key: cord-0055823-c8qmb5vi authors: Murphy, Kenneth; Weaver, Casey title: Die Entstehung von Antigenrezeptoren in Lymphocyten date: 2018-04-23 journal: Janeway Immunologie DOI: 10.1007/978-3-662-56004-4_5 sha: dd1cf02b16b7d6888502b35b0eaa25e2cf03617d doc_id: 55823 cord_uid: c8qmb5vi nan Ein Lymphocyt exprimiert viele genaue Kopien eines einzigen Antigenrezeptors, der eine spezifische Antigenbindungsstelle enthält (Abschn. 5.3.1). Die klonale Expression der Antigenrezeptoren bedeutet, dass jeder Lymphocyt unter Milliarden von Lymphocyten, über die jeder Mensch verfügt, einmalig ist. In Kap. 4 haben wir uns mit den Strukturmerkmalen der Immunglobuline und T-Zell-Rezeptoren, also mit den Antigenrezeptoren auf den Bbeziehungsweise T-Zellen beschäftigt. Dabei haben wir erfahren, dass das riesige Repertoire der Antigenrezeptoren durch Variationen der Aminosäuresequenzen an der Antigenbindungsstelle zustande kommt, die sich aus zwei variablen Regionen der beiden Proteinketten des Rezeptors zusammensetzt. Bei den Immunglobulinen sind dies die vari able Region der schweren Kette (V H ) und die variable Region der leichten Kette (V L ), bei den T-Zell-Rezeptoren die V α -und die V β -Regionen. Die Immunglobulindomänen dieser Regionen enthalten drei Schleifen, die drei hypervariable Regionen oder kom plementaritätsbestimmende Regionen (CDRs) umfassen (Abschn. 4.2.1). Diese bilden die Antigenbindungsstelle und ermöglichen die scheinbar unbegrenzte Vielfalt an Spezifitäten. In den 1960er-und 1970er-Jahren erkannte man in der Immunbiologie, dass die begrenzte Größe des Genoms (knapp drei Milliarden Nucleotide) nicht ausreicht, eine genügend große Zahl von Genen für die beobachtete Vielfalt der Antigenrezeptoren zu codieren. Wenn beispielsweise jeder Antikörper von einem eigenen Gen codiert würde, wäre es ein Leichtes, damit das gesamte Genom auszufüllen. Wie wir aber feststellen werden, werden die variablen Regionen der Rezeptorketten nicht von einem einzigen DNA-Abschnitt direkt als vollständige Immunglobulindomäne codiert. Stattdessen sind die variablen Regionen in Gensegmenten angelegt, die jeweils nur einen Teil der Immunglobulindomäne codieren. Während der Entwicklung jedes einzelnen Lymphocyten werden diese Gensegmente durch den Prozess der somatischen DNARekombination neu geordnet, sodass eine vollständige und einmalige codierende Sequenz für die variable Region entsteht. Diesen Vorgang bezeichnet man als Genumlagerung. Eine vollständig zusammengesetzte Sequenz der variablen Region entsteht durch die Kombination von zwei oder drei Arten von Gensegmenten, die im Keimbahngenom jeweils mit mehreren Kopien vorhanden sind. Die letztendliche Vielfalt des Rezeptorrepertoires kommt während der Entwicklung der Lymphocyten zustande, bei der für jeden aus den vielen verschiedenen Gensegmenten der einzelnen Typen ein vollständiger Antigenrezeptor zusammengesetzt wird. Durch diesen Prozess erhält jeder Lymphocyt nur eine der vielen verschiedenen möglichen Kombinationen von Antigenrezeptoren. So entsteht das Repertoire der diversen Antigenspezifitäten der naiven B-und T-Zellen. Im ersten und zweiten Teil dieses Kapitels beschäftigen wir uns mit den Genumlagerungen, durch die das primäre Repertoire der Immunglobuline und T-Zell-Rezeptoren entsteht. Der Mechanismus der Genumlagerung ist bei B-und T-Zellen gleich und seine Evolution hat möglicherweise entscheidend zur Evolution des adaptiven Immunsystems der Vertebraten beigetragen. Im dritten Teil dieses Kapitels wollen wir klären, wie der Übergang von aktivierten B-Zellen, welche Transmembranimmunglobuline produzieren, zu Plasmazellen erfolgt, die dann Antikörper sezernieren. Immunglobuline können entweder als Transmembranrezeptoren oder sezernierte Antikörper synthetisiert werden. Das unterscheidet sie von den T-Zell-Rezeptoren, die nur in der Transmembranform vorkommen. Antikörper können außerdem als Isotypen mit unterschiedlichen Arten der konstanten Regionen produziert werden (Abschn. 4.1.1). Hier beschreiben wir, wie die Expression der Isotypen IgM und IgD reguliert wird. Den Vorgang des Isotypwechsels besprechen wir jedoch erst in Kap. 10, da dieser Prozess und die Affinitätsreifung der Antikörper normalerweise im Zusammenhang mit einer Immunantwort vor sich gehen. Der letzte Teil des Kapitels befasst sich kurz mit alternativen Formen der Genumlagerungen, die sich in der Evolution bei anderen Spezies herausgebildet haben. Nahezu jede Substanz kann eine Antikörperantwort hervorrufen und die Antwort auf ein einzelnes Epitop umfasst viele unterschiedliche Antikörpermoleküle, von denen jedes eine etwas andere Spezifität für das Epitop und eine eigene Affinität oder Bindungsstärke besitzt. Die vollständige Sammlung von Antikörperspezifitäten in einem Individuum nennt man das Antikörperrepertoire oder Immunglobulinrepertoire. Es umfasst beim Menschen mindestens 10 11 verschiedene Antikörpermoleküle, wahrscheinlich sogar noch um einige Größenordnungen mehr. Die Zahl der Antikörperspezifitäten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhanden sind, ist jedoch limitiert durch die Gesamtzahl von B-Zellen in einem Individuum, aber auch durch die erfolgten Begegnungen des Individuums mit Antigenen. Bevor man Immunglobulingene direkt untersuchen konnte, stellte man zwei Haupthypothesen zur Entstehung ihrer Vielfalt auf. Nach der einen, der Keimbahntheorie, gibt es für jede Immunglobulinkette ein eigenes Gen, und das Antikörperrepertoire wird weitgehend vererbt. Im Gegensatz dazu gehen die Theorien der somatischen Diversifikation davon aus, dass eine begrenzte Zahl vererbter Gensequenzen für variable Regionen (V-Region-Sequenzen) in B-Zellen während des Lebens eines Individuums Veränderungen durchmachen und so das beobachtete Repertoire schaffen. Die Klonierung der Gene, die Immunglobuline codieren, zeigte, dass beide Theorien zum Teil recht hatten. Die DNA-Sequenz, die jede variable Region codiert, entsteht durch Umlagerungen einer verhältnismäßig kleinen Gruppe vererbter Gensegmente. Die Vielfalt wird durch den Prozess der somati schen Hypermutation in gereiften aktivierten B-Zellen noch vergrößert. Insofern hat sich die Theorie der somatischen Diversifikation durchaus als richtig erwiesen, aber auch die Keimbahntheorie mit ihrem Konzept der multiplen Keimbahngene trifft zu. werden Immunglobulingene neu geordnet 7 Abb. 5.1 zeigt den Zusammenhang zwischen der Antigengenbindungsstelle und der Domänenstruktur in der variablen Region der leichten Kette und des Gens, das diese codiert. Grundelement der variablen Regionen der schweren und der leichten Ketten ist die Immunglobulinfaltung aus neun β-Strängen. Die Antigenbindungsstelle besteht