key: cord-0036205-kz354uy9 authors: nan title: Inhibitoren für Hydrolasen mit Acylenzym-Zwischenstufe date: 2009 journal: Wirkstoffdesign DOI: 10.1007/978-3-8274-2213-2_24 sha: 90c3fa2861467d1835b88335704a266e34c5204c doc_id: 36205 cord_uid: kz354uy9 Peptidasen und Esterasen sind hydrolysierende Enzyme. Alleine 2–3 % aller Genprodukte werden dieser Gruppe zugeordnet. Daher sind sie eine wichtige Gruppe von Zielproteinen für den Entwurf neuer Arzneistoffe und haben besondere Bedeutung für das strukturbasierte Wirkstoffdesign. Dies zeigt sich nicht alleine dadurch, dass zurzeit etwa 14 % aller bekannten humanen Peptidasen als mögliche Zielstrukturen für eine Arzneimitteltherapie geprüft werden. Die Serinproteasen sind die umfangreichste und am besten untersuchte Klasse der Peptidasen. Sie sind eng verwandt mit den Esterasen und Lipasen (Hydrolasen), die Esterbindungen hydrolysieren. Der menschliche Körper bedient sich dieser Enzymklassen in vielfältiger Weise. Manche Serinproteasen, z. B. die Verdauungsenzyme Trypsin und Chymotrypsin, spalten ein breites Spektrum von Peptiden und Proteinen. Andere, wie die Blutgerinnungsenzyme Thrombin und Faktor Xa, sind hochgradig selektiv und spalten nur ganz bestimmte Substrate. Häufig werden Proteasen in einer nichtaktiven Vorgängerform, dem so genannten Zymogen, exprimiert. Um sie in ihre aktive Form zu überführen, werden in vielen Fällen Sequenzabschnitte der Polypeptidkette des Zymogens abgespalten, die teilweise zuvor als endogene Inhibitoren der aktivierten Prozesse gedient haben. Die Freisetzung der aktiven Form kann entweder durch Eigenkatalyse (z. B. Trypsin) oder durch andere aktivierende Proteasen erfolgen (z. B. Blutgerinnungskaskade). Für den katalytischen Mechanismus der Serinproteasen, Esterasen und Lipasen spielt die Seitenkette eines Serins im aktiven Zentrum die entscheidende Rolle. Es zeichnet sich durch eine außergewöhnlich hohe chemische Reaktivität aus. So reagiert in Chymotrypsin nur dieses eine Serin mit Diisopropylfluorophosphat (DFP), während 27 weitere Serinreste des Enzyms nicht modifiziert werden. Durch die chemische Umsetzung und irreversible Peptidasen und Esterasen sind hydrolysierende Enzyme. Alleine 2-3 % aller Genprodukte werden dieser Gruppe zugeordnet. Daher sind sie eine wichtige Gruppe von Zielproteinen für den Entwurf neuer Arzneistoffe und haben besondere Bedeutung für das strukturbasierte Wirkstoffdesign. Dies zeigt sich nicht alleine dadurch, dass zurzeit etwa 14 % aller bekannten humanen Peptidasen als mögliche Zielstrukturen für eine Arzneimitteltherapie geprüft werden. Die Aufgabe dieser Enzyme ist die Spaltung von Peptid-oder Esterbindungen. Für den Angriff auf die Carbonylgruppe in der zu spaltenden Amid-oder Esterbindung benötigen sie ein Nucleophil. Eine große Gruppe der Proteine verwendet dazu die OH-oder SH-Gruppe eines Serins, Threonins oder Cysteins. In den nachfolgenden Kapiteln werden wir noch weitere Enzyme kennen lernen, die einen anderen Mechanismus verwenden. Entlang des Reaktionspfads der Spaltreaktion kommt es zwischenzeitlich zu einer kovalenten Verknüpfung zwischen Substrat und Protein. Diese Zwischenstufe, die so genannte Acylenzym-Form, tritt bei Serin-, Threonin-und Cysteinproteasen auf, aber auch Lipasen, Esterasen, Transpeptidasen und β-Lactamasen nutzen diesen Reaktionsmechanismus. In diesem Kapitel soll der Entwurf von Inhibitoren für diese Enzyme, die über eine Acylenzym-Zwischenstufe spalten, besprochen werden. In den beiden folgenden Kapiteln stehen dann Peptidasen zur Diskussion, die ein Wassermolekül für den primären Angriff auf die zu hydrolysierende Peptidbindung verwenden: die Aspartyl-und Metallopeptidasen. Die Peptidasen werden, je nach dem ob sie Aminosäureketten vom N-oder C-Terminus abtrennen oder eine Kette in der Mitte spalten, als Amino-, Carboxy-oder Endopeptidasen klassifiziert. Manche dieser Proteasen sind relativ unspezifisch, während andere hoch spezifisch nur ganz bestimmte Substrate spalten. Für sie besteht vor allem die Chance, selektive Inhibitoren zu finden, die in einer späteren Therapie wenige Nebenwirkungen verursachen. Auch Bakterien und Viren besitzen eigene Peptidasen, deren Hemmung sich für deren chemotherapeutische Be- Hemmung mit DFP verliert das Enzym vollständig seine katalytische Aktivität. Das Verdauungsenzym Chymotrypsin war die erste Serinprotease, für die 1967 David Blow in Cambridge, England, die 3D-Struktur