key: cord-0018559-pyc13boz authors: Willam, Carsten; Meersch, Melanie; Herbst, Larissa; Heering, Peter; Schmitz, Michael; Oppert, Michael; John, Stefan; Jörres, Achim; Zarbock, Alexander; Janssens, Uwe; Kindgen-Milles, Detlef title: Aktueller Stand der Durchführung von Nierenersatztherapien auf deutschen Intensivstationen date: 2021-06-30 journal: Med Klin Intensivmed Notfmed DOI: 10.1007/s00063-021-00835-y sha: d168552cac2dc166b4f371790766e168f1cf45b3 doc_id: 18559 cord_uid: pyc13boz About 50% of all critically ill patients develop acute kidney injury (AKI) and approximately 15% receive renal replacement therapy (RRT). Although RRT is frequently used in intensive care units in Germany, it is currently unknown which RRT procedures are available, which qualification the involved staff has, which anticoagulation strategies are used and how RRT doses are prescribed. To investigate quality and structural characteristics of the performance of RRT in intensive care units throughout Germany, the German Interdisciplinary Society of Intensivists (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin [DIVI]) performed an inquiry among their members. A total of 897 members participated in the survey in which practical aspects were queried. In 69.1% of the cases, RRT was performed in hospitals with more than 400 beds and in 74.5% in university hospitals or other primary care hospitals. Furthermore, 93.3% of clinics are equipped with continuous and 75.8% with intermittent renal replacement devices. In 91.9%, indication for initiation of RRT was performed by trained physicians specialized in intensive care medicine or nephrologists. Intermittent as well as continuous modalities are both present in three-quarters of cases, which allows for individualized therapy. However, the documentation of dialysis dose needs to be improved. Die akute Nierenschädigung ("acute kidney injury" [AKI]) ist eine häufige Komplikation bei kritisch kranken Patienten mit erheblichen Auswirkungen auf die Morbidität und das Kurz-und Langzeitüberleben [7] . Die Inzidenz der AKI bei stationären Patienten liegt bei ca. 2 % in Krankenhäusern der Regelversorgung und steigt auf ca. 20 % in Kliniken der Maximalversorgung und Universitätskliniken [5] . Auf Intensivstationen kann die Inzidenz sogar mehr als 50 % betragen [3, 10] . Daher ist die Behandlung dieses Syndroms fester Bestandteil der Versorgung kritisch kranker Patienten. Die Ätiologie der AKI auf Intensivstationen ist multifaktoriell. Die Hauptursache ist die Sepsis (40 %), gefolgt von Hypovolämie, dem kardiogenen Schock und der Exposition mit Nephrotoxinen [3] . Die Nierenersatztherapie (NET) ist als rein supportive Maßnahme die einzige therapeutische Option bei der Behandlung der schweren AKI. Die Ziele der NET sind primär -und unabhängig von der zugrunde liegenden Ätiologie -die Kontrolle des Flüssigkeitsstatus, d. h. die Vermeidung oder die Behandlung einer Hypervolämie, die maschinelle Entgiftung zur Vermeidung der Urämie, der Ausgleich einer renalen Acidose und die Elektrolytkontrolle. Auf der anderen Seite stellt eine NET immer einen schweren Eingriff in die Homöostase des Organismus dar, die zu einem "dialytrauma" führen kann. Die genaue Sachkenntnis des Verfahrens soll dieses "Dialytrauma", das Aspekte wie Alkalose, Hypothermie, Hypophosphatämie, Imbalancen des Natrium-Chlorid-Haushalts, der Osmolalität und der Flüssigkeitsbilanzschwankungen umfasst, verringern. Für die NET auf Intensivstationen stehen heute neben den kontinuierlichen Nierenersatzverfahren auch intermittierende prolongierte Verfahren ("prolonged intermittent renal replacement therapy" [ Akutes Nierenversagen · Nierenersatztherapie · Hämofiltration · Hämodialyse · Intensivmedizin Present practise patterns of renal replacement therapy in German intensive care medicine Abstract About 50% of all critically ill patients develop acute kidney injury (AKI) and approximately 15% receive renal replacement therapy (RRT). Although RRT is frequently used in intensive care units in Germany, it is currently unknown which RRT procedures are available, which qualification the involved staff has, which anticoagulation strategies are used and how RRT doses are prescribed. To investigate quality and structural characteristics of the performance of RRT in intensive care units throughout Germany, the German Interdisciplinary Society of Intensivists (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensivund Notfallmedizin [DIVI]) performed an inquiry among their members. A total of 897 members participated in the survey in which practical aspects were queried. In 69.1% of the cases, RRT was performed in hospitals with more than 400 beds and in 74.5% in university hospitals or other primary care hospitals. Furthermore, 93.3% of clinics are equipped with continuous and 75.8% with intermittent renal replacement devices. In 91.9%, indication for initiation of RRT was performed by trained physicians specialized in intensive care medicine or nephrologists. Intermittent as well as continuous modalities are both present in three-quarters of cases, which allows for individualized therapy. However, the documentation of dialysis dose needs to be improved. Acute kidney injury · Renal replacement therapy · Hemofiltration · Hemodialysis · Intensive care medicine Diese Umfrage wurde unter den Mitgliedern der DIVI -der größten intensivmedizinischen Fachvereinigung in Deutschland -durchgeführt. Mit einer Rücklaufquote von 33,1 % und 897 auswertbaren Fragebögen ist dies derzeit die aktuellste und umfangreichste Studie zur Erfassung der strukturellen und prozeduralen Gegebenheiten zur Behandlung der AKI und zur Durchführung der NET auf deutschen Intensivstationen. Bei der Wertung der Ergebnisse muss berücksichtigt werden, dass unter den Antwortbögen Kliniken der Maximalversorgung und Universitätskliniken mit einem Anteil von fast 49,5 % stark vertreten sind. Dementsprechend hatten auch 29,1 % der Intensivstationen mehr als 20 Betten, was ebenfalls auf die hohe Teilnahmequote größerer Kliniken hindeutet (. Tab. 1). Das Antwortverhalten kann jedoch unter Einschränkung auf der anderen Seite auch die Vermutung stützen, dass NET primär durch größere Häuser durchgeführt wird. Die Leitung der Intensivstationen und damit die Zuordnung zu einer primären Fachdisziplin ergab, dass etwa die Hälfte aller Intensivstationen unter anästhesiologischer Leitung steht. Die internistisch geführten Intensivstationen werden etwa zu 47 % kardiologisch, 21 % pulmonologisch und zu etwa 7 % nephrologisch geführt. Bei fast allen Befragten war eine Basisdiagnostik mit den relevanten Laborwerten sowie eine Blutgasanalytik 24/7 verfügbar. Hier zeigt sich durchwegs eine gute Versorgungsqualität. Die Sonographie, unter anderem essenziell zum raschen Ausschluss einer postrenalen AKI, war hingegen nur bei 80,4 % der Befragten direkt auf der Intensivstation vorhanden. Eine Urinmikroskopie wird aktuell in den meisten Kliniken in den Zentrallaboren und nicht "on-site" durchgeführt. Sie kann der raschen Diagnostik einer akuten Tubulusnekrose, einer Harnwegsinfektion sowie als Diagnostikum von Intoxikationen (z. B. Oxalatkristalle bei Ethylenglykolvergiftung) oder einer Vaskulitis oder Glomerulonephritis dienen [2, 13] . Die On-site-Urinmikrokopie ist in der Akutdiagnostik der AKI auf