key: cord-0021639-9rqpam0l authors: Scharmanski, Sara; Heßling, Angelika title: Sexual- und Verhütungsverhalten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland. Aktuelle Ergebnisse der Repräsentativbefragung „Jugendsexualität“ date: 2021-10-01 journal: Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz DOI: 10.1007/s00103-021-03426-6 sha: cd9a9765d09252f0ed612cfa7d4c07bda1297b22 doc_id: 21639 cord_uid: 9rqpam0l BACKGROUND: Since 1980, the Federal Centre for Health Education (BZgA) has regularly conducted the “Youth Sexuality” representative surveys. This continuous monitoring generates insights on the sexual and reproductive health of young people in Germany. The survey provides an important basis for the development of sexuality education and family planning measures. AIM: The current sexual and contraceptive behavior of adolescents and young adults will be summarized using initial descriptive results from the ninth iteration of the survey. METHODS: A total of N = 6032 adolescents and young adults participated in the survey. Data collection was conducted by computer-assisted personal interviewing (CAPI) in 2019. RESULTS: A key finding of this iteration is that with regards to the age of the first sexual intercourse, the proportion of adolescents younger than 17 years has been declining for several years. For contraception, adolescents most frequently used condoms, and use of the pill has decreased. DISCUSSION: The data from the current iteration indicate safe and responsible contraceptive behavior among young people in Germany. Nevertheless, it is important to maintain the commitment in the field of sexual health promotion and expand prevention measures for specific target groups. This is the only way to ensure the sexual and reproductive health of the next generation. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ist durch das Schwangerschaftskonfliktgesetz(SchKG) beauftragt, Informationen zur Sexualaufklärung und Verhütung zu entwickeln und bundesweit kostenfrei zur Verfügung zu stellen [1] . Zur Erfüllung dieses gesetzlichen Auftrages entwickelt die BZgA altersadäquate Medien, wie etwa die Website loveline.de, hält zielgruppenspezifische Informationsmaterialen, wie beispielsweise Aufklärungsbroschüren, vor und fördert Maßnahmen und Forschung im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Dabei ist die Orientierung an dem "Public Health Action Cycle" (PHAC; dt.: gesundheitspolitischer Aktionszyklus) zentral, der gesundheitsbezogene Interventionen und gesundheitspolitisches Handeln strukturiert und systematisiert [2] . Die Orientierung am PHAC setzt jedoch eine fundierte Datenbasis sowie ein kontinuierliches Monitoring der Zielgruppenbedarfe und Implementierungsbedingungen voraus. Denn nur durch gesicherte Evidenzen können zielgruppenspezifische Bedarfe identifiziert, Ansprachen zielgruppengenau ausgerichtet, die Effektivität überprüft und notwendige strategische und operative Anpassungen vorgenommen werden. Vor diesem Hintergrund haben die Durchführung und Förderung von großen Surveys zu Themen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit in der BZgA eine lange Tradition [3] [4] [5] [6] . Ein bedeutendes Monitoring ist in diesem Zusammenhang die repräsentative Querschnittsbefragung zur Jugendsexualität, die seit 1980 regelmäßig durchgeführt wird [7, 8] . Anhand dieser Studiendaten können Informationen über das jeweils aktuelle Verhalten und die aktuell vorhandenen Einstellungsmuster von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu Themen der Sexualaufklärung und Kontrazeption generiert werden. Im vorliegenden Beitrag werden erste Ergebnisse der 9. Trendwelle der Jugendsexualitätsstudie vorgestellt. Im Fokus stehen hier vor allem der Einstieg ins aktive Sexualleben, Partnerschaften und Beziehungen sowie das Verhütungsverhalten Jugendlicher von 14-17 Jahren und junger Erwachsener von 18-25 Jahren in Deutschland. Seit knapp 40 Jahren wird die vorliegende Querschnittsbefragung regelmäßig