key: cord-0037601-zo7mbrbw authors: Poetzsch, Marian C. title: Der Mann ohne Worte date: 2015 journal: Spannende Fälle aus der Akutmedizin DOI: 10.1007/978-3-662-46607-0_2 sha: 31818517d1227298b6681b95a4a6102771beea63 doc_id: 37601 cord_uid: zo7mbrbw Ein Patient sucht verwirrt die Notaufnahme auf. Er kann nicht mehr sprechen, hat Kopfschmerzen. Dann kommen epileptische Anfälle dazu. Das Ärzte-Team steht vor einem Rätsel. Nichts scheint die Symptome zu erklären, keine Therapie schlägt an. Endlich gibt es eine Spur. Doch wer ist der Kranke eigentlich? Als der Zustand des Patienten sich dramatisch verschlechtert, beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. mitnehmen. Wir fahren mit ihm sogar noch einmal durch das CT für die Angiographie. Nun schauen Sie doch nicht so zerknirscht. Vielleicht habe ich gerade Ihren Tag gerettet. Sie brauchen dringend einen Kaffee. Das sehe ich Ihnen doch an.« In diesem Punkt musste sie ihm zustimmen. Meier schob das Bett mit dem Patienten aus dem Raum und winkte ihr noch einmal zu: »Und vielleicht noch einen Termin beim Frisör?« Sie hätte ihn mit dem Stauschlauch auspeitschen können. Immerhin -sie hatte ein Problem weniger. »Freu dich«, sagte Frank. »Der hätte nur Stress gemacht. Soll ich schon mal…« »Du sollst jetzt erst mal keinen Patienten holen. Alles was noch den Kopf auf dem Hals hat, kann warten. Ich werde jetzt tun, was mir aufgetragen wurde: einen Kaffee trinken. Oder vielleicht auch zwei.« j Intensivstation, 9:15 h Oberarzt Meier kam zur Übergabezeit mit dem Patienten auf der Intensivstation an. Dr. Herrmann Klasen fragte sich gerade, wie es der junge Kollege aus dem Nachtdienst anstellte, grundsätzlich die falsche 7 Antibiose anzuordnen. »Schau«, erklärte er ihm. »7 Penicillin hat schon letzte Woche nicht gewirkt.« »Ich dachte, breit einsteigen, und dann…« »Aber nicht, wenn der Keim auf Penicillin resistent ist. Hast du dir nicht die Ergebnisse aus der Mikrobiologie angeschaut?« »Ehrlich gesagt, nein…« -»Zugang!« rief da plötzlich die fröhliche und laute Stimme von Oberarzt Meier. »Über Medikamente könnt ihr euch später unterhalten. Außerdem ist diese Frau ohnehin schon fast…wie auch immer. Hier habe ich einen neuen Patienten für euch.« Dann versuchte Meier, beiden Ärzten gleichzeitig ins Ohr zu flüstern. »Frisches Fleisch.« Klasen verzog das Gesicht. Das war einfach zu viel. Dieses Aftershave am Morgen. »Gernot, können wir noch die Übergabe beenden? Das hätte doch jetzt noch warten können.« »Und es wäre nett, wenn Sie vorher Bescheid sagen, Dr. Meier«, meldete sich Schwester Gabriele zu Wort. Sie war Pflegedienstchefin und hasste es, wenn sie übergangen wurde. »Haben wir Betten oder haben wir keine? Also an die Arbeit!« »Hat er denn wenigstens etwas spannendes?«, fragte Klasen. »Kopfschmerzen, Anfälle und eine 7 Aphasie «, antwortete Meier. »Er kann nur noch mit Ja und Nein antworten. So wie du, wenn du keinen Kaffee getrunken hast.« »Ich habe eine Gastritis und trinke gerade nur Kamillentee«, erwiderte Klasen. »Oh Gott, das tut mir leid«, sagte Meier. »Das muss ja schrecklich sein. Also, ich mache mir jetzt erst mal einen Cappuccino mit einer extra Portion Milchschaum. Ich trinke für dich mit. Tschüssi!