key: cord-0034943-0lr9zxa4 authors: Berg, Jeremy M.; Tymoczko, John L.; Stryer, Lubert title: Entwicklung von Arzneistoffen date: 2013 journal: Stryer Biochemie DOI: 10.1007/978-3-8274-2989-6_36 sha: b670b7e5e4f9deaa719a33681104f71a453948a1 doc_id: 34943 cord_uid: 0lr9zxa4 Die Entwicklung von Arzneistoffen stellt eine der wichtigsten Schnittstellen zwischen der Biochemie und der Medizin dar. In den meisten Fällen entfalten die Arzneistoffe ihre Wirkung, indem sie an spezifische Rezeptoren oder Enzyme binden und diese inhibieren oder deren Aktivität auf eine andere Weise verändern. Deshalb ist das Wissen über diese Moleküle und die Stoffwechselwege, in die sie eingreifen, von entscheidender Bedeutung für die Arzneistoffentwicklung. Ein effektiver Arzneistoff ist jedoch weit mehr als ein stark wirkender Modulator. Arzneistoffe müssen sich den Patienten einfach verabreichen lassen, vorzugsweise als kleine, oral gegebene Tabletten, und sie müssen im Körper lange genug überdauern, damit sie ihr Ziel erreichen können. Um unerwünschte physiologische Wirkungen zu verhindern, dürfen die Arzneistoffe zudem nicht die Eigenschaften von anderen Biomolekülen verändern, die nicht ihre Zielmoleküle sind. Diese Anforderungen schränken die Anzahl der Verbindungen, die klinisch von Nutzen sein können, enorm ein. dern. Sobald solche Verbindungen vorliegen, können Wissenschaftler deren Wirkung an geeigneten Zellen oder Organismen erforschen. Man kann bei diesem Vorgehen auf viele unerwartete Ergebnisse stoßen, welche die Komplexität biologischer Systeme widerspiegeln. In diesem Kapitel beleuchten wir die Pharmakologie. Wir untersuchen eine Reihe von Fallbeispielen, welche die Entwicklung von Arzneistoffen veranschaulichen -einschließlich vieler Konzepte, Methoden und Herausforderungen. Anschließend erfahren Sie, wie die Konzepte und Werkzeuge der Genomik die Ansätze für die Entwicklung von Arzneistoffen beeinflussen. Den Abschluss des Kapitels bildet ein zusammenfassender Überblick über die Phasen bei der Entwicklung von Arzneistoffen. Viele Verbindungen haben eine deutliche Wirkung, wenn sie vom Körper aufgenommen werden, aber nur ein kleiner Teil von ihnen sind nützliche Arzneistoffe. Eine fremde Verbindung, die sich im Verlauf der Evolution an ihre Aufgabe in der Zelle angepasst hat, muss eine Reihe spezieller Eigenschaften besitzen, um wirksam zu sein, ohne ernsthafte Schäden zu verursachen. Als Nächstes betrachten wir einige Schwierigkeiten, mit denen die Arzneistoffentwickler konfrontiert sind. Viele Arzneistoffe binden an spezifische Proteine, in der Regel sind dies Rezeptoren oder Enzyme im Körper. Um eine Wirkung zu zeigen, muss der Arzneistoff in ausreichender Menge an seine Zielproteine binden, wenn er in angemessener Dosis eingenommen wird. Ein Faktor, mit dem sich die Wirksamkeit eines Arzneistoffes bestimmen lässt, ist die Bindungsstärke zwischen dem Arzneistoff und seinem Zielmolekül. Ein Molekül, das an ein gewisses Zielmolekül bindet, wird häufig als ein Ligand bezeichnet. . Abbildung 36.2 zeigt eine Ligandenbindungskurve. Mit steigender Ligandenkonzentration besetzen immer mehr Ligandenmoleküle die Bindungsstellen des Zielmoleküls, bis alle verfügbaren Bindungsstellen besetzt sind. Die Neigung eines Liganden, an sein Zielmolekül zu binden, misst man mit der Dissoziationskonstante K d . Diese ist folgendermaßen definiert: wirkung. Solange die Konzentration der Bindungsstellen substanziell geringer ist als die Dissoziationskonstante, ist die Konzentration an freien Liganden, bei der die Hälfte der Bindungsstellen besetzt ist, gleich der Dissoziationskonstanten. In vielen Fällen kommen biologische Tests (anstelle eines direkten