aufklärte. Die Nummerierung der Aminosäuren in den Serinproteasen vom Chymotrypsin-Typ bezieht sich meist auf die Sequenz des Chymotrypsins. Von einer großen Zahl Serinproteasen sind inzwischen Raumstrukturen bekannt. Einige sind in Tabelle 23.1 aufgeführt. Ein Vergleich der Strukturen zeigt eine außerordentlich große Ähnlichkeit ihrer aktiven Zentren. Dies gilt sogar für Proteasen, die ein ganz anderes Faltungsmuster aufweisen (Abschnitt 14.7, Vergleich Trypsin/Subtilisin). Charakteristisch für Serinproteasen ist die so genannte katalytische Triade Ser-His-Asp. In manchen dieser Enzyme kann das Aspartat auch durch ein Glutamat ersetzt sein. Einige Transpeptidasen und β-Lactamasen mit einem katalytischen Serin besitzen anstelle des Histidins ein Lysin im aktiven Zentrum. In der Sequenz liegen diese drei Aminosäuren weit auseinander. Das Protein muss sich also in geeigneter Weise falten, um die drei Seitenketten in räumliche Nähe zueinander zu bringen. In den trypsinähnlichen Proteasen befindet sich das katalytische Serin an der Position 195. Es führt den eigentlichen Angriff auf die zu spaltende Amidgruppe durch (Abb 23.1). Der Sau-erstoff einer unaktivierten Hydroxylgruppe wäre hierfür jedoch nicht reaktiv genug. Seine Nucleophilie, d. h. die Neigung, ein elektronenarmes Carbonyl-Kohlenstoffatom anzugreifen, wird durch eine benachbarte Histidinseitenkette verstärkt. Die Imidazolseitenkette des Histidins kann das Proton der Serin-Hydroxygruppe ablösen und ermöglicht dadurch einen nucleophilen Angriff des nunmehr negativ geladenen Sauerstoffs auf den positivierten Kohlenstoff der Amid-Carbonylgruppe. Das benachbarte Aspartat kann ein Proton des His-Imidazolrings aufnehmen und später wieder abgeben. Es kompensiert somit die positive Ladung, die auf dem Histidinrest entsteht. Zur Stabilisierung des Übergangszustands, der sich nach dem Angriff auf die Carbonylgruppe ausbildet, verfügen Serinproteasen noch über ein weiteres charakteristisches Strukturmotiv, das so genannte O --Loch (engl. oxyanion hole). Hierbei handelt es sich um eine kleine Tasche neben der Seitenkette des Ser 195, die von zwei Hauptketten-NH-Gruppen gebildet wird (Abb. 23.1). In einigen Fällen kann auch die terminale Amidgruppe eines Asparagins oder Glutamins diese Aufgabe übernehmen. Die Funktion des O --Lochs besteht darin, die negative Ladung des tetraedrischen Übergangszustands zu stabilisieren und die Geometrie des angegriffenen Carbonyl-Kohlenstoffatoms von einer trigonal-planaren in eine tetraedrische Anordnung zu verzerren. Der gebildete Übergangszustand zerfällt unter Freisetzung des C-terminalen Spaltprodukts, das eine freie Aminogruppe trägt. Zurück bleibt das N-terminale Spaltprodukt, das zunächst mit der Protease das kovalent verknüpfte Acylenzym-Zwischenprodukt bildet. In einem nachfolgenden Schritt führt der nucleophile Angriff eines Wassermoleküls wiederum zu einem tetraedrischen Übergangszustand. Dieser zerfällt unter Freisetzung des N-terminalen Spaltprodukts. Der Enzymkatalysator steht dann für die nächste Umsetzung bereit. Was geschieht, wenn man die Aminosäuren Serin, Histidin und Aspartat der katalytischen Triade einer Serinprotease einzeln oder gemeinsam gegen Aminosäuren ohne funktionelle Gruppen austauscht? Paul Carter und James Wells haben 1988 bei Genentech verschiedene Mutanten der bakteriellen Serinprotease Subtilisin (Abschnitt 14.7) hergestellt. Der Austausch der an der Katalyse beteiligten Aminosäuren Serin oder Histidin gegen Alanin führt jeweils zu einer Reduktion der katalytischen Aktivität um mehr als sechs Zehnerpotenzen. Überraschend ist, dass selbst der entsprechende Austausch des Aspartats, dessen einzige Aufgabe es ist, mit dem Histidin ein Proton auszutauschen, die katalytische Aktivität um mehr als vier Zehnerpotenzen reduziert. Die gleichzeitige Entfer- Ist die Sequenz des Peptidsubstrats einer Serinprotease bekannt, so kann durch Verknüpfung der N-terminalen Aminosäuren vor der Spaltstelle mit einer der Gruppen aus Tabelle 23.2 mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Inhibitor gewonnen werden. Ein Beispiel hierfür ist der Elastase-Hemmer N-(Methylsuccinoyl)-Ala-Ala-Pro-Val-CF 3 (Substanz 23.21, Abb. 23.14), der sich von der Substratsequenz Pro-Val ableitet. In günstigen Fällen reicht auch schon das P 1 -Äquivalent aus, beispielsweise in den Trypsin-und Thrombin-Inhibitoren 23.5 und 23.6 (Abb. 23.4). Allerdings ist bei kovalent bindenden