key: cord-0006008-h6z3w9hw authors: Oberholzer, A.; Stahel, P.; Tschöke, S. K.; Ertel, W. title: Stellenwert der Gentherapie in Unfallchirurgie und Orthopädie date: 2006-07-14 journal: Unfallchirurg DOI: 10.1007/s00113-006-1127-0 sha: ff83d38e741c2b32bf2d8fc0731fde0e12b9c278 doc_id: 6008 cord_uid: h6z3w9hw Modern molecular and genetic technologies enable the modification of a cellular genome through transfer of specific genes. The various procedures alter specific cell functions, which allow the transfected cell to produce any encoded transgene information. The transfected cell then synthesizes proteins that are normally not produced or only in very small amounts. Numerous animal studies have demonstrated that gene therapy may support and accelerate the healing and regeneration of specific tissues such as skin, tendons, cartilage, and bones. Currently, further animal studies are evaluating new vectors with reduced immunogenicity in the continuous effort to improve the efficacy and safety of gene transfer. In the forthcoming decade we expect gene therapy to have an important influence on the treatment of fractures, cartilage lesions, and infection. Insbesondere die direkte Beeinflussung intrazellulärer Steuerungsmechanismen ist von großer Bedeutung, da dies mit konventionell verabreichten Medikamenten schwierig oder nicht zu erreichen ist. Weiterhin ermöglicht die Gentherapie die langfristige Synthese und Freisetzung von Proteinen, die normalerweise eine kurze Halbwertszeit haben oder oral nicht applizierbar sind. Als Beispiel sei hier die lokale Applikation von rekombinanten Wachstumsfaktoren als ein neues therapeutisches Konzept in der Wundheilung genannt [41, 58] . Da rekombinante Wachstumsfaktoren oral nicht bioverfügbar sind und eine kurze Halbwertszeit besitzen, besteht zur Aufrechterhaltung einer lokal wirksamen Konzentration bisher nur die Möglichkeit der wiederholten lokalen Injektion. Die Transfektion von gewebeständigen Zellen mit spezifischen Genen, die den entsprechenden Wachstumsfaktor kodieren, kann hierzu eine alternative Behandlungsmethode darstellen. Verglichen mit der "klassischen" Medikamententherapie hat die Gentherapie zahlreiche Vorteile (. Tab. 1). Der Organismus wird dazu benutzt, sich die Wirkstoffe für seine Heilung selbst herzustellen. Weiterhin entfallen bei der Gentherapie durch die lokale Manipulation von spezifischen Zellen die systemischen Nebenwirkungen, die viele klassische Medikamente aufweisen. Während bei der klassischen Arzneimitteltherapie pharmakologisch wirksame Konzentrationen oft nur durch die wiederholte Verabreichung erreicht werden, können transfizierte Zellen das gewünschte Protein in gleich bleibender Konzentration über einen bestimmten Zeitraum eigenständig synthetisieren. Durch den natürlichen Tropismus einzelner Viren und die Verwendung gewebespezifischer Promotoren kann zusätzlich die Effizienz der Gentherapie gesteigert werden. Werden z. B. gentherapeutisch genutzte Adenoviren zusätzlich mit einem spezifischen Leberpromotor wie Albumin oder Phenylalanin-Hydroxylase gekoppelt, wird das entsprechende Transgen ausschließlich in der Leber exprimiert [40] . Ein weiterer Vorteil der Gentherapie gegenüber der klassischen Medikamententherapie ist die konstante Genexpression über einen längeren Zeitraum. Die meisten konventionellen Arzneimittel haben eine Halbwertszeit von Minuten bis Stunden, während die Halbwertszeit implantierter Gene und die Transgenexpression in Abhängigkeit des Vektors Tage bis Monate beträgt [48, 108]. Im Rahmen der Gentherapie werden Zellen mit genetischem Material "transfiziert". Für diesen als Gentransfer bezeichneten Vorgang benötigt man ein Konstrukt, welches das spezifische Gen trägt, den sog. "Vektor". Durch einen Promotor wird die durch den Gentransfer eingebrachte Fremd-DNA (Transgen) gelesen und ihre Expression initialisiert (. Abb. 1), [39, 69] . Die Wahl