Enzym-oder Bindungstests) zum Einsatz, um die Wirksamkeit des Arzneistoffkandidaten zu untersuchen. So kann beispielsweise der Anteil an getöteten Bakterien die Fähigkeit eines potenziellen Antibiotikums anzeigen. In solchen Fällen werden Werte wie der EC 50 verwendet. Unter dem EC 50 (EC für effective concentration) versteht man die Konzentration des Arzneistoffkandidaten, mit der man 50 Prozent der maximalen biologischen Reaktion hervorrufen kann (. Abb. 36.3) . Entsprechend ist EC 90 die Konzentration, die zum Erreichen von 90 Prozent der maximalen Reaktion erforderlich ist. Im Fall des erwähnten Antibiotikums wäre EC 90 die notwendige Konzentration, um 90 Prozent der Bakterien, die dem Arzneistoff ausgesetzt sind, zu töten. Für Arzneistoffkandidaten mit inhibitorischer Wirkung werden häufig die entsprechenden Bezeichnungen IC 50 und IC 90 verwendet, um die Inhibitorkonzentration zu beschreiben, die erforderlich ist, um die Reaktion auf 50 bzw. 90 Prozent des Wertes, der in Abwesenheit des Inhibitors erreicht wird, zu verringern. Werte wie IC 50 und IC 90 sind ein Maß für die Fähigkeit eines Arzneistoffkandidaten, die Aktivität einer gewünschten biologischen Zielstruktur zu modulieren. Um unerwünschte Wirkungen, sogenannte Nebenwirkungen, zu verhindern, sollte ein idealer Arzneistoffkandidat außer dem Zielmolekül keine anderen biologischen Moleküle in signifikantem Ausmaß binden. Die Entwicklung eines solchen Arzneistoffes kann eine große Herausforderung sein, insbesondere, wenn das Zielmolekül des Arzneistoffes ein Mitglied einer großen Familie von evolutionär verwandten Proteinen ist. Der Grad der Spezifität lässt sich durch das Verhältnis der K d -Werte für die Bindung eines Arzneistoffkandidaten an irgendein anderes Molekül zum K d -Wert für die Bindung des Arzneistoffkandidaten an das gewünschte Zielmolekül beschreiben. Unter physiologischen Bedingungen existieren viele erschwerende Faktoren. Viele Zielmoleküle von Arzneistoffen binden auch Liganden, die normalerweise im Gewebe vorkommen; häufig konkurrieren die Arzneistoffkandidaten mit diesen Liganden um die Bindungsstellen an der Zielstruktur. Wir sind dieser Situation begegnet, als wir in Kapitel 8 kompetitive Inhibitoren betrachtet haben. Angenommen, die Zielstruktur des Arzneistoffes sei ein Enzym und der Arzneistoffkandidat ein kompetitiver Inhibitor, dann hängt die für die Inhibition des Enzyms notwendige Arzneistoffkonzentration von der physiologischen Konzentration des normalen Substrats dieses Enzyms ab (. Abb. 36.4) . Die Biochemiker Yung-Chi Cheng und William Prusoff beschrieben diese Relation zwischen dem IC 50 eines Enzyminhibitors und seiner Inhibitionskonstanten K i (analog der Dissoziationskonstanten K d eines Liganden): Diese unter dem Namen Cheng-Prusoff-Gleichung bekannte Beziehung zeigt, dass der IC 50 eines kompetitiven Inhibitors von der Konzentration und von der Michaelis-Konstanten (K M ) des Substrats S abhängt. Je höher die Konzentration des natürlichen Substrats ist, umso höher ist auch die benötigte Konzentration des Arzneistoffes, um das Enzym bis zu einem bestimmten Ausmaß zu inhibieren. Blutkreislauf erreicht haben. Dieser erste Stoffwechselschritt kann die Verfügbarkeit von oral verabreichten Verbindungen erheblich einschränken. Sind Verbindungen in den Blutstrom gelangt, können sie aus dem Kreislauf entfernt und vom Körper hauptsächlich auf zwei Wegen ausgeschieden werden. Zum einen werden sie von den Nieren resorbiert und mit dem Urin ausgeschieden. Bei diesem Vorgang passiert das Blut die Glomeruli, Netze aus feinen Kapillaren in der Niere, die als Filter fungieren. Verbindungen mit einer Molekülmasse unter etwa 60 000 treten durch