aus drei Schleifen von Aminosäuren, die man als die hypervariable Regionen HV1, HV2 und HV3 oder auch als CDR1, CDR2 und CDR3 bezeichnet (7 Abb. 5.1a). Diese Schleifen liegen zwischen den Paaren der β-Stränge B und C, C′ und C″ sowie F und G (7 Abb. 5.1b). In einer reifen B-Zelle werden die variablen Regionen der schweren und der leichten Kette von jeweils einem einzigen Exon codiert, sind jedoch innerhalb dieser codierenden Sequenz voneinander getrennt (7 Abb. 5.1c). Das Exon steht im Gen an der zweiten Position (Exon 2). Das erste Exon der variablen Regionen codiert die Leader-Sequenz des Antikörpers, die den Antikörper in das endoplasmatische Reticulum dirigiert, entweder zur Expression auf der Oberfläche oder zur Sekretion. Anders als bei den meisten übrigen Genen gibt es die vollständige DNA-Sequenz des Exons der variablen Region nicht in der Keimbahn eines Individuums, sondern sie wird am Anfang von zwei getrennten DNA-Segmenten codiert (7 Abb. 5.2). Diese beiden DNA-Segmente werden während der Entwicklung der B-Zelle im Knochenmark zusammengespleißt und bilden so das vollständige Exon 2. Die ersten 95-101 Aminosäuren der variablen Region, welche die β-Faltblätter A-F und die ersten beiden hypervariablen Regionen ausmachen, stammen aus dem VGenSegment (7 Abb. 5.2). Dieses Segment trägt auch einen Teil zur dritten hypervariablen Region bei. Weitere Abschnitte der dritten hypervariablen Region und die übrige variable Region einschließlich des β-Faltblatts G (bis zu 13 Aminosäuren) stammen aus dem JGenSegment (J von joining für verbindend). Wir bezeichnen das Exon, das die gesamte variable Region codiert und durch Zusammenspleißen dieser beiden Gensegmente entsteht, vereinbarungsgemäß als Gen der VRegion. In den nichtlymphatischen Zellen bleiben die Gensegmente der V-Region in ihrer ursprünglichen Keimbahnkonfiguration bestehen und sind auch sehr weit von der Sequenz für die konstante Domäne entfernt. In reifen B-Lymphocyten liegen dagegen die zusammengebauten V-Region-Sequenzen viel näher an denen der konstanten Region, da die DNA des Gens gespleißt wird. Die Entdeckung der Umlagerung von Immunglobulingenen machte man bereits vor fast 40 Jahren, als es mithilfe von Restriktionsanalysen zum ersten Mal möglich war, die Organisation der Immunglobulingene in B-Zellen und nichtlymphatischen Zellen zu untersuchen. Bei diesen Experimenten zeigte sich, dass Segmente der genomischen Immunglobulingen-DNA in der Zelllinie der B-Lymphocyten umgelagert werden, nicht jedoch in anderen Zellen. Diesen Umlagerungsvorgang bezeichnet man als somatische DNA-Rekombination, um sie von der meiotischen Rekombination bei der Gametenbildung zu unterscheiden. Gensegmente entstehen die vollständigen Gene für eine variable Region 7 Abb. 5.3 zeigt, wie die Umlagerungen vor sich gehen, die schließlich das Gen für die leichte und die schwere Immunglobulinkette hervorbringen. Bei der leichten Kette führt die Verknüpfung eines V L -und eines J L -Gen-Segments zu einem Exon, das die gesamte variable Region der leichten Kette (V L -Region) codiert. Vor der Umlagerung liegen die Gensegmente für die variable Region relativ weit entfernt von denen für die konstante Region (C L -Region) . Die J L -Gen-Segmente liegen dagegen nahe bei der C L -Region und die Verknüpfung eines V L -Gen-Segments mit einem J L -Gen-Segment bringt auch das V L -Gen-Segment näher an eine C L -Region-Sequenz. Das J L -Gen-Segment einer umgeordneten V L -Region ist nur durch ein Intron von den Genabschnitten der C L -Region getrennt. Zur Vervollständigung einer mRNA für die leichte Kette eines Immunglobulins wird das V-Region-Exon mit der C-Region-Sequenz nach der Transkription durch RNA-Spleißen verknüpft. Bei der schweren Kette ist die Situation etwas komplizierter. Die variablen Regionen der schweren Kette (V H ) werden nicht von zwei, sondern von drei Genabschnitten codiert. Zusätzlich zu den V-und J-Gen-Segmenten (zur Unterscheidung von den Gensegmenten der leichten Kette, V L und J L , mit V H und J H bezeichnet) gibt es einen dritten Genabschnitt, der als D H GenSegment bezeichnet wird (D von diversity für Vielfalt). Dieser Abschnitt liegt zwischen dem V H -und dem J H -Gen-Segment. 7 Abb. 5.3 (rechts) zeigt, wie die Re- Abb. 5.2 Die CDR3Region entsteht aus zwei oder mehr einzelnen Gensegmenten, die bei der Lym phocytenentwicklung zusammengesetzt werden. a Die vollständige variable Region der leichten Kette mit der CDR1-, CDR2-und CDR3-Schleife wird von einem einzigen Exon codiert. b Die vollständige variable Region stammt aus zwei getrennten Keimbahn-DNA-Sequenzen. Ein V-Gen-Segment codiert die CDR1-und die CDR2-Schleife, während die CDR3-Schleife aus Sequenzen am Ende des V-Gen-Segments und vom Anfang des J-Gen-Segments gebildet wird. Außerdem sind hier Nucleotide von Bedeutung, die hinzukommen oder verloren gehen, wenn diese Gensegmente während der Lymphocytenentwicklung miteinander verknüpft werden. Das Exon für die CDR3-Schleife der schweren Kette entsteht durch die Verknüpfung der Sequenzen aus dem V-, D-und J-Gen-Segment (nicht dargestellt) kombination vor sich geht, die eine vollständige variable Region der schweren Kette hervorbringt. Der Vorgang umfasst zwei Phasen: Zuerst wird ein D H -Gen-Segment mit einem J H -Gen-Segment verknüpft. Anschließend lagert sich ein V H -Gen-Segment an die DJ H -Sequenz, sodass ein vollständiges Exon für die variable Region der schweren Kette entsteht. Wie bei der leichten Kette erfolgt die Verbindung der zusammengebauten V-Region-Sequenz mit dem benachbarten C-Region-Gen durch RNA-Spleißen nach der Transkription. In der Antigenbindungsstelle eines Immunglobulins werden CDR1 und CDR2 im V-Gen-Segment selbst codiert (7 Abb. 5.2). CDR3 wird von der zusätzlichen DNA-Sequenz codiert, die durch die Verknüpfung von V-und J-Gen-Segmenten für die leichte Kette und V-, V-Gen-Segmente können in gleicher oder entgegengesetzter Richtung wie stromabwärts liegende Gensegmente transkribiert werden wenn ein gleich orientiertes V-Gen-Segment mit einem stromabwärts liegenden Gensegment rekombiniert, bildet die DNA zwischen den beiden RSS-Sequenzen bei deren Zusammenlagerung eine Schleife wenn ein umgekehrt orientiertes V-Gen-Segment mit einem stromabwärts liegenden Gensegment rekombiniert, bildet die DNA zwischen den beiden RSS-Sequenzen bei deren Zusammenlagerung eine komplexere Schleife Der Mechanismus der DNA-Umlagerung ist bei schwerer und leichter Kette ähnlich. Für die Gene der leichten Kette ist nur ein Fusionsereignis erforderlich, für ein vollständiges V-Gen einer schweren Kette dagegen zwei. Wenn zwei Gensegmente innerhalb der Keimbahn-DNA die gleiche Transkriptionsrichtung haben, stülpt