key: cord-0044959-mt9xpn8h authors: Wagner, Leonie title: Soziale Arbeit und „Corona“: Einige „blinde Flecken“ in der Pandemiediskussion date: 2020-06-08 journal: Sozial Extra DOI: 10.1007/s12054-020-00291-6 sha: 25c604d7285feeca6c6808743b1dece54fa4d54c doc_id: 44959 cord_uid: mt9xpn8h Soziale Arbeit geriet in den Diskussionen und Planungen um die Eindämmung der Corona-Pandemie erst langsam und nach deutlichen Interventionen in den Blick. Und bis heute sind weder alle Handlungsfelder als „systemrelevant“ anerkannt, noch werden Expert_innen der Sozialen Arbeit in die Beratungsgremien der Politik berufen. Hinzu kommen nationalstaatliche Orientierungen, die für Internationale Soziale Arbeit eine Herausforderung darstellen. in entscheidender Grund für die Nichtwahrnehmung ist, dass Soziale Arbeit und soziale Einrichtungen -und damit auch die in ihnen Beschäftigten -nicht zu den "Kritischen Infrastrukturen" zählen. Mit "Kritischen Infrastrukturen" sind nach einer interministeriellen Definition aus dem Jahr 2016 folgende Sektoren gemeint: Energie, Gesundheit, IT und TK, Transport und Verkehr, Medien, Wasser, Finanz-und Versicherungswesen, Ernährung sowie Staat und Verwaltung (Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen (BSI-KritisV) vom 3. Mai 2016). Während diesen eine wichtige "Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden" (BSI-Kri-tisV 2020), zugeschrieben wird, wurde Soziale Arbeit -bis auf wenige Handlungsfelder, wie der Beitrag von Stephan Schlebusch über Auswirkungen der Corona- Situation keine nachgefragten Expert_innen. Im Gegenteil wurden alltägliche sozialarbeiterische Leistungen erst nach deutlichem Einspruch der (Wohlfahrts-) Verbände in staatliche Unterstützungsmaßnahmen aufgenommen. Dies ist vielleicht auch ein Zeichen, dass Disziplin und Profession sich lange Zeit eher wenig politisch positioniert und eingemischt hat. Damit wurde auch versäumt, auf die Zusammenhänge von wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung hinzuweisen bzw. diese notwendige Einheit im politischen und öffentlichen Bewusstsein stark zu machen. Gerade angesichts zu erwartender Einsparungen in der sich abzeichnenden ökonomischen Krise müssen solche Zusammenhänge laut und vernehmbar vorgetragen werden. Wichtig scheint damit, dass die Profession und Disziplin Soziale Arbeit sich in der Gegenwart und Zukunft besser platzieren, ihre "Systemrelevanz" und ihren Platz in der "kritischen Infrastruktur" verdeutlicht und Ansprüche an eine Beteiligung an Krisen-oder Katastrophendiskursen fordert und auch wahrnimmt. Die ver.di-Kampagne "Wir sind unverzichtbar" 1 und oder auch die Stellungnahme "Soziale Arbeit während der Corona-Pandemie: Who cares?!" des DBSH-Landesverbandes Berlin/Brandenburg 2 sind hier sicher ein guter Anfang. Eine Reihe der Maßnahmen, die zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus eingeleitet wurden, trugen zudem Züge einer nationalstaatlichen Abschottung. Grenzschließungen, Ausfuhrverbote für medizinische Waren, Aufnahmestopps für Geflüchtete und eine Logik, in der zunächst die nationalen Interessen im Vordergrund standen und erst langsam auch internationale Dimensionen, Fragen und Probleme in den Blick gerieten -und dies war zunächst auch noch wesentlich auf die EU begrenzt. Während im "Inland" dem Schutz des Lebens eine hohe Priorität eingeräumt wird, galt und gilt dies z. B. nicht für die in einigen Ländern oder an den Grenzen der EU in engen in überfüllten Lagern versammelten Schutzsuchenden aus Drittstaaten. Eine Erweiterung der Perspektive erscheint aber dringend notwendig, reflektiert sie doch nicht zuletzt auch den Charakter einer Pandemie, d. h. der kontinentübergreifenden Ausbreitung eines Infektionserregers. Spiegeln sich darin zum einen verschiedene Dimensionen von Globalisierungsprozessen -die schnelle Ausbreitung des Virus durch moderne Mobilität, die Verlagerung von Produktionsstätten in einzelne Länder und die damit entstandenen Abhängigkeiten -so machen sich auch in internationaler Hinsicht soziale Ungleichheiten in einer ebenso schnellen Abfolge bemerkbar. Das müss- Pressemitteilung: Ein starker Sozialstaat in Zeiten der Krise Häufige Fragen zum Gesetz über den Einsatz der Einrichtungen und sozialen Dienste zur Bekämpfung der Coronavirus SARS-CoV-2 Krise in Verbindung mit einem Sicherstellungsauftrag Bundesfamilienministerium: Ministerin Giffey: Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen sind systemrelevant Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik Zweite Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 13. März 2020 in der Fassung vom 20