key: cord-0027314-ryocx5jj authors: Weißleder, Anne; Beinkofer, Daniela; Gässler, Holger; Treffer, Dominik; Dargel, Susanne; Schleußner, Ekkehard title: Kardiopulmonale Reanimation der schwangeren Patientin im Rettungsdienst: Standardisierter Ansatz für das notfallmedizinische Management date: 2022-02-17 journal: Notf Rett Med DOI: 10.1007/s10049-022-00979-0 sha: 9102b16a1bb5cd52f18087e8046683dfa081d83f doc_id: 27314 cord_uid: ryocx5jj Cardiopulmonary resuscitation of a pregnant patient is a rarity in prehospital emergency medicine and an extraordinary challenge for the emergency team. Besides modifications to emergency medical procedures due to physiological changes during pregnancy, specific reversible causes must be considered and psychosocial difficulties must be managed. This article aims to present a standard operating procedure for this special situation. In these circumstances the basics of crew resource management (CRM) are of special interest for the emergency team and are therefore mentioned in this article. Die kardiopulmonale Reanimation einer schwangeren Patientin stellt in der prähospitalen Notfallmedizin eine Rarität und für das Rettungsteam eine außerordentliche Herausforderung dar. Neben der Modifikation notfallmedizinischer Maßnahmen bei schwangerschaftsbedingten physiologischen Veränderungen sind auch spezielle reversible Ursachen zu bedenken und psychosoziale Schwierigkeiten zu managen. Der vorliegende Beitrag hat zum Ziel, ein standardisiertes Vorgehen für diese speziellen Situationen darzustellen. Grundzüge des Crew Resource Management (CRM) sind für das Rettungsteam besonders hilfreich und werden im Folgenden erwähnt. Embolie (koronar, pulmonal, Fruchtwasser). Das Thromboembolierisiko ist in der Schwangerschaft und im Wochenbett deutlich erhöht. Bei hämodynamisch relevanter Lungenembolie ist eine Thrombolysetherapie zu erwägen [7] . Die Fruchtwasserembolie ist ein seltenes Ereignis, jedoch mit einer hohen Mortalität vergesellschaftet. Infolge des Übertritts von Fruchtwasser in den maternalen Kreislauf resultiert eine schwere Überempfindlichkeitsreaktion. Die Symptomtrias umfasst [8] : plötzliche Hypoxie, -Hypotension, -Koagulopathie. Es droht eine massive Rechtsherzbelastung bis hin zur globalen Herzinsuffizienz und die Entwicklung einer DIC. Anästhesieassoziierte Komplikationen. Bei der schwangeren Frau ist mit einem schwierigen Atemweg zu rechnen. Daher sind entsprechende Vorbereitungen zu treffen. Es sollte primär die Videolaryngoskopie eingesetzt werden. Zusätzlich sollten Alternativen zur Atemwegssicherung bereitliegen, z. B. eine Larynxmaske. Uterusatonie. Die Uterusatonie beschreibt die mangelnde Kontraktionsfähigkeit des Uterus post partum und resultiert in einer schwerwiegenden Blutung. Es droht der hämorrhagische Schock bis hin zum HKS. Prähospital haben die bereits beschriebene Blutstillung, der Einsatz von Tranexamsäure sowie die Gabe von Uterotonika, Oxytocin oder Carbetocin, oberste Priorität. Meist werden letztgenannte Medikamente auf vielen Rettungsmitteln nicht mitgeführt. Im Angesicht der abnehmenden Dichte von Geburtskliniken in Deutschland sowie risikoreichen außerklinischen Geburten sollte dieser Aspekt in den jeweiligen Rettungsdienstbe- [5] ) B "bleeding" -postpartale Blutung, disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) E "Embolie" -koronar, pulmonal, Fruchtwasser A "anästhesieassoziierte Komplikationen" U "Uterusatonie" C "cardial" -Ischämie, Infarkt, Aortendissektion, Kardiomyopathie H "hypertension" -Präeklampsie, Eklampsie, HELLP-Syndrom O "others" -z. B. Trauma etc. P "Plazenta" -vorzeitige Plazentalösung, Placenta praevia, Plazentaimplantationsstörung (z. B. Placenta accreta) S "Sepsis" "Others" (andere Ursachen). Prähospital spielen hier v. a. Unfälle oder evtl. Suizidversuche eine Rolle. Plazenta (vorzeitige Plazentalösung, Placenta praevia, Plazentaimplantationsstörung). Eine bisher unerkannte Plazentaimplantationsstörung kann zu einer schweren Blutung führen. Sepsis. Kommt es bei einer Schwangeren zu einem septischen Geschehen, meist auf dem Boden einer Endometritis oder Urosepsis, muss die Patientin einer raschen Antibiotikatherapie zugeführt werden [9] . Nach Verfügbarkeit und einsatztaktischen/ strukturellen Überlegungen können ggf. prähospital bereits Blutproben zur Kultivierung entnommen und die Antibiotikatherapie eingeleitet werden. Auch an eine "coronavirus disease 2019" (COVID-19) muss bereits initial gedacht und bei dringlichem Anhalt entsprechend verfahren (Eigenschutz durch Schutzkleidung, Isolation