sich bei der Umlagerung die DNA zwischen zwei Gensegmenten aus und wird deletiert (7 Abb. 5.7, links). Bei zwei Gensegmenten mit entgegengesetzter Transkriptionsrichtung (7 Abb. 5.7, rechts) verbleibt dagegen die dazwischenliegende DNA in umgekehrter Orientierung im Chromosom. Dieser Rekombinationsmechanismus ist seltener, aber für etwa die Hälfte der Fusionen zwischen V κ -und J κ -Segmenten verantwortlich, da die Transkriptionsrichtung der Hälfte der V κ -Gen-Segmente des Menschen entgegengesetzt zu derjenigen der J κ -Gen-Segmente ist. Zellen nicht unbedingt von Vorteil ist, Nucleotide hinzu zu gewinnen oder zu verlieren, wenn Doppelstrangbrüche repariert werden. Bei den Lymphocyten ist jedoch diese Ungenauigkeit entscheidend für die junktionale Diversität und für die adaptive Immunantwort. Wahrscheinlich entsteht dadurch der Evolutionsdruck, dass der NHEJ-Mechanismus die DNA ungenau verknüpft. Eines der ubiquitären Proteine, die am DBSR-Mechanismus beteiligt sind, ist Ku, ein Heterodimer (Ku70:Ku80), das sich ringförmig um die DNA legt und sich eng mit der katalytischen Untereinheit einer Proteinkinase, DNA-PKcs, assoziiert; dadurch entsteht die DNAabhängige Proteinkinase (DNAPK). Ein weiteres Protein, das an DNA-PKcs bindet, ist Artemis mit einer Nucleaseaktivität. Zum Schluss werden die DNA-Enden von der DNALigase IV verknüpft, die mit dem DNA-Reparaturprotein XRCC4 einen Komplex bildet. Die DNA-Polymerasen μ und λ tragen dazu bei, dass die DNA-Enden durch Synthese aufgefüllt werden. Darüber hinaus kann die Polymerase μ Nucleotide ohne vorhandene Matrize an DNA anfügen. Insgesamt zeigt sich also, dass Lymphocyten mehrere Enzyme für sich nutzen, die zu den allgemeinen DNA-Reparatursystemen gehören, um den Prozess der somatischen V(D)J-Rekombination zu vervollständigen, der von den Rekombinasen RAG-1 und RAG-2 in Gang gesetzt wird. Die erste Reaktion ist die Spaltung durch eine Endonuclease, welche die koordinierte Aktivität der beiden RAG-Proteine erfordert. Zunächst erkennt ein Komplex aus den Proteinen RAG-1 und RAG-2 zusammen mit dem HMG-Chromatinprotein HMGB1 oder HMGB2 (HMG für high mobility group) die beiden RSSs, welche die Spaltung steuern, und ordnen sie nebeneinander an. RAG-1 ist dabei als Dimer aktiv und RAG-2 fungiert als Cofaktor (7 Abb. 5.9). RAG-1 erkennt das Heptamer und das Nonamer der RSSs spezifisch und bindet daran. Zudem enthält RAG-1 die Zn 2+ -abhängige Endonucleaseaktivität des RAG-Proteinkomplexes. Anscheinend lagert sich RAG-1 als Dimer an die beiden RSSs, an denen die Umlagerung erfolgt. Derzeitige Modellvorstellungen gehen davon aus, dass die 12/23-Regel wahrscheinlich dadurch entstanden ist, dass die asymmetrische Orientierung des RAG-1:RAG-2-Komplexes die Bindung von unterschiedlichen RSS-Elementen begünstigt (7 Abb. 5.10). Der RAG-Komplex erzeugt einen Einzelstrangbruch an dem Nucleotid der DNA, das sich unmittelbar am 5′-Ende des RSS-Heptamers befindet, wodurch am Ende des codierenden Segments eine freie 3′-OH-Gruppe entsteht. Diese nucleophile 3′-OH-Gruppe greift sofort die Phosphodiesterbindung auf dem anderen DNA-Strang an und erzeugt damit einen Doppelstrangbruch. So entsteht an der codierenden Region eine Haarnadelstruktur und am Ende der Heptamersequenz ein glatter Doppelstrangbruch. Dieser Schneidevorgang findet zweimal statt, also einmal für jedes der zu verknüpfenden Gensegmente, sodass vier Enden entstehen: zwei Haarnadelenden an den codierenden Sequenzen und zwei glatte Enden an den beiden Heptamersequenzen (7 Abb. 5.8). Diese DNA-Enden entfernen sich jedoch nicht voneinander, sondern werden eng in dem Komplex zusammengehalten, bis die Verknüpfung vollzogen ist. Die glatten Enden der Heptamersequenz werden von einem Komplex aus DNA-Ligase IV und XRCC4 zur Signalverknüpfungssequenz verbunden. Die Bildung der codierenden Verknüpfungssequenz ist komplizierter. Die DNA-Enden der codierenden Haarnadelstrukturen werden jeweils von Ku gebunden, das die DNA-PKcs-Untereinheit rekrutiert. Artemis stößt zu dem Komplex hinzu und wird von DNA-PK phosphoryliert. Artemis öffnet dann die DNA-Haarnadelstrukturen mit einem Einzelstrangbruch. Der Schnitt kann an verschiedenen Stellen innerhalb der Haarnadelstruktur erfolgen, was bei der Wiederverknüpfung zu einer Sequenzvariabilität innerhalb der resultierenden Verknüpfungssequenz führt. Die DNA-Reparaturenzyme innerhalb des Komplexes modifizieren die geöffneten Haarnadelstrukturen, indem sie Nucleotide (durch Endonucleaseaktivität) entfernen und gleichzeitig fügt die lymphocytenspezifische Terminale Desoxyribonucleotidyl transferase (TdT), die ebenfalls Teil des Rekombinasekomplexes ist, nach dem Zufallsprinzip Nucleotide an die Einzelstrangenden an. Hinzufügen und Entfernen von Nucleotiden kann in jeder beliebigen Reihenfolge stattfinden. Schließlich verknüpft die DNA-Ligase IV die prozessierten Enden und es entsteht ein Chromosom, welches das umgeordnete Gen enthält. Dieser Reparaturprozess schafft offensichtlich Vielfalt an der Verknüpfungsstelle zwischen den Gensegmenten und stellt gleichzeitig sicher, dass die RSS-Enden ohne Modifikation verbunden und ungewollte genetische Schäden wie ein Chromosomenbruch vermieden werden. Es werden zwar einige ubiquitäre Mechanismen der DNA-Reparatur ver- Heptamer Nonamer 23-bp-RSS Abb. 5.10 Die 12/23Regel ist möglicherweise eine Folge der asymmetrischen Bindung der RSS Sequenzen durch das RAG1:RAG2Dimer. Links: Die schematische Darstellung der Struktur in 7 Abb. 5.9 veranschaulicht die Flexibilität der Gelenkregion, welche die Nonamerbindungsdomäne mit der katalytischen Domäne von RAG-1 verbindet. Rechts: Die NBD-Domäne von RAG-1 interagiert mit der RSS-Nonamersequenz (blau), während die RSS-Heptamersequenz (rot) von dem Teil des RAG-1-Proteins gebunden wird, der die Zn 2+ -Endonucleaseaktivität enthält. In dieser schematischen Darstellung induziert die Wechselwirkung einer 12-bp-RSS mit einer der RAG-1-Untereinheiten die Drehung der NBD-Domäne zur katalytischen Domäne von RAG-1, wodurch sich das Protein der Länge der RSS-Sequenz anpasst. Da die beiden NBD-Domänen durch die Umstrukturierung miteinander gekoppelt werden, zieht diese induzierte Konformation die andere NBD-Domäne von der RAG-1-Untereinheit weg, sodass nun die Bindung der 23-bp-RSS begünstigt wird. Die Endonucleasespaltung (Pfeile) der DNA durch RAG-1 erfolgt genau an der Grenze zwischen dem Heptamer und dem jeweiligen V-, D-oder J-Gen-Segment wendet, aber die RAG-vermittelte Erzeugung von Antigenrezeptoren während der somatischen Rekombination kommt anscheinend doch nur bei den kiefertragenden Vertebraten vor; die Evolution des Mechanismus wird im letzten Teil dieses Kapitels besprochen. Die