key: cord-0006003-2svgx82b authors: Hübner, S.; Deeg, K. H. title: Therapie des toxischen Schocksyndroms mit hoch dosierter Immunglobulingabe date: 2001-08-01 journal: Monatsschr Kinderheilkd DOI: 10.1007/s001120170104 sha: d953a5185a9cc6b95e77780dff5d9dec2f13a69f doc_id: 6003 cord_uid: 2svgx82b Background. The clinical appearance of the toxic shock syndrome (TSS) shows several parallels to the Kawasaki syndrome. The treatment of choice in Kawasaki's disease is high dose application of immunglobulins whereas a standardised treatment of TSS has not yet been defined. Case report. We report of a 14 year old girl with severe TSS which did not occur during menstruation. Treatment with high dose immunglobulins (2 g/kg KG) and antibiotics resulted in prompt recovery. Hintergrund. Das klinische Erscheinungsbild des TSS (toxic shock syndrome) zeigt viele Gemeinsamkeiten mit dem Kawasaki-Syndrom.Während die Therapie der Wahl beim Kawasaki-Syndrom die Behandlung mit Immunglobulinen ist, wird die Therapie des TSS noch kontrovers diskutiert. Fallbericht. Wir berichten über ein 14-jähriges Mädchen mit schwerem TSS ohne klassische Menstruationsanamnese.Unter hoch dosierter Immunglobulingabe (2 g/kg KG) sowie antibiotischer Therapie kam es zu einer raschen Befundbesserung. Toxisches Schocksyndrom · Therapie · Hoch dosierte Immunglobulingabe Das TSS (toxic shock syndrome) ist eine akute, lebensbedrohliche Multiorganerkrankung, die durch Superantigene ausgelöst wird und durch hohes Fieber, Hypotonie, diffuse Erythrodermie, Hautdesquamation in der Erholungsphase, zerebrale Mitbeteiligung und spezifische Laborbefunden charakterisiert ist. Es werden ◗ ein menstruell assoziiertes toxisches Schocksyndrom und ◗ ein nicht menstruell assoziiertes toxisches Schocksyndrom unterschieden. In den letzten 2 Jahrzehnten häuften sich Krankheitsberichte, die wohl zum größten Teil in der geänderten Menstruationshygiene mit regelmäßigem Tampongebrauch schon bei immer jüngeren Mädchen begründet sein dürften. Aufgrund dessen sollte das TSS bei septischen Krankheitsbildern insbesondere bei jungen Frauen stets in die Differenzialdiagnose mit einbezogen werden. Ätiologisch kommt es zu einer lokalen Infektion mit Toxin bildenden Strep-tokokken oder Staphylococcus aureus, wodurch eine massive Stimulation und Entgleisung des Immunsystems ausgelöst werden. Standardisierte Therapiepläne gibt es für das TSS noch nicht. Neben der symptomatischen Behandlung stehen die antibiotische Therapie sowie bei neuen Therapieansätzen die Gabe von Immunglobulinen im Vordergrund. Die Bedeutung von Kortikosteroiden rückt demgegenüber immer mehr in den Hintergrund [1, 4, 5, 10] . Wir berichten über ein 14-jähriges Mädchen mit toxischem Schocksyndrom, bei dem die hoch dosierte Immunglobulingabe zu einer raschen Befundbesserung führte. Es ergaben sich folgende Befunde: Leukozytose von 14.600/µl mit Linksverschiebung im Differenzialblutbild (23% Stabkernige) und Thrombopenie von 84.000/µl, BKS 30/53, C-reaktives Protein 16,9 mg/dl, Kreatinin im Serum 1,7 mg/dl, Kreatininclearance 69,9 ml/min/1,73 m 2 , Harnstoff 90 mg/dl; Transaminasen: GOT 88 U/l, GPT 61 U/l, γ-GT 28 U/l; Kreatininkinase 5490 U/l und unauffällige Gerinnungsparameter. Fibrinogen war mit 454 