key: cord-0053250-tzdmv58g authors: Terjung, Birgit; Gross, Manfred title: Neuigkeiten der Digestive Disease Week: Kolon und CED date: 2020-12-08 journal: Gastro-News DOI: 10.1007/s15036-020-1408-4 sha: e147834082df5273fbf75b4506d4234153c1c885 doc_id: 53250 cord_uid: tzdmv58g nan So interessant diese Daten zu sein scheinen, die Umsetzung in den Alltag ist umso komplexer! Denn der Schwefelgehalt der Nahrung ist nicht leicht zu ermitteln, da Schwefel nicht in der üblichen Darstellung der Zusammensetzung von Nahrungsmitteln angegeben wird. Über einen Umweg lässt sich allerdings ein Hinweis auf diesen offensichtlich relevanten proinflammatorischen Nahrungsbestandteil erlangen. Ein Hinweis kann über den EDIP(Empirical Dietary Inflammatory Patern)-Score erreicht werden, der hohe Werte bei einer an tierischen Nahrungsmitteln reichen Ernährung liefert [4] . Dieser Score wurde empirisch ermittelt und ist ein Maß dafür, wie stark Nahrung zu einem Anstieg von proinflammatorischen Zytokinen und C-reaktives Protein führt. Praktisch gesprochen umfasst er 18 Nahrungsmittelgruppen (neun pro-und neun antiinflammatorische). Zu den proinflammatorischen Nahrungsmitteln (hoher EDIP-Score) zählen zum Beispiel rotes und verarbeitetes Fleisch, raffiniertes Getreide und kohlensäurehaltige Getränke. Als antiinflammatorische Nahrungsmittel (niedriger EDIP-Score) hingegen werden zum Beispiel Bier und Wein (in geringen Mengen), Kaffee, Tee, Gemüse, Blattgemüse und Fruchtsaft eingestuft. Interessanterweise wurde der EDIP-Score in den gleichen drei großen Langzeitstudien evaluiert, wie oben zur Analyse des Schwefelgehaltes der Nahrung und Inzidenz von CED eingesetzt [4] . Analog zeigten die Personen in der Quartile mit dem höchsten EDIP-Score eine signifikant höhere Inzidenz an Morbus Crohn im Vergleich zu einer Ernährung mit niedrigem EDIP-Score (RR 1,45, 95 %-KI 1,06-1,99, p = 0,02). Auch hier zeigte sich nur ein deutlicher Effekt für den Morbus Crohn, nicht aber für die Colitis ulcerosa. Zusammengefasst bestätigen diese Studien, dass sich eine antiinflammatorische ballastoffreiche, an tierischen Produkten reduzierte Kost möglicherweise günstig auf die Inzidenz des Morbus Crohn auswirken könnte. Ähnliche Effekt waren auch schon in Publikationen auf der DDW 2019 für das kolorektale Karzinom (KRK) und für die Divertikulitis beschrieben worden [5] . Dies ist ein erneuter Hinweis, dass auch ernährungstherapeutische Interventionen bei der Therapie der CED, KRK und Divertikulitis vermutlich sinnvoll sind. Die Suche nach nicht invasiven Biomarkern zur Diagnose, Therapie und Verlaufsbeurteilung des Reizdarmsyndroms und der CED steht im Fokus zahlreicher wissenschaftlicher Bemühungen. So erregen aktuell Berichte über unser "Volatom" Aufmerksamkeit, also flüchtige und gasförmige Stoffwechselprodukte sowie mikrobielle Abbaubauprodukte in der Ausatemluft oder Stuhl eines jeden (volatile organic compounds, VOC). Denkbar wäre es, diese VOC bestimmten Krankheiten zuzuordnen. In einem systematischen Review von 24 Studien zu dem Nachweis von VOC bei Morbus Crohn oder dem Reizdarmsyndrom konn- Zahlreiche Biologika oder Small Molecules gegen vielfältige Zielstrukturen befinden sich in der Pipeline, Zulassungen sind aber noch nicht kurzfristig zu erwarten. Aktueller Fokus der Untersuchungen liegt auf neuen Applikationsformen der schon bewährten Substanzen. Im April 2020 wurde Vedolizumab auch als subkutane Applikationsform zugelassen. Im Rahmen einer Induktionstherapie werden die ersten beiden Gaben (Woche 0 und 