key: cord-0006092-oy0s934t authors: Handrick, W.; von Eiff, C. title: Durch Staphylococcus aureus verursachtes Toxic-shock-Syndrom date: 2002 journal: Gynakologe DOI: 10.1007/pl00003303 sha: 16f7b5c724a81e0f51216eee4e90624d6bdebef9 doc_id: 6092 cord_uid: oy0s934t nan TSS-Erkrankungen sind relativ selten. Bei entsprechenden Symptomen und Befunden wird deshalb oft erst spät oder gar nicht an ein TSS gedacht. Heute erkranken v. a. jüngere Erwachsene, aber auch Kinder beiderlei Geschlechts. In den USA lag das Durchschnittsalter der Patienten mit menstruellem TSS seit den 80er Jahren bei 22-23 Jahren, das der Patienten mit nicht-menstruellem TSS (Frauen und Männer) bei 27-30 Jahren. 1994 betrug der Anteil nicht-menstrueller TSS-Fälle in den USA 42%. Kinder <10 Jahren erkranken sehr selten an einem TSS. Beim TSS handelt es sich meist um sporadische Erkrankungen, vereinzelt wurde auch über nosokomiale Infektionen berichtet. Der bakterielle Erreger des TSS ist Staphylococcus aureus. Für das menstruationsassoziierte Krankheitsbild wurden Isolationsraten von Staphylococcus aureus bei Vaginal-bzw. Zervixabstrichen zwischen 74 und 98% berichtet, bei gesunden menstruierenden Frauen lagen die Trägerraten dagegen mit 1,5-16% deutlich niedriger. Die Staphylokokkenstämme beim TSS gehören meist zur Phagengruppe 1,speziell wurden die Phagentypen 29 und 52 gefunden. Bei manchen TSS-Patienten handelt es sich offensichtlich "nur" um eine Besiedlung (z. B. Vagina, Respirationstrakt), in vielen Fällen aber um eine Infektion durch Toxin produzierende Staphylococcus-aureus-Stämme. Bei ᭤primären durch Staphylococcus aureus verursachten Infektionen kommt es überwiegend zu Haut-, Schleimhaut-und Weichteilinfektionen (z. B.Abszesse, Phlegmonen), seltener zu "tieferen" Organinfektionen (z. Das ᭤Spektrum der von Staphylococcus aureus gebildeten Toxine umfasst u. a. Hämolysine, die epidermolytischen Toxine (Exfoliativtoxine) ETA und ETB, Toxicshock-Syndrome-Toxin1 (TSST-1) und mehrere Enterotoxine. Neben den klassischen Enterotoxinen SEA-SEE ist die Reihe der Enterotoxine in den letzten Jahren durch weitere Vertreter (SEG, SEH, SEI, SEJ) ergänzt worden. Neben durch das TSST-1 ausgelösten Schocksyndromen wurden auch solche durch die Enterotoxine B, C und H beschrieben. TSST-1-negative Stämme von Staphylococcus aureus, die ein TSS hervorrufen, bilden dabei ein oder mehrere dieser Enterotoxine. Das ᭤TSST-1, zuerst als "Enterotoxin F" bezeichnet, wurde bei 90-100% der Staphylococcus-aureus-Stämme von menstruellen und bei 40-60% der Stämme von nicht-menstruellen TSS-Patienten nachgewiesen. ᭤Enterotoxin B kommt bei 40-50% der Staphylococcus-aureus-Stämme von nicht-menstruellen TSS-Fällen vor. Dagegen wird der heterogene ᭤Enterotoxin C-Typ (SEC 1-3 , SEC Bovine , SEC Ovine ) nur selten (3%) als Erreger von nicht-menstruellen TSS-Fällen gefunden. Entsprechende Untersuchungen haben ergeben, dass ein bestimmtes Milieu (ähnlich dem in der Vagina während der Menstruation) die Toxinproduktion fördert (neutraler pH, hohe Pco 2 -Konzentration, hohe Proteinkonzentration). Die genannten Toxine