Serinprotease-Hemmern die meist hohe chemische Reaktivität der funktionellen Gruppe, die mit dem katalytisch aktiven Serin wechselwirkt, problematisch. Aufgrund ih- Einen Ansatz zum Entwurf von Thrombininhibitoren bildete die P 3 …. P 3 '-Substratsequenz Gly-Val-Arg-Gly-Pro-Arg des Fibrinogens. Aus der japanischen Gruppe um Hamao Umezawa war zu Beginn der 1970er-Jahre bekannt geworden, dass aus Bakterien isolierte Peptidaldehyde mit einem C-terminalen Arginin potente Hemmstoffe einiger trypsinähnlichen Serinproteasen waren. Von Sándor Bajusz wurden Tripeptidaldehyde untersucht, die sich von den Aminosäuren P 3 -P 1 bzw. P 3 '-P 1 ' des Substrats ableiten, also den drei Aminosäuren "vor" bzw. "hinter" der Spaltstelle. Die relativen Bindungsaffinitäten einiger Peptidaldehyde sind in Tabelle 23.3 zusammengestellt. Interessanterweise zeigte der direkte Vergleich von Gly-Val-Arg-H und Gly-Pro-Arg-H, dass Prolin an P 2 -Position Thrombin ca. 9fach stärker hemmt. Die Einführung von Phenylalanin statt Glycin in P 3 -Position führte zu einer weiteren deutlichen Bindungssteigerung. Dann wurden in der Position P 3 auch D-Aminosäuren untersucht. Überraschenderweise führte dies zu einer dramatischen Verbesserung der Bindungsaffinität. Dieser Befund war nicht ohne Weiteres zu erwarten, wenn man bedenkt, dass die Substratsequenz P 5 bis P 3 Gly-Gly-Gly-Val-Arg nur achirale Glycinreste ohne lipophile Seitenkette enthält, die kaum eine der D-Phe-Seitenkette entsprechende Wechselwirkung ausbilden können. Als die hier beschriebenen Arbeiten durchgeführt wurden, war die Raumstruktur des Thrombins noch nicht ermittelt. Wolfram Bode und Milton Stubbs gelang es, die Struktur des Thrombin-Komplexes mit einem chemisch aktivierten Fibrinopeptid, Gly-Asp-Phe-Leu-Ala-Glu-Gly-Gly-Gly-Val-Arg-CH 2 Cl, 23 Tabelle 23.3 Relative Bindungsaffinitäten von Tripeptid-Aldehyden an Thrombin. Arg-H steht für den aus Arginin durch Reduktion der Carboxylgruppe abgeleiteten Aldehyd. Je größer der Wert der relativen Hemmwirkung ist, umso stärker binden die Inhibitoren an Thrombin. Gly-Val-Ar-H 1 Gly-Pro-Arg-H 9 Phe-Pro-Arg-H 57 Abb. 23.7 Vergleich des Bindungsmodus des irreversibel an Thrombin bindenden Inhibitors D-Phe-Pro-Arg-CH 2 Cl (dunkelrote Kohlenstoffatome) mit dem des Fibrinopeptid-Derivats (graue Kohlenstoffatome). Beide Inhibitoren binden in die S 1 -Tasche mit einer Argininseitenkette. Die S 2 -Tasche wird vom Fibrinopeptid durch eine Valinseitenkette besetzt. Seine weitere Peptidkette ist so gefaltet, dass die Seitenketten der an den Positionen P 8 und P 9 befindlichen Aminosäuren Leu und Phe in die lipophile S 3 -Bindetasche gerichtet sind. Im Falle des D-Phe-Pro-Arg-CH 2 Cl bindet der Phenylring des D-Phe in diese Tasche. aufzuklären. Dieses Peptid entspricht in seiner Sequenz dem N-terminalen Teilstück P 11 bis P 1 , das Thrombin vom Fibrinogen abspaltet. Der Vergleich dieser Struktur mit der des D-Phe-Pro-Arg-Chlormethylketons (Abb. 23.7) liefert eine zwanglose Erklärung für die von Sándor Bajusz gefundenen Struktur-Wirkungsbeziehungen. Die S 3 -Tasche wird von beiden Liganden ausgefüllt, wobei dies beim Fibrinopeptid durch die Seitenketten von Leucin und Phenylalanin auf den Positionen P 8 und P 9 geschieht. Das Peptid bildet eine β-Schleife, wodurch es möglich ist, diese in der Sequenz voranstehenden Aminosäuren in die S 3 -Tasche zu positionieren. Die gleiche Tasche wird vom Tripeptid aber bereits durch die Seitenkette einer D-Aminosäure an der Position P 3 erreicht. Die von Bajusz synthetisierte Verbindung D-Phe-Pro-Arg-H ist ein hoch affiner Thrombin-Inhibitor (K i = 75 nM). Allerdings erwies sich die Verbindung als chemisch instabil. Dieses Problem konnte durch N-Methylierung der freien NH 2 -Gruppe beseitigt werden: N-Methyl-D-Phe-Pro-Arg-H 23.7 (Gyki 14766/Efegatran, Abb. 23.8) ist chemisch stabil. Einen anderen Weg beschritten Jörg Stürzebecher und Fritz Marquardt. Sie verfolgten das Ziel, ohne kovalente Verknüpfung auszukommen. Ihr Ansatz basierte auf dem Befund, dass Benzamidin 23.1 (Abb. 23.4, Abschnitt 23.3) außer Trypsin (K i = 18 μM) auch Thrombin hemmt (K i = 220 μM). Die Kombination der Benzamidingruppe mit einer reaktiven Gruppe aus Tabelle 23.2 ergab potente Thrombin-Hemmer. Der erste niedermolekulare Thrombin-Hemmer, der in den 1970er-Jahren klinisch getestet wurde, war die p-Amidinophenyl-brenztraubensäure 23.5 (Abb. 23.4, Abschnitt 23.3). Diese Verbindung erwies