repliziert, wobei das methodische Grundgerüst weitgehend unverändert blieb. Die Stichprobenanlage hingegen musste im Laufe der vergangenen knapp 40 Jahre aufgrund sich verändernder gesellschaftlicher Rahmenbedingungen immer wieder angepasst werden (z.B. nach der Wiedervereinigung in den 1990er-Jahren, zunehmende Migration ab den 2000er-Jahren). Seit 2014 werden ergänzend zu Jugendlichen auch Teilstichproben von jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren als Zielgruppen der Jugendsexualitätsstudie befragt. Im Folgenden werden das methodische Vorgehen, die Stichproben und das eingesetzte Erhebungsinstrument sowie die statistischen Analysen der 9. Welle der Jugendsexualitätsstudie beschrieben. Die Datenerhebung der 9. Welle erfolgte im Zeitraum von Mai bis Oktober 2019 von der Kantar GmbH mit der CAPI-Methode (Computer-assisted Personal Interviewing) als kombiniert mündlichschriftliche Interviews. Der Mantelfragebogen wurde im persönlichen Face-to-Face-Interview erhoben, intimere Fragen -wie beispielweise Fragen nach Masturbation -füllten die Jugendlichen und jungen Erwachsenen am Laptop aus (Selbstausfüllerteil). sind [11] [12] [13] . Merkmale der Quotierung waren Geschlecht, Alter, Wohnregion, kulturelle Herkunft und Bildungsniveau bzw. besuchte Schulform/vorhandener Schulabschluss. Zur Gewährleistung einer adäquaten regionalen Verteilung diente der Standort der interviewenden Personen, der relativ bzgl. der Kriterien Bundesland, Regierungsbezirk und Ortsgröße mit dem Mastersample des Arbeitskreises Deutscher Markt-und Sozialforschungsinstitute e. V. in Bezug gesetzt wurde. Bei der Entwicklung des Erhebungsinstrumentes galt es, zwei zum Teil widersprüchliche Anforderungen in Einklang zu bringen. Zum einen sollte gewährleistet sein, dass die Trendentwicklung seit 1980 in der Teilstichprobe der Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 17 fortgeführt werden kann. Zum anderen machte der Einbezug der Altersgruppe der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren im Jahre 2014 eine Anpassung der Fragebogenkonzeption notwendig, da sich deren Lebenssituation vielfach anders darstellt als die der Jugendlichen. Vor der Erhebung wurde der Fragebogen einem ausführlichen Pretest un-terRealbedingungenmit N = 40Jugendlichen und jungen Erwachsenen (quotiert nach Geschlecht, Alter, Bildung und Einwanderungsgeschichte) unterzogen. Die Interviewdauer betrug im Durchschnitt 41 min. Als Gratifikation für die Teilnahme erhielten sowohl die Jugendlichen und jungen Erwachsenen als auch die Eltern Informationsmaterial der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Zur Vorbereitung der Datensätze auf die statistischen Analysen galt es, die disproportionale Stichprobenanlage mithilfe von Designgewichten in eine proportionale zu überführen. Grundlage für die Ermittlung der Gewichte stellten auch hier Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes dar [11] [12] [13] . Auf den Datensatz wurden kombinierte Regional-, Bundesgesundheitsbl https://doi.org/10.1007/s00103-021-03426-6 © Der/die Autor(en) 2021 Repräsentativbefragung · Reproduktive Gesundheit · Sexualaufklärung · Kontrazeption · Hormonelle Verhütung Sexual and contraceptive behavior of adolescents and young adults in Germany. Current results of the representative survey "Youth Sexuality" Abstract Background. Since 1980, the Federal Centre for Health Education (BZgA) has regularly conducted the "Youth Sexuality" representative surveys. This continuous monitoring generates insights on the sexual and reproductive health of young people in Germany. The survey provides an important basis for the development of sexuality education and family planning measures. Aim. The current sexual and contraceptive behavior of adolescents and young adults will be summarized using initial descriptive results from the ninth iteration of the survey. Methods. A total of N = 6032 adolescents and young adults participated in the survey. Data collection was conducted by computerassisted