in vivo-Funktionen der Enzyme, die an der V(D)J-Rekombination beteiligt sind, entdeckte man durch natürlich vorkommende oder induzierte Mutationen. Mäuse, denen die TdT fehlt, fügen nur etwa 10 % der matrizenunabhängigen Nucleotide an die Verknüpfungen zwischen den Gensegmenten an. Diese geringe Restmenge stammt wahrscheinlich aus der matrizenunabhängigen Aktivität der DNA-Polymerase μ. Mäuse, in denen eines der RAG-Gene ausgeschaltet ist, leiden an einem vollständigen Abbruch der Lymphocytenentwicklung im Stadium der Genumlagerung oder stellen nur unbedeutende Mengen an B-und T-Zellen her. Solche Mäuse leiden an einem schweren kombinierten Immundefekt (severe combined immune deficiency, SCID). Die ursprüngliche scid-Mutation wurde einige Zeit vor der Identifizierung der Bestandteile des Rekombinationsmechanismus entdeckt; erst später stellte sich heraus, dass es sich um eine Mutation in der DNA-PKcs handelt. Bei Menschen sind Mutationen in RAG-1 oder RAG-2, die nur zu einer partiellen V(D)J-Rekombinaseaktivität führen, Ursache für eine erbliche Erkrankung, das OmennSyndrom. Die betroffenen Patienten haben keine zirkulierenden B-Zellen, und aktivierte oligoklonale T-Lymphocyten wandern in die Haut ein. Mäuse mit einem Defekt in Komponenten der ubiquitären DNA-Reparatursysteme, beispielsweise DNA-PKcs, Ku oder Artemis, sind in der Reparatur von DNA-Doppelsträngen beeinträchtigt und reagieren deshalb überempfindlich auf ionisierende Strahlung (die Doppelstrangbrüche verursacht). Defekte in Artemis führen beim Menschen zu einer kombinierten Immundefizienz von B-und T-Zellen, die mit erhöhter Strahlungsempfindlichkeit assoziiert ist. Ein SCID, der durch Mutationen im DNA-Reparatursystem verursacht wird, bezeichnet man als IRSCID (irradiation-sensitive SCID) zur Unterscheidung des SCID aufgrund von Defekten bei Lymphocyten. Eine weitere genetisch bedingte Erkrankung, bei der Strahlungsempfindlichkeit und ein gewisser Grad von Immunschwäche zusammen auftreten, ist die Ataxia telangiectatica, die auf Mutationen der Proteinkinase ATM (ataxia telangiectasia mutated) zurückzuführen ist, die wiederum auch mit einer Degeneration des Gehirns und einer erhöhten Strahlungsempfindlichkeit sowie einem erhöhten Krebsrisiko einhergehen. ATM ist wie DNA-PKcs eine Serin/Threonin-Kinase, die bei der V(D)J-Rekombination Reaktionswege aktiviert und chromosomale Translokationen sowie die Deletion großer DNA-Bereiche verhindert, die manchmal bei der Auflösung von DNA-Doppelstrangbrüchen auftreten. Ohne ATM kommt es noch zu einem gewissen Maß an V(D)J-Rekombinationen, da die Immundefekte der Ataxia telangiectatica, bei der es nur eine geringe Anzahl von B-und T-Zellen gibt und/ oder der Klassenwechsel der Antikörper eingeschränkt ist, mit unterschiedlicher Schwere auftreten, sodass die Auswirkungen weniger gravierend sind als beim SCID. Hinweise darauf, dass PKcs und ATM in ihrer Funktion redundant sind, liefert die Beobachtung, dass B-Zellen, denen beide Kinasen fehlen, in den Signalverknüpfungssequenzen deutlich stärkere Abweichungen aufweisen als B-Zellen mit nur einem Enzymdefekt. Die Genumlagerungen, die zwei beziehungsweise drei Gensegmente zu einem vollständigen Exon einer variablen Region kombinieren, erzeugen auf zwei Arten Vielfalt. Erstens gibt es von jedem Typ des Gensegments zahlreiche Kopien, und bei verschiedenen Umlagerungen können unterschiedliche Kombinationen der Genabschnitte entstehen. Diese kombinatori sche Vielfalt oder Diversität ist für einen beträchtlichen Teil der Vielfalt in den variablen Regionen der schweren und leichten Kette verantwortlich. Zweitens entsteht an den Verknüpfungsstellen zwischen verschiedenen Gensegmenten durch das Hinzufügen und Entfernen von Nucleotiden während des Rekombinationsvorgangs eine junktionale Diversität. Eine dritte, ebenfalls kombinatorische Quelle der Vielfalt besteht darin, dass sich variable Regionen der schweren und der leichten Kette in unterschiedlichen Kombinationen paarweise zur Antigenbindungsstelle im Immunglobulinmolekül zusammenlagern. Allein die beiden kombinatorischen Mechanismen können theoretisch etwa 1,9 × 10 6 verschiedene Antikörpermoleküle hervorbringen (siehe unten). Zusammen mit der junktionalen Diversität schätzt man das Repertoire von Rezeptoren, die von naiven B-Zellen exprimiert werden, auf nicht weniger als 10 11 . Die Vielfalt ist möglicherweise noch um einige Größenordnungen höher, abhängig davon, wie man die junktionale Diversität berechnet. Die somatische Hypermutation, auf die wir in Kap. 10 noch zu sprechen kommen, findet nach dem Auslösen einer Immunantwort nur bei B-Zellen statt und führt zu Punktmutationen in den umgeordneten Genen der V-Regionen. Dadurch entsteht eine noch größere Vielfalt des Antikörperrepertoires, die auf eine stärkere Antigenbindung selektiert werden kann. lich (40 × 25 × 6 = 6000). Während der B-Zell-Entwicklung erfolgt zunächst die Umlagerung am Locus für die schwere Kette und eine der möglichen schweren Ketten entsteht. Dann folgen mehrere Zellteilungen, bevor die Genumlagerung für die leichte Kette stattfindet. Ein und dieselbe schwere Kette wird also in verschiedenen Zellen mit unterschiedlichen leichten Ketten verbunden. Da sowohl die variable Region der schweren als auch die der leichten Kette zur Antikörperspezifität beitragen, kann jede der 320 leichten Ketten mit jeder der ungefähr 6000 schweren Ketten kombiniert werden, was schließlich zu 1,9 × 10 6 unterschiedlichen Antikörperspezifitäten führt. Diese theoretische Berechnung der kombinatorischen Vielfalt beruht auf der Zahl der Gensegmente für variable Regionen in der Keimbahn, die in funktionsfähigen Antikörpern vorkommen (7 Abb. 5.4). Die Gesamtzahl von V-Gen-Segmenten ist größer, aber die zusätzlichen Gensegmente sind Pseudogene und tauchen in exprimierten Immunglobulinmolekülen nicht auf. In Wirklichkeit ist die kombinatorische Vielfalt wahrscheinlich geringer als aufgrund der eben erwähnten theoretischen Berechnungen erwartet. Ein Grund dafür ist, dass nicht alle V-Gen-Segmente mit gleicher Häufigkeit verwendet werden. Einige kommen häufig in Antikörpern vor, andere dagegen nur selten. Dieses Ungleichgewicht für oder gegen bestimmte V-Gen-Segmente hängt mit deren Nähe zu nichtcodierenden Kontrollregionen zwischen den Genen (intergenic control regions) innerhalb des Locus der schweren Kette zusammen. Diese Kontrollregionen aktivieren in sich entwickelnden B-Zellen die V(D)J-Rekombination. Außerdem kann sich nicht jede schwere Kette mit jeder leichten Kette verbinden. Bestimmte Kombinationen von V H -und V L -Regionen ergeben kein stabiles Immunglobulinmolekül. In Zellen mit schweren und leichten Ketten, die