« Kapitel 2 · Der Mann ohne Worte »Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte Klasen den jungen Arzt. »Penicillin?« »Ach vergiss es. 7 Meropenem und 7 Ceftazidim . Das schreibst du jetzt da rein.« Dann kümmerte sich Klasen um seinen Patienten. Der Kamillentee würde warten müssen. Zwei Stunden später war Herrmann Klasen noch nicht viel weiter. Er hatte den neuen Patienten, Herrn Rudolph, noch einmal ausführlich untersucht. Irgendwie brachte er die Symptome nicht richtig zusammen. Er hatte eine 7 Sinusvenenthrombose in Erwägung gezogen, wobei er da die Sprachstörungen nicht unterkriegte. Er hatte heute zusammen mit Karla Becker Frühdienst. Die junge Ärztin arbeitete seit einem Jahr auf der Intensivstation. »Sollen wir nicht erst einmal eine 7 Liquorpunktion vornehmen?«, fragte sie ihn. Das hatte er bereits getan. Doch das Nervenwasser hatte keinen wegweisenden Befund ergeben. Und in der Angiographie ließ sich auch keine Sinusvenenthrombose nachweisen, keine Raumforderung, kein gar nichts. Klasen überlegte: Sprachstörung, Krampfanfall, Kopfschmerzen. »Ich Idiot!« Dann sprang er auf und rannte zu seinem Patienten. j Notaufnahme, 11:30 h Mittlerweile war in der Notaufnahme die Hölle los. Maren wusste nicht, wo sie zuerst hinlaufen sollte. Ab und zu warf sie einen verzweifelten Blick auf die Uhr. Sie würde heute von ihrem Kollegen Markus Bergmann abgelöst werden. Sie hoffte, er würde nicht wieder versuchen, persönliche Rache an ihr zu nehmen und sich verspäten. Seit sie damals…aber das war nur ein Fehltritt gewesen. Er war einfach nicht ihr Typ. Außerdem war es ohnehin noch viel zu früh für den Dienstwechsel. »Frau Doktor, muss ich sterben?« Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen. »Sterben? Das müssen wir alle einmal.« Die Patientin sah sie mit großen Augen an. Maren wollte gerade sagen: »Aber Sie müssen sich keine Sorgen machen«, oder etwas in der Art, doch da stürmte Pfleger Frank in den Raum. »Schnell, komm' , ich glaube wir haben gleich eine 7 Reanimation .« Maren ließ die Patientin liegen und lief in den anderen Untersuchungsraum. Ein Mann in mittleren Jahren lag auf der Untersuchungsliege. Er war blass, Schweiß stand auf seiner Stirn. »Er kam mit Brustschmerzen«, sagte Frank. Maren warf einen Blick auf das EKG. Die 7 ST-Hebungen waren eindeutig. »Können Sie mich hören?«, wandte sie sich an den Mann. Er stammelte nur. Maren wandte sich an den Pfleger: »Ruf im Herzkatheter an. Und wir brauchen ein Intensivbett. Wo ist eigentlich unser Oberarzt?« Frank drehte sich langsam zu ihr. »Also, zu Punkt 1: Im Herzkatheter geht nie-mand an das Telefon. Die haben gerade einen Notfall. Zwei: Die Intensivstation ist voll. Und Punkt 3: der Oberarzt…« »…niemand weiß, wo er ist«, ergänzte Maren den Satz. Sie war es leid, nach ihm zu suchen. Im Gegensatz zu Dr. Meier von der Intensivstation ließ er sich kaum in der Notaufnahme blicken. In einem Jahr würde er ohnehin in Rente gehen. Die Zeit bis dahin versuchte er mit möglichst wenig Arbeit zu verbringen. »Dann fahren wir jetzt einfach auf die Intensiv«, sagte Maren. »Das wird ein Spaß«, murmelte Frank. Zum Glück hatte der Patient einen venösen Zugang. Frank schnappte sich den Notfall-Rucksack und hängte eine Sauerstoffflasche an das Bett. Dann rannten sie los. Marens Herz klopfte wie wild. Im Aufzug verdrehte der Patient plötzlich die Augen und zuckte. Auf dem Monitor erkannte sie 7 Kammerflimmern . Nicht jetzt, nicht hier, nicht heute, dachte sie. »Wo ist der 7 Defibrillator ?