etc.) werden. Die genannten Ursachen müssen während der kardiopulmonalen Reanimation (CPR) bedacht werden. Sie stehen häufig im Zusammenhang mit der Geburt. In den USA ist die Thromboembolie die Hauptursache des HKS bei Schwangeren [1] . In Entwicklungsländern sind die Hämorrhagie und Präeklampsie führend. Weiterhin spielt dort ein septisches Geschehen eine relevante Rolle [10] . Die Empfehlungen zur Versorgung von Schwangeren mit HKS folgen den aktuell gültigen Leitlinien des European Resuscitation Council (ERC) aus dem Jahr 2021 und der American Heart Association (AHA) aus dem Jahr 2020, zusammen mit den Empfehlungen des International Liaison Committee on Resuscitation (ILCOR) aus dem Jahr 2020 [4, 5, 11] [14, 15] [18] . Gemäß der aktuellen ERC-Leitlinie soll die frühe ETI erwogen werden. Der primäre Einsatz der Videolaryngoskopie wird empfohlen. Zudem soll ein kleinerer Endotrachealtubus (ca. 0,5-1 mm kleiner als üblich) verwendet werden. Der Einsatz eines Führungsstabes erhöht die Erfolgsrate einer ETI [19] . Alternativ stehen extraglottische Atemwegshilfsmittel (EGA) wie die Larynxmaske zur Verfügung. Sie sollten als Rückfallebene spätestens nach dem 2. erfolglosen Intubationsversuch genutzt werden. Sogenannte Bougies (Intubationsstäbe/ Einführhilfen für Endotrachealtuben) mit gebogener Spitze können ein zusätzliches Hilfsmittel sein. Der Bougie wird zuerst in die Trachea eingeführt. Der Tubus wird anschließend mithilfe der Seldinger-Technik in der Trachea platziert. Um eine hohe Erfolgsrate der Atemwegssicherung zu gewährleisten, empfiehlt die S1-Leitlinie "Prähospitales Atemwegsmanagement" ausreichend Erfahrung und regelmäßiges Training dieser Methoden (100 ETI als Basis sowie 10/Jahr und 45 EGA als Basis sowie 3/Jahr, [20] ). Für die Atemwegssicherung soll die Thoraxkompression ebenfalls möglichst kurz unterbrochen werden (max. 5-10 s). Zugangsmöglichkeiten zum Gefäßsystem. Zur Verabreichung der empfohlenen Medikamente ist ein Zugang zum Gefäßsystem erforderlich. Dieser sollte nach Möglichkeit an der oberen Extremität oder am Hals (V. jugularis externa) gelegt werden, um einen rascher Rückfluss zum Herzen zu gewährleisten. Ist es nicht möglich, einen i.v.-Zugang innerhalb von 60-90 s zu etablieren, wird als gleichwertige Alternative die intraossäre Punktion empfohlen. Hier ist im Gegensatz zur ansonsten üblichen Empfehlung (proximale Tibia) ggf. der proximale Humerus als Punktionsort zu bevorzugen. Wird ein körperstammferner Punktionsort gewählt, besteht möglicherweise die Gefahr eines schlechteren "Anflutens" des Wirkstoffs und somit eines verzögerten/ verringerten Wirkeintritts. Allerdings muss bei diesem Vorgehen berücksichtigt werden, dass das Auffinden des korrekten Punktionsorts sowie die Durchführung im Bereich des proximalen Humerus anspruchsvoller und fehlerbehafteter sind als beispielsweise an der proximalen Tibia. Alle bei der Reanimation verwendeten Medikamente werden i.o. und i.v. gleich dosiert; das "Einspülen" aller Medikamente mithilfe eines nachfolgenden Flüssigkeitsbolus ist bei beiden Zugangswegen im Rahmen der Reanimation essenziell. Eine laufende Oxytocininfusion soll aufgrund der vasodilatatierenden und negativ-inotropen Wirkung im Rahmen einer Reanimationssituation sofort gestoppt werden. Ist der Patientin infolge einer Präeklampsie bzw. eklamptischen Anfalls Magnesiumsulfat verabreicht worden, muss auch hier die weitere Applikation gestoppt werden. Zusätzlich sollten als Antidot und Protektion vor weiteren Herzrhythmusstörungen z. B. 20 ml 10 %ige Kalziumgluconatlösung i.v. verabreicht werden [21] . Ausnahme in diesen Fällen ist die Gabe der Medikamente zur Therapie der zugrunde liegenden Ursachen. Mögliche Gaben anderer Medikamente, die im Moment des eintretenden HKS appliziert wurden (z. B. Antibiotika), sollten im Sinne der Allergenkarenz eines möglicherweise vorliegenden anaphylaktischen Schocks zunächst beendet werden. Postreanimationsbehandlung/fetale Überwachung Nach Wiedereinsetzen des Spontankreislaufs ("return of spontaneous circulation", ROSC) muss die Patientin fortlaufend intensivmedizinisch überwacht und betreut werden. In einem Fallbericht CME wurde nach prähospitaler Reanimation einer schwangeren Frau mit anschließender Sectio caesarea über eine therapeutische Hypothermie (34°C) über 14 h mit gutem neurologischen Outcome berichtet [22] . Hierbei handelt es sich allerdings nicht um eine etablierte Therapie in der Postreanimationsversorgung Schwangerer. Prähospital besteht die Möglichkeit, die Vitalität des Fetus mithilfe der