sich nicht kombinieren lassen, erfolgen möglicherweise weitere Umlagerungen der Gene für die leichten Kette, bis eine geeignete leichte Kette entsteht, oder die Zellen werden eliminiert. Man geht dennoch davon aus, dass die meisten schweren und leichten Ketten zusammenpassen und dass diese Art der kombinatorischen Vielfalt eine wesentliche Rolle bei der Bildung eines Immunglobulinrepertoires mit einem großen Spektrum an Spezifitäten spielt. Wie bereits erwähnt, werden von den drei hypervariablen Schleifen in den Proteinketten der Immunglobuline zwei CDRs, CDR1 und CDR2, innerhalb der DNA des V-Gen-Segments codiert. Die dritte Schleife, CDR3, liegt im Bereich der Verknüpfungsstelle zwischen dem V-und dem J-Gen-Segment und wird bei der schweren Kette teilweise vom D-Gen-Segment codiert. Sowohl bei der schweren als auch bei der leichten Kette erhöht sich die Vielfalt der dritten hypervariablen Region durch Hinzufügen und Entfernen von Nucleotiden während zweier Verknüpfungsschritte der Gensegmente signifikant. Die zugefügten Nucleotide bezeichnet man als P-und N-Nucleotide. 7 Abb. 5.11 zeigt schematisch, wie sie eingebaut werden. PNucleotide tragen diese Bezeichnung, weil sie palindromische Sequenzen umfassen, die an die Enden der Gensegmente angefügt werden. Nach der Bildung der DNA-Haarnadelstrukturen an den codierenden Enden der V-, D-oder J-Segmente durch RAG-Proteine (Abschn. 5.1.5) katalysiert Artemis einen Einzelstrangschnitt an einer zufälligen Position innerhalb der codierenden Sequenz, jedoch in der Nähe der Stelle, an der die Haarnadelstruktur entstanden ist. Wenn dieser Schnitt an einer anderen Stelle erfolgt als der erste Bruch durch den RAG-1/2-Komplex, bildet sich ein einzelsträngiges Schwanzstück aus einigen Nucleotiden der codierenden Sequenz plus den komplementären Nucleotiden des anderen DNA-Stranges (7 Abb. 5.11). Bei vielen Umlagerungen von Genen leichter Ketten füllen dann DNA-Reparaturenzyme das einzelsträngige Schwanzstück mit komplementären Nucleotiden auf. Dadurch verbleiben kurze palindromische Sequenzen (die P-Nucleotide) an der Verknüpfungsstelle, wenn die Stränge ohne weitere Exonucleaseaktivität wieder verknüpft werden. Bei Umlagerungen der Gene für die schwere Kette und bei einigen Genen des Menschen für die leichte Kette werden jedoch zuerst NNucleotide auf ganz andere Art und Weise angefügt, bevor die Enden wieder verknüpft werden. Die Bezeichnung N-Nucleotide (non-templated) leitet sich davon ab, dass sie nicht in der DNA-Matrize codiert sind. Sie werden nach Aufschneiden der Haarnadelstruktur durch das Enzym Terminale Desoxyribonucleotidyltransferase (TdT) an die einzelsträngigen Enden der codierenden DNA nach Spaltung der Haarnadelstruktur angehängt. Nach Hinzufügen von bis zu 20 Nucleotiden können die einzelsträngigen Abschnitte einige komplementäre Basenpaare ausbilden. Reparaturenzyme schneiden dann nichtgepaarte Basen ab, füllen die verbliebene einzelsträngige DNA mit komplementären Nucleotiden auf und ligieren die DNA schließlich mit der palindromischen Region die Lücken werden durch DNA-Synthese und -Ligation aufgefüllt, sodass eine codierende Verknüpfungssequenz entsteht ungepaarte Nucleotide werden von einer Nuclease entfernt Teil II (Abb. 4.8) . TdT wird während der B-Zell-Entwicklung maximal exprimiert, wenn das Gen für die schwere Kette zusammengebaut wird; N-Nucleotide sind daher in ihren V-D-und D-J-Verknüpfungen häufig. Weniger häufig sind sie in den Genen für die leichte Kette, deren Umlagerungen nach den Genen der schweren Kette stattfinden, da hier die TdT-Expression bereits abgeschaltet wurde. Das wollen wir in Kap. 8 noch ausführlicher besprechen, wenn wir uns mit den spezifischen Entwicklungsphasen der B-und T-Zellen beschäftigen. An den Verknüpfungsstellen von Gensegmenten können Nucleotide auch entfernt werden. Diese Reaktion wird von bisher nicht identifizierten Exonucleasen katalysiert. Zumindest besitzt Artemis eine duale Endonuclease/Exonuclease-Aktivität und könnte daher bei diesem Schritt eine Rolle spielen. Die Länge der CDR3-Region einer schweren Kette kann damit noch kürzer sein als das kleinste D-Segment. In manchen Fällen ist es schwierig oder sogar unmöglich, das D-Segment zu erkennen, das zur CDR3-Bildung beigetragen hat, da die meisten seiner Nucleotide herausgeschnitten wurden. Deletionen können auch die Spuren von P-Nucleotiden verwischen, die bei der Öffnung der Haarnadelstruktur eingebaut wurden. Aus diesem Grund sind die P-Nucleotide in vielen fertigen VDJ-Verknüpfungen nicht zu erkennen. Da es auf Zufall beruht, wie viele Nucleotide durch diese Mechanismen angefügt werden, wird häufig das Leseraster der codierenden Sequenz jenseits der Verknüpfungsstelle unterbrochen. Solche Rasterverschiebungen führen normalerweise zu einem funktionslosen Protein -DNA-Umlagerungen, die solche Störungen verursachen, bezeichnet man als unproduktive Umlagerungen. Da etwa zwei von drei Umlagerungen unproduktiv sind, können viele B-Zell-Vorläufer keine funktionsfähigen Immunglobuline erzeugen und daher nie zu reifen B-Zellen werden. Die junktionale Diversität entsteht also nur unter Inkaufnahme eines hohen Zellverlusts während der B-Zell-Entwicklung. Wir werden uns in Kap. 8 eingehender mit den Entwicklungsstadien der B-Zellen und deren Zusammenhang mit der Umlagerung der V-, D-und J-Gen-Segmente für die Antigenrezeptorketten befassen. Die außerordentliche Vielfalt des Repertoires an Immunglobulinen entsteht durch mehrere Mechanismen. Am wichtigsten für diese außerordentliche Diversität ist, dass V-Regionen von separaten (V-, D-und J-)Gensegmenten codiert werden, die durch eine somatische Rekombination zu einem vollständigen V-Region-Gen zusammengeführt werden. Im Genom eines Individuums gibt es viele verschiedene Gensegmente für variable Regionen; das ist die erbliche Grundlage für die Diversität. Unbedingt notwendig dafür sind lymphocytenspezifische Rekombinasen, die RAG-Proteine, die diese Umlagerungen katalysieren. Die Entwicklung von RAG-Proteinen erfolgte gleichzeitig mit der Entwicklung des erworbenen Immunsystems moderner Wirbeltiere. Zusätzliche funktionelle Vielfalt der Immunglobuline ergibt sich aus der Ungenauigkeit des Verknüpfungsprozesses selbst. Die Variabilität an den codierenden Verknüpfungsstellen zwischen den Segmenten erhöht sich durch den Einbau einer zufälligen Anzahl von P-und N-Nucleotiden und durch variables Entfernen von Nucleotiden an den Enden einiger codierender Sequenzen. Das geschieht, indem die Haarnadelstruktur durch Artemis an einer zufälligen Position geöffnet wird, und durch die TdT-Aktivität. Das Aneinanderlagern der verschiedenen variablen Regionen der leichten und schweren Kette bei der Bildung der Antigenbindungsstelle eines Immunglobulinmoleküls erhöht die Vielfalt noch weiter. Die Kombination all dieser Mechanismen zur Erzeugung von Vielfalt schafft ein riesiges Repertoire an Antikörperspezifitäten. Die Mechanismen, durch die B-Zell-Antigenrezeptoren entstehen, sind bei der Erzeugung von Diversität sehr erfolgreich, und so überrascht es nicht, dass die Antigenrezeptoren von T-Zellen den Immunglobulinen strukturell ähneln und durch denselben Mechanismus gebildet werden. In diesem Teil des Kapitels beschreiben wir die Organisation der Loci von T-Zell-Rezeptoren und die Entstehung der Gene für die einzelnen T-Zell-Rezeptor-Ketten. Wie die schwere und die leichte Kette der Immunglobuline besteht die α-und β-Kette des T-Zell-Rezeptors (TCR) aus einer aminoterminalen, variablen (V-)Region und einer konstanten (C-)Region (Abschn. 