personal interviewing (CAPI) in 2019. A key finding of this iteration is that with regards to the age of the first sexual intercourse, the proportion of adolescents younger than 17 years has been declining for several years. For contraception, adolescents most frequently used condoms, and use of the pill has decreased. Discussion. The data from the current iteration indicate safe and responsible contraceptive behavior among young people in Germany. Nevertheless, it is important to maintain the commitment in the field of sexual health promotion and expand prevention measures for specific target groups. This is the only way to ensure the sexual and reproductive health of the next generation. Representative survey · Reproductive health · Sexual education · Contraception behaviour · Hormonal contraception Gefragt nach den Gründen für sexuelle Zurückhaltung 4 geben die 14-bis 17-Jährigen Jugendlichen an, dass "der oder die Richtige fehle" (55 %), sie "zu schüchtern seien" (39 %) und/oder sie sich für "zu jung" halten (41 %). Auffallend ist in diesem Zusammenhang, dass der Anteil der Mädchen, die sich für "zu jung" halten, seit 2014 um 13 % zugenommen hat (35 % in 2014 ggü. 48 % in 2019; χ 2 (1,477) = 8801, p = 0,004). Eine andere als eine rein heterosexuelle Orientierung wird eher von weiblichen als von männlichen Befragten berichtet. Und hier sind es vor allem die jungen Frauen im volljährigen Alter, die am häufigsten angeben, homo-oder bisexuell orientiert zu sein (. Abb. 2). Bei den wenigsten Jugendlichen und jungen Erwachsenen läuft der erste Abb. 3 tung bei Mädchen und jungen Frauen mit dem Alter zum Zeitpunkt des ersten Geschlechtsverkehrs konfundiert ist: Diejenigen, die angaben beim "ersten Mal" 14 Jahre oder jünger gewesen zu sein, hatten lediglich zu 44 % ihren ersten Koitus als "etwas Schönes" erlebt; waren die Befragten beim "ersten Mal" 15 Jahre oder älter, so bestätigten dies 62 % (χ 2 (1,1899) = 26.738, p = 0,000). Und auch die Bekanntheit mit dem/der Sexualpartner bzw. -partnerin beeinflusst die Bewertung der Mädchen und jungen Frauen: War der Partner bzw. die Partnerin des ersten Intimkontakts den Befragten kaum oder gar nicht bekannt, so gaben lediglich 26 % an, dass dies ein positives Erlebnis gewesen sei. Zum Vergleich: War der Partner bzw. die Partnerin den Befragten gut bekannt oder waren sie fest mit ihm/ihr befreundet, so empfanden 63 % den ersten Koitus als "etwas Schönes" (χ 2 (1,1941) = 96.960, p = 0,000). Für männliche Befragte können diese Zusammenhänge nicht festgestellt werden. Bezogen auf die Gesamtstichprobe der 14-bis 25-Jährigen geben 41 % der Jugendlichen und jungen Erwachsenen an, sich in einer festen Partnerschaft 7 zu befinden. Der Anteil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in festen Partnerschaf- Bezüglich der Dauer der Partnerschaften 8 , geben zwei von drei Befragten (65 %) an, dass ihre Partnerschaft bereits seit mindestens einem Jahr bestehe, wobei die Dauer auch wieder mit dem Alter im Zusammenhang steht: Bei den 14und 15-Jährigen geben 74 % und bei den 16-und 17-Jährigen 63 % an, dass die Partnerschaft erst seit einigen Wochen oder Monaten bestehe. Bei den 18-bis 20-Jährigen beträgt der Anteil nur noch 44 % und in der ältesten Kohorte der 21bis 25-Jährigen geht er auf 23 % zurück. 18-bis 20-Jährige leben nach eigenen Angaben zu 57 % bereits länger als ein Jahr in einer festen Beziehung. Wenn also volljährige, junge Erwachsene in einer Paarbeziehung leben, so dauern diese in der Mehrheit der Fälle länger an. Und in diesen Beziehungen ist sexuelle Treue 9 für viele junge Menschen von großer Bedeutung -für die jungen Frauen mehr als für die jungen Männer. 