key: cord-0017526-nrllqbwc authors: Jahn, P. title: Untergrenzen oder Personalbemessung in der Pflege date: 2021-05-20 journal: Urologe A DOI: 10.1007/s00120-021-01566-w sha: 4d998b97db28e3c285ea8390e7048a8b91813540 doc_id: 17526 cord_uid: nrllqbwc nan In 2 aktuellen Positionspapieren "Mehr PflegeKRAFT 2.0 -Pflege ist mehr als systemrelevant" des Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Staatssekretär Andreas Westerfellhaus [1] , und auch in der 4. Ad-hoc-Stellungnahme "Coronavirus-Pandemie: Medizinische Versorgung und patientennahe Forschung in einem adaptiven Gesundheitssystems" der Leopoldina [2] wird neben anderen Maßnahmen auch zur Lösung des Personalmangels die Einführung einer einheitlichen Personalbemessung gefordert. Warum wird das als Lösung gesehen? Womit kann die Personalbemessung erfolgen? Wie stehen dazu die Pflegepersonaluntergrenzen? Die aktuelle angespannte Personalsituation in der Pflege ist aber nicht die erste Situation dieser Art. In den 1980er-Jahren gab es ebenfalls einen Pflegenotstand in den deutschen Krankenhäusern. Nach massiven Protesten hunderttausender Pflegefachpersonen lenkte der damalige Gesundheitsminister Horst Seehofer ein und brachte ein Personalbemessungsverfahren auf den Weg, die Pfle-Dieser Beitrag wurde zuerst publiziert in Jahn P (2020) Untergrenzen oder Personalbemessung in der Pflege. Onkologe 26:1040-1046. https:// doi.org/10.1007/s00761-020-00838-y gepersonalregelung (PPR). Diese wurde 1993-1995 verpflichtend eingeführt und bereits 1996 wieder ausgesetzt, weil sie mit 52.000 Stellen deutlich mehr Bedarf ergab, als erwartet worden war [3] . Die PPR wurde jedoch auch nach Aussetzung in vielen Einrichtungen weiter zur internen Personalsteuerung verwendet und ist u. a. Grundlage für die Kalkulation der Pflegepersonalkosten und weiterer Kosten in den Diagnosis Related Groups (DRG) oder Fallpauschalen [3, 4] . Mitte der 2000er-Jahre läutete die Einführung der DRG den Paradigmenwechsel in der Krankenhausfinanzierung ein. Die marktwirtschaftliche Orientierung führte im Zusammenwirken mit einigen anderen Faktoren (z. B. unzureichende Investitionskostenfinanzierung der Bundesländer) v. a. zu einem Abbau von Pflegepersonal [5] . Das Personalbudget für die Pflege musste herhalten, um die finanziellen Löcher zu stopfen und ausgeglichene Zahlen in den Bilanzen zu erreichen. Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) wurden unter Gesundheitsminister Spahn nun über die Ausgliederung des Pflegepersonalbudgets und die Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen (PpUG) Maßnahmen zur Gegensteuerung beschlossen. Die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten -und die damit vollzogene Rückkehr zur vollständigen Deckung der Kosten für das Pflegepersonal -kann, wenn dies um eine einheitliche und bedarfsgerechte Personalbemessung ergänzt wird, tatsächlich einen Ausbau der Pflegestellen bewirken. Die Umsetzung der vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) festgelegten PpUG wird von vielen Verbänden eher als problematisch eingeschätzt, auch wird sie durch ein Personalbemessungsverfahren überflüssig. Die initiale Entscheidung zu pflegesensitiven Bereichen und den dazugehörigen PpUG ist aus inhaltlicher und methodischer Sicht zu kritisieren. Erhoben wurden diese auf der Grundlage von Daten der Qualitätsberichte über die Personalausstattung in den einzelnen Fachabteilungen deutscher Klinikendie auf eigenen Angaben der Kliniken beruhten und mit den Abrechnungsdaten (Daten nach §21 Krankenhausentgeltgesetz, KHEntgG) zusammengeführt wurden - [5] . Die Zusammenführung ist vor dem Hintergrund der zwischen den Einrichtungen sehr unterschiedlichen Darstellung der Personalzahlen pro Fachabteilung sehr fraglich. Außerdem wurden die "pflegesensitiven Ergebnisindikatoren" (PSEI) entwickelt, um fachabteilungsunabhängig den Zusammenhang zwischen