mg/dl erhöht. Der Antistreptolysintiter betrug 519 E/ml, der Antistaphylolysintiter war negativ. Die Lumbalpunktion ergab einen unauffälligen Befund. Anfangs bestand eine ausgeprägte Myoglobinurie bis maximal 2740 µg/l (Normbereich bis 70 µg/l), die im Verlauf der Therapie nach 3 Tagen sistierte (Abb. 4). Die Eiweißausscheidung war normal, es lag eine Mischproteinurie vom Typ Vb nach Mogensen geringeren Ausmaßes in der Disc-Elektrophorese vor. 123 85 x 240 mm H ie r s t e h t e in e A n z e ig e T h is is a n a d v e r t is e m e n t Der Rachenabstrich, die Stuhldiagnostik, die Blut-und die Liquorkultur waren unauffällig. Im Vaginal-und Zervixabstrich wurden E. coli sowie Staphylococcus aureus nachgewiesen. Die Antikörper wurden 16 Tage nach Erkrankungsbeginn sowohl gegen Enterotoxin B als auch gegen TSST-1 mit jeweils 1:200 bestimmt. Die Antikörpertiter wurden vom Institut für Mikrobiologie und Hygiene der Universität Köln als protektiv beschrieben. Titerkontrollen zu Beginn der Erkrankung und im weiteren Verlauf liegen nicht vor. Röntgenthorax, Kernspintomographie des Schädels und EEG waren unauffällig. Im EKG bestanden initial Erregungsrückbildungsstörungen links präkordial, die sich im weiteren Verlauf normalisierten. In der Echokardiographie zeigte sich eine eingeschränkte Kontraktilität des linken Ventrikels mit einer Verkürzungsfraktion von 22% und einer Ejektionsfraktion von 51%. Die Transaminasen, die BKS und die CK hingegen stiegen zunächst weiter an und normalisierten sich erst nach 3 Wochen. Die initial erniedrigten Thrombozyten fielen bis zum 3. Tag auf minimal 63.000/µl ab und normalisierten sich dann langsam wieder. Gerinnungsstörungen oder eine Verbrauchskoagulopathie lagen zu keinem Zeitpunkt vor. Die antibiotische Therapie wurde insgesamt über 3 Wochen hinweg verabreicht.Nach 4-wöchigem stationärem Aufenthalt konnte das Mädchen mit normalisierter linksventrikulärer Funktion (Verkürzungsfraktion 28-30%) unter fortlaufender Digitalisierung nach Hause entlassen werden. Eine echokardiographische Kontrolle 7 Wochen nach der Entlassung zeigte nach Beendigung der Digitalisierung wieder eine eingeschränkte Kontraktilität des linken Ventrikels,sodass die Medikation erneut fortgeführt wurde. Mehrere Wochen nach Krankheitsbeginn kam es zu Hautabschilferungen an Händen und Füßen sowie zu einem leichten Haarausfall. Weiterhin konnten an Finger-und Fußnägeln quer verlaufende Kerben nachgewiesen werden. Das TSS wird durch eine Infektion mit Toxin bildenden Streptokokken oder Staphylokokken ausgelöst [1, 4, 8, 9] . Die 3 wichtigsten Exotoxine sind dabei ◗ das Toxic-shock-Syndrom-Toxin-1 (TSST 1), ◗ das Staphylokokkenenterotoxin B und ◗ das Staphylokokkenenterotoxin C [1, 4, 9] . Diese wirken als Superantigene und lösen über eine angeregte Interleukinproduktion in den Makrophagen eine massive Stimulation und Entgleisung des Immunsystems aus [4] . Dabei werden u. a. die T-Lymphozyten zu einer erhöhten Produktion von Tumornekrosefaktor angeregt, was wiederum eine Kaskade von Reaktionen im Körper auslöst [5, 9] . Aufgrund dieser pathophysiologischen Grundlage ist die Gabe von monoklonalen oder polyklonalen Antikörpern zur Bindung an die Toxine und zur Verhinderung einer unkontrollierten Stimulation