key: cord-0040848-xni0q5jz authors: Rettinger, Jürgen; Schwarz, Silvia; Schwarz, Wolfgang title: Moderne Anwendungsbeispiele aus der Elektrophysiologie date: 2018-06-23 journal: Elektrophysiologie DOI: 10.1007/978-3-662-56662-6_8 sha: 27e12a699f86c746d7f88ca5c1237a54596a1b7c doc_id: 40848 cord_uid: xni0q5jz Alle Verfahren, die wir bisher diskutiert haben, Flussmessungen, Messungen von stationären und transienten Strömen und die entsprechenden Auswert¬verfahren können genutzt werden, um Funktion, Regulation und Struktur-Funktionsbeziehungen zu analysieren. Solche Informationen können wir gewinnen, indem wir die Funktionen von chemisch oder genetisch modifizierten Carriern oder Kanälen charakterisieren und miteinander vergleichen. Letzteres gilt auch für natürlich auftretende Mutationen, die Ursache für verschiedene Krankheiten sein können; die mit den genannten Methoden gewonnenen Erkenntnisse sind wichtiger Bestandteil für das Verständnis und die Behandlung solcher Krankheiten. Für viele der Transportproteine konnte die Aminosäuresequenz und die mögliche Orientierung des Proteins in der Membran ermittelt werden, oder es konnte sogar die dreidimensionale Struktur bestimmt werden. Im Folgenden wollen wir die Vorgehensweise eines Elektrophysiologen an Beispielen illustrieren, um Struktur, Funktion und Regulation von Membrantransport zu untersuchen. Für das Verständnis der Wirkung chemischer Stoffe sowie die Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung von Krankheiten stellt die Elektrophysiologie eine leistungsfähige Methode bereit, um die Wechselwirkung solcher Substanzen mit ihren Rezeptoren zu erforschen. Dieses soll beispielhaft an viralen Ionenkanälen illustriert werden. Struktur-Funktionsbeziehungen von Ionenkanälen -140 Literatur -157 Alle Verfahren, die wir bisher diskutiert haben, Flussmessungen, Messungen von stationären und transienten Strömen und die entsprechenden Auswertverfahren können genutzt werden, um Funktion, Regulation und Struktur-Funktionsbeziehungen zu analysieren. Solche Informationen können wir gewinnen, indem wir die Funktionen von chemisch oder genetisch modifizierten Carriern oder Kanälen charakterisieren und miteinander vergleichen. Letzteres gilt auch für natürlich auftretende Mutationen, die Ursache für verschiedene Krankheiten sein können; die mit den genannten Methoden gewonnenen Erkenntnisse sind wichtiger Bestandteil für das Verständnis und die Behandlung solcher Krankheiten. Für viele der Transportproteine konnte die Aminosäuresequenz und die mögliche Orientierung des Proteins in der Membran ermittelt werden, oder es konnte sogar die dreidimensionale Struktur bestimmt werden. Im Folgenden wollen wir die Vorgehensweise eines Elektrophysiologen illustrieren, um Struktur, Funktion und Regulation von Membrantransport zu untersuchen, und zwar an drei Beispielen: der Na C , K C -ATPase (7 Abschn. 8.1.1, . Abb. 8.1), dem Neurotransmittertransporter GAT (7 Abschn. 8.1.2, . Abb. 8.4) und den Nukleotidrezeptoren (7 Abschn. 8.2.2, . Abb. 8.6) , die in Gegenwart von extrazellulärem ATP einen Kanal bilden. Für das Verständnis der Wirkung chemischer Stoffe sowie die Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung von Krankheiten stellt die Elektrophysiologie eine leistungsfähige Methode bereit, um die Wechselwirkung solcher Substanzen mit ihren Rezeptoren zu erforschen. Als Beispiel wird dieses an viralen Ionenkanälen illustriert, die eine wichtige Rolle für die Virenreplikation spielen (7 Abschn. 8.3) . 