« »Haben wir nicht mitgenommen.« »Wieso hast du den Defi nicht mitgenommen?« »Du hast nichts davon gesagt.« »Ich habe nichts davon gesagt. Was soll denn das heißen?« Maren wollte sich gerade noch weiter aufregen, dann besann sie sich aber wieder auf den Patienten. Sie holte aus und schlug ihm mit voller Kraft mit der Faust auf das Brustbein. »Was sollte denn das jetzt?«, fragte Frank. »Du hast wohl zu viel Emergency Room geschaut.« Maren hätte am liebsten losgeheult. Dann sah sie auf den Monitor: Sinusrhythmus. »Ich nehme alles zurück!«, sagte Frank. »Du bist eben doch eine Heldin.« Endlich kam der Aufzug oben an und sie rannten auf die Intensivstation. »Wir haben einen Notfall!«, rief Maren. »Und wir haben ein Telefon«, entgegnete Schwester Gabriele. »Wie wäre es wenn Sie vorher anrufen würden?« Darauf fiel Maren einfach keine passende Antwort ein und was ihr spontan durch den Kopf ging, wollte sie lieber nicht laut sagen. »Der hatte gerade Kammerflimmern.« »Ich hole jetzt Dr. Klasen, dann können Sie ihm eine Übergabe machen.« »Das wäre ganz reizend von Ihnen, Schwester Gabriele.« Der Patient war im 7 kardiogenen Schock . Karla Becker hatte es gerade noch geschafft, ihm einen arteriellen Zugang zu legen, während Klasen bereits intubierte. »Ich rufe schon mal im Herzkatheter an«, sagte Maren. Da bemerkte sie, dass jemand im Bett nebenan am ganzen Körper zuckte. Es Oder irgendein anderes Tier, das mit Toxoplasmose infiziert ist, hat ihn mal bei… was weiß ich…irgendeiner Entrümpelungsaktion gebissen. Er ist immungeschwächt, weil er zuckerkrank ist. Die Bakterien überlisten sein schwaches Immunsystem, überrennen die Blut-Liquor-Schranke und breiten sich in seinem Gehirn aus -Enzephalitis!« Karla hatte beim letzten Wort mit der Faust auf den Tisch geschlagen. Hatte sie diesen Vortrag eingeübt? Maren sah den aussichtslosen Kampf der mit Zuckermolekülen verklebten Einheiten aus Herrn Rudolphs Immunsystem fast plastisch vor sich: »Rückzug! Hinter die Blut-Hirn-Schranke!… Sie haben die Großhirnrinde eingenommen. Zieht euch in das Stammhirn zurück! Patient Rudolph ist gefallen…« Klasen unterbrach ihren Gedankenfluss: »Doch leider hat er keine Antikörper für Toxoplasmose -negativ!« Nun hatte er mit der Faust auf den Tisch geschlagen. Irgendwie schien das hier zum guten Ton zu gehören. »Was uns wieder auf Null zurückwirft«, sagte Karla. Sie strich den Punkt »Infektion« endgültig von ihrer Liste. »Zumindest haben wir bis jetzt noch keinen Anhalt für eine Infektion«, sagte Maren. So leicht würde sie sich nicht geschlagen geben. Klasen wandte sich an Frederik Hagen. »Hast du gestern noch einmal eine Liquorpunktion gemacht?« »Habe, ich. Es war zwar nicht einfach…« »Gut«, unterbrach ihn Klasen. »Und du hast das Ganze noch mal ins Labor geschickt? Und auch das Ampicillin angesetzt?