sich als wirksam, ihre Selektivität war aber unbefriedigend. Die einfachen Benzamidinderivate 23.8 und 23.9 (Abb. 23.8) sind weitere typische Vertreter mit mikromolarer Affinität für Thrombin, allerdings ohne Selektivität gegenüber Trypsin. Die Verknüpfung der Benzamidingruppe mit einer peptidischen Struktur brachte eine wesentliche Verbesserung. N α -(β-Naphthylsulfonyl-glycyl)-D,L-pamidino-phenylalanyl-piperidid, 23.10 (NAPAP, Abb. 23.9) war das Resultat dieser mehr als zehn Jahre währenden systematischen Suche nach potenten und selektiven Thrombin-Inhibitoren. NAPAP war lange Zeit der wirkstärkste Vertreter aus der Klasse der niedermolekularen reversiblen Inhibitoren des Thrombins (K i = 6 nM), hat allerdings nur eine geringe Selektivität gegenüber Trypsin. Wolfram Bode klärte 1989 am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried die Kristallstruktur von Thrombin mit einem gebundenen Inhibitor auf. Zunächst gelang die Strukturbestimmung im Komplex mit dem irreversiblen Inhibitor D-Phe-Pro-Arg-CH 2 Cl, kurz danach auch mit NAPAP. Die 3D-Struktur des Thrombin-NAPAP-Komplexes ist in Abb. 23.10 zu sehen. Bei der Kokristallisation wurde NAPAP in racemischer Form eingesetzt. Eine ziemliche Überraschung war der Befund, dass das p-Amidino-phenylalanin als D-Aminosäure an Thrombin bindet. Da das Substrat aus natürlichen L-Aminosäuren besteht, hätte man eigentlich erwartet, dass auch p-Amidino-phenylalanin in der L-Konfiguration bindet. Aus der Struktur lässt sich ableiten, welche Gruppen des Liganden direkte polare Wechselwirkungen zum Protein eingehen. Für NAPAP sind dies die Glycineinheit in der Molekülmitte (doppelte Wasserstoffbrücke zum Peptidrückgrat) und die Amidiniumgruppe in der S 1 -Tasche. Ein Weglassen der positiv geladenen Amidiniumgruppe führt zu einer Einbuße der Bindungsaffinität, da die doppelte Salzbrücke zu Asp 189 nicht mehr ausgebildet werden kann. Neuere Arbeiten haben aber gezeigt, dass auch chlorsubstituierte Aromaten in die S 1 -Tasche binden können und dort eine hydrophobe Wechselwirkung zu Tyr 228 aufbauen. Heute steht ein ganzes Arsenal an Baugruppen bereit, die als Mimetika für die Argininseitenkette zum Ausfüllen der S 1 -Tasche im Thrombin geeignet sind (Abb. 23.11). NAPAP füllt mit seiner Naphthyl-und Piperidylseitenkette die lipophile S 3 -Tasche und die nach oben begrenzte S 2 -Tasche weitgehend aus (Abb. 23.10). Allerdings erscheint es, als ob noch etwas größere Substituenten in die S 3 -Tasche passen könnten. Ein Schwachpunkt von NAPAP war dessen mangelnde Selektivität gegenüber dem Verdauungsenzym Trypsin. Hier ergibt sich die glückliche Situation, dass die Strukturen von NAPAP sowohl im Komplex mit Thrombin als auch mit Trypsin bekannt sind (Abb. 23.12). Ein Vergleich der 3D-Strukturen zeigt, dass ein wesentlicher Unterschied im Bindungsmodus zwischen beiden Enzymen in der S 3 -Tasche besteht, der zu einer um ca. 180°gedrehten Orientierung des Naphthylrests um die Bindung zum Schwefel führt. Im Thrombin ist die S 3 -Tasche deutlich ausgeprägt und von mehreren lipophilen Aminosäure-Seitenketten umgeben. In Trypsin ist diese Tasche nach oben hin offen und wird räumlich kaum begrenzt. Offensichtlich ist ihre Strukturierung in dem weitgehend unspezifischen Verdauungsenzym nicht erforderlich. Also sollte sich die Selektivität durch eine möglichst optimale Besetzung der S 3 -Tasche von Thrombin erhöhen lassen. Betrachtet man den Thrombin-NAPAP-Komplex genauer, so liegt es auf der Hand, dass ein zusätzlicher Methoxysubstituent am Naphthylring hierzu geeignet sein sollte. In der Tat bindet der Inhibitor 23.12 (Abb. 23.9) 600fach stärker an Thrombin als an Trypsin. In den ehemaligen Behringwerken in Marburg konnte die Verbindung CRC220 (23.11, Abb. 23.9) entwickelt werden, die aufgrund ihres Substitutionsmusters am Aromaten die hydrophobe S 3 -Tasche viel besser als NAPAP ausfüllt. Aus diesem Grund ist CRC220 im Vergleich zu Trypsin ein fast 200fach wirksamerer Thrombin-Hemmstoff. Einen anderen Weg bei der Suche nach einem Thrombin-Inhibitor beschritten die Forscher bei Hoffmann-La Roche. Zunächst konzentrierten sie sich auf eine optimale Ausfüllung der S 1 -Tasche. Ben- zamidin war als schwacher Thrombin-Hemmer bekannt, der die S 1 -Tasche besetzt. Es besitzt jedoch den Nachteil, deutlich stärker an Trypsin zu binden (Abb. 23.4). Entsprechend suchten die Forscher in Basel zunächst nach einem kleinen Molekül, das stärker