8.1.1 Na C , K C -Pumpe Die Na C , K C -ATPase (s. Übersichtsarbeit von (Vasilets und Schwarz 1993) ist ein Heterodimer aus einer˛-Untereinheit von ungefähr 100 kDa und einer kleineren glykosylierteň -Untereinheit von ungefähr 60 kDa (s. . Abb. 8.1) . Mindestens vier Isoformen der˛-Untereinheit und drei derˇ-Untereinheit wurden bisher identifiziert, die alle eine gewebespezifische Verteilung aufweisen. Auf der˛-Untereinheit sind alle funktionell wichtigen Stellen lokalisiert, wie die Bindungsstelle für ATP und die Phosphorylierungsstelle, die Stellen, mit denen die transportierten Kationen wechselwirken und solche für die spezifisch inhibitorischen Herzglykoside wie z. B. Strophantin (Ouabain) und die Bindungsstelle für Palytoxin (s. 7 Abschn. 7.2). Eine Möglichkeit, Modulationen der Na C , K C -ATPase-Aktivität zu untersuchen, besteht darin, den elektrogenen, von der Na C , K C -Pumpe generierten Strom unter Voltage-Clamp zu messen. Strommessungen haben beispielsweise bestätigt, dass eine Mutation von Q 118 (Glutamin) und N 129 (Asparagin) in die geladenen Aminosäuren R (Arginin) bzw. D (Asparaginsäure) (. Abb. 8.1) die ATPase unempfindlich gegenüber Ouabain macht. Dieˇ-Untereinheit ist für die richtige Faltung und den korrekten Einbau des gesamten Proteins in die Membran notwendig. Die Kombination einer˛-Untereinheit mit verschiedenen Isoformen derˇ-Untereinheit führt zu unterschiedlichen T1 T3 C3 T2 L V I I V I I I I X X V I V I V I I I I I funktionellen Eigenschaften, sodass für dieˇ-Untereinheit auch eine regulatorische Rolle diskutiert wurde. Außerdem wurde eine -Untereinheit identifiziert, die ebenfalls eine regulatorische Funktion zu haben scheint. In der˛-Untereinheit der Na C , K C -ATPase sind mehrere negativ geladene Aminosäuren in transmembranen Domänen lokalisiert (. Abb. 8.1), die an der Wechselwirkung mit den transportierten Kationen beteiligt sein könnten. Mutationen dieser Aminosäuren zu Alanin führen erwartungsgemäß zu einer Veränderung in der Länge des apparenten dielektrischen Zugangskanals, die durch die effektive Valenz z beschrieben wird (s. z. B. Glutamat 334 und 960 in . Abb. 8.2) . Der N-Terminus ist der Bereich mit den größten Unterschieden zwischen den verschiedenen Isoformen der˛-Untereinheiten und kann möglicherweise für isoformenspezifische Funktionen in verschiedenen Geweben verantwortlich sein. Zumindest weisen die Pumpenisoformen unterschiedliche Strom-Spannungsabhängigkeiten auf. Mutationen in diesem Bereich (wie die Trunkierung in . Abb. 8.2) führen ebenfalls zu veränderten Transporteigenschaften, wozu wiederum Veränderungen in der Wechselwirkung der extrazellulären Kationen und der Bindung des extrazellulär wirkenden Ouabains gehören. Ein wichtiger regulatorischer Prozess bei vielen Membranproteinen ist die Phosphorylierung an Serinen und Threoninen (s. . Abb. 8.1) durch Proteinkinasen. Bei der Na C , K C -ATPase ist das insbesondere das Serin im Bereich des N-Terminus mit den bereits erwähnten Konsequenzen. Es ist ein bemerkenswerter, interessanter Befund, dass der hoch flexible zytoplasmatische N-Terminus extrazelluläre Wechselwirkungen beeinflusst. Er stellt ein Beispiel für allosterische Wechselwirkungen in einer komplexen Proteinstruktur dar. . Abb. 8.2 "Zahnarzt-Präsentation" der Na C , K C -Pumpe. (Basierend auf Schwarz und Vasilets 1996, Fig. 4, mit freundlicher Genehmigung von Wiley and Sons, 1996) Wir haben oben beschrieben (s. 7 Abschn. 7.2, . Abb. 7.19), dass Palytoxin (PTX) die Na C , K C -Pumpe in einen Kanal überführt. Während langanhaltender Voltage-Clamp-Pulse induziert Palytoxin einen Strom, der bei sehr positiven Potenzialen inaktiviert (. Abb. 8.3a). Eine Inaktivierung bei positiven Potenzialen findet man auch bei manchen Na C -und K C -Kanälen, die sich auf eine positiv geladene "Kugel" im Bereich des N-Terminus zurückführen lässt. Die Kugel kann wie an einer Kette (ball at a chain) die innere Kanalöffnung spannungsabhängig verstopfen und dadurch eine einwärts verstärkende stationäre IV-Beziehung verursachen (s. z. B. auch 7 Abschn. 