Intensivstationen eher unterrepräsentiert. Bemerkenswert ist, dass 7,9 % der Befragten bereits neue Biomarker (z. B. NGAL, TIMP2/IGFBP7) zur Diagnostik der AKI verwenden. Derzeit wird diskutiert, ob eine Neudefinition der KDIGO-Stadien der AKI unter Einbeziehung neuer Biomarker sinnvoll wäre [8] . In diesem Fall würden neue Biomarker deutlich größere Bedeutung bei der AKI-Diagnostik erhalten und müssten in die Routinediagnostik integriert werden. Insgesamt zeigt sich eine gute Verfügbarkeit der diagnostischen Maßnahmen auf den befragten Intensivstationen. Eine Steigerung der Verfügbarkeit der Sonographie wäre wünschenswert. Der Beginn einer NET ohne den vorherigen Ausschluss eines postrenalen Abflusshindernisses bleibt inakzeptabel. Anzumerken ist, dass, wenn auch die On-site-Verfügbarkeit der Sonographie nicht vollständig ist, es dennoch plausibel erscheint, dass in jedem Akutkrankenhaus eine Sonographie dennoch zeitnah verfügbar ist. Bei der Indikationsstellung für eine NET spiegeln sich mutmaßlich die Leitungsstrukturen der größeren Kliniken wieder, in der Intensivstationen durch erfahrene Intensivmediziner mit ZWB Intensivmedizin und mehr als 10 Jahren Berufserfahrung geleitet werden. 70,5 % der Anästhesistinnen/Anästhesisten stel- den USA zu finden [1] . Die Umfrage zeigt daher insgesamt eine erhebliche Interdisziplinarität beim Einsatz von NET auf den Intensivstationen. Die Geräteausstattung der Intensivstationen ist nach unseren Ergebnissen gut. Auf über 90,9 % der erfassten Intensivstationen waren Geräte zur kontinuierlichen, auf 80,2 % Geräte zur intermittierenden Therapie und bei 35,4 %, also ca. einem Drittel, wird ebenfalls eine PIRRT als Behandlungsoption angeboten. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass an den meisten Standorten eine individualisierte Therapie durchführbar ist. Erstaunlich ist, dass derzeit trotz der noch schwachen Evidenz etwa 42,5 % der Befragten eine Zytokinadsorption vorhalten. Zur Antikoagulation des extrakorporalen Kreislaufs sind in den meisten Kliniken mehrere Verfahren verfügbar. In Deutschland wird im internationalen Vergleich überproportional häufig eine regionale Zitratantikoagulation (RCA) für Patienten mit sowie ohne Blutungsgefahr eingesetzt. Diese Entwicklung ist insbesondere im operativen Bereich verständlich, da die RCA das Blutungsrisiko und die Transfusionsrate reduziert und gleichzeitig zu einer verlängerten Filter-standzeit führt [11] . Andererseits zeigt es sich, dass nicht nur die Rate an metabolischen Komplikationen (schwere Hypokalzämien, schwere Hypophosphatämien, metabolische Alkalosen), sondern auch die der Infektionen unter RCA signifikant erhöht ist [14] . Für die intermittierende NET sind Heparine weiter der Standard (63,3 % der Befragten). Die aktuellen Leitlinien der KDIGO und der nationalen Fachgesellschaften empfehlen für die kontinuierliche NET eine Dosis, definiert als "total effluent" (Summe Dialysat plus Ultrafiltrat), von 20-25 ml/kg und Stunde. Um dieses Ziel zu erreichen, wird empfohlen eine Dosis von 25-30 ml/kg und Stunde zu verschreiben, da durch Unterbrechungen des Verfahrens durch Clotting, Transporte und andere Ursachen die tatsächlich applizierte Dosis immer geringer als die verschriebene Dosis ist. Das Dosisziel wird dann nicht erreicht und eine Unterdialyse mit nachfolgend erhöhter Letalität kann resultieren [4, 12] . Etwa 76,2 % der Befragten gaben an, dass die Dosis individuell verschrieben wird, allerdings antworteten 33,4 %, dass die Standarddosis 2000 ml/h sei. Hier besteht eine offensichtliche Diskrepanz. Bei einem angenommenen Körpergewicht zwischen 60 und 90 kg entsprächen 2000 ml/h tatsächlich