienz, deren Ursache eine Viruspneumonitis, in ca. 20 bis 30% der Patienten auch eine durch bakterielle Superinfektion (vor allem Sta-phylokokken und Pneumokokken) verursachte Pneumonie. Bei einem großen Teil dieser Patienten trat ein rasch progredientes Lungenversagen im Sinne eines ARDS (Acute respiratory distress syndrome) auf. Immerhin 65% der Patienten waren beatmungspflichtig, bei 68 Patienten war der Gasaustausch konventionell nicht zu stabilisieren und es musste eine extrakorporeale Membranoxygenation (ECMO) zum Einsatz gebracht werden. Dies entspricht etwa 29 intensivstations-und 2,6 ECMO-pflichtigen Patienten pro einer Million Einwohner, wobei das Maximum des Patientenaufkommens in einer etwa fünfwöchigen Periode von Anfang Juli bis Mitte August zu verzeichnen war. Die Therapie des Lungenversagens mittels ECMO stellt eine "ultima ratio" Therapie nach Ausschöpfung aller konventioneller Maßnahmen zur Verbesserung des Gasaustausches dar und ist selten und nur bei schwerstem ARDS nötig. Umgelegt auf österreichische Verhältnisse war also mit über 20 ECMO-pflichtigen Patienten während der Grippesaison (Dezember bis Februar) mit einer mittleren Liegedauer auf der Intensivstation von 27 Tagen bei durchschnittlich 10 Tagen an der extrakorporealen Zirkulation zu rechnen. Das wiederum hieße, in eine die intensivmedizinischen Kapazitäten der Universitätskliniken und Spitäler der Maximalversorgung grenzwertig belastende Situation zu geraten, wenn man die Anzahl der vorhandenen Geräte und die Anzahl der Abteilungen mit entsprechender ärztlicher und pflegerischer Expertise bedenkt. In einem richtungweisenden Editorial in der oben genannten Ausgabe des JAMA ("Preparing for the sickest patients with 2009 Influenza A") werden Szenarien aufgrund der vorliegenden Daten beschrieben und entsprechende Vorsorgemaßnahmen gefordert [6] . Dazu zählt zu allererst die Impfung in den klar hervorgetretenen Risikogruppen unter den 30-bis 50-jährigen, als da wären: Adipositas Nein. Limitierend waren zwar einerseits die zur Verfügung stehenden ECMO-Systeme und die Anzahl der mit dieser Therapieform vertrauten Abteilungen, es konnten jedoch trotz Kumulation der Fälle um den Jahreswechsel alle angefragten Patienten übernommen und adäquat versorgt werden. Durch flexible und rasche Reaktion der Gesundheitsbehörden und der Krankenhausführung ließ sich auch der kurzfristig zum Erliegen gekommene Routinebetrieb durch Umschichtungen und zur Verfügungstellung weiterer Geräte wieder aufnehmen. Festzustellen ist dennoch, dass eine internistische und eine anästhesiologische Intensivstation des Hauses vollständig mit H1N1-Patienten belegt waren und zeitweise bis zu 7 Patienten gleichzeitig ECMO benötigten, eine bis dato für dieses Haue neue Erfahrung. Zu diesem Zeitpunkt waren die Kapazitäten des Hauses an extrakorporealer Membranoxygenation ausgelastet, so dass das Aufkommen weiterer Patienten zu Problemen geführt hätte. Ähnlich wie in den publizierten Fallserien erlitten durchwegs jüngere Patienten ein Lungenversagen im Rahmen der H1N1-Grippe (Altersrange 24-56 Jahre Der Umgang mit möglichen "Worst-Case-Szenarien" aufgrund bereits bekannter Daten könnte im Vorfeld überlegt und geplant werden, was zwar der sehr österreichischen Fähigkeit zur Improvisation weniger Raum lassen würde, jedoch helfen könnte, die Abläufe der Patientenversorgung zu optimieren. The author hereby discloses any conflicts of interest concerning this article. Factors associated with death or hospitalization due to pandemic 2009 influenza A(H1N1) infection in California Critically Ill patients with 2009 influenza A(H1N1) in Mexico Critically ill patients with 2009 influenza A(H1N1) infection in Canada Extracorporeal Membrane Oxygenation for 2009 Influenza A(H1N1) Acute Respiratory Distress Syndrome Critical care services and 2009 H1N1 influenza in Australia and New Zealand Preparing for the Sickest Pa-6. tients With 2009 Influenza A(H1N1). Editorial H1N1 influenza A virus-associated acute lung injury: response to combination oseltamivir and prolonged corticosteroid treatment Extracorporeal life 9. support registry report