Pflegepersonalausstattung und unerwünschten Patientenereignissen zu ermöglichen [6, 7] . In der den PpUG zugrunde liegenden Expertise wurde aber unterstellt, dass für bestimmte Abteilungen ein besonderer Zusammenhang besteht und diese damit besonders pflegesensitiv sind [5] . Außerdem wurde die Grenze willkürlich bei den 10-25 % Kliniken mit der schlechtesten Ausstattung gezogen. Dieses Niveau für die Personalbesetzung wurde als sichere Versorgung definiert. Eine fachliche Begründung dafür oder eine Bewertung der damit erreichten Pflegequalität sind nicht bekannt. Bedenklich ist dies auch vor dem Hinter- Abb. 1 Um die PPR 2.0 erfolgreich und nachhaltig in den Alltag der Krankenhäuser zu implementieren und eine bedarfsgerechte Patientenversorgung zu gewährleisten, sind die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Hierzu haben DPR, ver.di und DKG in einem Eckpunktepapier Anforderungen an die Umsetzung formuliert [14] . Unabdingbare Grundvoraussetzung für die nachfolgenden Punkte ist die vollständige Refinanzierung der Pflegepersonalkosten für die unmittelbare Patien-tenversorgung auf bettenführenden Stationen auf der Grundlage der PPR 2.0. Die gesetzlichen Vorgaben zu Pflegepersonaluntergrenzen in §137i SGB V sowie zum Pflegequotienten nach §137j SGB V erübrigen sich mit Einführung des neuen verbindlichen Instruments, denn die PPR 2.0 geht als bedarfsbezogenes Instrument über diese Vorgaben hinaus und beschränkt sich nicht auf "pflegesensitive" Bereiche. Die PPR 2.0 soll zukünftig die Grundlage für die Personalbemessung in den Pflegebudgetverhandlungen sein. Zusätzlich sind dabei in der Budgetvereinbarung u. a. Nachtdienste und Ausfallzeiten (soweit nicht in der PPR 2.0 berücksichtigt), einschließlich Stellen für Ausfallkonzepte (z. B. Pool) zu berücksichtigen. Maßstab für die Berechnung von Ausfallzeiten bilden grundsätzlich die Werte des Vorjahres. Für die Pflegepersonalbemessung der Intensivmedizin und der Pädiatrie soll in einem weiteren Schritt möglichst zeitnah ein Instrument entwickelt und umgesetzt werden. Dabei werden bestehende Vorgaben, Empfehlungen und Instrumente berücksichtigt. Die PpUG erfüllen nicht die Erwartungen der Kolleginnen aus der Pflegepraxis und können nicht helfen, einen strukturierten und bedarfsorientierten Stellenaufbau einzuläuten. Mit der PPR 2.0 liegt jetzt ein unmittelbar einsatzfähiges Instrument zur Messung des Pflegepersonalbedarfs vor, das dem BMG am 13. Januar 2020 präsentiert wurde. Flankiert werden muss die PPR 2.0 durch weitere Maßnahmen aus der KAP, um die Attraktivität der Pflegeberufe zu steigern, damit sich mehr Menschen für die Arbeit in einem Pflegeberuf entscheiden. Mehr PflegeKRAFT 2.0" -Pflege ist mehr als systemrelevant Ad-hoc-Stellungnahme -Coronavirus-Pandemie: Medizinische Versorgung und patientennahe Forschung in einem adaptiven Gesundheitssystem Von der Unterbesetzung in der Krankenhauspflege zur bedarfsgerechten Personalausstattung | Eine kritische Analyse der aktuellen Reformpläne für die Personalbesetzung im Pflegedienst der Krankenhäuser und Vorstellung zweier Alternativmodelle Handbuch zur Kalkulation von Behandlungskosten Version 4.0 -10. Oktober Expertise zur Ermittlung des Zusammenhangs zwischen Pflegeverhältniszahlen und pflegesensitiven Ergebnisparametern in Deutschland Nurse-staffing levels and the quality of care in hospitals Implications of the California nurse staffing mandate for other states Die Zukunft der Pflege im Krankenhaus IGES (2017) Faktencheck -Pflegepersonal im Krankenhaus | Internationale Empirie und Status quo in Deutschland, Bertelsmann Stiftung Ziel erreicht? Ergebnisse einer Online-Umfrage zu Effekten der Pflegepersonaluntergrenzen im Krankenhaus Instrumente zur Personalbemessung und -finanzierung in der Krankenhauspflege in Deutschland IBES Diskussionsbeitrag Vereinbarungen der Arbeitsgruppen 1 bis 5 Eckpunkte zur Umsetzung der PPR 2