des passenden Vektors ist für die Effizienz der Gentherapie entscheidend, da jeder Vektor eine andere Zielzelle bevorzugt. Innerhalb der Vektoren unterscheidet man zwischen viralen und nichtviralen Vektoren (. Abb. 1). Promotoren sind die "Antriebsaggregate" für die Genexpression, die die "Umschreibung" des eingebauten Transgens in die RNA und die anschließende Proteinsynthese steuern (. Abb. 1). Nur wenn der Promotor aktiv ist, kann das implantierte Transgen gelesen und aktiviert werden. Der Promotor beinhaltet eine spezifische DNA-Sequenz, die als Erkennungsund Bindungsregion für die RNA-Polymerase dient. Dieses Enzym bewirkt die Umschreibung der DNA-kodierten genetischen Information in eine Messenger-RNA, wodurch die Synthese des entsprechenden Proteins ausgelöst wird. In der Gentherapie werden unspezifische oder spezifische Promotoren verwendet. Unspezifische Promotoren bestehen aus einer DNA-Sequenz, die aus einem Virus isoliert wird (z. B. Zytomegalieviruspromotor [66, 75] ). Durch den viralen Promotor kann das Transgen von jeder transfizierten Zelle gelesen werden. Im Gegensatz hierzu können auch spezifische endogene Promotoren verwendet werden, die entweder organspezifisch (z. B. hepatozytenspezifischer Promotor Phenylalanin-Hydroxylase) oder funktionsabhängig (z. B. endogener Promotor für Akutphasenproteine [97] ) sind (. Abb. 1). Die Spezifität und Sensitivität des Gentransfers kann durch Verwendung von Promotoren, die lediglich in bestimmten Zellen oder Geweben aktiv sind, verbessert werden. Grundsätzlich bestehen 2 Techniken, die Vektoren in die gewünschte Zielzelle zu implantieren. In Abhängigkeit von der Lokalisation des Gentransfers unterscheidet man zwischen einem direkten "In-vivo-" und dem indirekten "In-vitro-" oder "Ex-vivo-Gentransfer" (. Abb. 3). Beim direkten In-vivo-Gentransfer werden die Vektoren an den gewünschten Ort im Organismus appliziert und dort von den Zielzellen aufgenommen. Beim indirekten In-vitro-Gentransfer werden die Zielzellen aus dem Organismus entfernt und das Transgen implantiert. Der Gentransfer findet ex vivo unter kontrollierten Bedingungen im gentechnolo- Bis heute wurden gentherapeutische Konzepte in der Unfallchirurgie vorwiegend in tierexperimentellen Studien untersucht. Hauptanwendungsbereiche sind die gezielte Beschleunigung der Wundund Knochenbruchheilung, die Regeneration zerstörter Knorpelflächen und die gezielte Neutralisation immunsuppressiver und hyperinflammatorischer Proteine, die im Rahmen einer lokalen und/ oder systemischen Entzündung freigesetzt werden. In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Modelle entwickelt, um die Effekte der Gentherapie in vitro und in vivo zur Beschleunigung der Wundheilung und der Geweberegeneration zu untersuchen. Hierbei fanden v. a. Liposomen und adenovirale Vektoren Verwendung [22] . Da Übereinstimmung besteht, dass Wachstumsfaktoren für eine effiziente Wundheilung notwendig sind, wurden Gene, die Proteine wie "platelet derived growth factor" (PDGF), "transforming growth factor" (TGF), oder "fibroblast growth factor" (FGF) kodieren, im Rahmen der Wundheilung untersucht. An einem Ischämiemodell der Ratte konnte durch den Gentherapie · Transfektion · Virus · Promotor · Tissue engineering Modern molecular and genetic technologies enable the modification of a cellular genome through transfer of specific genes. The various procedures alter specific cell functions, which allow the transfected cell to produce any encoded transgene information. The transfected cell then synthesizes proteins that are normally not produced or only in very small amounts. Numerous animal studies have demonstrated that gene therapy may support and accelerate the healing and regeneration of specific tissues such as skin, tendons, carti-lage, and bones. Currently, further animal studies are evaluating new vectors with reduced immunogenicity in the continuous