key: cord-0006745-5fbahs13 authors: Siebig, S.; Rogler, G.; Schlottmann, K.; Schölmerich, J.; Langgartner, J. title: Letaler Verlauf einer Varizella-Zoster-Sepsis bei einem 22-jährigen Patienten date: 2006 journal: Intensivmed Notfallmed DOI: 10.1007/s00390-006-0665-6 sha: a09833f97d013526fbbcf929d60e39fecaf41c55 doc_id: 6745 cord_uid: 5fbahs13 Infection with Varicella zoster virus (VZV) usually occurs in children up to 15 years with mild symptoms. We present a case of a 22-year old man with a fatal varicella zoster infection. He developed fulminant hepatitis with acute liver failure and an acute respiratory distress syndrom (ARDS). In this article the general aspects of VZV infection are discussed. Treatment options and previous publications are reviewed. " Summary Infection with Varicella zoster virus (VZV) usually occurs in children up to 15 years with mild symptoms. We present a case of a 22-year old man with a fatal varicella zoster infection. He developed fulminant hepatitis with acute liver failure and an acute respiratory distress syndrom (ARDS). In this article the general aspects of VZV infection are discussed. Treatment options and previous publications are reviewed. " Key words Varizella zoster sepsisacute respiratory distress syndrome (ARDS) -hepatitisacute liver failureplasmapheresis -PECLA " Zusammenfassung Eine Infektion mit dem Herpesvirus Vari-zella-Zoster betrifft vor allem Kinder bis zum 15. Lebensjahr und ist hier mit einem in der Regel harmlosen Verlauf vergesellschaftet. Wir berichten in dieser Kasuistik über eine Varizella-Zoster-Infektion bei einem 22-jährigen Mann, die einen fatalen Verlauf nahm. Der Patient entwickelte eine schwere Hepatitis mit akutem Leberversagen sowie ein akutes Lungenversagen (ARDS). Neben einer Übersicht über die Erkrankung im Allgemeinen werden der Krankheitsverlauf sowie die dargestellten Behandlungsmethoden im Zusammenhang mit einer Literaturdarstellung diskutiert. " Schlüsselwörter Varizella-Zoster-Sepsis -Hepatitis-Akutes Leberversagen -Akutes Lungenversagen (ARDS) -Plasmapherese -PECLA Infektionserkrankungen und deren Folgen stellen eine der Haupttodesursachen weltweit dar. Eine große epidemiologische Studie in den USA konnte errechnen, dass durchschnittlich 3 von 1000 Menschen pro Jahr eine Sepsis erleiden [4] . Die Impfung mit Todund Lebendimpfstoffen ist die effektivste Maßnahme einer Infektionserkrankung vorzubeugen. Ohne entsprechenden Impfschutz erkrankt fast jeder Mensch in seiner Kindheit an einer ganzen Reihe von Infektionen. Nach einer intrauterinen Phase unter fast sterilen Lebensbedingungen und dem postnatalen Schutz maternaler Antikörper, wird bereits der Säugling mit verschiedensten kontagiösen Erregern konfrontiert. Diese führen gerade bei nicht geimpften Kindern zu typischen, häufig mit mannigfaltigen Hauteffloreszenzen einhergehenden, Infektionskrankheiten. Kommt es erst im Erwachsenenalter zur Infektion mit diesen typischen Kindererkrankungen, so stellen sich häufig schwere Komplikationen ein, insbesondere natürlich bei abwehrgeschwächten Personen [2, 6] . Die primäre Infektion führt zum klinischen Krankheitsbild der Windpocken, welche meist endemisch-epidemisch auftreten, typischerweise mit einer Häufung in den Monaten März bis Mai [22] . Eine Übertragung des äußerst kontagiösen Erregers erfolgt durch Tröpfcheninfektion, teilweise auch über größere Distanzen (im Umkreis von mehreren Metern), direktem Kontakt oder selten diaplazentar [2, 22] . Da das Virus nicht eliminiert wird, sondern in Neuronen und Glia-Satillitenzellen persisiert [7] kann es zu Reaktivierung der Erreger kommen. Klinisch ist die unter dem Namen Zoster bekannte Neuritis des Adulten die häufigste Manifestationsform eines Rezidives. Schätzungsweise 15% der Bevölkerung, insbesondere ältere und immunkomprimierte Personen, entwickelt einen Herpes zoster im Verlauf ihres Lebens [1] . Auf welche Weise der Pat. in dem beschriebenen Fall mit VZV infiziert wurde, bleibt ungeklärt. Die