2) infusional verabreicht, ab Woche 6 kann Vedolizumab subkutan alle zwei Wochen für die Indikationen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa appliziert werden. Die Zulassungsdaten (VISIBLE 1: Colitis ulcerosa; VISIBLE 2: Morbus Crohn) zeigten ein vergleichbares Ansprechen, unabhängig von der Applikationsform, bei vergleichbarem Nebenwirkungsspektrum [12] . Eine zusätzliche Interimanalyse konnte zeigen, dass eine Dosiseskalation durch Intervallverkürzung, das heißt eine wöchentliche Gabe von Vedolizumab s. c., eine Zunahme der klinischen Remissionsraten zu Woche 52 um 20-25 % bei den Non-Respondern zu Woche 6 erbringen konnte [13] . Auch Infliximab steht seit September 2020 als subkutane Applikationsform zur Verfügung. Auf der DDW 2020 wurden die Zulassungsdaten präsentiert [14] . Das Infliximab-Biosimilar CT-P13 wurde bei subkutaner Gabe auf Unterlegenheit gegenüber dem infusionalen Regime bei aktivem Morbus Crohn und Colitis ulcerosa geprüft. Nach einer intravenösen Loading dose zu Woche 0 und 2 erhielten die Patienten ab Woche 6 alle zwei Wochen subkutan 120 mg oder 240 mg CT-P13. In einer Vergleichsgruppe wurde CT-P13 alle acht Wochen infundiert. Hier zeigte sich in beiden Indikationen ein vergleichbares Ansprechen unabhängig von der Applikationsform. Die Dosis von 120 mg war einer Dosis von 240 mg nicht unterlegen, sodass diese Beobachtung zuletzt zur Zulassung von CT-P13 in der Dosierung 120 mg s. c. alle zwei Wochen führte. Zusätzlich war das Nebenwirkungsprofil, die Immunogenität und Bildung von Anti-Drug-Antiköpern bei beiden Applikationsformen vergleichbar. Auch scheint ein Wechsel einer länger bestehenden i. v. Infliximab-Therapie auf die subkutane Gabe ohne Wirkverlust möglich zu sein. Damit steht jetzt auch Infliximab für die s. c. Applikation zur Verfügung, was nicht zuletzt einen maßgeblichen Einfluss auf die Logistik im Praxisalltag hat. Und gerade in Zeiten der aktuellen COVID-19-Pandemie ermöglicht die Selbstapplikation zuhause eine relevante Risikominimierung einer potenziellen Infektion! Allerdings, und das sollte immer auch bei der Umstellung beachtet werden, stellt die s. c. Applikation deutlich höhere Anforderungen an die Compliance des Patienten. Neben der Zulassung der s. c. Applikationsformen von Vedolizumab und Infliximab stand auf der anderen Seite die Therapieoptimierung einer Biologikagabe im Fokus. Stellvertretend seien hier verschiedene Untersuchungen zu Ustekinumab genannt, das im August 2019 auch noch die Zulassung für die Indikation der Colitis ulcerosa erhielt. Die jetzt vorgestellten 2-Jahres-Daten zeigten eine gute Effektivität von Ustekinumab bei der mäßig schweren bis schweren Colitis ulcerosa nach zwei Jahren Behandlungsdauer. Dies galt sowohl bei biologikaerfahrenen als auch bei biologikanaiven Patienten: Wenn die Patienten eine symptomatische Remission erreicht hatten, blieben sie überwiegend stabil in Remission (hier bis Woche 92 ermittelt) [15] . Dies war unabhängig davon, ob bereits zu Woche 8 ein An- aktuell sprechen verzeichnet wurde oder die Patienten als "Late-Responder" eingestuft wurden [16] . Bemerkenswert war zusätzlich, dass etwa 95 % der Patienten steroidfrei waren [17] . Zusätzlich beschäftigten sich weitere Analysen damit, ob 65plus-Patienten ein vergleichbares Ansprechen wie jüngere Patienten zeigten. Dies konnten Garg et al. bejahen, es zeigte sich allerdings, dass ältere Patienten tendenziell langsamer ansprachen [18] . Postoperatives Infektionsrisiko bei CED: Wie die immunsuppressive Therapie