« »Ich habe es genauso gemacht, wie du es mir am Telefon gesagt hast. Auch wenn es nicht einfach war…« »Vielleicht brauchen wir einfach noch ein bisschen Zeit«, fiel ihm Karla diesmal ins Wort. Frederik Hagen meldete sich noch einmal zu Wort: »Was ich nicht verstehe: ihr sprecht die ganze Zeit von Immunschwäche. Unser Patient hatte keine schlechten Zuckerwerte…« »Das muss nichts heißen«, sagte Klasen. »Ich weiß«, sagte Frederik. »Ich meine aber: Habt ihr oder haben wir schon mal gecheckt, ob es noch irgendeine andere Ursache für eine Immunschwäche gibt? Es hatte einen Tag gedauert, bis das Kortison angeschlagen hatte. Aber dann ging es Herrn Rudolph jeden Tag etwas besser. Auch nachdem sie ihm den Tubus aus der Luftröhre entfernt hatten und er wieder selbstständig atmete, blieb er ruhig Er hatte keine epileptischen Anfälle mehr. Am Anfang war er noch verwirrt, aber Tag für Tag schien er seine Orientierung und schließlich auch seine Sprache wiederzufinden. »Sollten wir nicht bald das Aciclovir absetzen?«, fragte Karla. Sie saß mit Klasen und Maren im Arztzimmer der Intensivstation. »Ich würde es noch eine Zeit lang weitergeben«, antwortete Klasen und kaute dabei vergnügt auf seinem Kaugummi. »Ich habe immerhin schon mal das Antibiotikum abgesetzt«, sagte Karla. »Das verstehe ich«, warf Maren ein. »Eine bakterielle Entzündung haben wir schließlich zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen. Aber wart ihr euch sicher, als ihr das Kortison angeordnet habt?« Klasen schüttelte den Kopf. »Nein. Ich zumindest nicht. Aber es schien mir das Beste für unseren Patienten. Und ihr wisst ja: In Gefahr und Not…« »…bringt der Mittelweg den Tod«, ergänzte Karla und fuhr fort: »Auf die 7 NMDA-Antikörper bin ich schließlich auch gestoßen. Aber da sie negativ waren, habe ich das nicht weiter verfolgt.« Maren gönnte sich einen von Klasens Kaugummis und sagte: »Trotzdem wirkt das Kortison. Wieso?« »Es gibt noch einige andere Antikörper. Das schließt unsere Diagnose einer 7 limbischen Enzephalitis nicht aus«, antwortete er. »Seht euch den Befund der zweiten Kernspin-Untersuchung seines Gehirns an. Da sieht man die Entzündung.« »Aber einen Tumor haben wir auch nicht gefunden«, beharrte Maren. »Der findet sich bei einer limbischen Enzephalitis auch nicht immer«, sagte Klasen. »Deshalb heißt es ja auch: nicht-paraneoplastische limbische Enzephalitis. Das Immunsystem unseres Patienten ist für die Entzündung verantwortlich. Wir haben die ganze Zeit einen Feind von außen gesucht. Aber der Feind war sein eigener Körper.« »Aber hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen!«, sagte Maren. »Eine Magen-und Darmspiegelung, eine urologische Untersuchung, das alles steht noch aus.« »Das sehe ich auch so. Es gibt noch viel zu tun«, stimmte Klasen ihr zu »Lasst uns mal nach unserem Patienten sehen.« Sie standen auf und gingen in die Station. »Und warum noch das Aciclovir?«, fragte Karla. »Weil es keine Sicherheit gibt«, antwortete Klasen. »Eine Entzündung des Gehirns durch Viren, welcher Art auch immer, das bleibt die Differentialdiagnose. Auch wenn die Testergebnisse alle negativ sind.« »Nicht alles ist negativ!«, sagte Karla. »Schaut euch mal unseren Patienten an.« Herr Rudolph saß im Bett und löffelte vorsichtig eine Suppe. Er wirkte sehr konzentriert, aber auch zufrieden. »Das finde ich doch sehr positiv«, sagte Karla. »Heute hat er mich gefragt, wann er wieder nach Hause gehen kann. Er hat übrigens keine Haustiere. Aber eine kleine weiße Katze, die würde perfekt zu ihm passen.