5.2.2). Eine ähnliche Interpretation wurde auch für die PTX-modifizierte Na C , K C -Pumpe vorgeschlagen. So zeigt die trunkierte Mutante diese Inaktivierung nicht mehr (. Abb. 8.3b), aber die intrazelluläre Applikation des trunkierten N-terminalen Peptids stellt die Inaktivierung teilweise wieder her (. Abb. 8.3c). Wir hatten schon auf die wichtige Bedeutung einer regulatorischen Phosphorylierung der Na C , K C -Pumpe durch Proteinkinasen hingewiesen, was auch für die Neurotransmittertransporter gilt. Die Vorgehensweise für die Identifikation solcher Phosphorylierungsstellen ist die gleiche, wie wir es für die Na C , K C -Pumpe beschrieben haben. Mögliche Aminosäuren für die Phosphorylierung des GAT (s. . Abb. 8.4) werden mutiert, die Mutanten werden dann funktionell charakterisiert und die Ergebnisse mit denen für den Transporter des Wildtyps verglichen. In jüngerer Zeit wurde auch vorgeschlagen, dass Glykosylierung an der Regulation von Transportfunktionen beteiligt sein kann. Mutation der Glykoslierungsstellen des GAT (s. N 176 , N 181 , N 184 in . Abb. 8.4) führt in der Tat zu verändertem Transport. Das in . Abb. 8.5 dargestellte Beispiel zeigt, dass eine Mutation von zwei der drei Asparagine (N) zu Asparaginsäure (D) zu einer reduzierten Sensibilität für extrazelluläres Na C führt. Ionenkanäle werden üblicherweise nach Unterschieden in ihren funktionellen Eigenschaften oder in ihrer molekularen Struktur klassifiziert. Die˛-Untereinheiten der Ca 2C -und Na C -Kanäle haben die etwa vierfache Länge verglichen mit den K C -Kanaluntereinheiten und beinhalten vier Sequenzwiederholungen (s. . Abb. 6.11). Dabei ist jede dieser vier Wiederholungen homolog zur einzelnen Untereinheit eines K C -Kanals. Es gibt fünf Typen von Ca 2C -Kanälen (L, N, P, Q und T) und mindestens sechs Typen von Na C -Kanälen (I, II, III, 1, H1 und PN3). Zu dieser Gruppe gehören die ionotropen Neurotransmitterrezeptoren die z. B. durch die Bindung von Azetylcholin, Serotonin, Glycin, Glutamat oder -Amino-Buttersäure (GABA) aktiviert werden. Alle diese Rezeptoren sind Hetero-oder Homomere, die aus drei, vier oder fünf Untereinheiten aufgebaut sind. Unter diesen Rezeptoren findet man die nikotinischen Azetylcholinrezeptoren als die bei Weitem am besten charakterisierten. Azetylcholinrezeptoren sind Pentamere, die -im Falle des in der Muskulatur vorkommenden Vertreters -aus vier verschiedenen Untereinheiten in der Anordnung˛2ˇ ı aufgebaut sind. Kanäle der LIC-Familie sind permeabel für Kationen oder Anionen (Azetylcholinrezeptoren sind z. B. unspezifische Kationenkanäle, Glyzinrezeptoren hingegen sind permeabel für Anionen). Die große Familie der Chloridkanäle besteht aus Dutzenden bereits sequenzierter Proteine, die in Bakterien, Pflanzen und Tieren nachgewiesen werden konnten. Charakteristisch für diese Familie sind 10-12 transmembranäre,˛-helicale Domänen und das Auftreten in der Plasmamembran als Homodimer. Während ein Mitglied der Familie, der Chloridkanal aus Torpedo ClC-O, scheinbar eine Doppelpore, eine pro Untereinheit, ausprägt, scheinen andere Vertreter pro Dimer nur eine Pore auszubilden. Chloridkanäle sind in eine Vielzahl von physiologischen Funktionen eingebunden. Dazu gehören z. B. die Regulation des Zellvolumens, Stabilisierung des Ruhepotenzials, Signalübertragung, transepithelialer Transport etc. Innerhalb homologer Proteingruppen existieren unterschiedliche funktionelle Eigenschaften, z. B. unterschiedliche Anionenselektivität oder voneinander abweichende