die Glomeruli hindurch. Viele der Wasser-und Glucosemoleküle, Nucleotide und anderen niedermolekularen Verbindungen, welche die Niere passieren, werden wieder rückresorbiert und gelangen in das Blut; dies geschieht entweder mithilfe von Transportern, die eine breite Spezifität haben, oder durch passiven Transport hydrophober Moleküle durch Membranen. Arzneistoffe und Metaboliten, die den ersten Filtrationsschritt durchlaufen und nicht wieder resorbiert werden, werden ausgeschieden. Zum anderen können Verbindungen aktiv in die Gallenflüssigkeit befördert werden, ein Vorgang, der sich in der Leber abspielt. Nach ihrer Konzentrierung fließt die Gallenflüssigkeit in den Dünndarm. Im Darm werden die Arzneistoffe und Metaboliten mit dem Stuhl ausgeschieden, ins Blut rückresorbiert oder von Verdauungsenzymen weiter abgebaut. Manchmal werden Verbindungen vom Blut in den Darm und wieder zurück in das Blut befördert; diesen Vorgang bezeichnet man als enterohepatischen Kreislauf (. Abb. 36.11). Durch ihn lässt sich die Ausscheidungsrate mancher Verbindungen deutlich senken, weil sie dem Ausscheidungsweg entkommen und erneut in den Kreislauf gelangen. Die Ausscheidungskinetik von Verbindungen ist häufig komplex. In manchen Fällen wird während eines bestimmten Zeitraums ein fester Prozentsatz der verbliebenen Verbindung ausgeschieden (. Abb. 36.12). Dieses Muster hat den exponentiellen Verlust der Verbindung aus dem Blut zur Folge, der sich mit einer Halbwertszeit (t ½ ) beschreiben lässt. Unter der Halbwertszeit versteht man einen festen Zeitabschnitt, der erforderlich ist, um 50 Prozent der noch verbliebenen Verbindung zu entfernen. Sie ist ein Maß dafür, wie lange eine wirksame Konzentration der Verbindung nach der Verabreichung im System verbleibt. Bei der Festlegung, wie oft ein Arzneistoff einzunehmen ist, stellt sie somit einen wichtigen Faktor dar. Ein Arzneistoff mit langer Halbwertszeit braucht nur einmal täglich eingenommen zu werden, ein Arzneistoff mit kurzer Halbwertszeit hingegen drei-oder viermal am Tag. Die Toxizität eines Arzneistoffkandidaten lässt sich mit dem therapeutischen Index beschreiben. Dieses Maß für die Giftigkeit bestimmt man mithilfe von Tiertests, gewöhnlich an Mäusen oder Ratten. Der therapeutische Index wird definiert als Quotient aus der Dosis der Verbindung, die erforderlich ist, um die Hälfte der Tiere zu töten (als LD 50 bezeichnet für die "letale Dosis") und einem vergleichbaren Maß für die wirksame Dosis, gewöhnlich dem EC 50 . Wenn der therapeutische Index 1 000 ist, ist somit die Letalität nur dann bedeutend, wenn das 1 000-Fache der wirksamen Dosis verabreicht wird. Entsprechende Indices können ein Maß für die Toxizität liefern, die weniger schwerwiegend als die Letalität ist. Viele Verbindungen zeigen in vitro hervorragende Eigenschaften, fallen jedoch wegen der unzureichenden ADME-Eigenschaften und aufgrund ihrer Toxizität durch, wenn sie einem lebenden Organismus verabreicht werden. Kosten-und zeitintensive Tierversuche sind erforderlich, um zu beweisen, dass ein Arzneistoffkandidat nicht giftig ist, jedoch können auch unterschiedliche Reaktionen verschiedener Tierarten einen Test der Verbindung am Menschen vereiteln. Es besteht die Hoffnung, dass die Wissenschaftler mit dem besseren Verständnis der Biochemie dieser Vorgänge computergestützte Modelle entwickeln können, um Tierversuche zu ersetzen oder zu ergänzen. Solche Modelle müssten das Schicksal einer Verbindung innerhalb eines lebenden Organismus aus der Molekülstruktur oder anderen Eigenschaften, die sich im Labor ohne Einsatz von Tierversuchen leicht messen lassen, genau vorhersagen können. In die Synthese von Peptiden entwickelt