präoperativ steuern? Seit Jahren wird das postoperative Infektionsrisiko unter Steroiden, Immunmodulatoren und Biologika in der Viszeralmedizin kontrovers diskutiert. Auch bei der diesjährigen DDW war dies wieder eine intensiv diskutierte Frage. Zwei groß angelegte Analysen aus den USA mit gesamt knapp 3.000 eingeschlossenen Patienten konnten mehr Klarheit in dieser Frage bringen. Die bereits 2019 bei der DDW vorgestellte PUCCINI-Studie konnte mit einem prospektiven Design zeigen, dass eine Gabe von Anti-TNF-Biologika in einem Zeitraum von bis zu 90 Tagen präoperativ das Risiko für postoperative Komplikationen nicht erhöht hat [19] . Die Ergebnisse der bislang größten Kohorte einer präoperativen Biologikagabe in den USA wurden jetzt in einer retrospektiven Erhebung präsentiert [20] . Auch hier zeigte sich, dass die Gabe von Biologika bis 60 Tage präoperativ nicht mit vermehrten allgemeinen Komplikationen oder postoperativen Infektionen assoziiert ist. Allerdings bleibt zu betonen, dass die gewählten biologikafreien Intervalle präoperativ von 60 beziehungsweise 90 Tagen eher lang sind. Subkutane Applikationen von Biologika mit kürzeren Intervallen wurden hier nicht berücksichtigt, ebenso keine Patienten, die bei Sekundärversagen der Biologikatherapie kürzere Intervalle als 60 Tage zwischen zwei Infusionen benötigen. Auch für Vedolizumab und Ustekinumab wurden im Falle einer präoperativen Gabe keine vermehrten postoperativen Infektionen beobachtet [21] . Hier sind weitere Studien nötig, insbesondere auch zu der Fragestellung, wann bestmöglich Biologika nach der Operation wieder gegeben werden können. Die SARS-CoV2-Pandemie war noch kein Thema auf dem DDW 2020, zumindest nicht in den eingereichten Abstracts und Vorträgen, nicht zuletzt basierend auf den Fristen für die Abstract-Einreichung. Stattdessen sollen hier die Empfehlungen eines Addendums zu den deutschen S3-Leitlinien Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zusammengefasst werden [22] , die wesentliche Fragen des Praxisalltags zu beantworten versuchen. Diese Empfehlungen beruhen im Wesentlichen auf den Daten, die in der Secure-IBD-Database (www.covidibd.org) erfasst sind. Diese Datenbank hatte im Sommer 2020 zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Addendums rund 1.400 CED-Patienten mit COVID-19 eingeschlossen. Patienten mit einer CED unter einer immunsuppressiven Therapie haben ein erhöhtes Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion und die Patienten sollten die Schutzmaßnahmen sorgfältig umsetzen (Empfehlung 1.2) (▶Tab. 1). Sie haben jedoch generell kein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf der Infektion (Empfehlung 3.1). Eine Ausnahme bildet die längerdauernde Therapie mit systemischen Steroiden, insbesondere in Dosierungen höher als 20 mg Prednisonäquivalent/Tag (Statement 3.2). Eine solche Therapie war signifikant mit schweren Verläu-fen und Todesfällen assoziiert und sollte deshalb in Pandemiezeiten möglichst nicht durchgeführt werden. Hingegen fand sich keine wesentlich erhöhte Risikokonstellation bei der fortgesetzten Gabe von TNF-alpha-Blockern, Vedolizumab oder Ustekinumab. Bei CED-Patienten mit nachgewiesener COVID-19-Erkrankung kann die Therapie mit Biologika, Thiopurinen, Methotrexat und Tofacitinib pausiert werden und nach Überwinden der Infektion kurzfristig wieder aufgenommen werden (Empfehlung 3.2 und 3.8). Ein wesentlicher und manchmal unterschätzter Punkt: Aufgrund des mittlerweile gut dokumentierten erhöhten Thromboserisikos bei COVID-19-Infektion