key: cord-0036990-4ac7nd9i authors: Schneider, Markus C.; Beinder, Ernst; Fauchère, Jean-Claude; Siegemund, Martin title: Präeklampsie, Eklampsie und HELLP-Syndrom date: 2011-05-09 journal: Die Intensivmedizin DOI: 10.1007/978-3-642-16929-8_82 sha: f99b2f29eaa0a54213976923f18d310a45b37df5 doc_id: 36990 cord_uid: 4ac7nd9i Schwangerschaftshypertonie: Erstmanifestation einer Hypertonie nach der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) mit systolischen und/oder diastolischen Blutdruckwerten >140 bzw. >90 mm Hg, die 2-mal im Abstand von mindestens 6 h bei Fehlen einer Proteinurie gemessen werden. Schwangerschaftskomplikationen sind selten. Meist steigt der Blutdruck im Verlauf der Schwangerschaft nicht weiter an, bisweilen wird ein progredienter Anstieg ohne weitere Präeklampsiesymptome (außer einer möglichen fetalen Wachstumsrestriktion) beobachtet, selten die Progression in eine Präeklampsie. Postpartal normalisiert sich der Blutdruck wieder. Chronische Hypertonie: Hypertonie, die bereits vor der Schwangerschaft oder später als 12 Wochen nach der Entbindung besteht. Bei einer Pfropfpräeklampsie mit einer Inzidenz von etwa 25% sind die Risiken der Frühgeburtlichkeit, der fetalen Wachstumsrestriktion, der vorzeitigen Plazentalösung und des akuten Nierenversagens höher als bei der neu aufgetretenen Präeklampsie. Präeklampsie/Eklampsie: Schwangerschaftshypertonie mit Proteinurie, die durch >300 mg Protein im 24-h-Sammelurin bzw. durch zwei qualitative Bestimmungen (Uristix) mindestens einfach positiv im Abstand von mehr als 4 h definiert ist. Die Eklampsie als Komplikation einer schweren Präeklampsie äußert sich in tonisch-klonischen Krämpfen. Die prädiktive Bedeutung der schweren Präeklampsie als wichtiger mütterlicher Morbiditätsfaktor ergibt sich aus den Ergebnissen einer englischen Fallkontrollstudie aus dem Jahre 1998 [34] : Bei einer totalen Morbiditätsinzidenz von 12,0 auf 1000 Geburten folgten auf massive Hämorrhagie 6,7 schwere Präeklampsie 3,9, Eklampsie 0,2, HELLP-Syndrom 0,5, schwere Sepsis 0,4 und Uterusruptur 0,2. Auch in Finnland waren Komplikationen einer schweren Präeklampsie (32%) nach denjenigen einer Massenblutung (73%) die zweithäufigsten Eintrittsdiagnosen von Schwangeren auf einer In-tensivstation. In Yorkshire mussten zwischen 1999 und 2003 49 von 1087 Schwangeren (4,5%) wegen Komplikationen einer schweren Präeklampsie (Inzidenz 0,52%) auf einer Intensivstation behandelt werden. Die Ätiologie der Präeklampsie ist nach wie vor nicht vollständig aufgeklärt: Sicher ist, dass die Erkrankung nur entsteht, wenn eine Plazenta vorhanden ist, und dass sie meist folgenlos ausheilt, wenn die Plazenta bei der Entbindung entfernt wird. Ferner ist allgemein anerkannt, dass die mütterlichen Symptome der Präeklampsie wie Hypertonie, Proteinurie, Gerinnungsstörung und Leberdysfunktion auf eine generalisierte Endothelerkrankung der Schwangeren zurückzuführen sind. Die Präeklampsie ist eine zweiphasige Erkrankung mit einem präklinischen plazentaren und einem klinischen Stadium (. Abb. 82.2; [21, 24, 26] ). z Stadium 1 Histopathologische Untersuchungen zeigen, dass eine mangelhafte endovaskuläre Invasion fetaler Zytotrophoblasentzellen in mütterliche deziduale Gefäße (»poor placentation«) als früheste pathophysiologische Veränderung bei Präeklampsie regelmäßig nachweisbar ist [23] . Die endovaskuläre Invasion von Zytotrophoblastzellen führt im Normalfall zu einem extensiven Umbau (Remodelling) der Spiralarterien, den Endarterien der uteroplazentaren Zirkulation, die mütterliches Blut