Befragung der Eltern und des Hausarztes ergab, dass der Pat. in der Kindheit keine klinische Anzeichen einer Varizellainfektion durchlaufen habe und kein Impfschutz bestand. Weitere VZV-Fälle sind im un-mittelbaren Umfeld des Pat. für uns nicht nachweisbar gewesen. Das Virus tritt über den Nasenrachenraum oder die Konjunktiven in den Organismus und führt nach einer Inkubationszeit von durchschnittlich 14-16 Tagen neben teilweise auftretenden Prodromi mit Fieber und Abgeschlagenheit zunächst zu den typischen Effloreszenzen [11, 22] . Es bilden sich kleine, einzeln stehende Papeln; diese entwickeln sich zu Bläschen, welche von einem roten Saum umgeben sind und fakultativ eine zentrale Delle aufweisen. Die Bläschen können einen quälenden Juckreiz verursachen. Der zunächst klare Bläscheninhalt trübt nach 3-4 Tagen ein und bildet sich am Ende zu Borken um. Da nicht alle der durchschnittlich 250-500 Papeln [1] gleichzeitig in das Bläschenstadium übergehen, entsteht ein Nebeneinander vieler Entwicklungsstufen; dieses Phänomen wird auch als "Heubnerscher Sternhimmel" bezeichnet. Der Infizierte ist 1-2 Tage vor Manifestation der Papeln bis 4-5 Tage nach dem Abheilen der Hauteffloreszenz infektiös. Eine häufige Komplikation bei allen Erkrankten wird bedingt durch das Aufkratzen der Bläschen und stellte eine Superinfektion der Bläschen insbesondere mit Streptokokken dar [2, 11] . Unser Pat. zeigte keinen klassischen Verlauf der dermalen Veränderungen, was die Diagnose sicherlich erschwert hat. Typischerweise kommt es zu einem eruptionsartigen Ausbruch des Exanthems am Stamm, der behaarter Haut sowie im Gesicht und nicht zu einer derartig stufenweise Ausbreitung der Effloreszenzen. Zudem irritierte das zeitgleiche Auftreten des Quincke Ödems passend im Sinne einer allergischen Hautreaktion die Diagnosefindung. Das Quincke Ödem unseres Patienten könnte differentialdiagnostisch natürlich auch eine erbliche Ursache gehabt haben oder als eine infektassoziierten Komplikation gewertet werden. Für das Vorliegen eines seltenen C1-Elastase-Inhibitormangels bestanden bei dem Patienten keinerlei anamnestische Hinweise. Ein Quincke Ödem kann an sich immer auch durch eine Infektion ausgelöst werden und wäre somit als VZVassoziierte Reaktion durchaus denkbar. Gerade bei Kindern kommt es häufig zu afebrilen, leichten Verläufen, die nicht länger als 4-5 Tage andauern. Je älter der Patient zur Zeit der Primärinfektion ist, desto häufiger treten Komplikationen auf und desto höher ist die Mortalitätsrate [2, 6] . So konnten epidemiologische Daten zeigen, dass Personen zwischen 15-19 Jahren eine Mortalitätsrate von 2,7/100 000/Jahr aufwiesen im Vergleich zu 25,2/100 000/Jahr bei den 30-40-jährigen Infizierten [1] . Schwere Verläufe sind außerdem für immunsupprimierten Personen oder Schwangere beschrieben. Wir konnten keine erworbene oder erbliche Immunschwäche bei unserem Pat. nachweisen, abgesehen natürlich von der hochdosierten Therapie mit Steroiden. Eine Pneumonie ist die häufigste Komplikation bei Erwachsenen; sie ereilt insbesondere immunsupprimierte, schwangere, rauchende sowie männliche Individuen [6, 23] . Die Patienten erkranken typischerweise 1-4 Tage nach Auftreten der Effloreszenzen mit pneumonischen Symptomen wie Dyspnoe, Husten und progredienter Tachypnoe. Im Verlauf stellt sich dann, wie in unserem Fall beschrieben, häufig eine zunehmende Hypoxämie ein [23] , welche nicht selten letal verläuft. Da eine Lagerungstherapie mit zum Beispiel Bauchlagerung oder Schwenkbett bei der Kreislaufinstabilität unseres Patienten nicht möglich war, wurde versucht mittels Ausreizung der konservativen Möglichkeiten der Beatmung, bis hin zum Einsatz eines Beatmungsregimes mit einer Atemfrequenz von 60/min bei kleinen Tidalvolumina und hohem Mitteldruck, eine Verbesserung der Oxygenierung zu erreichen. Nachdem eine Besserung auch hiermit nicht erzielt werden konnte, setzten wir eine PECLA (= Pumpless extracorporeal lung assist) ein. Bei dieser