Spannungsabhängigkeiten. Gap-Junction-Kanäle bestehen aus einem Bündel von eng gepackten transmembranären Untereinheiten, den sogenannten Connexonen, durch die kleine Moleküle zwischen benachbarten Zellen hindurch diffundieren können. Die Connexone werden durch homooder heterohexamere Anordnung der Connexine gebildet. Gesteuert durch Ca 2C kann sich das Connexon der einen Zelle mit dem Connexon der benachbarten Zelle verbinden, sodass die Zytoplasmen der beiden Zellen über eine Pore miteinander verbunden sind. Es sind über 15 verschiedene Isoformen der Connexin-Untereinheiten bekannt. Diese variieren in ihrer Größe zwischen 25 und 60 kDa und besitzen vier transmembranäre,˛-helicale Domänen. Folglich beinhaltet der dodecamere, aus zwei Hexameren gebildete Kanal insgesamt die beeindruckende Zahl von 48 transmembranären Domänen. Die ENaC-Familie besteht aus mehr als 20 sequenzierten Proteinen und kommt ausschließlich im Tierreich vor. Es gibt spannungsunabhängige ENaC-Homologe im Gehirn, einige sind im Tastsinn involviert. Andere wiederum, die pH-abhängigen Na C -Kanäle ASIC1-3, spielen eine Rolle beim Schmerzempfinden im Zusammenhang mit Gewebeazidose. Ein weiteres Mitglied der Familie, der durch FMRF-amid aktivierte Na C -Kanal, war der erste Peptid-aktivierte Ionenkanal, der sequenziert werden konnte. Alle Mitglieder dieser Familie besitzen eine Topologie mit zwei transmembranen Domänen, intrazellulär liegenden Termini und einer großen extrazellulär liegenden Schleife. Es wurden drei homologe ENaC-Untereinheiten identifiziert, die als˛-,ˇ-und -Untereinheit bezeichnet werden. Die Untereinheiten assemblieren in der Stöchiometrie˛ˇ zu einem funktionellen heterotrimeren Kanal. Eine weitere Gruppe interessanter Ionenkanäle sind solche, die durch mechanischen Stress aktiviert werden. Bei ihnen werden mechanische Kräfte in elektrische Signale überführt (Delmas und Coste 2013; Ranade et al. 2015) . Insbesondere die Applikation von mechanischem Stress mit der Patch-Clamp-Technik oder von osmotischem Stress führen zu einer laufend zunehmenden Zahl von mechanosensitiven oder Stress-aktivierten (SAC) Ionenkanälen (Nilius und Honoré 2012) . Eine Klasse von mechanosensitiven Kanälen, die durch die gesamte Evolution hindurch konserviert blieb, wird durch die Piezo-Kanäle gebildet (Bagriantsev et al. 2014) . Eine weitere große Klasse von Ionenkanälen, die auf physikalische Reize reagieren, wird durch die "Transient Receptor Potential" (TRP) Kanäle gebildet (Christensen und Corey 2007) . Im Folgenden werden wir Strategien vorstellen, wie Elektrophysiologie genutzt werden kann, um Erkenntnisse über Struktur-Funktionsbeziehungen von Ionenkanälen zu gewinnen. Als Beispiel werden wir die ATP-aktivierten Ionenkanäle der P2X-Rezeptorfamilie verwenden. Die Gruppe der ATP-aktivierten Ionenkanäle wird der Familie der ligandenaktivierten Ionenkanäle zugeordnet und soll im Folgenden etwas detaillierter beschrieben werden. Da die Gemeinsamkeit dieser Kanäle die Aktivierung durch extrazelluläres ATP ist, werden sie auch als "Nukleotidrezeptoren" bezeichnet. Ein anderer, oft benutzter Name ist "P2X-Rezeptoren", früher wurde auch der Begriff "Purinozeptoren" benutzt. Obwohl bereits 1972 (Burnstock 1972) die Hypothese aufgestellt wurde, dass ATP eine Rolle als Neurotransmitter spielen kann, dauerte es doch bis 1994 (Valera et al. 1994; Brake et al. 1994) , bis die ersten beiden P2X-Isoformen P2X 1 und P2X 2 aus dem Samenleiter bzw. aus Pheochromocytomzellen (PC12-Zellen) der Ratte kloniert werden konnten. Als Pheochromocytome werden Tumoren des Nebennierenmarks bezeichnet. Aus Hydropathiedarstellungen konnte man die -mittlerweile allgemein akzeptierte -Sekundärstruktur ableiten: N-und C-Termini sind intrazellulär positioniert, die zwei transmembranen Domänen sind durch eine große extrazellulär liegende Schleife verbunden (s. . Abb. 8.6). . Abb. 8.6 Aminosäuresequenz der humanen P2X 1 -Rezeptoruntereinheit Insofern ähnelt die Struktur der Architektur der epithelialen Natriumkanäle, ENaC. Wie auch für viele andere Ionenkanäle üblich, wird der funktionelle Kanal durch die Assemblierung mehrerer Untereinheiten gebildet. 