key: cord-0037330-zn9ljvub authors: Vonberg, Ralf-Peter; Mutters, Nico Tom title: Epidemiologische Grundlagen nosokomialer Infektionen date: 2017-10-06 journal: Praktische Krankenhaushygiene und Umweltschutz DOI: 10.1007/978-3-642-40600-3_3 sha: cc974cb5add7887f417c792f8bf1c520c502ffda doc_id: 37330 cord_uid: zn9ljvub Viele Faktoren tragen zu erhöhten nosokomialen Infektionsraten bei. Der Anteil alter Patienten mit chronischen Krankheiten und Immunsupprimierter steigt. Fortschritte in Diagnostik und Therapie resultieren immer häufiger in invasiven Eingriffen. Antibiotikaresistenzen und Folgen nosokomialer Infektionen erfordern daher eine verlässliche Epidemiologie. Konsequenzen nosokomialer Infektionen betreffen einerseits Patienten (Morbidität und Letalität), aber auch das Gesundheitswesen, dem zusätzliche, teilweise vermeidbare finanzielle Belastungen entstehen. Bereits die Surveillance nosokomialer Infektionen und Personalschulung senken Infektionsraten deutlich (▶ Kap. 11, "Surveillance nosokomialer Infektionen"). Eine Liste nosokomialer Infektionen mit den Definitionskriterien der CDC / NRZ zu ihrer Diagnose findet sich im ▶ Kap. 11, "Surveillance nosokomialer Infektionen" (s. auch Rüden et al. 2003) . In diesem Beispiel sind 6 Studien in die Metaanalyse eingegangen, in denen vergleichbare Interventionen, Beobachtungen und Messungen erfolgt sind. Jede Studie wird durch ein Quadrat auf einer Linie dargestellt. Quadrate links der markierten "1" auf der Achse des relativen Risikos sprechen für einen Vorteil, Quadrate rechts der "1" für einen Nachteil der getesteten Intervention. Die Größe des Quadrats repräsentiert die jeweilige Teilnehmerzahl, die Länge der Linie zeigt das Konfidenzintervall. Dieses beschreibt die Zuverlässigkeit, mit der das ermittelte Ergebnis (Quadrat) korrekt beziffert ist. Je größer das Quadrat, umso kürzer ist meistens die dazugehörige Linie (Studien mit vielen Teilnehmer erzielen verlässlichere Ergebnisse). Kreuzt ein Konfidenzintervall die "1", so kann die Studie kein signifikantes Ergebnis vorweisen, da das vergleichbare Risiko zur Kontrollgruppe möglicherweise den Faktor "1" beträgt (also gar kein Unterschied vorliegt). Das Ergebnis der Metaanalyse ist der Rhombus. In ihm sind alle Teilnehmer aller Studien verrechnet. Die Länge des Rhombus beschreibt sein Konfidenzintervall. Einzelstudien mit großen Teilnehmerzahlen haben bei der Ermittlung der gepoolten Daten ein entsprechend höheres Gewicht als kleine Studien. Abb. 4 Forest-Plot einer Metaanalyse Im gewählten Beispiel zeigt nur die zweite Studie einen signifikanten Vorteil, alle andere Konfidenzintervalle kreuzen die "1". Die Metaanalyse zeigt insgesamt ebenfalls einen signifikanten Vorteil, obwohl die kleine Einzelstudie 3 (für sich betrachtet) tendenziell einen Nachteil der Intervention zeigte. Zufällige Fehler, systematische Fehler (Bias), Confounder Das Auftreten zufälliger Fehler in epidemiologischen Studien kann nie gänzlich ausgeschlossen werden. Je größer die untersuchte Stichprobe, desto geringer ist jedoch der Anteil einzelner "Ausreißer". Im Gegensatz dazu resultiert der systematische Fehler (Bias) aus einer Tendenz, bestimmte Ergebnisse regelmäßig zu bevorzugen. Dazu einige Beispiele: Ein Publikationsbias liegt vor, wenn Studien, die den Effekt einer Exposition oder die Wirksamkeit einer Intervention beschreiben, häufiger veröffentlicht werden als Studien ohne einen solchen Nachweis. Bei der Erstellung von Metaanalysen muss das bedacht werden, da die Einbeziehung nicht veröffentlichter Studien mitunter nennenswert zum Gesamtergebnis beitragen kann (Kiroff 2001) . Der Publikationsbias tritt leicht bei systematischen Reviews und Metaanalysen auf. Retrospektive Studien bergen die Gefahr des Recallbias. Schwer Erkrankte erinnern sich bei Befragungen oft besser an die Exposition gegenüber einem Risikofaktor als weniger stark Erkrankte (Coughlin 1990 ). Confounder hingegen sind Kovariablen, die sowohl mit der Intervention (oder Exposition) als auch dem Ergebnis assoziiert sind und daher das Ergebnis (Outcome) beeinflussen. Ein Beispiel für einen Confounder ist das vermehrte