« »Vielleicht solltest du dir eine anschaffen?«, sagte Klasen. Karla schüttelte den Kopf. »Ich mag keine Katzen. Vielleicht ein paar Mäuse. Obwohl man nie weiß, welche Keime man sich dabei anfängt.« Dann machten sie sich auf den Weg in die Kantine zum Mittagessen. Heute war es ruhig. Aber das konnte sich jederzeit ändern. Von drau ßen hörten sie die Sirene des Notarztwagens. Unser Patient wacht am Morgen auf und stellt fest: Er kann nicht mehr sprechen. Eine Störung der Sprache bezeichnet man als Aphasie . Es kommt zu Wortfindungsstörungen, aber auch das Verständnis für die Sprache ist eingeschränkt. Wenn auch das spontane Sprechen gestört ist, handelt es sich um eine globale Aphasie. Bei einer Wernicke-Aphasie sprechen die Patienten viele unzusammenhängende Wörter, bei der Broca-Aphasie ist das spontane Sprechen gestört, das Sprachverständnis für einfache Sachverhalte ist jedoch erhalten. Ursachen für eine neu aufgetretene Störung der Sprache können ein Schlaganfall, eine Hirnblutung, ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine Entzündung des Gehirns sein. Eine Sprachstörung ist nicht das Gleiche wie eine Störung des Sprechens. Bei einer Dysarthrie funktioniert die Überleitung auf die Sprechmotorik nicht mehr. Unser Mann kann sich am Telefon nicht mehr artikulieren, schließlich macht er sich selbst auf den Weg in die Notaufnahme. Dort sitzt schon die zuständige Ärztin und denkt sehnsüchtig an eine Tasse Kaffee. Dazu bleibt aber keine Zeit, denn die Notaufnahme ist voller GOMER . Das sind die »Get-out-of-my-emergency-room-Patienten«. Solche, mit sehr vielen Erkrankungen, die mit sehr vielen Tabletten behandelt werden, die alle sehr viele Nebenwirkungen haben. Als Arzt kann man eigentlich nur alles falsch machen und deshalb ist es besser, wenn die GOMER die Notaufnahme so schnell wie möglich wieder verlassen. Entweder in Richtung Pflegeheim (wo sie herkommen) oder dort, wo es ein freies Bett im Krankenhaus gibt, egal welche Fachabteilung. Die GOMER bieten für jede Disziplin in der Medizin eine passende Diagnose, denn sie haben auch jede Erkrankung. Die Ärztin arbeitet an diesem Tag mit Pfleger Frank zusammen. Der sieht wie ein Rock-Musiker im ICU-Hemd aus. Wer es nicht weiß -ICU steht für Intensive Care Unit, was nichts anderes als Intensivstation heißt. Diese Art von Hemden (mit den passenden Hosen) wird auch gerne in der Notaufnahme getragen. Das hat den Vorteil, dass man keinen Arztkittel tragen muss, mit dem man an Türklinken hängen bleibt oder mit den Ärmeln im Essen oder in Ausscheidungen von Patienten, was Flecken hinterlässt, die man nie wieder herausbekommt. Außerdem kann man sich mit einem ICU-Hemd wie George Clooney aus Emergency Room fühlen, während man mit einem Arztkittel bestenfalls als Internist und im schlechtesten Fall als Hausmeister durchgeht. j Lyse Pfleger Frank bittet die Ärztin sich als Erstes einen verwirrten Patienten mit einer Sprachstörung anzusehen. Wer jemanden mit einer neu aufgetretenen Sprachstörung sieht, denkt erst mal an einen Schlaganfall. Dabei ist es wichtig zu wissen, wie lange die Aphasie schon besteht, um zu entscheiden, ob der Patient eventuell von einer Lyse profitieren