wurden (Abschnitt 3.5). Man synthetisiert die Verbindungen an kleinen Kugeln. Kügelchen mit einem geeigneten Startgerüst werden in n Gruppen aufgeteilt (split), wobei n der Anzahl der unterschiedlichen Bausteine entspricht, die man an dieser nun zu synthetisierenden Position im Molekül einbauen möchte. Dann lässt man Reaktionen ablaufen, welche die Reaktanden an die erste Stelle fügen, und die Kugeln werden mittels Filtration isoliert. Die n Gruppen von Kügelchen werden dann vereinigt (pooled), gemischt und in m Sätze aufgeteilt, wobei m der Anzahl der Reaktanden entspricht, die an der zweiten Stelle eingebaut werden. Dann laufen Reaktionen ab, bei denen diese m Reaktanden hinzugefügt werden, und die Kügelchen werden erneut isoliert. Wichtig ist, dass im Ergebnis jedes Kügelchen immer nur eine Molekülart gebunden hat, obgleich die gesamte Bibliothek viele Verbindungen umfasst. Außerdem werden n × m Verbindungen produziert, obwohl nur n + m Reaktionen ablaufen. Mit den zuvor genannten Zahlen für n und m erzeugen die 20 + 40 = 60 Reaktionen 20 × 40 = 800 Verbindungen. In manchen Fällen können direkt mit den an den Kugeln haftenden Molekülen Tests durchgeführt werden, um Verbindungen mit den gewünschten Eigenschaften zu finden (. Abb. 36.20) . Alternativ kann man jedes Kügelchen isolieren und die Verbindung abspalten, um freie Verbindungen zur Analyse herzustellen. Nachdem man eine interessante Verbindung identifiziert hat, müssen zahlreiche analytische Methoden angewendet werden, um zu klären, welche der n × m Verbindungen tatsächlich vorliegt. Es sei bemerkt, dass das "Universum" der arzneistoffähnlichen Verbindungen unermesslich ist. Schätzungsweise sind mehr als 10 40 Verbindungen mit einer Molekülmasse von weniger als 750 möglich. Selbst mit "großen" Bibliotheken mit Millionen von Verbindungen steht daher nur ein winziger Teil der chemischen Möglichkeiten zur Untersuchung zur Verfügung. Viele Arzneistoffe binden auf eine Weise an ihre Zielmoleküle, die an Emil Fischers Schlüssel-Schloss-Prinzip erinnert (. Abb. 8.8). Daher müsste es möglich sein, einen Schlüssel zu konstruieren, wenn man nur ausreichend Informationen über die Gestalt und chemische Zusammensetzung des Schlosses besitzt. Im Idealfall würde man ein kleines Molekül konzipieren, das zum Zielprotein eine komplementäre Form und Elektronenstruktur besitzt, sodass es wirksam an den Zielort bindet. Obwohl wir dreidimensionale Strukturen rasch aufklären können, liegt das Erreichen dieses Ziels in der Zukunft. Stabile Verbindungen, welche die korrekte Gestalt und andere Eigenschaften besitzen, um exakt zu einer Bindungsstelle zu passen, von Grund auf neu zu entwerfen, ist schwierig, denn es lässt sich nur schwer vorhersagen, welche Struktur letztendlich am besten passen wird. Eine Vorhersage der Bindungsaffinität erfordert ein detailliertes Verständnis der Wechselwirkungen zwischen einer Verbindung und ihrem Bindungspartner und der Wechselwirkungen zwischen der Verbindung und dem Lösungsmittel, wenn sich die Verbindung frei in Lösung befindet. Die vollständige Sequenzierung des Humangenoms oder anderer Genome treibt die Entwicklung neuer Arzneistoffe stark voran. Genomsequenzierungen und -analyseprojekte haben unser Wissen über die Proteine, die vom menschlichen Genom codiert werden, enorm erweitert. Diese neue Wissensquelle kann die frühen Phasen der Arzneistoffentwicklung stark beschleunigen oder sogar ermöglichen, dass Arzneistoffe maßgeschneidert für den einzelnen Patienten hergestellt werden. . 