1998 wurde aufgrund proteinchemischer Analysen abgeleitet, dass ein Verbund aus drei Untereinheiten (trimer) den funktionellen Kanal bildet (Nicke et al. 1998) . Dieser Befund stellt insofern eine Besonderheit dar, da bislang bekannte Kanäle stets aus mindestens vier Untereinheiten aufgebaut sind. Bislang wurden sieben verschiedene P2X-Isoformen kloniert, wobei diverse Splice-Varianten bekannt sind, die teilweise abweichende pharmakologische und funktionelle Eigenschaften zeigen (Burnstock 1999 Schnelle Desensibilisierung, die innerhalb einer Sekunde zum vollständigen Verschwinden des Stromes führt, wurde für den P2X 1 -und P2X 3 -Rezeptor gezeigt. P2X 4 -Rezeptoren desensibilisieren langsamer und unvollständig. Die Desensibilisierung der anderen Subtypen ist sehr langsam und schwach ausgeprägt, sodass oft von nichtdesensibilisierenden Rezeptoren gesprochen wird. Eine besondere Eigenschaft der P2X 7 -Rezeptoren ist die Ausformung einer großen Pore mit einem Durchmesser von 3-5 nm infolge einer verlängerten Anwesenheit von ATP. Ein ähnliches Verhalten, d. h. zumindest eine veränderte Ionenselektivität infolge längerer Agonistengabe, wird auch für die anderen Subtypen diskutiert. Im Folgenden werden einige experimentelle Ergebnisse gezeigt werden, die sich mit den funktionellen Eigenschaften von P2X 1 -und P2X 2 -Rezeptoren beschäftigen. Obwohl die Analyse von Einzelkanalaktivitäten den tiefsten Einblick in die funktionellen Eigenschaften eines Ionenkanals liefern kann, gestaltet es sich manchmal schwierig, auswertbare Einzelkanalregistrierungen zu realisieren. Wichtig in diesem Zusammenhang sind die Eigenschaften Einzelkanalleitfähigkeit, kinetisches Verhalten und Kanaldichte. Obwohl bereits für alle P2X-Subtypen Einzelkanalereignisse gemessen werden konnten, wurden quantitative Analysen bislang hauptsächlich anhand der Messung makroskopischer Ströme vorgenommen. Gründe dafür liegen in der schnellen Desensibilisierung von P2X 1 und P2X 3 oder der schnellen Kinetik (flickering) der P2X 2 -Rezeptoren (Ding und Sachs 1999) . . Abb Aufgrund der Größe der Oozyten (Durchmesser etwa 1,2 mm) ist es nicht einfach, einen schnellen und reproduzierbaren Lösungswechsel zu verwirklichen. Trotzdem können Lösungswechsel, die in weniger als 0,5 s abgeschlossen sind (Stromanstieg von 5 bis 95 % in einer Zeit von ca. 150 ms), realisiert werden, wenn man eine sehr kleine Messkammer (V D 10 l) in Verbindung mit einem hohen Lösungsdurchfluss (200 l=s) verwendet. Die Geschwindigkeit des Lösungswechsels kann z. B. durch die Aktivierung von exprimierten nikotinischen Azetylcholinrezeptoren quantifiziert werden, wenn man eine submaximale Azetylcholinkonzentration von 30 M benutzt (. Abb. 8.8a). Eine alternative Möglichkeit besteht darin, die Stromänderung zu verfolgen, die durch die Änderung der extrazellulären Natriumkonzentration hervorgerufen wird (. Abb. 8.8b). . Abb. 8.8 Messung des Zeitverlaufs des Lösungswechsels anhand der Messung nAChR-vermittelter Ströme (a) und anhand der Messung der endogenen Na C -Leitfähigkeit nach Änderung der extrazellulären Na C -Konzentration (b) Die gute Reproduzierbarkeit eines solchen optimierten Lösungswechselsystems wird in . Abb. 8.8a offenbar, die die