würde. Durch die intravenöse Gabe mit einem speziellen Medikament kann das Blutgerinnsel im Gehirn manchmal aufgelöst werden. Das sogenannte Lyse-Fenster, der Zeitraum, in dem eine Lyse-Therapie noch Sinn macht, beträgt 4½ Stunden. Zur Einschätzung der neurologischen Defizite und damit der Lyse-Indikation wird der NIHSS-Score verwendet. Eine absolute Kontraindikation für eine Lyse ist zum Beispiel eine Hirnblutung oder ein Tumor im Bereich des zentralen Nervensystems. Bei unserem Patienten ist jedoch überhaupt nicht klar, wie lange die Sprachstörung schon besteht, deshalb entscheidet man sich hier gegen die Lyse. Bei der limbischen Enzephalitis ist, obwohl erst seit einigen Jahren bekannt, die NMDA-Rezeptor-Antikörper-Enzephalitis relativ gut erforscht. Die Antikörper im Gehirn richten sich gegen sogenannte NMDA-Rezeptoren . Nach einer anfänglichen Phase mit Abgeschlagenheit und leicht erhöhten Temperaturen entwickeln Betroffene Symptome, die denen einer Schizophrenie ähneln. Im weiteren Verlauf kommen dann oft neurologische Symptome, wie zum Beispiel epileptische Anfälle hinzu. Für die Diagnostik spielen vor allem die Nervenwasser-Untersuchung und der Nachweis der spezifischen Antikörper eine Rolle. Auch wenn das MRT für die Erkrankung eine wichtige Untersuchung darstellt, lässt sich darin nicht immer die Entzündung feststellen. Daneben ist vor allem eine Tumorsuche mit allen notwendigen Untersuchungen erforderlich. Auch wenn sich in unserem Fall noch keine spezifischen Antikörper nachweisen lassen, ist ein Therapieversuch mit Immunsuppressiva gerechtfertigt. Für die NMDA-Enzephalitis wird eine hochdosierte Therapie mit Prednisolon empfohlen. Dies ist auch bei anderen Antikörper-vermittelten Enzephalitis-Erkrankungen möglich. Neben Prednisolon kommen auch Immunglobuline und eine Plasmapharese in Betracht. Bei unserem Patienten scheint diese Therapie anzuschlagen und es geht ihm in den nächsten Tagen wieder besser. Vielleicht wird er sogar zu denen gehören, die nach durchgemachter Erkrankung wieder ein normales Leben führen können. In den nächsten Jahren dürften noch weitere Auto-Antikörper entdeckt werden. Das könnte dazu führen, dass es für manche, zunächst als rein psychiatrisch eingestufte Erkrankungen neue Therapieansätze geben wird. Im Aufzug auf dem Weg zur Intensivstation kommt es bei dem Patienten zu Kammerflimmern. Unglücklicherweise haben Ärztin und Pfleger den Defibrillator vergessen. Damit sollten sie jetzt dem Patienten einen Stromstoß verabreichen: bei biphasischem Defibrillator 120 bis 200 J, nach Herstellerempfehlung, oder 360 J bei einem monophasischen Gerät. In unserem Fall rettet man sich mit einem festen Schlag mit der Faust auf die Brust des Patienten. Für den sogenannten präkordialen Faustschlag gibt es keine Empfehlung in den Leitlinien. Er kann aber im Ausnahmefall bei einem beobachteten Kreislaufstillstand durch Kammerflimmern versucht werden. Das Kammerflimmern ist bei unserem Patienten durch einen Myokardinfarkt bedingt. Weitere kardiale Ursachen für Kammerflimmern oder allgemein für ventrikuläre Tachykardien sind Herzerkrankungen wie Kardiomyopathie, Myokarditis oder eine schwere Herzinsuffizienz. Außerdem Elektrolytstörungen, Überdosierung von Medikamenten, ein