key: cord-0006047-3yuznrdv authors: Hübener, P.; Braun, G.; Fuhrmann, V. title: Das akut-auf-chronische Leberversagen als diagnostische und therapeutische Herausforderung der Intensivmedizin date: 2017-02-16 journal: Med Klin Intensivmed Notfmed DOI: 10.1007/s00063-017-0263-3 sha: 40308e9ba561243427a9f081829968850375212f doc_id: 6047 cord_uid: 3yuznrdv Acute-on-chronic liver failure (ACLF) is an emerging clinical syndrome in patients with underlying liver disease that is usually triggered by one or multiple insults and characterized by progressive hepatic and nonhepatic organ failure, a significant risk of infections, and high short-term mortality rates. Despite our incomplete understanding of the underlying pathophysiology, ACLF requires timely diagnostic and therapeutic measures aiming at the identification and elimination of causative factors as well as the prevention of complications to improve the prognosis of affected patients. Das akut-auf-chronische Leberversagen (ACLF) wird im Zusammenschluss der European Association for the Study of the Liver (EASL) und der American Association for the Study of Liver Diseases (AASLD) als "akute Verschlechterung einer vorbestehenden chronischen Lebererkrankung, die üblicherweise im Zusammenhang mit einem auslösenden Ereignis steht und aufgrund eines Multiorganversagens mit erhöhter 3-Monats-Letalität verbunden ist" definiert [1] . Der Fokus der Definition liegt dabei eindeutig auf dem Organversagen, das zumeist extrahepatische Organe betrifft (. Abb. 1) und die Prognose betroffener Patienten am stärksten beeinflusst [2, 3] . Zur Identifizierung, Risikostratifizierung sowie Definition in Abhängigkeit von klinisch relevanten Outcomeparametern wurden in 2 großen prospektiven multizentrischen Untersuchungen -davon eine in Europa (Chronic Liver Failure Consortium Acute on Chronic Liver Failure in Cirrhosis, CANONIC) und eine in Kanada/den USA (North American Consortium for the Study of End Stage Liver Disease, NACSELD) -Risikogruppen P. Hübener, G. Braun und V. Fuhrmann repräsentieren die Sektion Gastroenterologie der Deutsche Gesellschaft für internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN). mit hoher kurzfristiger Mortalität identifiziert. Gleichzeitig wurde die prognostische Wertigkeit klinischer Scores für das ACLF evaluiert [4, 5] . Hierbei zeigte sich ein in der Tendenz erwarteter, in der tatsächlichen Ausprägung jedoch alarmierender Anstieg der Kurzzeitletalität bis hin zu über 70 % [5] . Klar abzugrenzen ist das ACLF daher vom akuten Leberversagen (ALV), das durch den Funktionsausfall einer zuvor gesunden Leber definiert ist und bei dem durch intensivmedizinische und supportive Maßnahmen in über 70 % der Fälle ein Überleben ohne Organtransplantation erreicht werden kann [6, 7] . Die Identifikation spezifischer Auslöser des ACLF ist für die Diagnosestellung nicht zwingend erforderlich (. Tab. 1). Die häufigsten Auslöser des ACLF sind geographisch unterschiedlich verteilt und oft für den Krankheitsverlauf relevant [4) . Die häufigsten Auslöser des ACLF sind geographisch unterschiedlich verteilt und oft für den Krankheitsverlauf relevant [4, 5] . Sie beinhalten lokale und generalisierte Infektionen, neue oder fortgesetzte Leberschädigung durch Alkohol und/oder andere hepatotoxische Substanzen, Operationen, Zirkulationsstörungen sowie seltenere Ursachen wie beispielsweise einen Schub einer autoimmunen Hepatitis (. Tab. 2). Während die Varizenblutung traditionell eher als Dekompensation einer vorbestehenden Leberzirrhose gewertet und ihre Mortalität in den letzten Jahren durch moderne evidenzbasierte Behandlungsstrategien (einschließlich endoskopischer Blutstillung, medikamentöser und interventioneller Senkung des portosystemischen Druckgradienten und Vermeidung infektiöser Komplikationen) gesenkt werden konnte, können sowohl hämorrhagischer als auch septischer Schock nach einer Blutung ein ACLF auslösen. In bis zu 40 % der Fälle kann kein auslösendes Ereignis identifiziert werden. In diesen Fällen liegen möglicherweise subklinische Infektionen, passagere Störungenderintestinalen Barriere oder