gehören zu pyrogenen Exotoxinen, die als ᭤Superantigene fungieren, d. h. sie stimulieren bereits in geringen Konzentrationen T-Lymphozyten, die über eine spezifische V-β-Region verfügen. Durch die Stimulation kommt es zu einer massiven ᭤Ausschüttung verschiedener Zytokine (IL-1, TNF-α), die komplexe, sich verstärkende Wechselwirkungen aufweisen. Klinische Folgen der massiven Zytokinausschüttung sind Fieber,Absinken des Gefäßtonus, Endothelschädigung ("capillary leak syndrome"), Hypotension, interstitielles Ödem, vaskuläre Kongestion, ischämische Organschädigung. Histologisch finden sich keine Hinweise auf eine bakterielle Invasion, sondern nur minimale Entzündungsreaktionen, perivaskuläre mononukleäre Infiltrate und interstitielles Ödem (TNF-α hemmt die Mobilisierung der neutrophilen Granulozyten). Ob es bei einem Menschen mit Besiedlung bzw. Infektion durch einen Toxin produzierenden Staphylococcus-aureus-Stamm zu einem TSS kommt oder nicht, hängt auch davon ab, ob der Patient über ᭤Anti-TSST-1-Antikörper verfügt. Viele Erwachsene erwerben solche Antikörper, ohne an einem TSS erkrankt gewesen zu sein. So haben 90% der gesunden Erwachsenen ᭤ Toxin-Spektrum ᭤ Toxic-shock-Syndrome-Toxin-1 (TSST-1) ᭤ Enterotoxin B ᭤ Enterotoxin C ᭤ Superantigene ᭤ Zytokin- ausschüttung ᭤ Anti-TSST-1- Antikörper Die Diagnose "TSS" kann durch verschiedene,z.T.aufwändige ᭤Laboruntersuchungen gestützt werden: Untersuchung der Staphylococcus-aureus-Stämme zur Detektion der Toxinproduktion, Nachweis der Toxingene mittels PCR, Nachweis von Antikörpern gegen TSST-1 und SEB im Patientenserum, Bestimmung des Anteils V-β 2 -positiver Lymphozyten. In der Routinediagnostik basiert die Diagnose aber letztendlich auf der Synopsis klinischer Symptome und Befunde sowie hinweisender Laborbefunde. Tabelle 2 enthält wichtige, auf ein TSS hinweisende Laborbefunde. Je nach klinischer Situation sollte versucht werden, den "Fokus" zu identifizieren und in Sekreten (Vagina,Wunden),Abstrichen (Nase, Rachen), Urin, Blut oder Liquor den Erreger nachzuweisen. Zur mikrobiologischen Diagnosesicherung können isolierte Staphylococcus-aureus-Stämme auf ihre Fähigkeit zur Toxinbildung untersucht werden. Es ist jedoch zu beachten, dass Toxin bildende Staphylococcus-aureus-Stämme auch bei Gesunden vorkommen können. Trotz typischer klinischer Symptome und Befunde gelingt es aber oft nicht, einen Staphylococcus-aureus-Stamm anzuzüchten, da viele Patienten bereits zuvor mit Antibiotika behandelt wurden. Ein negativer bakteriologischer Befund schließt also das Vorliegen eines TSS nicht aus. Serologische Untersuchungen beim TSS können ergänzend herangezogen werden. Eine hoher Titer von Antikörpern gegen TSST-1 zu Beginn der Erkrankung kann als protektiv angesehen werden, wohingegen ein niedriger Antikörperspiegel zu Beginn der Erkrankung (ggf. mit einem späteren Anstieg) als Hinweis auf ein TSS gewertet werden muss. Auch in größeren Studien zeigte sich, dass Antikör- Negative Ergebnisse von Untersuchungen zum Nachweis von Antikörpern gegen Leptospiren, Legionellen, Rickettsien, Rötelnvirus und Masernvirus