Trauma oder erbliche Herz-Rhythmusstörungen wie zum Beispiel das Long-QT-oder das Brugada-Syndrom. Kammerflimmern ist eine ventrikuläre Tachykardie mit einer Frequenz von mehr als 320 Schlägen pro Minute. Bei einer Frequenz von 150 bis 320 Schlägen pro Minute handelt es sich um Kammerflattern. Man kann ventrikuläre Tachykardien einteilen in solche, die länger oder kürzer als 30 Sekunden anhalten (anhaltende und nicht-anhaltende Tachykardien). Bei Tachykardien bzw. tachykarden Herzrhythmusstörungen geht es zunächst darum, ob der Patient stabil ist. Instabile Patienten werden elektrisch kardiovertiert. Stabile Kammertachykardien können medikamentös mit dem Antiarrhythmikum Amiodaron behandelt werden. Immer wieder treten bei unserem Patienten ventrikuläre Extrasystolen auf. Diese können auch bei Gesunden vorkommen. In unserem Fall weisen sie auf die koronare Herzerkrankung hin, die letztendlich zum Herzinfarkt geführt hat. Sie treten auch auf bei Kardiomyopathien, Myokarditis, Elektrolytstörungen, bestimmten Medikamenten oder bei einer Schilddrüsenüberfunktion. Wenn im EKG die Kammerkomplexe der Extraschläge gleichartig deformiert sind, werden sie als monomorph bezeichnet. Unterschiedlich verformte Kammerkomplexe heißen polymorph und gelten als pathologisch. Bei den Tachykardien, die bei dem Patienten auftreten, ist der Arzt nicht sicher, ob es sich um Kammertachykardien handelt. Sein Kollege empfiehlt ihm dazu die Brugada-Kriterien heranzuziehen. Das sind Kriterien, die auf eine Kammertachykardie hinweisen. Eines davon ist die AV-Dissoziation. Das bedeutet, dass die Kammerkomplexe keinen Zusammenhang zur Vorhofaktion haben. Wenn einzelne Vorhofaktionen übergeleitet werden und zu einem normalen QRS-Komplex führen, dann werden diese als capture-beats bezeichnet. Mischbilder aus einem QRS-Komplex und einem Schenkelblock sind Fusionsschläge, sogenannte fusion-beats. Die Kammerkomplexe bei ventrikulären Tachykardien sind breit und regelmäßig (mehr als 140 msec), haben in den Brustwandableitungen nur positive oder negative Ausschläge (konkordante Komplexe) und weisen keinen speziellen Lagetyp auf (»no man's land«). Im vorliegenden Fall hat der Patient allerdings nur ein Vorhofflimmern . Die Kammerkomplexe sind wegen eines Schenkelblocks verbreitert. Ein nichtkardiales Lungenödem kann durch eine Schädigung der Lunge entstehen, zum Beispiel bei einem akuten Lungenversagen (ARDS) oder dem Einatmen von Giftstoffen. Außerdem können Vergiftungen mit Heroin oder schwere allergische Reaktionen ein Lungenödem auslösen. Neben der PICCO-Messung müssen die Ärzte auch einen Ultraschall des Herzens durchführen. Zunächst reicht eine orientierende Untersuchung aus. Die wird als FATE (focussed assessed tranthoracic echocardiography) oder auch als FEEL (focussed echocardiography in advanced life support) bezeichnet. Ganz allgemein geht es darum, die Pumpleistung des Herzens zu beurteilen oder eine mögliche Rechtsherzbelastung zum Beispiel durch eine Lungenembolie festzustellen. Man sucht nach größeren Herzklappenfehlern, einem Einriss der Aorta oder einem Herzbeutelerguss. Bis auf den schweren Herzinfarkt können die Mediziner zum Glück keinen weiteren großen Schaden am Herzen feststellen und so scheint sich auch