Stromspuren in Reaktion auf sieben aufeinander folgenden Azetylcholingaben zeigt. Die Aktivierung erfolgte dabei in einminütigen Abständen. Obwohl die Zeitdauer des Lösungswechsels in Anbetracht der Größe der Oozyte kurz und kaum weiter zu optimieren ist, sollte man sich bewusst machen, dass die Ströme während der ersten ca. 300 ms durch den Lösungswechsel selbst geformt werden. Falls Ströme analysiert werden sollen, die im Zeitbereich zwischen 0 und 300 ms liegen, muss zu einem System gewechselt werden, das schnellere Lösungswechsel erlaubt. Dies stellt z. B. die Messung an einem zellfreien Membran-Patch dar (7 Abschn. 3.6.1 und 7 Abschn. 3.6.2) , was einen Lösungswechsel bis in den Submillisekundenbereich ermöglicht. Wie schon angesprochen wurde, ist der P2X 1 -Rezeptor ein schnell desensibilisierender Ionenkanal, der nach Bindung von ATP eine Pore öffnet, die für kleine Kationen permeabel ist. . Abb. 8.9 zeigt den Strom nach Aktivierung durch 1 M ATP nach der Erstgabe von ATP (linker Peak) und infolge wiederholter ATP-Applikationen in fünfminütigen Intervallen bei einem Haltepotenzial von 60 mV. Wie in . Abb. 8.9 zu sehen ist, desensibilisieren die Rezeptoren vollständig nach Gabe von ATP. Nach jeweils 5 min in ATP-freier Lösung lässt sich ein Strom aktivieren, der etwa 25 % der Primärantwort nach erster ATP-Gabe beträgt. Die Desensibilisierung ist also nicht nur schnell und vollständig, sondern auch langanhaltend. Tatsächlich sind mehr als 30 min in ATP-freier Lösung notwendig, um die ursprüngliche Maximalantwort wiederherzustellen. Die Größe des P2X 1 -Rezeptorstroms ist abhängig von der ATP-Konzentration, wobei eine halbmaximale Aktivierung mit ca. 1 M ATP ausgelöst werden kann. Die Agonistenkonzentration, die halbmaximale Aktivierung erzeugt, wird oft als EC 50 -Wert bezeichnet. . Abb. 8.10 zeigt ein typisches Experiment zur Bestimmung des EC 50 -Werts durch die Aktivierung mittels ATP-Konzentrationen zwischen 0,03 und 30 M. Rechts ist die daraus gewonnene Dosiswirkungskurve des P2X 1 -Rezeptors für ATP gezeigt. Da der P2X 1 -Rezeptor nach Wechsel zu ATP-haltiger Lösung sehr schnell aktiviert, ist es interessant, die Stromsignale aus TEVC und Patch-Clamp-Messungen miteinander zu vergleichen. . Abb. 8.11 zeigt eine Stromregistrierung an einer intakten Zelle (TEVC, . Abb. 8.11a) und von einem outside-out-Patch (. Abb. 8.11b). In beiden Messungen wurden die Kanäle mit 1 M ATP aktiviert. Der Vergleich zeigt, dass sowohl Anstieg als auch Abfall des Stroms im Patch-Experiment deutlich schneller erfolgen. Dieser Umstand lässt sich einfach durch den wesentlich schnelleren Lösungswechsel im Patch-Experiment erklären (ca. 2 ms im Vergleich zu Aus der Aminosäuresequenz des P2X 1 -Rezeptors lässt sich die Existenz von fünf Konsensussequenzen für eine mögliche Glykosylierung ableiten, die alle auf der extrazellulär liegenden Schleife der Rezeptoruntereinheit lokalisiert sind (N1-N5, s. . Abb. 8.6). Eine biochemische Analyse der in Oozyten exprimierten Rezeptoren konnte nachweisen, dass vier der fünf möglichen Glykosylierungsstellen tatsächlich glykosyliert werden. Eine Fragestellung, die mit biochemischen Methoden nicht beantwortet werden kann, ist die nach dem Einfluss des Glykosylierungszustands auf die funktionellen Eigenschaften der Rezeptoren wie z. B. ATP-Empfindlichkeit, kinetische Eigenschaften usw. Daher wurden die in ihren Glykosylierungsstellen mutierten Rezeptoruntereinheiten in Xenopus-Oozyten exprimiert und bezüglich ihrer ATP-Empfindlichkeit elektrophysiologisch charakterisiert. Die elektrophysiologischen Messungen konnten zeigen, dass ein Unterbinden der Glykosylierung an der Stelle N3 zu einer etwa dreifach verminderten