an Thrombin als an Trypsin bindet. Bei dieser eng fokussierten Suche wurden mehr als 200 kleine Moleküle getestet. Ausgewählt wurden nur Strukturen, deren funktionelle Gruppen in der Lage sein sollten, mit der negativ geladenen Seitenkette des Asp 189 in Wechselwirkung zu treten. Untersucht wurden also Guanidine, Amidine und Amine. N-Amidinopiperidin (23.13, Abb. 23.13) fiel hierbei als interessante Leitstruktur auf: Im Gegensatz zum Benzamidin bindet Amidinopiperidin fester an Thrombin (K i = 150 μM) als an Trypsin (K i = 300 μM). Eine systematische Derivatisierung führte zu 23.14, einem mäßig aktiven Thrombin-Inhibitor (K i = 0,48 μM). Das Strukturmodell mit der Protease legte nahe, dass ein Ersatz der Glycin-Einheit durch eine D-Aminosäure, z. B. D-Phe, zur Ausfüllung einer lipophilen Tasche und somit zu einer deutlichen Affinitätssteigerung führen sollte. Die Verbindung war schnell hergestellt und getestet. In der Tat bindet 23.15 zehnfach stärker an Thrombin. Daraufhin wurden weitere D-Aminosäuren untersucht, und es konnte eine weitere Bindungssteigerung erzielt werden. Ermutigend war auch die hohe Selektivität gegenüber Trypsin; 23.16 bindet 840fach stärker an Thrombin als an Trypsin. Die Überraschung war groß, als die 3D-Struktur von 23.16 im Komplex mit Thrombin bestimmt wurde: Die Verbindung bindet anders als vorhergesagt in die Bindetasche! Entgegen der ursprünglichen Annahme hatten Naphthylsulfonylgruppe und Benzylrest ihre Positionen getauscht. Der Einbau einer nicht natürlichen Aminosäure erwies sich unter synthetischen Gesichtspunkten als ungünstig. Es wurde daher nach anderen zentralen Bausteinen gesucht, die präparativ einfacher zugänglich waren. Diese Arbeiten führten schließlich zu Napsagatran 23.17, einer hoch potenten, äußerst selektiven Substanz. Da sie aber nur intravenös anwendbar ist, hat sie nie den Weg zum Marktprodukt gefunden, zumal mit der schon weit früher entdeckten Verbindung Argatroban ein Handelsprodukt zur intravenösen Anwendung bereit steht. Die Suche nach niedermolekularen, oral verfügbaren Thrombin-Hemmern hat zahlreiche große Pharmafirmen über viele Jahre intensiv beschäftigt. gelernte Konzepte werden auf die speziellen Gegebenheiten dieser Proteine übertragen. Tryptase, Urokinase oder Matriptase gehören zu dieser Familie. Tryptase-Inhibitoren werden als Therapieansatz zur Asthmabehandlung untersucht, die beiden anderen sind Zielstrukturen zur Entwicklung möglicher Krebsmittel. Tryptase tritt als Tetramer mit vier trypsinartigen katalytischen Zentren auf. Diese Zentren sind mehrere Ångström voneinander getrennt. Um selektive Inhibitoren zu entwickeln, wurden Verbindungen entworfen, die zwei benzamidinähnliche Ankergruppen tragen und über eine ausreichend lange Brücke miteinander verknüpft sind. So können sie gleichzeitig zwei der vier Zentren in einem tetrameren Tryptasemolekül blockieren. Nachteil eines solchen Designkonzepts ist allerdings, dass die entwickelten Inhibitoren sehr groß werden. Sie fallen kaum unter die Molmassengrenze von 600 Da, die für eine gute Bioverfügbarkeit nicht überschritten werden sollte. Auch die Protease Furin gehört zu der Familie der Serinproteasen, allerdings nimmt sie die Faltung der Subtilisin-Familie an (Abschnitt 14.8). Sie ist an der Reifung von Proproteinen beteiligt. So werden durch Furin die Hüllproteine von Viren geschnitten, um sie in ihre aktive Form zu überführen. Seine Beteiligung am "Scharfmachen" von Viren wurde sogar von der Boulevard-Presse aufgegriffen: In der BILD-Zeitung vom 28.08.2003 wird Furin als "brutalster Eiweißstoff der Welt" vorgestellt, der "Seuchen für Menschen erst zur tödlichen Gefahr macht und wie der Zünder einer Bombe" wirkt. Es spaltet Oligoarginin-und Lysin-Substrate. Hemmstoffe könnten dieses "Scharfmachen" der Viren verhindern. Allerdings wird die Übersetzung solcher hoch geladenen Substrate in Inhibitoren, die den üblichen Regeln einer guten Bioverfügbarkeit genügen, eine große Herausforderung. Serinpeptidasen verwenden die OH-Gruppe eines proteineigenen Serins als angreifendes Nucleophil. Der benachbarte Histidinrest sorgt für den zwischenzeitlichen Protonentransfer und das negativ geladene Aspartat kompensiert intermediär auftretende Ladungen auf dem Imidazolring des Histidins. Be-sonderheit ist aber die zwischenzeitliche kovalente Verknüpfung des N-terminalen Teils des Substrats mit dem Enzym. Viele andere hydrolytisch spaltende Enzyme verwenden