dieser Patient, nicht zuletzt durch einen hohen Aufwand an Personal und Technik, zu erholen. Besteht in der Rhythmusanalyse Kammerflimmern oder eine pulslose ventrikuläre Tachykardie , wird der Patient defibrilliert . Dann wird die Herzdruckmassage sofort fortgeführt und alle zwei Minuten eine weitere Rhythmusanalyse gemacht. Währenddessen wird ein Zugang gelegt. Darüber bekommt der Patient alle drei bis fünf Minuten 1 mg Adrenalin gespritzt. Nach dem 3. Defibrillationsversuch erhält der Patient bei fortbestehendem Kammerflimmern oder ventrikulärer Tachykardie das Antiarrhythmikum Amiodaron . Die Intubation zur Beatmung erfolgt nur dann, wenn dadurch die Herz-Druck-Massage nicht zu lange unterbrochen werden muss Unter Umständen hyperventiliert der Kranke, hat Atemnot oder eine Zyanose. Der Blutdruck ist erniedrigt, die Herzfrequenz erhöht. Das Bewusstsein ist verändert. Der Patient ist unruhig, ängstlich, apathisch, verwirrt oder schläfrig, bis hin zum Koma. In unserem Fall klagt der Kranke über Brustschmerzen. Er hat einen kardiogenen Schock. Die Diagnose eines kardiogenen Schocks wird über die beschriebenen klinischen Zeichen eines Schocks gestellt. Es bestehen Zeichen einer mangelnden Durchblutung der Organe (Hypoperfusion) Die Ärztin in der Notaufnahme stellt im EKG ST-Hebungen fest. Die weisen auf einen akuten Herzinfarkt hin, wenn sie in 2 benachbarten EKG-Ableitungen bestehen und größer als 0,1 mV sind Wenn im EKG keine Hebungen auftreten, aber im Blut ein positiver Troponin-Wert besteht, liegt ein NSTEMI, ein Nicht-ST-Hebungsinfarkt, vor. NSTEMI, STEMI und die instabile Angina pectoris gehören zum akuten Koronarsyndrom. Ein Patient mit einem ST-Hebungsinfarkt gehört so schnell wie möglich in den Herzkatheter. Da in unserem Fall dort gerade ein weiterer Notfall versorgt wird Sie behindern den Aufbau der Zellwand der Bakterien. In der Gruppe der Penicilline gibt es zum Beispiel die Benzylpenicilline wie Penicillin G und Aminopencilline wie Ampicillin oder Amoxicillin. Penicilline gehören genauso wie Cephalosporine und Carbapeneme zur Klasse der β-Laktam-Antibiotika. Manche Bakterien verfügen über ein Enzym, mit dem sie den β-Laktam-Ring dieser Antibiotika aufspalten können. Deshalb erweitert sich das Wirkspektrum der Medikamente mit sogenannten β-Laktamasehemmern wie Clavulansäure oder Sulbactam Unter den Cephalosporinen gibt es insgesamt 5 verschiedene Gruppen, die sich in ihrem Wirkspektrum unterscheiden Mit der Gram-Färbung kann man die Wirkung von Antibiotika auf Bakterien unterscheiden. Durch ein spezielles Verfahren nehmen die Bakterien anhand des Aufbaus ihrer Zellwand eine unterschiedliche Färbung an. So können Aussagen über die Wirksamkeit bestimmter Antibiotika getroffen werden. Die Gram-positiven Bakterien färben sich blau. Zu ihnen gehören vor allem Streptokokken und Staphylokokken. Die sprechen in der Regel gut auf eine antibiotische Therapie mit Penicillinen an. Die Gram-negativen Bakterien nehmen eine rote Färbung an Und dazu müssen sie auch noch einem schwer herzkranken Menschen helfen. Außerdem gibt es in der Notaufnahme und der Intensivstation noch einiges zu tun. Bis jetzt haben sie sich ziemlich gut geschlagen. Im nächsten Fall sind sie fast auf sich allein gestellt