Auftreten von Karzinomen bei Kaffeetrinkernnicht weil Kaffee kausal Krebs verursacht, sondern weil unter Kaffeetrinkern deutlich häufiger Raucher zu finden sind als unter Menschen, die keinen Kaffee trinken (Vineis 1999 Bei einer Tröpfcheninfektion wird der Erreger beim Sprechen, Niesen oder Husten in großen Tröpfchen (>5 μm) freigesetzt. Der Schwerkraft folgend fallen diese Tröpfchen nach kurzer Distanz (max. 2 m) zur Erde oder auf die nächstgelegene horizontale Fläche. Je nach Erreger bleiben sie dort unterschiedlich lange infektiös und können mittels Kontaktübertragung weiterverbreitet werden. Eine direkte Infektion durch Tröpfchen ist nur dann möglich, wenn eine empfängliche Person sich innerhalb des Streuradius einer infizierten Person befindet. Es empfiehlt sich daher, entweder genügend Abstand einzuhalten oder bei der Tätigkeit am Patienten einen chirurgischen Mund-Nasen-Schutz zu verwenden. Tröpfchenkerne (<5 μm) entstehen bei der Verdunstung von größeren respiratorischen Tröpfchen. Bleiben in diesen Kernen Erreger über längere Zeit infektiös erhalten und werden von exponierten Personen bis in die Alveolen inhaliert, so kann es zu einer aerogen erworbenen Infektion kommen. Im Gegensatz zu Tröpfchen sinken Tröpfchenkerne kaum zu Boden, sondern bleiben wegen ihres geringen Gewichtes in der Schwebe (Aerosol). So können sich die Erreger über größere Distanzen (sowohl örtlich als auch zeitlich) verbreiten. Als Präventionsmaßnahme bietet sich hier u. a. die Verwendung spezieller Atemschutzmasken an. Ein typisches Anwendungsbeispiel ist die Versorgung von Patienten mit einer offenen Lungentuberkulose (▶ Kap. 9, "Tuberkulose und andere durch Luft übertrag-bare Infektionserkrankungen: Krankenhaushygiene zur Vermeidung und Eindämmung"). Auch aus Quellen der Umwelt können Erreger zu nosokomialen Infektionen führen. Typische Beispiele sind Legionellosen aus dem Trinkwassernetz oder Aspergillosen durch in der Luft vorhandene Schimmelpilzsporen (z. B. bei Bauarbeiten freigesetzt). Besonders bei immunologischen Hochrisikopatienten (z. B. nach Transplantationen von Knochenmark oder Organen) muss die Exposition gegenüber solchen Erregern verhindert werden (▶ Kap. 29, "Immunsuppression: Hygienische Maßnahmen"). Auch durch kontaminierte Nahrungsmittel kann es zu Infektionen im Krankenhaus kommen. Diese Infektionen sind aber, wie auch Übertragungen durch tierische Vektoren, im Zusammenhang mit nosokomialen Infektionen eher selten. Es sind jedoch vereinzelt Infektionen dieser Art z. B. mit Hepatitis-A-Viren oder Malaria beschrieben worden (Moro et al. 2002; Petrosillo et al. 2002) . Patienten mit Devices, also Fremdkörpern zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken wie z. B. Beatmungstubus, zentraler Venenkatheter (ZVK) oder Harnwegskatheter (HWK), sowie Patienten auf Intensivstationen und in immunologischen Risikobereichen (z. B. Frühgeborene oder hämatologisch-onkologische Patienten) erleiden besonders häufig nosokomiale Infektionen. Das Erregerspektrum und die Infektionsraten zeigen daher deutliche Unterschiede zwischen Intensivpatienten und Patienten auf peripheren Stationen und zudem auch im Vergleich verschiedener Fachrichtungen. Diesem Problem trägt das Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS) Rechnung (Gastmeier et al. 2012) . Weiterführende Informationen über KISS finden sich im ▶ Kap. 11, "Surveillance nosokomialer Infektionen" und auf der Seite des Nationalen Referenzzentrums für die Surveillance von nosokomialen Infektionen (http://www.nrz-hy giene.de). Schätzungen zufolge sind etwa 30 % aller nosokomialen Infektionen grundsätzlich vermeidbar (Grundmann et al. 2005; Haley et al. 1985a; Harbarth et al. 2003 Ein nosokomialer Ausbruch liegt vor, wenn mehr Infektionen auftreten, als räumlich und zeitlich zu erwarten sind (Ammon et al. 2001 Um die einer nosokomialen Infektion zuschreibbare zusätzliche Letalität (Exzessletalität; "attributable mortality") zu (Rello et al. 2002 Melsen et al. 2009 ). Bei anderen Untersuchungen verstarb jeder dritte oder vierte Patient mit nosokomialer Pneumonie (Sopena et al. 2014; Behnia et al. 2014 ); wenn man sich