75 % der weiblichen und 62 % der männlichen Befragten zwischen 18 und 25 Jahrenhaltensexuelle Treue für"unbe- 10 Mit steigendem Alter nimmt auch die Anzahl der bisherigen Sexualpartnerinnen und -partner zu. Wie . Abb. 4 zeigt, hat die deutliche Mehrzahl der Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren bis dahin lediglich ein oder zwei Sexualpartnerinnen oder -partner gehabt. Mit zunehmendem Alter nimmt die Gesamtzahl der bisherigen Sexualpartnerinnen und -partner zu. Um zuverlässige Informationen über die Verhütungsquote bei jungen Menschen in Deutschland zu erhalten, wird die Zielgruppe der 14-bis 17-Jährigen fokussiert, da bei Minderjährigen ein Kinderwunsch i. d. R. ausgeschlossen werden kann (lediglich 1 % der Jugendlichen würden in 10 Fragestellung: "Haben Sie derzeit nur zeitweise/gelegentlich Geschlechtsverkehr oder regelmäßig?"; Basis: 18-bis 25-Jährige mit mehrmaliger heterosexueller Geschlechtsverkehrerfahrung (n = 1998, ungewichtet). der vorliegenden Befragung eine aktuelle Schwangerschaft für "erfreulich" halten). Insgesamt geben 9 % der 14-bis 17-Jährigen an, beim ersten Sexualverkehr nicht verhütet zu haben. . Abb. 5 stellt die Trendentwicklung der vergangenen knapp 40 Jahre für Jugendliche ohne Migrationshintergrund dar. Trotz des deutlich positiven Trends zeigt sich hier ein leicht ansteigender Anteil an männlichen Jugendlichen, der nicht verhütet, wenngleich diese Veränderung nicht signifikant ist (6 % in 2014 ggü. 11 % in 2019; χ 2 (1,380) = 2,277, p = 0,143). Als Gründe für ausbleibende Verhütung 11 geben Jugendliche am häufigsten an, dass "es zu spontan kam" (56 %), dass sie annahmen, "es werde schon nichts passieren" (38 %), und dass "so spontan keine Verhütungsmittel griffbereit waren" (27 %). Jugendliche verfügen über ein breites Wissen zu Verhütung und Sexualität, wie die geringe Quote der Nichtverhütenden beim ersten Geschlechtsverkehr zeigt. Die wichtigsten Quellen der Aufklärung über Verhütungsmittel 12 für 14-bis 17-Jährige sind der Schulunterricht (69 %), Gespräche (68 %) und das Internet (59 %). Und auch Jugendzeitschriften werden von den Jugendlichen nach eigenen Angaben häufig zur Wissensgewinnung herangezogen (34 %). Die Daten der 9. Welle der Jugendsexualitätsstudie zeigen, dass sich die Wahl des Verhütungsmittels mit dem Alter, zunehmender sexueller Erfahrung sowie dem Vorhandensein einer Partnerschaft verändert. Bei den ersten Geschlechtsverkehrerfahrungen geben sowohl Jugendliche als auch junge Erwachsene deutlich häufiger an, mit dem Kondom als mit der Pille verhütet zu haben (. Abb. 6) . Beim letzten Geschlechtsverkehr hingegen reduziert sich der Anteil der Befragten, die ein Kondom eingesetzt haben, und die Pille gewinnt an Bedeutung. Und gerade in Partnerschaften verhüten die Befragten häufiger mit der Pille (65 % ggü. 49 % Pillennutzung ohne aktuelle Partnerschaft; χ 2 (1,3874) = 90.581, p = 0,000). Eine nur untergeordnete Rolle spielen andere Verhütungsmittel, wie beispielsweise (Kupfer-)Spirale oder das Diaphragma (Anteil der Nutzerinnen 0-4 %). Das Wissen der 14-bis 25-jährigen sexuell aktiven Mädchen und jungen Frauen um die Möglichkeit einer Notfallverhütung durch die "Pille danach" ist nahezu flächendeckend vorhanden: 96 % geben an, diese Notfallkontrazeption zu kennen. 14 Gut ein Viertel (27 %) der Befragten hat nach eigenen Angaben mit der "Pille danach" schon einmal eine Notfallverhütung vorgenommen, 9 % auch schon mehrfach. 15 Die Anwendungshäufigkeit in der Stichprobe der 14-bis 25-Jährigen steht mit dem Alter im Zusammenhang: Unter den minderjährigen sexuell aktiven Mädchen ist die Nutzung einer Notfallkontrazeption nur halb so verbreitet 14 Fragestellung:"NacheinerVerhütungspanne oder nach einem ungeschützten Geschlechtsverkehr gibt es die Möglichkeit der Notfallverhütung, die sogenannte ,Pille danach' . [Nähere Erläuterungen] Wussten Sie, dass es so eine Pille gibt?"; Basis: 14-bis 25-jährige Mädchen/junge Frauen mit heterosexueller Geschlechtsverkehrerfahrung (n = 1886, ungewichtet). 