unerkannte hepatotoxische Effekte als mögliche Auslöser zugrunde [9] . Unabhängig davon, ob das ACLF durch direkte oder indirekte Schädigung der Leber ausgelöst wird, scheinen 2 Faktoren im Zentrum der Pathophysiologie der Erkrankung zu stehen: 1) hämodynamische Veränderungen und 2) systemische Inflammationsreaktionen ("systemic inflammatory response syndrome", SIRS; [9, 11] [12] . Zudem wurden auch andere pro-und antiinflammatorische Zytokine (sTNF-α R1, IL-2, IL-8, IL-10, IFN-γ) in stark erhöhten plasmatischen Konzentrationen bei Patienten mit ACLF nachgewiesen [13] . Auch Routinelaborparameter, wie Leukozyten und CRP, sind bei Patienten mit ACLF erhöht und korrelieren in ihrer Höhe mit der Anzahl von Organausfällen und dem ACLF-Grad [5] . Bei Patienten, die eine erste Immunaktivierung im Rahmen des auslösenden Stimulus überleben, wird, ähnlich wie bei der Sepsis ohne Lebererkrankung, ein Übergang in einen immunsupprimierten bzw. immundysregulierten Zustand ("immune paralysis"; [14] ) beobachtet, der das Risiko für weitere Infektionen signifikant erhöht. Angesichts der hohen Letalität hospitalisierter Zirrhotiker bei Infektionen (etwa 15 %) bzw. bei schweren bakteriellen Infektionen mit septischem Schock (60-100 %; [15] [16] [17] ) erscheint eine aggressive antiinfektive Präventions-und Therapiestrategie bei ACLF-Patienten von zentraler Bedeutung. Die CANONIC-Studie ging der Frage nach, welcher Anteil von -zunächst meist auf einer Normalstation -hospitalisierten Zirrhosepatienten ein ACLF aufweisen oder im Verlauf entwickeln und welche prognostischen Parameter sich in dieser Patientengruppe ausmachen lassen, um besonders gefährdete Subgruppen frühzeitig zu erkennen. Das ACLF wurde dabei als häufigste Indikation für eine Aufnahme von Zirrhosepatienten auf eine Intensivstation identifiziert. Die Anzahl und das jeweilige Ausmaß von Organversagen wurden mittels eines modifizierten Sequentialorgan-failure-assessment(SOFA)-Scores erfasst, da sich dieses System in der Vergangenheit zuverlässiger in der Mortalitätsabschätzung von kritisch kranken Zirrhosepatienten erwiesen hatte als die MELD-oder Child-Pugh-Klassifikation. Der SOFA-Score wurde für die Studie modifiziert (. Tab. 3) und schließlich in eine vereinfachte Form ("CLIF consortium organ failure score", CLIF-C-OFs) mit identischen Organparametern und ähnlichem prognostischem Wert modifiziert. Der Schweregrad des ACLF wurde anhand der Anzahl der Organausfälle (OF) stratifiziert: ACLF 1: 1 OF, ACLF 2: 2 OF, ACLF 3: 3-6 OF. In Die außerordentlich hohe Dynamik des Krankheitsbilds ACLF spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass während der Hospitalisierung in etwa 50 % eine Besserung und in 20 % eine Verschlechterung auftrat [18] . Die Heilungsrate sank mit dem ACLF-Grad von 55 % (ACLF 1) über 35 % (ACLF 2) bis auf 15 % (ACLF 3). Da sich der ACLF-Grad zumeist in den ersten beiden bis maximal 7 Tagen änderte, wird hier ein "goldenes Zeitfenster" für therapeutische Interventionen vermutet (. Abb. 1). Für eine Risikoabschätzung von Patienten mit akuter Dekompensation einer Leberzirrhose mit oder ohne ACLF wurden klinische und laborchemische Parameter identifiziert, die mit erhöhter Mortalität assoziiert waren. Hier wurden 1) die Anzahl von Organversagen (nach CLIF-Kriterien), 2) das Patientenalter sowie 3) die Konzentration zirkulierender Leukozyten als unabhängige Variablen identifiziert. Diese Resultate gingen wiederum in eine Erweiterung des CLIF-C-OFs ein ("CLIF consortium ACLF score", CLIF-C ACLFs), der einen Punktwert von 0-100 annehmen kann und eine deutlich bessere Vorhersagekraft hinsichtlich der 28-, 90-, 180-und 360-Tages-Mortalität besitzt als MELD-, MELD-Na-und Child-Pugh-Score [19] . Nachteilig ist hierbei, dass der Score (verglichen zum ursprünglichen SOFA-oder auch CLIF-SOFA-Score) nicht ohne eine komplexe Formel berechnet werden kann; die Kalkulation kann jedoch beispielsweise durch einen Onlinerechner des "CLIF consortium" erfolgen [20] . In der weiteren Aufarbeitung der CANONIC-Kohorte zeigte sich eine 100 %ige Letalität von Patienten mit ≥4 Organversagen und/oder einem "CLIF-ACLFs