4.2.5). Die Organisation des TCRα-und TCRβ-Locus zeigt 7 Abb. 5.12. Die Organisation der Gensegmente ist im Großen und Ganzen homolog zu denen der Immunglobulingensegmente (Abschn. 5.1.2 und 5.1.3). Der TCRα-Locus enthält wie der Locus für die leichten Immunglobulinketten V-und J-Gen-Segmente (V α und J α ). Der TCRβ-Locus enthält wie der Locus für die schweren Immunglobulinketten zusätzlich zu V β -und J β -Gen-Segmenten noch D-Gen-Segmente. Die Segmente von T-Zell-Rezeptor-Genen ordnen sich während der T-Zell-Entwicklung zu vollständigen V-Domänen-Exons um (7 Abb. 5.13). Die Umlagerung der T-Zell-Rezeptor-Gene erfolgt im Thymus; Kap. 8 befasst sich mit den Einzelheiten des Ablaufs und dessen Regulation. Die Mechanismen der Genumlagerung sind bei B-und T-Zellen grundsätzlich gleich. Die Genabschnitte der T-Zell-Rezeptoren sind von Rekombinationssignalsequenzen (RSSs) mit 12-bp-und 23-bp-Spacern flankiert, die homolog zu denen in den Immunglobulingensegmenten sind (7 Abb. 5.14 und Abschn. 5.1.4) und von den gleichen Enzymen erkannt werden. Die DNA-Ringstrukturen, die bei der Genumlagerung entstehen (7 Abb. 5.7), bezeichnet man als TZellRezeptorExzisionsringe (T-cell receptor excision circles, TRECs). Man verwendet sie als Marker für T-Zellen, die gerade den Thymus ver- Locus der β-Kette Abb. 5.12 Die Organisation der Loci für die α und βKette des TZellRezeptors in der Keim bahn des Menschen. Die Anordnung der Gensegmente für die T-Zell-Rezeptoren ähnelt der von Immunglobulinen. Es gibt getrennte V-, D-, J-und C-Gen-Segmente. Der TCRα-Locus (Chromosom 14) besteht aus 70-80 V α -Segmenten. Vor jedem befindet sich ein Exon, das ein Leader-Peptid (L) codiert. Wie viele dieser V α -Gen-Segmente funktionell sind, ist nicht genau bekannt. Eine Gruppe von 61 J α -Gen-Segmenten liegt in beträchtlicher Entfernung von den V α -Gen-Segmenten. Den J α -Segmenten folgt ein einzelnes C-Gen, das getrennte Exons für die konstante und die Gelenkregion sowie ein einziges Exon für die Transmembran-und die Cytoplasmaregion enthält (nicht dargestellt). Der TCRβ-Locus (Chromosom 7) ist anders aufgebaut. Es gibt eine Gruppe von 52 funktionellen V β -Gen-Segmenten, die in einiger Entfernung von zwei getrennten Clustern liegen, welche jeweils ein einzelnes D-Gen-Segment und sechs oder sieben J-Gen-Segmente sowie ein einzelnes C-Gen enthalten. Jedes TCRβ-C-Gen besitzt separate Exons für die konstante Region, die Gelenk-, die Transmembran-und die Cytoplasmaregion (nicht dargestellt). Ein weiterer TCR-Locus (der δ-Locus) unterbricht den Locus der α-Kette zwischen den V-und J-Segmenten (hier nicht dargestellt; s. 7 Abb. 5.17) α α α β β β V αn V α2 V α1 V α 1 J α J α C α C α Vβ1 D β 1 D β 2 Vβ1 D β 1 J β J β J β C β1 C β 2 C β1 Vβn Abb. 5.13 Umlagerung und Expression der Gene für die α und βKette des TZellRezeptors. Die Gene für die α-und β-Kette des T-Zell-Rezeptors (TCR) bestehen aus getrennten Segmenten, die während der Entwicklung der T-Zelle durch somatische Rekombination verknüpft werden. Funktionelle Gene der α-und β-Kette entstehen ähnlich wie bei den Immunglobulingenen. Für die α-Kette (oberer Bildteil) gelangt ein V α -Gen-Segment neben ein J α -Gen-Segment und es entsteht ein funktionelles Exon für die variable Region. Durch Transkription und Spleißen des VJ α -Exons an C α entsteht die mRNA, die in das α-Ketten-Protein des T-Zell-Rezeptors translatiert wird. Für die β-Kette (unterer Bildteil) ist die variable Domäne wie bei den schweren Immunlobulinketten in den drei Gensegmenten V β , D β und J β codiert. Die Umlagerung dieser Gensegmente schafft ein funktionelles Exon für die VDJ β -Region, das transkribiert und an C β gespleißt wird. Die entstandene mRNA wird in das β-Ketten-Protein des T-Zell-Rezeptors translatiert. α-und β-Kette verbinden sich bald nach ihrer Synthese zum α:β-T-Zell-Rezeptor-Heterodimer. Es sind nicht alle J-Gen-Segmente abgebildet und der Einfachheit halber sind die Leader-Peptide vor jedem V-Gen-Segment weggelassen Abb. 5.14 Rekombinationssignalsequenzen flankieren TZellRezeptorGenSegmente. Wie in den Immunglobulinloci (7 Abb. 5.6) werden die einzelnen Gensegmente am TCRα-und TCRβ-Locus von Heptamer-Spacer-Nonamer-Rekombinationssignalsequenzen (RSSs) flankiert. RSS-Bereiche mit 12-bp-Spacer sind in der Abbildung durch orangenfarbene Pfeilspitzen dargestellt, Bereiche mit 23-bp-Spacern dagegen durch violette. Die Verknüpfung von Gensegmenten folgt fast immer der 12/23-Regel. Wegen der Anordnung der Heptamer-und Nonamer-RSSs im TCRβ-und TCRδ-Locus ist eine direkte Verknüpfung von V β mit J β nach der 12/23-Regel zwar prinzipiell möglich (im Gegensatz zu den Verhältnissen im Gen für die schwere Immunglobulinkette), doch geschieht dies aufgrund anderer Regulationsmechanismen sehr selten Teil II lassen haben. Alle bekannten Defekte in Genen, welche die V(D)J-Rekombination regulieren, beeinträchtigen T-und B-Zellen gleichermaßen und Tiere mit diesen genetischen Defekten haben keine funktionsfähigen B-oder T-Lymphocyten (Abschn. 5.1.5). Ein weiteres gemeinsames Merkmal der Umlagerung von Immunglobulingenen und T-Zell-Rezeptor-Genen ist das Vorhandensein von P-und N-Nucleotiden an den Verbindungsstücken zwischen den V-, D-und J-Gen-Segmenten des umgebauten TCRβ-Gens. Bei T-Zellen werden P-und N-Nucleotide auch zwischen den V-und J-Gen-Segmenten aller umgeordneten TCRα-Gene eingefügt, während bei den Genen für die leichte Kette der Immunglobuline nur ungefähr die Hälfte der V-J-Nahtstellen durch zusätzliche N-Nucleotide modifiziert werden. Sie haben auch oft keine P-Nucleotide (7 Abb. 5.15 und Abschn. 