unterstützen die Verdachtsdiagnose "TSS". Im Blut können eine mäßiggradige bis ausgeprägte Leukozytose nachweisbar sein sowie eine deutliche Neutrophilie (80-90%) mit Linksverschiebung im Differenzialblutbild, Thrombozytopenie, beschleunigter BSR sowie erhöhten Werten bei Transaminasen,Amylase, Harnstoff, Kreatinin, Bilirubin, Kreatinphosphokinase. Oft findet sich eine Hypokalzämie (Tabelle 2). Bei einigen Patienten lassen sich Proteinurie, Leukozyturie und Hämaturie nachweisen. Je nach klinischer Symptomatik sind EKG, EEG, Röntgen-bzw. Ultraschalluntersuchungen indiziert. In Tabelle 3 sind die wichtigsten Erkrankungen aufgeführt, die als Differenzialdiagnosen zum TSS in Betracht kommen. Die Antibiotika verhindern eine weitere Toxinproduktion sowie Rezidive, haben aber auf die bereits eingetretenen toxinbedingten Organschädigungen keinen Einfluss. Die Applikation erfolgt intravenös und in Maximaldosen. Toxin produzierende MRSA-Stämme kommen extrem selten vor. Auch eine antitoxische Behandlung mit ᭤Immunglobulinen erscheint pathophysiologisch sinnvoll. Dickgiesser fand bei verschiedenen käuflichen Immunglobulinen hohe Titer an Anti-TSST-1-Antikörpern (mit einer Streubreite von 1:80-1:4200) [2] . Klinisch kontrollierte Studien liegen hierzu allerdings nicht vor, ebenso wenig Daten über eine theoretisch denkbare Plasmapherese zur Toxinelimination. Durch eine kurzzeitige Gabe von ᭤Steroiden können Fieberdauer und schwere Erkrankungen günstig beeinflusst werden. In therapieresistenten Fällen mit schwerer Schocksymptomatik wird eine frühzeitige Behandlung mit Methylprednisolon (10-30 mg/kg KG/Tag) empfohlen. Es gibt aber hierzu keine kontrollierten Studien. gnose gestellt wird und eine effektive Therapie beginnt. Bei den meisten Patienten kommt es zur kompletten Heilung. Die ᭤Letalitätsrate des TSS wird heute mit etwa 2-4% angegeben. Mögliche Ursachen für einen Exitus letalis sind: Kardiomyopathie, Arrhythmie, respiratorische Insuffizienz und (selten) Blutungen. Es handelt sich dabei überwiegend um Fälle von nicht-menstruellem TSS (am ehesten bedingt durch nicht oder zu spät gestellte Diagnose). Zu den potenziellen Folgeerscheinungen eines TSS zählen der (reversible) Verlust von Finger-und Zehennägeln nach 1-2 Monaten, prolongierte Müdigkeit und Muskelschwäche. Bei Frauen, die ein TSS durchgemacht haben, besteht ein erhöhtes Risiko, erneut an einem TSS zu erkranken. Das Auftreten eines TSS-Rezidivs (bzw. von Rezidiven) kann Folge ausgebliebener bzw. inadäquater Therapie oder ungenügender Produktion von Anti-TSST-1-Antikörpern sein. Es wurde berichtet, dass eine adäquate Antibiotikatherapie die Rezidivrate von 65% auf <1% senken kann. Durch Verzicht auf die Verwendung von Tampons kann das Risiko eines menstruellen TSS reduziert werden. Toxic shock syndrome Hrsg) Staphylokokken-Infektionen Toxic shock syndrome The toxic shock syndromes Toxic shock syndromes (eds) Principles and practice of infectious diseases, 5th edn Bei den meisten Patienten kommt es zur kompletten Heilung. ᭤ Letalität Drastische Senkung der Rezidivrate durch adäquate Antibiotikatherapie