ein analoges Prinzip. Esterasen und Lipasen besitzen ebenfalls eine katalytische Triade. Teilweise ist dort das Aspartat gegen ein Glutamat ausgetauscht. Der Neurotransmitter Acetylcholin wirkt an vielen Synapsen des vegetativen Nervensystems und ist an der Übertragung von Nervenimpulsen beteiligt. Er bindet unter anderem an den nicotinischen Acetylcholinrezeptor und steuert diesen Ionenkanal (Abschnitt 30.4). Um den Übertragungsprozess zeitlich zu begrenzen und eine Synapse für eine erneute Erregungsübertragung wieder in den Ausgangszustand zu versetzen, muss Acetylcholin entfernt werden. Ein Ungleichgewicht in diesem Übertragungssystem von Nervenimpulsen führt zu anfallartigen und chronischen Bewegungsstörungen. Für den Abbau des Acetylcholins sorgt die Acetylcholinesterase. Hydrierungsprodukt des Naturstoffs Lipstatin, trägt neben sehr langen aliphatischen Seitenketten im Zentrum einen reaktiven β-Lactonring. Im katalytischen Zentrum der Lipase greift das Serin die Carbonylgruppe des Lactonrings an und öffnet den gespannten Ring durch Bildung eines stabilisierten Acylenzym-Komplexes. Das so blockierte Enzym ist nicht mehr in der Lage Triglyceride zu spalten, was therapeutisch einer verminderten Verwertung der Nahrung gleichkommt. Lipasen werden oft für kinetische Racematspaltungen eingesetzt. Meist gelingt dies durch einfache Umsetzung racemischer Ester-Gemische, wobei dann eine der beiden Formen schneller reagiert als die andere. In Abschnitt 5.4 war ein Beispiel beschrieben worden, in dem Lipasen nicht zur Hydrolyse, sondern zur Bildung einer neuen Amidbindung eingesetzt wurden. Dazu darf dem intermediär gebildeten Acylenzym-Komplex im Folgeschritt kein Wassermolekül als Nucleophil angeboten werden, sondern es muss eine Verbindung mit einer freien Aminogruppe als Nucleophil bereitstehen. Transpeptidasereaktion beim Aufbau ihrer Zellwände ein. Diese besitzen einen völlig anderen Aufbau als die Zellmembranen beim Menschen, sodass die zur Zellwandsynthese eingesetzten Enzyme bakterienspezifisch sind und sich besonders als Angriffspunkte für eine nebenwirkungsarme Arzneistofftherapie eignen. Im letzten Schritt der Zellwandbiosynthese erfolgt eine Quervernetzung von Peptidoglycansträngen. Dazu greift die endständige Aminogruppe einer Pentaglycinkette die Peptidbindung zwischen zwei D-Alaninresten einer anderen Peptideinheit an. Die Bindung zwischen D-Ala-D-Ala wird gespalten, dafür wird eine neue Peptidbindung zwischen D-Ala und Glycin geformt. Dieser Quervernetzungsschritt wird durch eine Glycopeptid-Transpeptidase vermittelt. Sie verfügt über eine katalytische Maschinerie, die der einer Serinprotease stark ähnelt. Neben dem katalytischen Serin befinden sich ein Lysin und Glutamat im Reaktionszentrum, auch ein O --Loch ist vorhanden. Penicilline 23.42-23.44 und Cephalosporine 23.45 (Abb. 23.23) hemmen diese Transpeptidase nach der Strategie eines Trojanischen Pferds. Sie besitzen eine räumliche Strukturanalogie zum D-Ala-D-Ala-Dipeptid und werden deshalb als "falsche" Substrate erkannt (Abb. 23.23). Durch Angriff des katalytischen Serins auf die Amidgruppe des gespannten β-Lactamrings wird dieser geöffnet. Es kommt zu einer irreversiblen, kovalenten Verknüpfung mit dem Enzym. Die Quervernetzung der Glycanstränge unterbleibt und die synthetisierte Zellwand erreicht nicht mehr die erforderliche mechanische Stabilität. Sie kann dem osmotischen Druck des Zellinhalts nicht standhalten, ein Absterben der Bakterienzelle ist die Folge. Von den ersten durch Alexander Fleming entdeckten Penicillinen (Abschnitt 2.4) haben heute nur noch das Benzyl-23.43 und Phenoxymethylpenicillin 23.44 Bedeutung (Abb. 23.23). Die Reste an der 6-Aminofunktion der Penicillinsäure wurden ausgetauscht, um Pharmakokinetik, Wirkspektrum und Säurestabilität zu verbessern. So erhöhen elektronegative Heteroatome am α-C-Atom der Acylfunktion die Stabilität gegen säurekatalysierte Inaktivierung und tragen zur Verbesserung der oralen Verfügbarkeit bei. Bakterien entwickelten schon sehr bald Resistenzen gegen Penicilline. Sie verwenden dazu Lactamasen, Enzyme, die eine strukturelle Verwandtschaft mit den Transpeptidasen besitzen. Man kennt vier Klassen von Lactamasen, wobei drei im aktiven Zentrum ein katalytisches Serin aufweisen. Eine weitere Klasse gehört zu den zinkabhängigen Metalloenzymen (Kapitel 25). Auch die β-Lactamasen werden von den Penicillinen und den verwandten Cephalosporinen