Empfindlichkeit für ATP führt. Alle übrigen Glykosylierungsstellen scheinen hingegen keinen Einfluss auf die ATP-Empfindlichkeit zu haben. . Abb. 8.13 gibt eine grafische Repräsentation dieser Ergebnisse. Zusammengefasst zeigen die Ergebnisse der Kombination aus Molekularbiologie, Biochemie und Elektrophysiologie, dass eine zunehmende Anzahl fehlender Glykosylierungsstellen zu einer Abnahme funktionell detektierbarer Rezeptoren führt (reflektiert durch abnehmende Ströme und die abnehmende Intensität der Banden auf dem SDS-Gel). Ein funktioneller Unterschied wurde jeweils nur für die Konstrukte gefunden, bei denen die dritte Glykosylierungsstelle fehlte. Diese Konstrukte zeigten den Effekt einer verminderten ATP-Sensitivität mit einem EC50-Wert von 2 M im Vergleich zum Wildtyp-Rezeptor mit einem EC50-Wert von 0,6 M. In diesem Abschnitt wollen wir aufzeigen, wie die Elektrophysiologie mit Virologie und Pharmakologie kombiniert werden kann, um Medikamente gegen virale Infektionen zu entwickeln. Als Beispiel dafür verwenden wir virale Ionenkanäle als einen möglichen Angriffsort für antivirale Medikamente. Eine interessante, vielversprechende Quelle für neue Medikamente sind Komponenten aus Kräutern der traditionellen chinesischen Medizin. Die Abbildung demonstriert, dass alle an der Stelle N3 mutierten Rezeptoren eine verminderte ATP-Empfindlichkeit aufweisen. (Nach Rettinger et al. 2000a , Fig. 4, Copyright (2000 Für das 3a-Protein von SARS-Coronaviren (s. . Abb. 8.14, . Abb. 8.15b) konnte gezeigt werden (Lu et al. 2006) , dass Tetramere den Ionenkanal bilden, der in die Membran der infizierten Zelle eingebaut wird (. Abb. 8.15a). Mithilfe der Patch-Clamp-Technik konnten Einzelkanalleitfähigkeiten von 20-30 pS bestimmt werden (. Abb. 8.16). Die Kanäle sind selektiv für monovalente Kationen permeabel mit der höchsten Selektivität für K C . Wenn die 3a-Kanäle aktiv sind, wird das Membranpotenzial der infizierten Zelle depolarisiert, was zu einer Aktivierung von Ca 2C -Kanälen führt. Der damit verbundene Anstieg der intrazellulären Ca 2C -Aktivität begünstigt die exozytotische Freisetzung der neugebildeten Viren aus der Wirtszelle (Lu et al. 2006 Weitere effektive pflanzliche Mittel findet man unter den Flavonoiden, insbesondere unter den Kaempferolglycosiden. Das Kaempferolglycosid Juglanin inhibiert den 3avermittelten Strom (. Abb. 8.20a); es ist sogar um eine Größenordnung effektiver (IC 50 2 M) als das Emodin (s. . Abb. 8.19a und . Abb. 8.20b). Abb. 8.14) der Viren, indem Protonen durch den M2-Kanal die Membran des Virons überqueren können. In der Vergangenheit war ein effektiver Inhibitor der M2-Funktion das Amantidin, das als wirksames Medikament bei der Behandlung von Influenza-A-Infektionen Verwendung fand. Mittlerweile sind aber sämtliche Influenza-A-Viren Amantidin-resistent geworden, und weltweit wird intensiv nach Ersatzmedikamenten gesucht. Es stellt sich die Frage, ob Kaempferolglycoside auch die Grundlage für die Entwicklung neuer Medikamente gegen Influenza-A sein können. Voltage-Clamp-Untersuchungen am M2-Kanal in Xenopus-Oozyten ergaben, dass ein Triglycosid effektiv den pH-sensitiven Strom inhibieren kann (. Abb. 8.23). Zusammenfassend können wir sagen, dass die Aktivität verschiedener viraler Ionenkanäle essenziell für die Virenreproduktion in den infizierten Zellen ist. Eine Inhibierung der Kanalaktivität durch chemische Substanzen wird dem Reproduktionsprozess entgegenwirken und gibt damit dem Körper mehr Zeit, sein eigenes Immunsystem aufzubauen und zu kräftigen. Die Virenkanäle sind somit mögliche Kandidaten als Angriffsort für die Entwicklung neuer Medikamente. Die Voltage-Clamp-Technik ist dabei eine einfache