in etwa der empfohlenen Dosis von 25 ml/kg und Stunde. Bei einem höheren Körpergewicht entstünde hier jedoch eine Unterdosierung. Eine explizite Dokumentation der applizierten Dosis erfolgt nur in 57,1 % der Fälle. Eine Überprüfung der Dialyseeffektivität erfolgt immerhin noch in 31,1 % mittels Phosphat-oder Harnstoffreduktion. Das Kt/V als eine Dosisangabe aus dem chronischen Dialysebereich ist im Akutbereich nicht etabliert [4] . Zur Optimierung der individualisierten Dosis einer NET sollten die verschriebene und die applizierte Dosis stets dokumentiert werden und Laborkontrollen -z. B. mittels der Harnstoffreduktionsrate -erfolgen [6] . Damit kann einerseits eine hinreichende Urämiekontrolle ermöglicht werden, andererseits jedoch ein "dialytrauma" mit einer Überdialyse oder Filtration vermieden werden [9] . Schwächen. Von der Zahl der Antworten kann nur bedingt auf die Zahl der beteiligten Kliniken rückgeschlossen werden, da mehrere Mitarbeiter aus einer Klinik geantwortet haben könnten. Es liegt eine hohe Repräsentation der größeren Kliniken vor, wobei zu berücksichtigen ist, dass maschinelle Organersatzverfahren weiterhin eine Domäne der Maximalversorger und Universitätskliniken darstellen. Weiterhin entspricht die Verteilung der Antwortenden auf die wichtigsten intensivmedizinischen Fachdisziplinen der Mitgliederstruktur der DIVI und nicht zwangsläufig der Leitungsstrukturen der deutschen Intensivmedizin. Stärken. Diese Studie ist die aktuellste und umfangreichste Untersuchung zur praktischen Durchführung der NET auf deutschen Intensivstationen. Es wurden 31,1% aller DIVI Mitglieder erfasst, sodass ein guter Überblick über die derzeitige Situation in Deutschland vermittelt werden kann. Es werden alle relevanten Aspekte im Umfeld der AKI erfasst, sodass hierdurch Empfehlungen zur Optimierung für die Praxis entwickelt werden können. Walkaway PIRRT (as SLED)foracutekidneyinjury Urine sediment examination in the diagnosis and management of kidney disease: core curriculum 2019 Epidemiology of acute kidney injury in critically ill patients: the multinational AKI-EPI study A European renal best practice (ERBP) position statement on the kidney disease improving global outcomes (KDIGO) clinical practice guidelines on acute kidney injury: part 2: renal replacement therapy The incidence of acute kidney injury and associated hospital mortality Quality improvement measures in the care of critically ill intensive care patients with renal replacement therapy for acute kidney injury: position paper of the kidney section of DIVI in collaboration with DGAI and DGIIN Longterm clinical outcomes after early initiation of RRT in critically ill patients with AKI Recommendations on acute kidney injury biomarkersfromtheacutediseasequalityinitiative consensus conference: a consensus statement Hypophosphatemia in critically ill patients with acute kidney injury on renal replacement therapies Acute kidney injury Regionalcitrateanticoagulationinrenalreplacement therapy in the intensive care station: Recommendations from the renal section of the DGIIN, OGIAIN and DIVI Extracorporeal renal replacement therapy in acute kidney injury: recommendations from the renal section of the DGIIN, OGIAIN and DIVI Drug-induced crystal nephropathy: an update Effect of regional citrate anticoagulation vs systemic heparin anticoagulation during continuous kidney replacement therapy on dialysis filter life span and mortality among critically ill patients with acute kidney injury: a randomized clinical trial Case characteristics, resource use, and outcomes of 10 021 patients with COVID-19 admitted to 920 German hospitals: an observational study