score" ≥64 nach 3-7 Tagen Therapie, sofern keine Lebertransplantation erfolgte [18] . Die Zahlen unterstreichen den Stellenwert eines frühen und raschen -insbesondere intensivmedizinischen -Therapiebeginns, um das Fortschreiten des Multiorganversagens zu durchbrechen. Ob eine frühzeitige Lebertransplantation bei Patienten mit ACLF zielführend ist, ist derzeit Thema kontroverser Debatten und wird erst durch zukünftige Studien geklärt werden können. Zusätzlich kann die wiederholte Risikostratifizierung mittels Scores bei Patienten mit ACLF in dem schwierigen Entscheidungsprozess hinsichtlich der Art des weiteren therapeutischen Vorgehens (kurativer oder palliativer Therapieansatz) helfen. Wir möchten jedoch betonen, dass derartige Entscheidungen definitiv ärztliche Entscheidungen sind, die niemals von einem Score übernommen werden dürfen. Im Rahmen dieses ärztlichen Entscheidungsprozesses müssen neben der unmittelbaren Schwere der Erkrankung beispielsweise auch der mutmaßliche Patientenwunsch, jeweilige lokale und nationale Überlebensraten, eine potenzielle Reversibilität der Or-Das akut-auf-chronische Leberversagen als diagnostische und therapeutische Herausforderung der Intensivmedizin Zusammenfassung Das akut-auf-chronische Leberversagen ("acute-on-chronic liver failure", ACLF) ist ein emergentes Krankheitssyndrom, das durch einen oder mehrere akute Trigger bei vorgeschädigter Leber ausgelöst wird und vom progressiven hepatalen und nichthepatalen Organversagen, einem gravierenden Risiko infektiöser Komplikationen sowie hoher kurzfristiger Letalität gekennzeichnet ist. Wenngleich pathophysiologisch noch weitgehend unverstanden erfordert das ACLF frühzeitige diagnostische und therapeutische Maßnahmen, die sich auf zugrunde liegende Ursachen sowie das Verhindern von Komplikationen richten, um die Prognose betroffener Patienten zu verbessern. Leberversagen · Zirrhose · Infektion · Organversagen · Transplantation Acute-on-chronic liver failure: a diagnostic and therapeutic challenge for intensive care Abstract Acute-on-chronic liver failure (ACLF) is an emerging clinical syndrome in patients with underlying liver disease that is usually triggered by one or multiple insults and characterized by progressive hepatic and nonhepatic organ failure, a significant risk of infections, and high short-term mortality rates. Despite our incomplete understanding of the underlying pathophysiology, ACLF requires timely diagnostic and therapeutic measures aiming at the identification and elimination of causative factors as well as the prevention of complications to improve the prognosis of affected patients. Liver failure · Cirrhosis · Infection · Organ failure · Transplantation Acute-on chronic liver failure Acute-on-chronic liver failure Toward an improved definition of acute-on-chronic liver failure Survival in infectionrelated acute-on-chronic liver failure is defined by extrahepatic organ failures Acute-on-chronic liver failure is a distinct syndrome that develops in patients with acute decompensation of cirrhosis Lessons from look-back in acute liver failure? A single centre experience of 3300 patients Acute liver failure The pathogenesis of ACLF: The inflammatory response and immune function Acute-on-chronic liver failure: A new syndrome that will re-classify cirrhosis Mechanisms of decompensation and organ failure in cirrhosis: From peripheral arterial vasodilation to systemic inflammation hypothesis Tumor necrosis factor alpha and interleukin 6 plasma levels in infected cirrhotic patients Pathophysiological effects of albumin dialysis in acute-on-chronic liver failure: A randomized controlled study Patients with acute on chronic liver failure display "sepsis-like" immune paralysis Short-term prognosis of community-acquired bacteremia in patients with liver cirrhosis or alcoholism: A population-based cohort study Bacterial infection in patients with advanced cirrhosis: a multicentre prospective study Infections in patients with cirrhosis increase mortality fourfold and should be used in determining prognosis ClinicalCourseofacuteon-chronic liver failure syndrome