arteriovenösen Lungenunterstützung wird das Blut des Patienten allein durch das arteriovenösen Druckgefälle durch einen Membranoxygenator gepumpt. Dieses System weist eine deutlich einfachere Handhabung im Vergleich zur ECMO (= Extrakorporale Membranoxygenierung) auf [20] . Ein Überlebensvorteil konnte für dieses Therapieverfahren ebenso wie für alle anderen extrakorporalen Lungenunterstützungsverfahren allerdings bis heute nicht nachgewiesen werden [17, 20] . Bei Mangel an alternativen Therapieverfahren scheint in Situationen wie in unserem Fall eine Indikation aber klar gegeben zu sein. Hepatitiden sind eher selten als Folgeerkrankung einer VZV-Infektion zu beobachten und betreffen dann in der Regel HIV-Patienten oder Menschen nach einer Transplantation [18] . Eine subklinische Hepatitis ist jedoch bei einer ganzen Reihe immunkompetenter Kinder registriert worden [20] . Insgesamt hat eine VZV-Hepatitis eine äußert schlechte Prognose [6, 18] . In dem beschriebenen Fall bleibt die Frage offen, ob das Gerinnungsversagen Ausdruck der Varizella-Zoster-Hepatitis mit akutem Leberversagen oder eher Folge der septischen Kreislaufsituation war. Vermutlich haben beide Ätiologien eine Rolle in der Entstehung gespielt und in beiden Fällen war eine Therapie mit Gerinnungsfaktoren indiziert. Wir führten hierzu wie oben erwähnt 2-malig eine Plasmapherese (PE) durch. Es gibt bis heute keine Daten über einen Benefit der PE im Vergleich zu einer einfachen Substitution mit Fresh-Frozen-Plasma (FFPs). Eine größere retrospektive Analyse bei Patienten mit akutem Leberversagen konnte 2004 aber zumindest eine Verbesserung des Kurzzeit-Überlebens nachweisen und somit eine Stabilisierung für weitere Therapieoptionen wie z. B. eine Lebertransplantation ermöglichen [15] . Weitere wichtige Komplikationen einer VZV-Infektion betreffen das ZNS. Insbesondere Enzephalitiden, teilweise diffuser Natur, teilweise klinisch im Sinne einer akuten cerebellären Ataxie manifestiert, treten wiederum vor allem bei immunsupprimierten VZV-Erkrankten auf [16] . Daneben ist das Reye-Syndrom (RS) erwähnenswert. Dieses Krankheitsbild wurde erstmals 1963 beschrieben. Es ist gekennzeichnet durch eine akute Enzephalopathie, Leberdysfunktion sowie Verfettung von diversen Organen, die meist im Kindesalter auftritt. Wahrscheinlich führt eine Funktionsbeeinträchtigung auf mitochondrialer Ebene zu dem Krankheitsbild, das sich hauptsächlich im Kindesalter manifestiert. Auslöser scheinen die Gabe von Nichtsteroidalen Antiphlogistika, vor allem Acetylsalicylsäure in Kombination mit einer viralen Infektion insbesondere durch das VZV und des Influenzavirus zu sein. Die genauen pathopyhsiologischen Mechanismen sind allerdings bis heute unklar [10] . Wenn auch nicht nachzuweisen, stellt das Reye-Syndrom sicherlich eine zusätzliche Differentialdiagnose dar, welche unter anderem die bei unserem Patienten plötzlich auftretende Agitiertheit erklären würde, die ungefähr 24 h nach der Einnahme des nichtsteroidalen Antiphlogistikums aufgetreten war. Diese war gleichzeitig mit dem Transaminasenanstieg und deutlich herabgesetzter Syntheseleistung der Leber zu registrieren. Der Verdacht auf ein Reye-Syndrom ist somit sicherlich von einer hepatischen Encephalopathie, sowie auch einer Verwirrtheit im Zusammenhang mit einem zu diesem Zeitpunkt bereits beginnenden septischen Geschehnisses abzuwägen. Eine Obduktion lehnten die Angehörigen des Patienten ab, so dass über weitere Veränderungen wie z. B. eine Verfettung anderer visceraler Organe, die den Verdacht auf ein Reye-Syndrom hätte erhärten können, keine Aussage getroffen werden kann. Eine spezifische Therapie ist im Kindesalter bei der in der Regel selbstlimitierende Erkrankung nicht indiziert. Lediglich beim Auftreten von Komplikationen sollte eine solche initiiert werden. Aciclovir ist hier Mittel der Wahl [9] . Dabei handelt es sich um ein synthetisches Nucleosidanalogum, welches die Replikation des Virus zu hemmen vermag. Bei adulten