direkt in den intervillösen Raum der Plazenta leiten. Dieses Remodelling ist etwa in der 20. SSW abgeschlossen, sodass der niedrige Gefäßwiderstand der schlauchartig dilatierten Spiralarterien eine maximale Perfusion des intervillösen Raumes gewährleistet. Bei der Präeklampsie ist die von natürlichen Killerzellen und Makrophagen begleitete Trophoblastinvasion in Spiralarterien und Dezidua unvollständig (»shallow invasion«), sodass der Umbau der Spiralarterien ausbleibt und die uteroplazentare Perfusionskapazität den fetalen Bedürfnissen, die sich im Verlauf der Schwangerschaft verzehnfachen (von 50 auf 500 ml/min), nicht entspricht -aus immunologischer Sicht eine Form der mütterlichen Abwehr des genetisch fremden Fetus. z Stadium 2 Vasokonstriktion und Minderperfusion im intervillösen Raum führen zu einer plazentaren Hypoxie, die über weitgehend unbekannte Mechanismen eine Endothelaktivierung auslöst und unterhält. Diese wird von einem Ungleichgewicht zwischen angiogenen Faktoren, wie VEGF (»vascular endothelial growth factor«) oder PlGF (»placental growth factor«) und Faktoren, die die Angiogenese inhibieren, wie sFlt I (»soluble fms-like tyrosine kinase I«) und sEng (»soluble endoglin«) begleitet, die mit der Pathogenese der Präeklampsie eng verbunden ist [22] . Eine verminderte plazentare Durchblutung, auch wenn sie zu einer fetalen Wachstumsrestriktion führt, reicht jedoch allein nicht für die Entwicklung einer Präeklampsie aus. Nur 30-50% aller Feten präeklamptischer Schwangerer weisen eine Wachstumsrestriktion auf. Offenbar handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen, das zur endothelialen Aktivierung bei Präeklampsie führt. Das Endothel steht im Mittelpunkt der Symptome Hypertonie, periphere Vasokonstriktion, Proteinurie und Ödeme, die allesamt auf gestörte endotheliale Funktionen zurückgeführt werden können. Neuere Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass das Endothel durch noch unbekannte zirkulierende Substanzen (»Faktor X«) aktiviert wird, die zu Endothelveränderungen führen, wie sie auch unter oxidativem Stress beobachtet werden. Allerdings konnte in einer prospektiv randomisierten und Placebo-kontrollierten Untersuchung, in der der Einfluss von Vitamin C und Vitamin E auf die Inzidenz der Präeklampsie in einem Hochrisikokollektiv untersucht wurde, kein präventiver Effekt dieser Antioxidanzien nachgewiesen werden [19] . Die [35] . 500-1000 ml können ohne Gefährdung der Niere gegeben werden. Dabei sollte auf eine genaue Flüssigkeitsbilanz geachtet werden. Bei Patientinnen mit einer therapierefraktären Oligurie, einer massiven Blutung oder einer strukturellen Herzerkrankung ist der Einsatz eines zentralen Venenkatheters indiziert. Bei ausgeglichener Flüssigkeitsbilanz, normalem ZVD und fortbestehender Oligurie oder bei einem unter der Infusionstherapie aufgetretenen Lungenödem kann die Echokardiographie oder ein Pulmonalarterienkatheter weiteren Aufschluss über die Hämodynamik geben. Eine Therapie mit Diuretika ist nur bei Patientinnen mit Lungenödem aufgrund eines Kapillarschadens (»capillary leak syndrome«), Tokolyse oder bei vorbestehender Herzkrankheit indiziert. Schwangere mit schwerer Hypertonie (>160/110 mm Hg) oder Endorganschaden haben ein erhöhtes mütterliches und auch fetales Morbidität-und Mortalitätsrisiko. Sie bedürfen einer antihypertensiven Therapie und engmaschiger Schwangerschaftskontrollen, weil sich in >50% der Fälle eine Präeklampsie entwickelt. Außerdem sollte der auf 5-10% erhöhten Inzidenz einer vorzeitigen Plazentalösung