and effects on prognosis Development and validation of a prognostic score to predict mortality in patients with acute-on-chronic liver failure Acute-on-chronic liver failure: Consensus recommendations of the Asian Pacific Association for the Study of the Liver (APASL) Glucocorticoids plus N-acetylcysteine in severe alcoholic hepatitis Prednisolone or Pentoxifylline for Alcoholic Hepatitis Management of critically-ill cirrhotic patients Intensive care of the patient with cirrhosis Acute-on-chronic liver failure before liver transplantation: Impact on posttransplant outcomes Acute-onchronic liver failure: Excellent outcomes after liver transplantation but high mortality on the wait list Acute-on-chronic liver failure: Terminology, mechanisms and management Bacterialinfectionsincirrhosis: A position statement based on the EASL Special Conference Management of acute-on-chronic liver failure Transfusion strategies for acute upper gastrointestinal bleeding Albumin for bacterial infections other than spontaneous bacterial peritonitis in cirrhosis. A randomized, controlled study Deleterious effects of betablockers on survival in patients with cirrhosis and refractory ascites Nonselective beta blockers increase risk for hepatorenal syndrome and death in patients with cirrhosis and spontaneous bacterial peritonitis Lack of consensus for usage of beta-blockers in end-stage liver disease Treatment with non-selective beta blockers is associated with reduced severity of systemic inflammation and improved survival of patients with acute-onchronic liver failure Intensive care unit admissions with cirrhosis: risk-stratifying patient groups and predicting individual survival Prognostic importance of the cause of renal failure in patients with cirrhosis Acutekidneyinjuryandacute-onchronic liver failure classifications in prognosis assessment of patients with acute decompensation of cirrhosis Diagnosis and management of acute kidney injury in patients with cirrhosis: revised consensus recommendations of the International Club of Ascites Albumin dialysis in cirrhosis with superimposed acute liver injury: A prospective, controlled study Randomized controlledstudyofextracorporealalbumindialysis for hepatic encephalopathy in advanced cirrhosis Extracorporeal albumin dialysis with the molecular adsorbent recirculating system in acute-on-chronic liver failure: The RELIEF trial Prometheus versus molecular adsorbents recirculating system: Comparison of efficiency in two different liver detoxification devices Effect of the molecular adsorbent recirculating system and Prometheus devices on systemic haemodynamics and vasoactive agents in patients with acute-onchronic alcoholic liver failure Effects of fractionated plasma separation and adsorption on survival in patients with acute-on-chronic liver failure High-volume plasma exchange in patients with acute liver failure: An open randomised controlled trial Extracorporeal liver support and liver transplant for patients with acute-on-chronic liver failure International liver transplant society practice guidelines: Diagnosis and management of Hepatopulmonary syndrome and Portopulmonary hypertension Pulmonary complications in liver diseases Therapeutic options in pulmonary hepatic vascular diseases Hepatocardiac disorders : Interactions between two organ systems Hepatic encephalopathy in patients with acute decompensationofcirrhosisandacute-on-chronic liver failure Coagulation parameters and major bleeding in critically ill patients with cirrhosis Management of acute-on-chronic liver failure: Rotational thromboelastometry may reduce substitution of coagulation factors in liver cirrhosis Nutrition for the liver transplant patient Nutritional management of acute and chronic liver disease The nutritional management of hepatic encephalopathy in patients with cirrhosis: International society for hepatic encephalopathy and nitrogen metabolism consensus The safety of intubation in patients with esophageal varices Granulocyte colony-stimulating factor mobilizes CD34(+) cells and improves survival of patients with acute-on-chronic liver failure