36.24 COX2-spezifische Inhibitoren. Diese Verbindungen besitzen hervortretende Stellen (rot markiert), die in eine Tasche im COX2-Isozym passen, aber mit dem COX1-Isozym räumlich kollidieren. Durch Verwendung von Genominformationen lassen sich leichter neue Proteine identifizieren, die nicht Teil einer großen Familie sind, welche bereits Zielmoleküle für Arzneistoffe bietet. Es gibt eine Reihe von Wegen, Proteine zu identifizieren, die im Rahmen von Arzneistoffentwicklungsprogrammen als Zielmoleküle dienen könnten. Eine Möglichkeit ist, bei Zellen von kranken Organismen nach Veränderungen des Expressionsmusters, der Proteinlokalisation oder der posttranslationalen Modifikation zu suchen. Untersuchungen von Geweben oder Zelltypen, in denen besondere Gene exprimiert werden, stellen einen weiteren Weg dar. Die Analyse des Humangenoms sollte die Anzahl der aktiv verfolgten Zielmoleküle für Arzneistoffe schätzungsweise um den Faktor zwei oder mehr erhöhen. Menschliche Proteine sind nicht die einzigen wichtigen Zielstrukturen für Arzneistoffe. Arzneistoffe wie Penicillin und Inhibitoren der HIV-Protease wirken auf Proteine innerhalb eines Pathogens. Nun hat man das Genom von Hunderten von Pathogenen sequenziert und kann in diesen Genomsequenzen nach möglichen Zielmolekülen suchen. Zur Bekämpfung von Bakterien, die resistent gegen viele der vorhandenen Antibiotika geworden sind, werden neue Antibiotika benötigt. Bei einem Ansatz sucht man nach Proteinen, die für das Überleben der Zelle notwendig sind und die bei einer großen Reihe von Bakterien konserviert wurden. Von Arzneistoffen, die derartige Proteine inaktivieren, ist zu erwarteten, dass es sich um Breitbandantibiotika handelt, die zur Behandlung bakterieller Infektionen einer Reihe verschiedener Bakterien nützlich sind. Ein solches Protein ist die Peptid-Deformylase, das Enzym, das vom Aminoende bakterieller Proteine direkt nach der Translation vorhandene Formylgruppen entfernt (. Abb. 30.19) . Andererseits kann es auch vorkommen, dass man einen Arzneistoff gegen einen spezifischen Erreger benötigt. Der Krankheitserreger, der für das Schwere Akute Respiratorische Syndrom (severe acute respiratory syndrome, SARS) verantwortlich ist, ist ein solches Beispiel aus neuerer Zeit. Innerhalb eines Monats, in dem man diese aufkommende Krankheit erkannte, hatten die Forscher das symptomverursachende Virus isoliert, und innerhalb von Wochen war sein Genom mit 29 751 Basen vollständig sequenziert. Diese Sequenz enthüllte ein Gen, das eine virale Protease codiert. Aus anderen Untersuchungen an Mitgliedern der Familie der Coronaviren, zu denen auch das SARS-Virus zählt, weiß man, dass diese Protease für die Virusreplikation unbedingt notwendig ist. Arzneistoffentwickler sind bereits dabei, nach spezifischen Inhibitoren dieser Protease zu suchen (. Abb. 36.25). Wegen der genetischen Unterschiede zwischen den Individuen sind viele Arzneistoffe nicht bei jedem wirksam. Nichtreagierende Individuen können entweder leichte Abwandlungen des Arzneistoffzielmoleküls oder der Proteine besitzen, die am Arzneistofftransport oder -metabolismus beteiligt sind. Ziel der neu aufkommenden Pharmakogenetik und Pharmakogenomik ist es, Arzneistoffe zu konzipieren, die entweder bei allen Menschen einheitlich wirken oder für Personen mit bestimmten Genotypen maßgeschneidert sind. Bei Untersuchungen reagierten die Teilnehmer mit zwei Kopien des üblichen Allels gut auf Metoprolol: Ihr diastolischer Tagesblutdruck verringerte sich im Durchschnitt um 14,7 ± 2,9 mm Hg. Im Gegensatz dazu zeigten die Teilnehmer mit einer Allelvariante eine geringere Blutdruckabnahme, und bei den Teilnehmern mit zwei Allelvarianten hatte der Arzneistoff keine signifikante Wirkung (. Abb. 36.26). Diese Beobachtungen weisen darauf hin, dass eine genetische Typisierung einzelner Menschen an diesen Positionen