effort to improve the efficacy and safety of gene transfer. In the forthcoming decade we expect gene therapy to have an important influence on the treatment of fractures, cartilage lesions, and infection. In der Behandlung von ligamentären, Sehnen-, Meniskus-und Knorpelläsionen stellen sich weitere Herausforderungen dar. Insgesamt verfügen diese Gewebe über eine schlechte Gefäßversorgung sowie eine verlangsamte oder stagnierende Zellteilung. Aus diesem Grunde ist die Heilung in diesem Gewebe verlängert und führt meistens zu Narbengewebe oder Defektheilung. Für die Heilung einer Sehnenruptur spielen ähnlich der Wund-und Knochenbruchheilung verschiedene Wachstumsfaktoren und Zytokine eine wichtige Rolle. In der experimentellen Anwendung bei Sehnen-und Bandrekonstruktionen, mit viralen Vektoren ein beliebiges Trans-gen lokal zu applizieren, waren wiederum Tierversuche bereits erfolgreich [21, 49, 65] . So konnte schon in frühen Versuchen gezeigt werden, dass der Transfer des BMP-12-Gens in die Sehnenstümpfe eines Mausmodells eine beschleunigte Heilung der durchtrennten Sehne erzielte [59] . Ähnliche Erfolge verzeichneten Martinek et al. [64] in einem Kaninchenmodell der vorderen Kreuzbandplastik, indem sie den tendoossären Übergang der Semitendinosuspräparate mit BMP-2 enthaltendem Adenovirus transfizierten. Dabei zeigte sich eine signifikant erhöhte Integrationsfestigkeit des Implantats im ossären Kanal gegenüber unbehandelten Kontrolltransplantaten. Mit der lokalen Applikation von Liposomen, welche die Gensequenz von PDGF-β enthielten, konnte in verschiedenen Experimenten zur Sehnenheilung eine gesteigerte und damit heilungsfördernde Kollagensynthese nachgewiesen werden [99] . Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) stellt in den Industrieländern die Haupttodes-Abb. 3 8 Der Gentransfer kann entweder direkt ("in vivo") oder indirekt ("ex vivo und in vitro") stattfinden. Beim direkten Gentransfer wird der Vektor an den gewünschten Ort im Organismus appliziert. Beim indirekten Gentransfer werden die Zielzellen außerhalb des Organismus transfiziert und diese Zellen an den gewünschten Ort im Organismus reappliziert ursache von jungen Patienten <45 Jahren dar [29] . Im Rahmen von Schädel-Hirnund Rückenmarkverletzungen hat sich gezeigt, dass, ähnlich der Weichteil-und Knochengewebe, weitere Wachstumsfaktoren wie "nerve growth factor" (NGF), "brain-derived neurotropic factor" (BD-NF), "Neurotrophin-3" (NT-3), "glia cell line-derived neurotrophic factor" (GD-NF) und "leukemia inhibitor factor" (LIF) eine wesentliche Rolle spielen. Obwohl sich die einzelnen Verfahren zur Gentherapie in zahlreichen Tiermodel-len und ersten klinischen Studien bereits etabliert und bewährt haben, bestehen trotz konstanter Weiterentwicklung der Produkte vereinzelt Sicherheitsbedenken, v. a. bei der Verwendung von Retroviren. Dabei bezieht sich die Hauptproblematik auf die sog. "Insertionsmutagenese". Hierunter versteht man die Veränderung eines essentiellen Genproduktes durch stabile Integration der viralen DNA in das Wirtsgenom, die theoretisch ein Malignom induzieren könnte [19] . Eine solche, für eine Leukämie ursächliche, Insertionsmutagenese wurde kürzlich in einer Studie zur Behandlung einer angeborenen schweren Immunschwäche ("X-linked severe combined immunodeficiency", X-SCID) im Rahmen des retroviralen Gentransfer von IL-2-Rezeptor in kindlichen Knochenmarkzellen beschrieben [1, 63] . Neben einer partikel-/dosisabhängigen, oft lokal begrenzten und schwachen Entzündungsreaktion, hängt die allgemeine Immunreaktion des transfizierten Organismus auf Adenoviren im Wesentlichen von der Expression der viralen Proteine ab und kann in seltenen Fällen schwerwiegende systemische Komplikationen hervorrufen [82] . So endete die adenovirusvermittelte Gentherapie bei der Behandlung eines Patienten, der einen angeborenen Mangel des Enzyms Ornithin-Transcarbamoylase (OTCD) aufwies, durch die überschießende Aktivierung des Immunsystems tödlich [3, 88] . Um die Immunogenität der Adenoviren zu reduzieren, wurden bei Adenoviren der 2. Generation die viralen DNA-Regionen E2 und E4 entfernt (. Abb. 3 [30] ). Diese rekombinanten Adenoviren der 2. Generation weisen eine verminderte Expression von viralen Proteinen auf, wodurch eine geringere Aktivierung des Immunsystems erzielt werden soll [30] . Jüngste experimentelle Erkenntnisse aus neueren adenoviralen Vektoren, wie z. B. dem Cre-loxP-System, zeigen bereits eine verbesserte Transfektionseffizienz mit erhöhtem Tropismus bei insgesamt verminderter Immunreaktion [2] . Gewisse konzeptionelle und methodische Faktoren bleiben jedoch in der Zusammenstellung der Risiken viral vermittelter Gentransfers bestehen. Neben ihrer Eigenschaft als Agens ist die gene- French gene therapy group reports on the adverse event in a clinical trial of gene therapy for X-linked severe combined immune deficiency (X-SCID). Position statement from the European Society of Gene Therapy Gutless adenovirus: last-generation adenovirus for gene therapy Genetic enhancement of fracture repair: healing of an experimental segmental defect by adenoviral transfer of the BMP-2 gene Retroviral cell targeting vectors Transfer of genes to humans: early lessons and obstacles to success Particle-mediated gene therapy of wounds Matrix immobilization enhances the tissue repair activity of growth factor gene therapy vectors Possible orthopaedic applications of gene therapy Gene transfer to human joints: progress toward a gene therapy of arthritis Genetic capsid modifications allow efficient re-targeting of adeno-associated virus type 2 Recombinant human bone morphogenetic protein-2 for treatment of open tibial fractures: a prospective, controlled, randomized study of four hundred and fifty patients New nonviral method for gene transfer into primary cells Adenoviral mediated gene transfer of PDGF-B enhances wound healing in type I and type II diabetic wounds Enhancement of ischemic flap survival by prefabrication with transfer of exogenous PDGF gene Neural stem cells constitutively secrete neurotrophic factors and promote extensive host axonal growth after spinal cord injury Enhancement of tendon-bone integration of anterior cruciate ligament grafts with bone morphogenetic protein-2 gene transfer: a histological and biomechanical study Characterization of adenovirus-mediated gene transfer in rabbit flexor tendons The basic science of gene therapy Inhibition of cartilage destruction by double gene transfer of IL-1Ra and IL-10 involves the activin pathway Targeted adenovirus-induced expression of IL-10 decreases thymic apoptosis and improves survival in murine sepsis Biological evaluation and drug delivery application of cationically modified phospholipid polymers Genetically modified human derived bone marrow cells for posterolateral lumbar spine fusion in athymic rats: beyond conventional autologous bone grafting Human tumor necrosis factor receptor (p55) and interleukin 10 gene transfer in the mouse reduces mortality to lethal endotoxemia and also attenuates local inflammatory responses Tissue engineering with mesenchymal stem cells for cartilage and bone regeneration Gene therapy in the post-Gelsinger era Spontaneous and augmented growth of axons in the primate spinal cord: effects of local injury and nerve growth factor-secreting cell grafts A two-component expression system that responds to inflammatory stimuli in vivo Tendon healing in vitro: genetic modification of tenocytes with exogenous PDGF gene and promotion of collagen gene expression In vitro and in vivo induction of bone formation based on ex vivo gene therapy using rat adipose-derived adult stem cells expressing BMP-7 Gene therapy in neurological disease finden Sie in der elektronischen Version dieses Beitrags unter www