5.1.8). Die Hauptunterschiede zwischen den Immunglobulingenen und den Genen, welche die T-Zell-Rezeptoren codieren, entsprechen den unterschiedlichen Funktionen der B-und T-Zellen. Alle Effektorfunktionen der B-Zellen beruhen auf sezernierten Antikörpern, bei denen die verschiedenen Isotypen der konstanten Region der schweren Kette unterschiedliche Wirkungsmechanismen haben. Die Effektorfunktionen von T-Zellen beruhen hingegen auf Zell-Zell-Kontakten und werden nicht direkt vom T-Zell-Rezeptor, der nur der Antigenerkennung dient, vermittelt. Die konstanten Regionen des TCRα-und TCRβ-Locus sind daher viel einfacher gebaut als diejenigen der schweren Immunglobulinkette. Es gibt nur ein C α -Gen, aber zwei C β -Gene, die jedoch eine enge Homologie aufweisen und bisher keine funktionellen Unterschiede zwischen ihren Produkten erkennen ließen. Die C-Region-Gene des T-Zell-Rezeptors codieren außerdem nur Transmembranpolypeptide. Ein weiterer Unterschied zwischen den Umlagerungen der Gene für Immunglobuline und T-Zell-Rezeptoren besteht in den RSS-Sequenzen, welche die D-Gen-Segmente umgeben. Bei der schweren Immunglobulinkette wird das D-Segment von zwei RSSs flankiert, die beide einen 12-bp-Spacer aufweisen (7 Abb. 5.6), während die D-Segmente in den Loci für TCRβ und TCRγ eine 5′-12-bp-und eine 3′-23-bp-RSS besitzen (7 Abb. 5.14). Die Anordnung am Immunglobulinlocus unterstützt auf natürliche Weise den Einbau von D-Segmenten in die V-Region der schweren Kette, da eine direkte V-J-Verknüpfung die 12/23-Regel ver- Teil II letzen würde. Bei den T-Zell-Rezeptor-Loci jedoch würde diese Regel nicht verletzt, da die 23-bp-RSS des V β -oder V γ -Segments mit der 12-bp-RSS des J-Gen-Segments kompatibel ist, aber dennoch sind normalerweise nur wenige oder überhaupt keine direkten Verknüpfungen zu beobachten. Stattdessen erfolgt die Kontrolle der Genumlagerungen anscheinend unabhängig von der 12/23-Regel, wobei diese Mechanismen noch untersucht werden. Die strukturelle Vielfalt des T-Zell-Rezeptors ist im Wesentlichen auf kombinatorische und junktionale Diversität zurückzuführen, die während der Genumlagerung entsteht. In 7 Abb. 5.15 kann man erkennen, dass die höchste Variabilität bei T-Zell-Rezeptoren innerhalb der Verbindungsregionen zu finden ist, die von V-, D-und J-Gen-Segmenten codiert und durch P-und N-Nucleotide modifiziert werden. Der TCRα-Locus enthält viel mehr J-Gen-Segmente als irgendein Locus einer leichten Immunglobulinkette: Beim Menschen sind 61 J α -Gen-Segmente über ungefähr 80 kb DNA verteilt, dagegen weisen die Loci für die leichten Immunglobulinketten nur höchstens fünf J-Gen-Segmente auf (7 Abb. 5.15). Da der TCRα-Locus so viele J-Gen-Segmente umfasst, ist die Variabilität in dieser Region bei T-Zell-Rezeptoren sogar noch größer als bei Immunglobulinen. Die höchste Vielfalt vermittelt also die CDR3-Schleife, die die Verbindungsregion enthält und das Zentrum der Antigenbindungsstelle bildet. Eine Minderheit der T-Zellen trägt T-Zell-Rezeptoren, die aus einer γ-und einer δ-Kette bestehen (Abschn. 4.3.10). Die Organisation des TCRγ-und des TCRδ-Locus (7 Abb. 5.17) ähnelt derjenigen des TCRα-und des TCRβ-Locus; es gibt jedoch wichtige Unterschiede. Die Gruppe von Gensegmenten, welche die δ-Kette codieren, befindet sich vollständig innerhalb des TCRα-Locus, und zwar zwischen den V α -und J α -Gen-Segmenten. V δ -Gene liegen verstreut zwischen den V α -Genen, befinden sich jedoch hauptsächlich in der 3′-Region des Locus. Da alle V α -Gen-Segmente so orientiert sind, dass eine Umlagerung die dazwischenliegende DNA entfernt, führt jede Umlagerung am α-Locus zum Verlust des T-Zell-Rezeptoren sind Immunglobulinen strukturell ähnlich und werden durch homologe Gene codiert. T-Zell-Rezeptor-Gene werden aus Gruppen von Gensegmenten auf die gleiche Art und Weise durch somatische Rekombination zusammengesetzt wie Immunglobulingene. Die Diversität verteilt sich in Immunglobulinen jedoch anders als in T-Zell-Rezep- Abb. 5.18 Die Deletion des TCRδLo cus wird durch die Umlagerung eines VαGenSegments zu Jα induziert. Der TCRδ-Locus liegt innerhalb der chromosomalen Region, die den TCRα-Locus enthält. Wenn irgendeine variable Region innerhalb der V α /V δ -Region zu einem der J a -Segmente umgelagert wird, wird die dazwischenliegende Sequenz und damit der gesamte V δ -Locus entfernt. Eine V α -Umlagerung verhindert also jede weitere Expression eines V δ -Gens und blockiert den Entwicklungsweg von γ:δ verstreut liegende V α -und V δ -Gen-Segmente Loci der αund der δ-Kette Abb. 5.17 Aufbau des Locus für die γ und die δKette des TZellRezeptors beim Menschen. TCRγ-und TCRδ-Locus besitzen wie der TCRα-und TCRβ-Locus getrennte V-, D-, J-Gen-Segmente und C-Gene. Einzigartig ist, dass der Locus, der die δ-Kette codiert, vollständig innerhalb des Locus für die α-Kette liegt. Die drei D δ -Gen-Segmente, die drei J δ -Gen-Segmente und das einzelne Gen für die konstante Region liegen eingestreut zwischen dem Cluster von V α -Gen-Segmenten und dem Cluster von J α -Gen-Segmenten. Es gibt zwei V δ -Gen-Segmente (nicht dargestellt) in der Nähe des C δ -Gens, eines oberhalb der D-Regionen und eines in umgekehrter Orientierung genau unterhalb des C-Gens. Außerdem gibt es sechs V δ -Gen-Segmente zwischen den V α -Gen-Segmenten eingestreut. Fünf sind mit V α identisch und können von jedem der beiden Loci verwendet werden, einer gehört nur zum δ-Locus. Der TCRγ-Locus des Menschen ähnelt dem TCRβ-Locus. Es gibt zwei Gene für die konstante Region mit jeweils eigenen J-Gen-Segmenten. Der γ-Locus der Maus (nicht dargestellt) ist komplexer organisiert; es gibt drei funktionelle Cluster von γ-Gen-Segmenten. Jeder Cluster enthält V-und J-Gen-Segmente und ein Gen für die konstante Region. Die Umlagerung am γ-und am δ-Locus erfolgt wie bei den anderen T-Zell-Rezeptor-Loci, mit der Ausnahme, dass während der Umlagerung von TCRδ zwei D-Segmente für dasselbe Gen benutzt werden können. Die Verwendung zweier D-Gen-Segmente erhöht die Variabilität stark, vor allem weil an der Verbindungsstelle zwischen den D-Segmenten sowie an den V-D-und D-J-Verknüpfungen zusätzliche N-Nucleotide eingefügt werden können toren: Die Loci der T-Zell-Rezeptoren haben ungefähr die gleiche Anzahl von V-Gen-Segmenten, aber mehr J-Gen-Segmente, und es gibt eine größere Diversifikation an den Verknüpfungsstellen zwischen den Gensegmenten im Verlauf der Genumlagerung. Außerdem sind keine funktionsfähigen T-Zell-Rezeptoren bekannt, bei denen die V-Gene nach der Umlagerung noch stärker durch somatische Hypermutation abgewandelt werden. liefert ebenfalls die CDR3-Region, die häufig länger ist als beim α:β-T-Zell-Rezeptor, die höchste Vielfalt; sie kann auch direkt mit Liganden interagieren, die von den γ:δ-T-Zellen erkannt werden. Bislang haben wir uns in diesem Kapitel auf die Mechanismen konzentriert, die beim Zusammenbau der variablen Regionen der Immunglobuline