hilfreich sein kann. Es ließe sich dann vorhersagen, ob eine Behandlung mit Metoprolol oder anderen Betablockern wahrscheinlich wirksam ist oder nicht. Angesichts der Bedeutung, welche die ADME-und die Toxizitätseigenschaften für die Bestimmung der Arzneistoffwirksamkeit haben, überrascht es nicht, dass Änderungen an Proteinen, die am Transport und Stoffwechsel von Arzneistoffen beteiligt sind, die Wirksamkeit eines Arzneistoffes verändern können. Ein wichtiges Beispiel ist die Verwendung von Thiopurinarzneistoffen wie 6-Thioguanin, 6-Mercaptopurin und Azothioprin zur Behandlung von Krankheiten einschließlich Leukämie, Immunerkrankungen und entzündlichen Darmerkrankungen. . In Nach Abschluss der Studie wird die Zuordnung der Patienten zur Behandlungs-bzw. zur Kontrollgruppe bekannt gegeben, und man vergleicht die Ergebnisse der beiden Gruppen. In Phase-2-Studien wird häufig eine Reihe von Dosierungen untersucht, um beurteilen zu können, welche frei von ernsthaften Nebenwirkungen und welche wirksam zu sein scheinen. Den Placeboeffekt -das heißt, eine Verbesserung der Beschwerden bei Probanden wahrzunehmen, die davon ausgehen, dass sie eine potenziell zuträgliche Behandlung erhalten haben -sollte man nicht unterschätzen. Bei einer Studie zur arthroskopischen Chirurgie bei Knieschmerzen beispielsweise zeigten sich bei denjenigen Testpersonen, denen man mithilfe von Videobändern und anderen Mitteln suggerierte, sie seien operiert worden, durchschnittlich im gleichen Maße Verbesserungen wie Personen, die tatsächlich operiert worden waren. In Phase 3 führt man ähnliche Untersuchungen an einer größeren Personengruppe durch. Diese Phase dient dazu, die Wirkung des Arzneistoffkandidaten noch sicherer nachzuweisen und auch solche Nebenwirkungen zu entdecken, die nur bei einem kleinen Prozentsatz der behandelten Personen auftreten. An einer typischen Phase-3-Studie können Tausende Bevor man Menschen Verbindungen als Arzneimittel verabreichen kann, müssen sie ausgedehnten Sicherheits-und Wirksamkeitsprüfungen unterzogen werden. Klinische Studien werden in mehreren Stufen durchgeführt: Zuerst testet man auf Sicherheit, dann auf Sicherheit und Wirksamkeit innerhalb einer kleinen Personengruppe und schließlich auf Sicherheit und Wirksamkeit in einer größeren Population, um selten vorkommende unerwünschte Nebenwirkungen aufzudecken. Aufgrund der Kosten, die hauptsächlich mit klinischen Studien verbunden sind, schätzt man die Entwicklungskosten für ein neues Medikament in den USA auf 800 Millionen US-Dollar. Komplikationen können selbst dann noch auftreten, nachdem ein Arzneistoff zur Anwendung zugelassen wurde. Bei Infektionskrankheiten und Krebs entwickeln die Patienten häufig eine Resistenz gegen einen Arzneistoff, nachdem ihnen dieser über einen langen Zeitraum verabreicht wurde. Grund dafür ist, dass Varianten des krankmachenden Agens entstehen, die weniger empfindlich für den Arzneistoff sind und sich auch bei Anwesenheit des Arzneistoffes vermehren. Verbindung A wurde mithilfe von zwei Tests geprüft: 1) direkte Inhibition der HIV-Protease in vitro und 2) Inhibition der viralen RNA-Synthese in HIV-infizierten Zellen als ein Maß für die Virusreplikation. Die Testergebnisse sind unten gezeigt. Die Aktivität der HIV-Protease wird mit einem Peptidsubstrat bei einer Konzentration gemessen, die seinem K M -Wert entspricht. Phase-I-Transformation (S. 1055) Phase-II-Transformation (S. 1055) erster Stoffwechselschritt (S. 1056) Glomerulus (S. 1056) enterohepatischer Kreislauf (S. 1056) therapeutischer Index 1061) Hochdurchsatz-Screening (S. 1062) kombinatorische Chemie (S. 1062) Split-Pool-Synthese (S. 1062) strukturbasierte Arzneistoffkonzeption