bei den betrachteten Erregern nur auf Pseudomonaden oder Acinetobacter spp. beschränkte, betrug die Exzessletalität sogar 42,8 % (Fagon et al. 1993) . In einer späteren Studie konnte diese stark erhöhte Letalität bei Pneumonien durch Acinetobacter spp. im Vergleich zu anderen Erregern jedoch nicht bestätigt werden (Garnacho et al. 2003) . Insgesamt wird diese Problematik aktuell kontrovers diskutiert (Behnia et al. 2014) , und sicherlich müssen in neueren Studien weitere Faktoren wie Komorbiditäten genauer einbezogen werden (Guzman-Herrador et al. 2014) . Das Erregerspektrum nimmt also entscheidend Einfluss auf die Prognose der Pneumonie, und es variiert stark je nach Disziplin. Umso wichtiger zur Wahl der kalkulierten Therapie ist daher die Kenntnis über die lokale Epidemiologie inklusive der Resistenzsituation. Einheitliche Diagnosekriterien für nosokomiale Infektionen sind zudem erforderlich, um deren Vergleichbarkeit gewährleisten zu können (Timsit et al. 1996; Lewis 1995; Roberts et al. 1998) . Für nosokomiale Harnwegsinfektionen wurde (selbst bei Intensivpatienten) zumeist in älteren Studien keine (Bueno-Cavanillas et al. 1994; Daschner et al. 1978; Gross und Van Antwerpen 1983; Laupland et al. 2002) oder nur eine mäßig (5 %) erhöhte attributive Letalität beschrieben (Rosenthal et al. 2003) . Ob die Resistenzentwicklung bei Erregern von Harnwegsinfektionen hier zukünftig zu Veränderungen führen wird, bleibt abzuwarten (Kanerva et al. 2012) . Empfehlungen zur Untersuchung von Ausbrüchen nosokomialer Infektionen Incidence of nosocomial infections in a big university affiliated hospital in Shiraz, Iran: a six-month experience Morbidity and mortality associated with surgical site infections: results from the 1997-1999 INCISO surveillance Study of ventilator-associated pneumonia in a pediatric intensive care unit The increased risks of death and extra length of hospital and ICU stay from hospitalacquired bloodstream infections: a case-control study Nosocomial and ventilator-associated pneumonia in a community hospital intensive care unit: a retrospective review and analysis Nosocomial infection and antibiotic use: a second national prevalence study in Germany Attributable mortality of ventilator-associated pneumonia: a reappraisal using causal analysis Use of multistate models to assess prolongation of intensive care unit stay due to nosocomial infection Incidence, risk factors, and outcome of bloodstream infections during the pre-engraftment phase in 521 allogenic heatopoietic stem cell transplantations Influence of nosocomial infection on mortality rate in an intensive care unit International clones of methicillin-resistant Staphylococcus aureus in two hospitals in Recall bias in epidemiologic studies Surveillance, prevention and control of hospital-acquired infections. III. Nosocomial infections as cause of death: retrospective analysis of 1000 autopsy reports Does the architecture of hospital facilities influence nosocomial infection rates? A systematic review National Healthcare Safety Network (NHSN) Report, data summary for Point prevalence survey of healthcare-associated infections and antimicrobial use in European acute care hospitals 2011-2012. Issued 2013 by ECDC, coordinated by Carl Suetens Fagon JY The architecture of clinical research Clinical impact of pneumonia caused by Acinetobacter baumannii in intubated patients: a matched cohort study Healthcare-associated infection rates: measuring and comparing. Experiences from the German National Nosocomial Infection Surveillance System (KISS) and from other surveillance systems Mortality attributable to hospitalacquired infections among surgical patients Nosocomial infections and hospital deaths. A case-control study How many infections are caused by transmission in intensive care units? Underlying illness severity and outcome of nosocomial pneumonia: prospective cohort study in intensive care unit The efficacy of infection surveillance and control programs in preventing nosocomial infections in US hospitals How frequent are outbreaks of nosocomial infection in community hospitals? The preventable proportion