an ihrem katalytischen Serin acyliert (Abb. 23.23). Bis zu diesem Schritt ist der Mechanismus in den Transpeptidasen und β-Lactamasen identisch. Allerdings bilden die Transpeptidasen sehr stabile Acylenzyme, während die β-Lactamasen das kovalente Zwischenprodukt sehr schnell hydrolysieren. Das Antibiotikum zum Ausschalten der Transpeptidase ist somit unwirksam geworden. Die β-Lactamasen sind vermutlich Abkömmlinge der Transpeptidasen. Sie sind in der Natur weit verbreitet und haben sich im Konkurrenzkampf der Bakterien mit Schimmelpilzen gebildet. Das Resistenzgen für die β-Lactamasen wird leicht zwischen den Bakterien übertragen, da die Information über den Aufbau der β-Lactamasen auf einem extrachromosomalen Plasmid abgelegt wird. Solche Plasmide werden unter den Bakterien sehr schnell weitergereicht. Wodurch unterscheiden sich nun die β-Lactamasen von den Transpeptidasen, sodass sie das kovalent gebundene, ringgeöffnete Penicillin wieder rasch loswerden können? Dessen Freisetzung setzt eine hydrolytische Abspaltung vom Protein voraus. Dazu wird ein wohl platziertes Wassermolekül im aktiven Zentrum benötigt, das den nucleophilen Angriff auf das Acylenzym einleitet. Obwohl der strukturelle Aufbau von Transpeptidasen und β-Lactamasen sehr ähnlich ist, besteht doch nur eine geringe Sequenzidentität. Es ist allerdings gelungen, durch gezielte Mutagenese eine Transpeptidase mit den hydrolysierenden Eigenschaften einer Lactamase auszustatten! Dazu sind nur wenige Aminosäureaustausche notwendig. In den Transpeptidasen sind es vor allem hydrophobe Aminosäuren wie Phenylalanin und Tryptophan, die den entstandenen Acylenzym-Komplex vor einem hydrolytischen Abbau schützen. Im Gegensatz dazu findet man in den Lactamasen an der gleichen Stelle polare Aminosäuren, z. B. Glutaminsäure (Abb. 23.24, Glu 166). Im Unterschied zu den hydrophoben Aminosäuren der Transpeptidasen fixiert und aktiviert sie in den Lactamasen ein Wassermolekül in der richtigen Position für einen nucleophilen Angriff auf den Acylenzym-Komplex. In Folge hydrolysiert der durch Ringöffnung entstandene kovalente Komplex mit dem Penicillin-Spaltprodukt in den Lactamasen, während er in den Transpeptidasen stabil bleibt. Wie lässt sich diese durch die Lactamasen verursachte Resistenz brechen und der Abbau der Penicilline stoppen? Die unsubstitutierte Penicillinsäure 23.46 wird schnell durch die TEM-1β-Lactamase gespalten (Abb. 23.24). Aufgrund struktureller Überlegungen wurde vorgeschlagen, in 6-Position eine Hydroxymethylengruppe anzufügen. Diese Gruppe sollte sich genau an die Stelle setzen, von der aus das Wassermolekül seinen nucleophilen Angriff auf die Acylenzymform startet. Das Derivat 23.47 inaktiviert tatsächlich die TEM-1β-Lactamase. In der anschließend bestimmten Kristallstruktur wird zwar weiterhin ein Wassermolekül in der Nähe der CH 2 OH-Gruppe gefunden, doch es ist zu weit entfernt, um das Acylenzym erfolgreich zu hydrolysieren. Die Hydroxylgruppe blockiert somit den Angriff des Wassers auf die Estercarbonylgruppe des Acylenzyms. Der Einbau einer solchen Hydroxymethylengruppe ist in wichtigen β-Lactamase-resistenten Penicillinen wie Imipenem 23. 48 Eine andere Gruppe stellen die Carboxyserinpeptidasen (Sedolisine) dar, die analog dem Subtilisin (Abschnitt 14.7) gefaltet sind. Sie verfügen über eine Triade aus einem Serin, Glutamat und Aspartat. Ein Mitglied aus dieser Familie wurde kürzlich auf dem menschlichen cnl2-Gen entdeckt. Mutationen dieses Gens führen zu schwerwiegenden neurodegenerativen Erkrankungen. In diesem Enzym ist ebenfalls ein O --Loch zu finden, zu dem interessanterweise ein Aspartat beiträgt. Es kann jedoch nur protoniert seine Aufgabe als Wasserstoffbrückendonor und Stabilisator der negativen Ladung im Übergangszustand erfüllen. Da die Enzyme dieser Familie in einem pH-Bereich von 3-5 aktiv sind, wird die Voraussetzung für diesen Protonierungszustand erfüllt. Vermutlich gibt es noch viele weitere spaltende Enzyme zu entdecken, die über ein katalytisches Serin verfügen. Es bleibt abzuwarten, welche der entdeckten Peptidasen für eine Arzneistoffentwicklung aufgegriffen werden. Ihre katalytische Maschinerie nimmt in allen Beispielen den gleichen räumlichen Aufbau an. Somit lassen sich unter den einzelnen Mitgliedern der Familien generelle Prinzipien übertragen. Die zweite große Familie der Cysteinproteasen umfasst die Caspasen. Sie sind an der Steuerung des programmierten