VZV-Patienten sollte eine solche Therapie bereits zum Zeitpunkt der Diagnose eingeleitet werden, da sie dadurch die häufigen auftretenden schweren Komplikationen vor allem in den ersten 24 h reduzieren lassen [1, 3] . VZV sind weniger empfindlich auf Aciclovir wie Herpes simplex Viren (HSV). Eine 50%ige Hemmung des VZV bedarf einer um eine Zehnerpotenz höheren Dosierung von Aciclovir im Vergleich zum HSV [5] . Als Alternativ zu Aciclovir ist auch eine Therapie mit Famciclovir möglich, wobei ersteres als Goldstandard gilt. Neue Therapieoptionen bei Resistenzen auf Aciclovir kann evtl. auch das antivirale Agens Cidofovir erbringen. Es konnte gezeigt werden, dass es gegen alle Herpesviren einsetzbar ist [8] . Größere Studien zum Einsatz bei VZV stehen allerdings noch aus. Zudem gibt es die Möglichkeit der postexpostionellen passiven Immunisierung mit Varizella-Zoster-Immunglobulin (VZIG). In den ersten 96 h vermag es die Erkrankungen verhindern oder zumindest deutlich abzuschwächen [1] . Aufgrund des sehr schweren Krankheitsverlaufes bei unserem Patienten haben wir uns trotz des bereits längeren Verlaufes für die Gabe des VZIGs entschieden. Eine effektive Bekämpfung des Krankheitserregers konnte dadurch leider nicht mehr erreicht werden. Zur Prävention von VZV-Infektionen sei noch darauf hingewiesen, dass seit August 2004 die STIKO eine Schutzimpfung für alle Kinder und Jugendliche empfiehlt [13, 14] . In den letzten Jahren bestand lediglich eine Indikationsimpfung für spezielle Risikogruppen unter anderem im Gesundheitswesen. Das Ziel dieser neuen Impfroutine soll sein eine Herdimmunität zu schaffen und so Risikogruppen vor schweren Infektionen mit entsprechendem Komplikationspotential zu schützen und evtl. auch die Inzidenz von Zostererkrankungen zu minimieren. Eine Varizellen-Zoster-Infektion kann auch Erwachsene betreffen und dann einen fatalen Verlauf nehmen. Durch ein Miteinbeziehen dieser Differentialdiagnose bei unklarer Infektkonstellation mit Hauterscheinungen kann eine schnelle fachkompetente Diagnostik eingeleitet werden und bereits zu diesem frühen Zeitpunkt eine Therapie mit Aciclovir erfolgen. Somit können schwerwiegende Komplikationen vermindert oder sogar verhindert werden. Recommendations of the Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP) Clinical features of varicella-zoster virus infection Treatment and prevention of chickenpox Epidemiology of severe sepsis in the United States: analysis of incidence, outcome, and associated costs of care In vitro susceptibility of varicella-zoster virus to acyclovir The epidemiology of varicella and its complications Patterns of gene expression and sites of latency in human nerve ganglia are different for varicella-zoster and herpes simplex viruses Clinical potential of the acyclic nucleoside phosphonates cidofovir, adefovir, and tenofovir in treatment of DNA virus and retrovirus infections A controlled trial of acyclovir for chickenpox in normal children Reye syndrome-insights on causation and prognosis Variation on a theme by Fenner: the pathogenesis of chickenpox Molecular biology of varicellazoster virus. A review prepared for the UK Advisory Group on Chickenpox -Infektionserkrankungen -Merkblatt für Ärzte: Varizellen Short-term survival advantage after plasma exchange in the treatment of acute on chronic liver failure or acute liver failure Acute central nervous system complications in varicella zoster virus infections Unkonventionelle Verfahren der respiratorischen Unterstützung Varicella hepatitis in the immunocompromised adult: a case report and review of the literature Subclinical hepatic changes in varicella infection Pumpless extracorporeal lung assist and adult respiratory distress syndrome Structure of varicella-zoster virus DNA NIH conference. Varicella-zoster virus infections. Biology, natural history, treatment, and prevention Varicella pneumonia: study of prevalence I in adult men The epidemiology of varicella-zoster virus infections