of nosocomial infections: an overview of published reports Incidence of hospital-acquired pneumonia, bacteraemia and urinary tract infections in patients with haematological malignancies Clinical and economic burden of surgical site infection (SSI) and predicted financial consequences of elimination of SSI from an English hospital Estimating the burden of healthcare-associated infections caused by selected multidrug-resistant bacteria Finland The impact of surgical site infection on older operative patients Effect of nosocomial bloodstream infections on mortality, length of stay, and hospital costs in older adults Publication bias in presentations to the Annual Scientific Congress Descriptive epidemiology and attributable morbidity of ventilator-associated events Device-associated infection rates and extra length of stay in an intensive care unit of a university hospital in Wroclw, Poland: International Nosocomial Infection Control Consortium's (INICC) findings Incidence and risk factors for acquiring nosocomial urinary tract infection in the critically ill Surgical site infection in the elderly following orthopaedic surgery The effect of surveillance definitions on nosocomial urinary tract infection rates in a rehabilitation hospital Changing epidemiology of nosocomial bloodstream infections in 11 teaching hospitals in Taiwan between 1993 and Impact of daily chlorhexidine baths and hand hygiene compliance on nosocomial infection rates in critically ill patients Surgical-site infection due to staphylococcus aures among elderly patients: mortality, duration of hospitalization, and cost Ventilator-associated pneumonia and mortality: a systematic review of observational studies Attributable mortality of ventilator-associated pneumonia: a meta-analysis of individual patient data from randomised prevention studies Five-year prospective surveillance of nosocomial bloodstream infections in an Estonian paediatric intensive care unit Patient-to-patient transmission of nosocomial malaria in Italy Morbidity and mortality associated with primary and catheter-related bloodstream infections in critically ill patients A nosocomial and occupational cluster of hepatitis A virus infection in a pediatric ward Epidemiology and outcomes of ventilatorassociated pneumonia in a large US database Incidence, etiology, and outcome of nosocomial pneumonia in ICU patients requiring percutaneous tracheotomy for mechanical ventilation The influence of surveillance methods on surgical wound infection rates in a tertiary care spinal surgery service Ventilator associated pneumonia in major paediatric burns Nosocomial infections in medical-surgical intensive care units in Argentina: attributable mortality and length of stay Definition nosokomialer Infektionen (CDC-Definitionen), Nationales Referenzzentrum für Surveillance von nosokomialen Infektionen Risk factors for hospital-acquired pneumonia outside the intensive care unit: a case-control study Inpatient costs, mortality and 30-day re-admission in patients with central-line-associated bloodstream infections Mortality of nosocomial pneumonia in ventilated patients: influence of diagnostic tools Reduction of catheter-associated urinary tract infections among patients in a neurological intensive care unit: a single institution's success Investigation of a nosocomial outbreak of severe acute respiratory syndrome (SARS) in Toronto, Canada Healthcare-associated bloodstream infections in a neonatal intenisve care unit over a 20-year period (1992-2011): trends in incidence, pathogens, and mortality Ras mutations and a cup of coffee: cause, confounder, effect modifier, or what else? Principles of hospital epidemiology Hospital-acquired infections in intensive care unit patients: an overview with emphasis on epidemics Heath careassociated infections -a meta-analysis of costs and financial impact on the US health care system Tab. 7 Erhöhte Letalität durch eine nosokomiale Pneumonie (Intensivpatienten) Zuschreibbare Letalität (%) Bekaert et al. (2011 ) 4,4-5,9 Melsen et al. (2013 13 , Lee et al. (2006) 13,0 Geffers et al. (2008) 2,8 Kaye et al. (2009) 10,1