Methode, um chemische Substanzen in ihrer Wirkung zu testen und den Wirkungsmechanismus zu analysieren. Insbesondere die automatisierten Methoden (7 Kap. 4) können für das Testen einer größeren Zahl von Substanzen hilfreich sein. In diesem Abschnitt über virale Ionenkanäle haben wir an natürlich vorkommenden Substanzen gezeigt, dass Kaempferolderivate und Anthraquinone interessante Kandidaten sein können. Die Kombination von Elektrophysiologie, Molekularbiologie und Pharmakologie bildeten die Grundlage für diese Entwicklung. Bei der Suche nach Inhibitoren dieses Vpu-Kanals wurde als antivirale Substanz unter anderem das Flavonoid Genistein vorgeschlagen. Der Vpu-vermittelte Strom konnte auch als Ba 2C -sensitiver Strom analysiert werden Matrixprotein 2 (M2) des Influenza-A-Virus Wie das Vpu-Protein hat auch das Influenza-A-Matrixprotein M2 nur ein transmembranes Segment; der Kanal wird durch eine tetramere Struktur gebildet (. Abb. 8.22a) und weist eine geringe Leitfähigkeit für Protonen auf Welches sind die Hauptaufgaben der Na-Pumpe? Welche Bedeutung haben die˛-,ˇ-und -Untereinheit der Na-Pumpe? Welche physiologische Bedeutung kommt dem P2X-Rezeptor zu? Welche Rolle spielt ein Neurotransmittertransporter für physiologische und pathophysiologische Funktionen? Welche Familien von Ionenkanälen kennen Sie? Beschreiben Sie die Rolle, die virale Ionenkanäle bei der Virusreplikation spielen Inwiefern kann die Elektrophysiologie bei der Entwicklung antiviraler Medikamente helfen? Nennen Sie Beispiele Piezo proteins: regulators of mechanosensation and other cellular processes New structural motif for ligand-gated ion channels defined by an ionotropic ATP receptor Purinergic nerves Current status of purinergic signalling in the nervous system Antiviral agents active against influenza A viruses TRP channels in mechanosensation: direct or indirect activation Mechano-gated ion channels in sensory systems Single channel properties of P2X 2 purinoceptors Viral ion channels: structure and function Emodin blocks the SARS coronavirus spike protein and angiotensin-converting enzyme 2 interaction A quantitative description of membrane current and its application to conductance and excitiation in nerve Assembly of viral membrane proteins Effect of mutation of glycosylation sites on the Na C dependence of steady-state and transient current generated by the neuronal GABA transporter Severe acute respiratory syndrome-associated coronavirus 3a protein forms an ion channel and modulates virus release P2X 1 and P2X 3 receptors form stable trimers: a novel structural motif of ligand-gated ion channels Mechanically activated ion channels Mechanically activated ion channels Roles of individual N-glycans for ATP potency and expression of the rat P2X 1 receptor Genistein as antiviral drug against HIV Ion channel Identification of an ion channel activity of the Vpu transmembrane domain and its involvement in the regulation of virus release from HIV-1-infected cells Structure-Function relationships of the Na+/K+-pumps expressed in Xenopus oocytes Emodin inhibits current through SARS-associated coronavirus 3a protein Coronaviral ion channels as target for Chinese herbal medicine Kaempferol derivatives as antiviral drugs against 3a channel protein of coronavirus The discovery of artemisinin (qinghaosu) and gifts from Chinese medicine A new class of ligand-gated ion channel defined by P2X receptor for extracellular ATP Structure-function relationships of cation binding in the Na C /K C -ATPase Viral proteins function as ion channels Functional role of the N-terminus of the Na C ,K C -ATPase '-subunit as an inactivation gate of palytoxin-induced pump channel