der T-Lymphozyten als sinnvoll zu betrachten [8] . Das TSS wird durch einen charakteristischen Symptomenkomplex definiert und ist dadurch von den anderen, durch Superantigene bedingten Krankheiten abzugrenzen. Die Symptome des TSS im Einzelnen sind hohes Fieber, diffuse Erythrodermie, Hautabschilferungen an den Extremitäten etwa 2-3 Wochen nach Erkrankungsbeginn, arterielle Hypotonie (<90 mmHg systolisch), Myalgien (CK-Erhöhung), gastrointestinale Symptome, Nieren-und Leberbeteiligung, Schleimhauthyperämie, Thrombopenie (≤100.000/µl), ZNS-Affektionen, typischerweise negative Befunde von Blut-und Liquorkulturen und in >85% der Fälle Nachweis von Staphylococcus aureus im Vaginalabstrich. Intravenous immunglobulin therapy for toxic shock syndrome Neutralization of toxic shock syndrome toxin-1 by monoclonal antibodies in vitro and in vivo Toxic shock syndrome Successful treatment of severe streptococcal toxic shock syndrome with a combination of intravenous immunglobulin, dexamethasone and antibiotics IgM-Antikörper gegen das Toxic-shock Syndrom Toxin-1 in Humanseren und Human-Immunglobulinen Systemic vasculitis syndromes.In: Jacobs FC (ed) Pediatric rheumatology for the practitioner Intravenous immunoglobulin therapy for streptococcal toxic shock syndrome -a comparative observational study.The Canadian Streptococcal Study Group Infections due to group A streptococcus: new concepts and potential treatment strategies Adjunctive treatment of streptococcal toxic shock syndrome using intravenous immunglobulin: case report and review Toxic shock syndrome Als letzter Unterschied ist noch auf die Röntgenthoraxaufnahme hinzuweisen, die beim Kawasaki-Syndrom in der Regel einen Normalbefund zeigt, im Gegensatz zum TSS, wo es in 50% der Fälle zu diffusen interstitiellen Infiltrationen und in 25% zur Pleurabeteiligung kommt [7] .Trotz der genannten Unterschiede ist in Einzelfällen die eindeutige Zuordnung zu einer der beiden Krankheiten nicht immer möglich, da es fließende Übergänge gibt.Des Weiteren muss das TSS von anderen Sepsisformen inklusive der Meningokokkensepsis, der Leptospirose, dem Staphylococcal scalded skin-Syndrom, toxininduzierten Diarrhöen und dem Erythema exsudativum multiforme abgegrenzt werden. Die Abgrenzung von den letztgenannten Erkrankungen bereitet jedoch meist aufgrund der typischen assoziierten Symptome und der typischen Laborkonstellationen keine Schwierigkeiten.Bei Die Laborwerte mit der stark erhöhten Kreatininkinase, der anfänglichen Thrombopenie, den leicht erhöhten harnpflichtigen Substanzen und Leberwerten und den deutlich angestiegenen Entzündungsparametern unterstützten die Verdachtsdiagnose. Typisch waren auch die negativen Befunde der Blut-und Liquorkultur.Der einzig greifbare Hinweis auf eine infektiöse Genese der Erkrankung war der vaginale Fluor mit Nachweis von Staphylococcus aureus. Hierbei ist jedoch bemerkenswert, dass zum Zeitpunkt der Erkrankung keine Menstruation und somit auch kein Tampongebrauch vorlagen.Die Therapie des TSS ist bisher noch nicht eindeutig definiert. Primär im Vordergrund steht die symptomatische Behandlung des hypotonen Schocks und der kardialen Dekompensation mit Katecholaminen und bilanzierter Volumentherapie. Weiterhin müssen das ARDS, die