15 Fragestellung: "[Nähere Erläuterung] Haben Sie die ,Pille danach'selbstschonangewendet?"; Basis: 14-bis 25-jährige Mädchen/Frauen mit mehrmaliger heterosexueller Geschlechtsverkehrerfahrung (n = 1837, ungewichtet). (einmal: 10 %; mehrmals: 5 %) wie unter den volljährigen jungen Frauen (einmal: 20 %; mehrmals: 9 %). Je älter die Frauen und je länger sie sexuell aktiv sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie die "Pille danach" schon einmal angewendet haben. Anhand der Daten der Jugendsexualitätsstudie kanneine Langzeitentwicklung der Nutzung einer Notfallkontrazeption durch Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren ohne Migrationshintergrund aufgezeigt werden: Die einmalige Nutzung hat sich nicht bedeutsam verändert (8 % in 2001 ggü. 10 % in 2019). Die Mehrfachnutzung ist von 1 % in 2001 auf 4 % in 2019 angestiegen. Die 9. Welle der Jugendsexualitätsstudie liefert auf Basis repräsentativer Stichproben Informationen über das Sexualund Verhütungsverhalten der aktuellen Generation der 14-bis 25-Jährigen in Deutschland. Vor allem das "erste Mal" ist ein gesellschaftlich viel diskutiertes Thema. Die vorliegenden Daten liefern keine Hinweise darauf, dass Jugendliche bei ihren ersten Koituserfahrungen immer jünger werden. Vielmehr setzt sich in Deutschland der Trend, dass Jugendliche immer später sexuell aktiv werden, auch 2019 fort [7] . Hier liegt eine große Stärke der repräsentativen Jugendsexualitätsstudie: Der Einstieg ins aktive Sexualleben wird nicht retrospektiv von den Befragten an-gegeben, sondern die jeweils aktuelle Generation wird zu vorhandenen sexuellen Erfahrungen befragt. Damit können Verzerrungen im Antwortverhalten aufgrund von Erinnerungseffekten ausgeschlossen werden. Die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen erleben den ersten homooder heterosexuellen Geschlechtsverkehr in einer festen Partnerschaft und als ein geplantes Ereignis. Das "erste Mal" wird auch überwiegend als "etwas Schönes" bewertet. Diese Bewertung fällt bei Mädchen und jungen Frauen jedoch deutlich seltener positiv aus, wenn sie beim ersten Koitus sehr jung waren oder ihnen die Person, mit der sie das "erste Mal" erlebten, nur wenig oder gar nicht bekannt war. Insgesamt findet somit das positive Erleben von Sexualität für Jugendliche und junge Erwachsene in der Regel in Paarbeziehungen statt. Der häufige Wechsel von Sexualpartnerinnen und -partnern ist gerade bei Minderjährigen die Ausnahme. Und die Mehrheit der jungen Erwachsenen -junge Frauen häufiger als junge Männer -wünscht sich monogame Beziehungen bzw. hält sexuelle Treue sogar für unverzichtbar. Zur sexuellen Orientierung von jungen Menschen in Deutschland können im Rahmen der Jugendsexualitätsstudie erstmals repräsentative Informationen vorgelegt werden. 11 % der weiblichen und 7 % der männlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen geben eine bi-oder homosexuelle Orientierung an. Dieser Anteil ist damit höher als bei Erwachsenen [14] . Im Hinblick auf die Kontrazeption zeigen die aktuellen Daten, dass die meisten Jugendlichen in Deutschland sicher verhüten. Aktuell geben 5 % an, beim letzten Geschlechtsverkehr nicht verhütet zu haben. Diese Quote ist im Vergleich zum Durchschnitt von 30 europäischen und außereuropäischen Industrienationen sehr niedrig [15] . Die Wahl des Verhütungsmittels ist mit dem Alter und dem damit einhergehenden Ausmaß an sexueller Erfahrung bzw. dem Vorhandensein einer Partnerschaft konfundiert. In jungen Jahren und mit wenigen sexuellen Erfahrungen verhüten Jugendliche vor allem mit dem Kondom, seltener mit der Pille. Mit zunehmendem Alter und dem Vorhandensein einer länger andauernden Paarbeziehung nimmt die Nutzungshäufigkeit der Pille deutlich zu. Dieses Nutzungsmuster ist auch in einer kanadischen Studie beschrieben [16] . Aber obwohl viele junge Menschen gerade in Partnerschaften häufig mit der Pille verhüten, zeigen sich in den vorliegenden Daten Hinweise auf einen möglichen Einstellungswandel gegenüber hormoneller Verhütung: Der Anteil der Befragten, der die Pille zur Verhütung einsetzt, ist rückläufig. Diese Entwicklung deckt sich mit dem Rückgang der Pillenverordnung bei gesetzlich versicherten Mädchen und jungen Frauen [17] . Doch nicht nur die Anwendungshäufigkeit der Pille ist rückläufig, auch die Gesundheitsverträglichkeit