und des per se erhöhten Thromboserisikos bei CED-Patienten mit akuter Entzündungsaktivität, sollte die Indikation zur Gabe einer Thromboseprophylaxe in diesem Risikokollektiv großzügig getroffen werden (Empfehlung 4.3). Publication trends in gastroenterology and hepatology over the past 40 years: an artificial intelligence analysis Dietary factors in sulfur metabolism and pathogenesis of ulcerative colitis The sulfur microbial diet and risk of inflammatory bowel disease: results from three large prospective cohorts An inflammatory diet and risk of Crohn's disease and ulcerative colitis Intake of dietary fiber, fruits, and vegetables and risk of diverticulitis Volatomics in inflammatory bowel disease and irritable bowel syndrome: present and future Volatomics in inflammatory bowel disease and irritable bowel syndrome What is new in Rome IV Wordwide prevalence and burden of functional gastrointestinal disorders, results of Rome foundation global study Prevalence of Rome IV functional bowel disorders among adults in the United States, Canada, and the United Kingdom Rome IV and Rome III irritable bowel syndrome (IBS) across the globe: findings of a population-based internet survey of adults in 26 countries The Visible 2 phase 3 study of efficacy and safety of vedolizumab s.c. for moderate to severe Crohn's disease Dose escalation of subcutaneous vedolizumab in patients with ulcerative colitis: a post hoc analysis of the visible trial data A novel subcutaneous infliximab (CT-P139 in patients with active Crohn's disease and ulcerative colitis: week 54 and switching results from a multicenter pivota trial Efficacy of ustekinumab for ulcerative colitis through 2 years: results of the UNIFI maintenance study and long-term extension Efficacy and safety of long-term treatment with ustekinumab in moderate-severe ulcerative colitis patients with delayed response to ustekinumab induction: results from the UNIFI 2-year long-term extension Corticosteroid sparing effects of ustekinumab therapy for ulcerative colitis through 2 years: UNIFI long-term extension Ustekinumab is safe in elderly Crohn's disease patients Anti-tumor necrosis factor therapy is not associated with postoperative infection: results from prospective cohort of ulcerative colitis and Crohn's disease patients undergoing surgery to identify risk factors for post-operative infection (PUCCINI) Biologics before surgery for IBD -are they associated with post-operative infectious outcomes? Results from the national surgical quality improvement program inflammatory bowel disease collaborative > 1500 patients Pre-operative ustekinumab treatment and postoperative complications in patients with Crohn's disease: systematic review and meta-analysis Addendum zu den S3-Leitlinien Morbus Crohn und Colitis ulcerosa: Betreuung von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen in der COVID-19-Pandemie -offene Fragen und Antworten Quelle: Digestive Disease Week (DDW) Die Referenten des traditionellen DDW-Updates, organisiert und durchgeführt von K&L, sichten die Beiträge der Digestive Disease Week und fassen die wichtigsten praxisrelevanten Neuerungen des Kongresses kompakt zusammen. Die ausgewählten Beiträge wurden dann erstmals in einer digitalen Veranstaltung Weitere Informationen unter www.ddw-update.de PD Dr. med. Birgit Terjung GFO Kliniken Bonn Betriebsstätte St. Josef-Hospital Hermannstraße Manfred Gross Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie Internistisches Klinikum München Süd Am Isarkanal 36