Azidose, eventuelle Elektrolytentgleisungen, das Nierenversagen, die Hypokalzämie und die disseminierte intravasale Gerinnung behandelt werden [4, 5, 9] . Parallel dazu sollte eine antibiotische Therapie mit staphylokokkenwirksamen Antibiotika, bevorzugt mit Clindamycin, erfolgen [4, 7, 9] . In seltenen Fällen können auch methicillinresistente Staphylokokken Auslöser eines TSS sein. In diesen Fällen muss die Therapie mit einem Glykopep-tidantibiotikum (Vancomycin oder Teicoplanin) erfolgen. Der Einsatz von Dexamethason ist jedoch auch heute noch ein wichtiger Pfeiler in der Behandlung des TSS. So ist eine kurzzeitige Gabe von Kortison in der Frühphase der Erkrankung mit einer Reduktion der Fieberdauer sowie der Schwere der Erkrankung assoziiert. Diese Zusammenhänge konnten in mehreren retrospektiven Studien beobachtet werden [1, 4, 5, 10] .Nachdem früher in der Behandlung des TSS Dexamethason eine zentrale Bedeutung zukam, wird diese Therapie in den letzten Jahren mehr und mehr von der Behandlung mit Immunglobulinen verdrängt. Die Therapie mit Immunglobulinen erfolgt mit einer Dosis von 0,4 g/kg KG über 4-5 Tage bis 2 g/kg KG über 2 Tage [2, 3, 5, 6, 7, 8] . Die theoretischen Überlegungen bei diesem Therapieansatz sind Bindung und Neutralisation der zirkulierenden Exotoxine durch die Immunglobuline [8] . Die Wirksamkeit der hoch dosierten Immunglobulingabe beim TSS ist jedoch bisher noch nicht durch kontrollierte prospektive Studien belegt. In einer kanadischen retrospektiven Multizenterstudie von 63 Kindern, die an einem durch Streptokokken ausgelösten TSS litten, wurden 31 mit 2 g/kg KG i.-v.-Immunglobulin behandelte Patienten mit 32 nicht mit Immunglobulinen behandelten Kindern verglichen [8] . Die Überlebensrate nach 30 Tagen war in der mit Immunglobulinen behandelten Gruppe signifikant höher als in der nicht behandelten Gruppe [8] .Bei dem klinisch sehr ähnlichen Krankheitsbild des Kawasaki-Syndroms wird die Behandlung mit Immunglobulinen bereits standardmäßig eingesetzt und trägt entscheidend zur Verbesserung der Prognose bei.Zusätzlich erfolgt eine medikamentöse Therapie mit Aspirin und bei fehlender Entfieberung auch mit Steroiden.Bei der Behandlung unserer Patientin lag der Schwerpunkt in der antibiotischen Therapie sowie in der hoch dosierten Gabe von Immunglobulinen (2 g/kg KG).Unter dieser Therapie besserte sich der Allgemeinzustand der Patientin rasch,und die veränderten Laborparameter -insbesondere die Kreatininkinase,die GOT und das C-reaktive Protein -normalisierten sich.Zusammenfassend scheint die Therapie des TSS mit hoch dosierter Gabe von Immunglobulinen eine rasche Besserung der Krankheitssymptome und Tabelle 3 Laborparameter Ein umfangreicher Literaturanhang mit über tausend Literaturzitaten rundet das mit Tabellen und schönen Farbfotos illustrierte Werk ab. Das längst überfällige deutschsprachige Buch zum Thema "Plötzlicher Säuglingstod" stellt nach langer Zeit wieder umfassend und übersichtlich sowie kompetent das sich in den letzten Jahren anhäufende Wissen über den plötzlichen Säuglingstod zusammen.Das Buch stellt nicht nur, wie im Titel angesprochen, für Ärzte und Betroffene, sondern auch für Polizeibeamte und Juristen eine wertvolle Hilfe dar.G.Zimmer (Heidelberg)