Rechnung getragen werden. In der Schwangerschaft werden Methyldopa, Nifedipin und Metoprolol zur Langzeitbehandlung der Hypertonie bevorzugt (. Tab. 82.5; [27] ). Frauen, die pränatal Angiotensin-I-Converting-Enzym (ACE)-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten erhielten, sollten möglichst schon präkonzeptionell auf andere Antihypertensiva umgestellt werden. Mit Nifedipin bestehen zwar zahlreiche Erfahrungen zur Anwendung in der Schwangerschaft, die Substanz ist dennoch nicht zur Behandlung in der Schwangerschaft zugelassen. Schwangere [31] . Steroide können die Normalisierung pathologisch hämatologischer und biochemischer Veränderungen beim HELLP-Syndrom beschleunigen. In den westlichen Industrieländern sind Krampfanfälle bei Schwangeren mit Präeklampsie mit einer Inzidenz von etwa 0,05% selten [10] . Im Gegensatz dazu sind eklamptische Anfälle in Schwellenländern zum Großteil für die mütterliche Mortalität verantwortlich. Die Ätiologie der Krampfanfälle ist bisher unbekannt, durch bildgebende Verfahren und autoptisch konnten petechiale Blutungen, kortikale und subkortikale Ödeme sowie fokale und regionale Ischämien, aber auch eine Hyperperfusion im Rahmen einer hypertensiven Enzephalopathie nachgewiesen werden. Obwohl keine direkte Korrelation zwischen dem Auftreten einer Eklampsie und den Blutdruckwerten besteht, sind Kopfschmerzen und andere zentralnervöse Symptome als Warnhinweise für eine drohende Eklampsie ernst zu nehmen. Das traditionelle Präeklampsiekriterium Hypertonie konnte bei 38% der Eklampsiefälle nicht nachgewiesen werden [10] . Etwa 2/3 der Eklampsien treten prä-und intrapartal auf, 1/3 in den ersten 2 Tagen (selten auch später) nach der Entbindung. Dabei kommt es v. a. bei Entbindungen am Termin gehäuft zu postpartalen Krampfanfällen. Charakteristisch sind tonisch-klonische Krämpfe, die, meist an den Extremitäten beginnend, sich auf den Stamm ausbreiten und von einem epileptischen Anfall kaum zu unterscheiden sind. Von einer Eklampsie ist auszugehen, wenn bei einer Schwangeren mit Präeklampsie und neurologisch unauffälliger Anamnese ein tonisch-klonischer Krampfanfall auftritt. Es handelt sich also um eine Ausschlussdiagnose (7 oben). Aus den pathophysiologischen Veränderungen wird deutlich, dass die Geburt und damit die Entfernung der Plazenta die kausale Therapie der Erkrankungen des präeklamptischen Formenkreises ist. Deshalb bedürfen Patientinnen nach der 34.-36. SSW meist nur einer kurzen antepartalen Stabilisierung und einer postpartalen Intensivtherapie. In früher auftretenden Fällen (<32-34 SSW) kann eine längere, abwartende Therapie die Schwangerschaft verlängern und damit die kindliche Morbidität und Mortalität senken [36] . Um ein optimales Ergebnis zu gewährleisten, sollten dabei Geburtshelfer, Anästhesisten, Neonatologen und Intensivmediziner eng zusammenarbeiten. Es gibt keine prospektiv randomisierten Untersuchungen zur Frage des besten Geburtsmodus bei Schwangeren mit einer Präeklampsie. Bei leichter Schwangerschaftshypertonie oder Präeklampsie und komplikationslos vorangeschrittener Geburt sowie unbeeinträchtigtem fetalem Zustand kann eine vaginale Geburt angestrebt werden. Bei schwerer Präeklampsie kann ebenfalls eine vaginale Geburt unter optimalen Bedingungen (rückenmarknahe Analgesie) angestrebt werden, wenn die geburtshilflichen Befunde günstig sind. In einer retrospektive Fallanalyse (n=114) wurde keine Verbesserung des mütterlichen oder neonatalen Outcome bei dringlicher Sectio nach der 32. SSW nachgewiesen, wohl aber ein höheres mütterliches