wird schlechter bewertet, wie die aktuellen Daten der Jugendsexualitätsstudie belegen. Dass diese skeptische Einstellung auch mit allgemein gewandelten Normvorstellungen im Zusammenhang stehen könnte, legen andere Jugendsurveys nahe: Die aktuelle Shell-Jugendstudie beispielsweise belegt, dass eine bewusste Lebensführung mit einem hohen Gesundheitsbewusstsein für Jugendliche heute wichtiger ist als noch vor einigen Jahren [18] . Und gesundheitsbezogene Aspekte spielen bei der Wahl der Verhütungsmethode für Mädchen eine relevante Rolle, wie ei- [21, 22] . Daraus kann geschlussfolgert werden, dass Informationen zur Aufklärung die jungen Menschen in Deutschland erreichen und sie diese auch in Anspruch nehmen. Wichtige Instanzen der Wissensvermittlung sind hier nach wie vor die Schulen, Gespräche in den Elternhäusern, aber auch der Austausch unter Gleichaltrigen und das Internet [23] . Aufklärungsmaßnahmen leisten somit einen bedeutsamen Beitrag zur sexuellen Gesundheitsförderung von jungen Menschen und beugen präventiv Schwangerschaftskonflikten vor. Abschließend sei erwähnt, dass die vorliegende Trendwelle der Jugendsexualitätsstudie im Jahre 2019 -also vor Ausbruch der COVID-19-Pandemiedurchgeführt wurde. Erkenntnisse über die Auswirkungen der kontaktbeschränkenden Maßnahmen auf das Sexual-und Verhütungsverhalten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen können somit aus den vorliegenden Daten nicht abgeleitet werden. Angebote der sexuellen Bildung und Prävention jedoch mussten aufgrund der COVID-19-Pandemie nahezu komplett eingestellt werden [24, 25] . Die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit von jungen Menschen in Deutschland werden voraussichtlich in der nächsten Trendwelle sichtbar sein, die sich derzeit in Planung befindet. Zusammenfassend belegen die Daten der 9. Welle der Jugendsexualitätsstudie ein weitgehend sicheres Kontrazeptionsver-halten von jungen Menschen in Deutschland. Im Bereich hormoneller Verhütung scheint sich ein Einstellungswandel in der kommenden Generation bemerkbar zu machen. Es gilt das Engagement im Bereich Sexualaufklärung und Familienplanung aufrechtzuerhalten bzw. zu intensivieren. Nur so können die sexuelle und reproduktive Gesundheit der nachfolgenden Generationen gewährleistet und mögliche negative Folgen der COVID-19-Pandemie reduziert werden. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2016) Rahmenkonzept zur Sexualaufklärung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Abstimmung mit den Bundesländern Public Health Action Cycle / Gesundheitspolitischer Aktionszyklus Aktualisierte Ergebnisse der BZgA-Studie "frauen leben 3 Ju-gendsexualitätundBehinderung Jugendsexualität im Internetzeitalter Sexual and contraceptive behaviour of young people throughout the decades. German Federal Centre for Health Education: selected survey results on youth sexuality Youth sexuality in Germany Isprobabilitysamplingalways better? A comparison of results from a quota and a probability sample survey Bevölkerungsfortschreibung auf Grundlage des Zensus Bevölkerung und Erwerbstätigkeit Gesundheit und Sexualität in Deutschland (GeSiD) Country-level gender equality and adolescents' contraceptive use in Europe, Canada and Israel: findings from 33 countries Sexual behaviours, condom use and other contraceptive methods among 15-to 24-year-olds in Canada Pille zur Verhütung: Verordnungsanteil risikoreicher Präparate nach wie vor hoch It's worked well for me": young women's reasons for choosing lower-efficacy contraceptive methods Mehr Frust als Lust? Die Antibabypille in Sozialen Medien Zahl der Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 2020 leicht zurückgegangen Daten der Lebendgeborenen nach Altersgruppen der Mütter Erste Ergebnisse der neuen Befragungswelle BZgA-Studie "Jugendsexualität Zwischenergebnisse der Studie "Schwangerschaftsberatung während der Covid-19-Pandemie aus Sicht von Beratungsfachkräften Coronavirus (COVID-19) and young people's sexual health