Sonographie zu überprüfen. Die Auskultation der fetalen Herztöne bedarf großer Übung und erscheint im prähospitalen Umfeld nicht praktikabel. Konkret sind nach eintretendem ROSC folgende Maßnahmen in der Evaluation nach xABCDE zu beachten/durchzuführen: -X: kritische Blutungen stillen, Durch den Einsatz von "standard operating procedures" (SOP) bzw. Algorithmen soll ermöglicht werden, trotz wechselnder Teamkonstellationen eine hohe und gleichbleibende Arbeitsqualität sicherzustellen. Um die Rate der Komplikationen und Zwischenfälle zu reduzieren, hat sich das Crew/Crisis Resource Management (CRM-Konzept) auch im medizinischen Umfeld etabliert. Das ursprünglich der Luftfahrt entstammende Konzept wurde aus den Erkenntnissen im Rahmen von Ermittlungen zu Flugunfällen abgeleitet. Häufig lagen hier menschliche Fehler zugrunde ("human factors"; [31, 32] ). Die Leitsätze des CRM sollten dem Rettungsteam bekannt sein (nachzulesen in der Arbeit von Klein [32] ). Das Prinzip "10 s für 10 min" beinhaltet eine kurze Pause von 10 s, in der der Teamleader und das gesamte Team innehalten, um den aktuellen Stand zu kommunizieren und die geplanten Maßnahmenfür diekommenden10 minanzukündigen. Im Rahmen der Reanimation werden die Thoraxkompressionen und Beatmung (falls manuell) weitergeführt. Der Teamleader muss überdies nicht immer die Notärztin bzw. der Notarzt sein. Essenziell ist dieses Vorgehen anzuwenden, wenn der Teamleader den Eindruck hat, dass aktuell nicht mehr effektiv gearbeitet wird [33] . Weiterhin soll sich eine effektive Fehler-und Organisationskultur entwickeln. Fakt ist, dass Fehler passieren. Diese müssen jedoch erkannt sowie konstruktiv angesprochen und analysiert werden, um daraus zu lernen. Reanimationsereignisse fordern das gesamte Rettungsteam. Die Wiederbelebung einer Schwangeren ist jedoch sicherlich auch psychisch besonders beanspruchend. Ein Einsatznachbesprechung sollte daher fest implementiert werden. Für Betroffene und Helfer muss an eine entsprechende psychosoziale Notfallversorgung gedacht und diese ggf. bereitgestellt werden (z. B. über Notfallseelsorge). Cardiac arrest during hospitalization for delivery in the UnitedStates Cardiopulmonary resuscitation in pregnancy Savingmothers' lives: reviewing maternal deaths to make motherhood safer: 2006-2008. The eighth report of the Confidential enquiries into maternal deaths in the United Kingdom Adult advanced life support: 2020 international consensus on cardiopulmonary resuscitation and emergency cardiovascular care science with treatment recommendations Part 3: adult basic and advanced life support: 2020 American Heart Association guidelines for cardiopulmonary resuscitation and emergency cardiovascular care Peri-und postpartale Blutungen Amniotic fluid embolism: diagnosis and management. SMFM clinical guidelines Duration of hypotension before initiation of effective antimicrobial therapy is the critical determinant of survival in human septic shock Brow DD (1993) In-hospital cardiopulmonary resuscitation: a30-year review Maternal cardiac arrest-rarely occurs, rarely researched UterinedisplacementduringCPRinthepregnantpatient-why bother? The human wedge. A maneuver to relieve aortocaval compression during resuscitation in late pregnancy Manual displacement of the uterus during Caesarean section Funktionalität und Einsatztauglichkeit von Thoraxkompressionsgeräten Out-of-hospital cardiac arrest-the solution is shocking CRP and somatic support of the pregnant patient The bougie and first-pass success in the emergency department S1-Leitlinie: Prähospitales Atemwegsmanagement (Kurzfassung) Cardiac arrest in pregnancy: a scientific statement from the Out-of-hospital cardiac arrest in pregnancy with good neurological outcome for mother and infant European Resuscitation Council Guidelines 2021: newborn resuscitation and support of transition of infants at birth Advanced Medical Life Support. Präklinisches und klinisches Notfallmanagement Perimortem casesarean deliveries Maternal cardiac arrest and perimortem caesarean delivery: evidenceorexpert-based? Cardiopulmonary arrest in pregnancy: two case reports of successful outcomes in association with perimortem caeserean delivery Management of cardiac arrest in pregnancy: asystematic review Perimortem caesarean delivery: it's a role in maternal mortality Zwei Leben -Anspruch und Wirklichkeit Patientensicherheit im Rettungsdienst: Welchen Beitrag können CRM und Teamarbeit leisten? Notarzt The "10-seconds-for-10-minutes principle": why things go wrong and stopping them getting worse