und neonatales pulmonales Morbiditätsrisiko als bei vaginaler Entbindung [7] . Durch kontinuierliche klinische und CTG-Überwachung wird dem bei Präeklampsie peripartal erhöhten Risiko einer vorzeitigen Plazentalösung bzw. pathologischer CTG-Befunde Rechnung getragen. Die Verminderung des renalen Blutflusses und der glomerulären Filtrationsrate im Rahmen einer schweren Präeklampsie ist auf Vasospasmen, thrombotische Mikroangiopathie und prärenale Hypovolämie zurückzuführen; im Falle eines HELLP-Syndroms auch auf eine direkte tubuläre Schädigung durch Hämaturie und Hämoglobinurie bei Hämolyse. Ein Nierenversagen wird oft durch zusätzliche Faktoren (HELLP, Hämorrhagie, Sepsis) ausgelöst [33] . Es unterscheidet sich von der pränatalen Niereninsuffizienz durch eine erniedrigte Urinosmolalität. The Seventh Report on Confidential Enquiries into Maternal and Child Health. Saving Mothers' Lives Clinical indications for pulmonary artery catheterization in the patient with severe preeclampsia Severe preeclampsia and delivery outcomes: is immediate cesarean delivery beneficial? Primary, secondary, and tertiary prevention of pre-eclampsia Etiology and pathogenesis of preeclampsia: current concepts Eclampsia in the United Kingdom Risk factors for pre-eclampsia at antenatal booking: systematic review of controlled studies Pre-eclampsia and the hypertensive disorders of pregnancy Risk factors for adverse maternal outcomes among women with HELLP (hemolysis, elevated liver enzymes, and low platelet count) syndrome Critical care in the pregnant patient Critical care management of severe preeclampsia Hydralazine for treatment of severe hypertension in pregnancy: metaanalysis Low dose dopamine in postpartum preeclamptic women with oliguria: a double-blind, placebo controlled, randomised trial Stroke and severe preeclampsia and eclampsia: a paradigm shift focusing on systolic blood pressure Vitamin C and vitamin E in pregnant women at risk for pre-eclampsia (VIP trial): randomised placebo-controlled trial Practice guidelines for obstetrical anesthesia: a report by the American Society of Anesthesiologists Task Force on Obstetrical Anesthesia Latest advances in understanding preeclampsia Sequential changes in antiangiogenic factors in early pregnancy and risk of developing preeclampsia Pathogenesis and genetics of preeclampsia Summary of the NHLBI Working Group on Research on Hypertension During Pregnancy Acute pulmonary edema in pregnancy Chronic hypertension in pregnancy Diagnosis and management of gestational hypertension and preeclampsia Diagnosis, controversies, and management of the syndrome of hemolysis, elevated liver enzymes, and low platelet count Diagnosis, prevention, and management of eclampsia Dexamethasone to improve maternal outcome in women with hemolysis, elevated liver enzymes, and low platelets syndrome Maternal morbidity and mortality in 442 pregnancies with hemolysis, elevated liver enzymes, and low platelets (HELLP syndrome) Outcomes of severe pre-eclampsia/eclampsia in Yorkshire Incidence and predictors of severe obstetric morbidity: case-control study Hydroxyethyl starches. Different products -different effects Report of the National High Blood Pressure Education Program Severe maternal morbidity associated with hypertensive disorders in pregnancy in the United States A) [www.rcog.org.uk/womens-health/clinicalguidance/management-severe-pre-eclampsiaeclampsia-green-top-10a] National Institute for Health and Clinical Excellence, UK [www.nice.org.uk] Centre for Maternal and Child Enquiries