Zelltods, der Apoptose, beteiligt. Ist eine Zelle irreparabel geschädigt, sodass die natürlichen Reparaturmechanismen nicht mehr greifen, werden Caspasen aktiviert, die den Zelltod einleiten. Fehlregulationen der Apoptose führen zu unterschiedlichen Krankheitszuständen, die mit Tumorerkrankungen, Störungen des Immunsystems oder neurodegenerativen Schädigungen einhergehen. Inhibitoren der unterschiedlichen Caspasen haben Potenzial als Neuroprotektiva, als Wirkstoffe zur Tumortherapie oder bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis. Die dritte Familie umfasst virale 3C-Proteasen, wie sie z. B. in Picornaviren (humaner Rhinovirus, Poliomyelitis-oder Hepatitis-Virus) bzw. Coronaviren (SARS) auftreten. Die Proteasen dieser Viren prozessieren die primäre Polypeptidkette bei ihrer Reifung und erzeugen dadurch die spezifischen viruseigenen Proteine. Hemmstoffe dieser Proteasen stellen somit ein Konzept zur antiviralen Chemotherapie dar. Tabelle 23.4 Cysteinproteasen mit physiologischer Bedeutung (X = beliebigge Aminosäure). Die 3D-Strukturen aller aufgeführten Enzyme sind bekannt. Spaltstelle Funktion bzw. Therapieansatz Papain -Val-X-X-pflanzl. Modellenzym aus Papaya Cathepsine B, L, K, M -Arg-X-Entzündung, -Gly-X-Tumormetastase, -Ser-X-Muskeldystropie, -Tyr-X-Myokardinfarkt Calpaine -Lys-Ser-Schlaganfall, -Arg-Thr-Neuroprotektion, -Tyr-Ala-Katarakt Falcipain -Arg-Lys-Malaria -Lys-X-Cruzipain -Lys/Arg-Schlafkrankheit -Phe/Ala-Caspasen -Asp-X-rheumat. Arthritis, Apoptose, Sepsis Piconavirus 3C-Proteinase -Gln-X-virale Infektion SARS-Hauptproteinase -Gln-virale Infektion Ser/Ala Eine Besonderheit der Proteasen vom Papaintyp ist die Stereochemie des nucleophilen Angriffs. Im Gegensatz zu den anderen Serin-und Cysteinproteasen erfolgt er hier von der gegenüberliegenden Seite, der so genannten Si-Seite. In Papain ist die S 1 -Tasche kaum ausgeprägt, der P 1 -Rest des Substrats ist vom Protein weg gerichtet. Im Gegensatz dazu sind die benachbarten Taschen stärker ausgeprägt. Interessanterweise sind bei den Cysteinproteasen die Taschen auf der C-terminalen Seite (gestrichene Seite, S 1 -S 4 ) teilweise recht stark strukturiert. Dies kann beim Design potenzieller Inhibitoren ausgenutzt werden. Papain bevorzugt Substrate mit hydrophoben P 2 -und P 3 -Resten. In den Caspasen aus der zweiten Faltungsfamilie wird ein Aspartat als P 1 -Rest erkannt. Aus diesem Grund tragen viele der für Caspasen entwickelten Inhibitoren an dieser Position eine funktionelle Gruppe mit einem Carbonsäurerest oder ein entsprechendes Mimetikum. Ganz entscheidend für die Bindung von Cysteinprotease-Inhibitoren an ihre Zielenzyme ist die Wechselwirkung mit der Thiolgruppe des katalytischen Cysteins. Es ist interessant, dass viele der entwickelten Inhibitoren versuchen, das Schwefelatom in eine kovalente Verknüpfung einzubeziehen. Introduction to Protein Structure Thrombin: Structure and Function Challenges in the Development of Orally Bioavailable Thrombin Active Site Inhibitors Design of Antithrombotic Agents Molecular Recognition of Protein-Ligand Complexes: Applications to Drug Design Progress in the Development of Synthetic Thrombin Inhibitors as New Orally Active Anticoagulants Targeting Proteases: Sucesses, Failures and Future Prospects Protease Inhibitors in the Clinic Design and Synthesis of Potent and Highly Selective Thrombin Inhibitors Nonpeptidic Inhibitors of Human Leukocyte Elastase. 5. Design, Synthesis, and X-Ray Crystallography of a Series of Orally Active 5-Aminopyrimidin-6-one-Containing Trifluorormethyl Ketones A New Oral Anticoagulant: The 50-Year Challenge Transglutaminase-2 (TG2) spielt bei der Zöliakie, einer Glutenunverträglichkeit, eine wichtige Rolle. Patienten, die an dieser Krankheit leiden, sind überempfindlich für Gluten, das in vielen Getreideprodukten als Klebereiweiß vorkommt. Sie entwickeln Entzündungen in der Dünndarmschleimhaut, die zu einer Zerstörung der Darmepithelzellen führen und die Nährstoffaufnahme aus der Nahrung massiv beeinträchtigen. Hemmstoffe gegen TG2 könnten hier einen Therapieansatz darstellen. Inhibitoren für die Transglutaminasen lassen sich nach analogen Prinzipien wie bei den Cysteinproteasen entwickeln.Bis heute hat es noch kein Cysteinproteasehemmstoff zur Marktreife geschafft, obwohl Inhibitoren für sehr viele Zielstrukturen entwickelt werden. Es bleibt abzuwarten, ob sich hier in näherer Zukunft erste Erfolge einstellen werden.