und T-Zell-Rezeptoren eine Rolle spielen. Nun wenden wir uns den konstanten Regionen zu. Die konstanten Regionen von T-Zell-Rezeptoren haben lediglich die Aufgabe, die variablen Regionen zu unterstützen und das Molekül in der Membran zu verankern; und sie verändern sich auch nicht mehr nach dem Zusammenbau eines vollständigen Rezeptorgens. Immunglobuline können dagegen als Transmembranrezeptor und als sezernierter Antikörper vorliegen, und sie können in Form verschiedener Klassen produziert werden, was von den unterschiedlichen konstanten Regionen abhängt, die in der schweren Kette vorkommen. Die konstanten Regionen (C L ) der leichten Kette dienen nur der strukturellen Befestigung der variablen Regionen und es gibt anscheinend keine funktionellen Unterschiede zwischen λ-und κ-Kette. Im Locus der schweren Kette sind die verschiedenen konstanten Regionen (C H ) in separaten Genen codiert, die stromabwärts der Gensegmente der variablen Region liegen. Zuerst verwenden naive B-Zellen nur die ersten beiden, die C μ -und C δ -Gene, die zusammen mit der zusammengelagerten V-Region-Sequenz exprimiert werden. So entstehen die Transmembranproteine IgM und IgD auf der Oberfläche der naiven B-Zelle. In diesem Teil des Kapitels wenden wir uns den verschiedenen Isotypen der schweren Ketten zu und besprechen einige ihrer besonderen Eigenschaften und strukturellen Merkmale, welche die Unterschiede in den konstanten Regionen der schweren Ketten von Antikörpern der fünf Hauptisotypen ausmachen. Wir erläutern, wie naive B-Zellen gleichzeitig sowohl den C μ -als auch den C δ -Isotyp exprimieren können und wie dasselbe Antikörpergen durch alternatives mRNA-Spleißen eine membrangebundene und eine sezernierte Form jedes Immunglobulins hervorbringen kann. Im Verlauf einer Antikörperantwort können aktivierte B-Zellen dann auf die Expression anderer Gene (neben C μ -und C δ ) für die konstante Region umschalten, und zwar durch eine Art somatische Rekombination, dem Klassen-oder Isotypwechsel (Kap. 10). Dabei werden verschiedene konstante Regionen (C H ) der schweren Kette mit dem umgelagerten VDJ H -Gen-Segment verknüpft. 5.19 Die Immunglobulinisotypen sind in einer Gruppe von Genen für die konstante Regi on der schweren Kette codiert. In der obersten Reihe ist der allgemeine Aufbau der wichtigsten Immunglobulinisotypen dargestellt. Jede Domäne entspricht einem Rechteck. Die Isotypen werden von separaten Genen für die konstante Region der schweren Kette codiert, die bei Mäusen und Menschen jeweils in einer Gruppe zusammen liegen (untere Reihen). Für jeden Isotyp hat die konstante Region der schweren Kette die gleiche Farbe wie das C-Region-Gen-Segment, das sie codiert. Sowohl IgM als auch IgE besitzen keine Gelenkregion, enthalten dafür jedoch eine zusätzliche Domäne in der schweren Kette. Zu beachten sind die Unterschiede in der Anzahl und Anordnung der Disulfidbrücken, welche die Ketten verknüpfen (schwarze Linien). Die Isotypen unterscheiden sich auch in der Verteilung von N-gebundenen Kohlenhydratseitenketten (als Sechsecke dargestellt). Der Gencluster des Menschen zeigt, dass während der Evolution eine Einheit aus zwei γ-Genen, einem ε-und einem α-Gen dupliziert wurde. Eines der ε-Gene ist ein Pseudogen (ψ); daher wird nur ein IgE-Subtyp exprimiert. Der Einfachheit halber sind andere Pseudogene sowie die genaue Exonstruktur der C-Gene nicht dargestellt. Die Immunglobulinklassen bei Mäusen nennt man IgM, IgD, IgG1, IgG2a, IgG2b, IgG3, IgA und IgE eine Rolle spielt, etwa beim allergischen Asthma. IgG und IgE treten immer als Monomere auf, IgA kann entweder als Monomer oder als Dimer sezerniert werden. Sequenzunterschiede zwischen den konstanten Regionen der schweren Immunglobulinketten sind verantwortlich für die unterschiedlichen Eigenschaften der einzelnen Isotypen. Das betrifft die Zahl und Lokalisierung der Disulfidbrücken zwischen den Ketten, die Zahl der angehängten Kohlenhydratgruppen und der konstanten Domänen sowie die Länge der Gelenkregion (7 Abb. 5.19). Die schweren Ketten von IgM und IgE enthalten anstelle der Gelenkregion der γ-, δ-und α-Kette eine zusätzliche konstante Domäne. Das Fehlen der Gelenkregion bedeutet jedoch nicht, dass die IgM-und IgE-Moleküle keine Flexibilität besitzen. Elektronenmikroskopische Aufnahmen von IgM-Molekülen mit gebundenen Liganden zeigen, dass sich die Fab-Arme in Bezug auf den Fc-Teil abwinkeln können. Ein solcher Strukturunterschied könnte funktionelle Konsequenzen haben, die man noch nicht entdeckt hat. Verschiedene Isotypen und Untertypen unterscheiden sich ferner in ihren Effektorfunktionen. Darauf gehen wir später ein. Die Gene für die konstanten Regionen der Immunglobuline bilden einen großen Cluster von etwa 200 kb, der sich auf der 3′-Seite der J H -Gen-Segmente erstreckt (7 Abb. 5.19): Jedes Gen für eine konstante Region ist in mehrere Exons (in der Abbildung nicht dargestellt) unterteilt, die jeweils einer einzelnen Immunglobulindomäne des gefalteten Pro- Alle Immunglobulinisotypen können entweder in der sezernierten Form oder als membran- Abb. 5.22 Membrandurchspannende und sezernierte Formen von Immunglobulinen entstehen durch alternative RNAProzessierung desselben Gens. Am Ende des Gens für die konstante Region der schweren Kette befinden sich zwei Exons (M1 und M2; gelb), die zusammen die Transmembranregion und den cytoplasmatischen Schwanz der Transmembranform codieren. Im letzten Exon der C-Domänen codiert eine SC-Sequenz (SC für secretion coding, orange) den Carboxyterminus der sezernierten Form. Im Fall von IgD befindet sich die SC-Sequenz in einem eigenen Exon (nicht dargestellt). Bei den anderen Isotypen, wie dem hier gezeigten IgM, stoßen die SC-Sequenzen direkt an das letzte Exon für die konstante Domäne. Die Ereignisse, die bestimmen, ob die RNA die schwere Kette eines sezernierten oder eines Transmembranimmunglobulins codiert, finden während der Prozessierung des Prä-mRNA-Transkripts statt. Jedes C-Gen einer schweren Kette hat zwei mögliche Polyadenylierungsstellen (pA s und pA m ). Im linken Bild wird das Transkript an der zweiten Stelle (pA m ) geschnitten und polyadenyliert (AAA). Das Spleißen erfolgt an einer Stelle innerhalb des letzten Cμ4-Exons direkt stromaufwärts der SC-Sequenz und einer zweiten Stelle am 5′-Ende des M1-Exons (gelb). Dadurch wird die SC-Sequenz entfernt und das C μ 4-Exon mit M1 und M2 verknüpft, sodass die Transmembranform der schweren Kette entsteht. Rechtes Bild: Die Polyadenylierung erfolgt an der pAs-Stelle und die Transkription endet vor den Exons M1 und M2, sodass die Bildung der membrandurchspannenden Form der schweren Kette verhindert wird und die sezernierte Variante entsteht CstF64Untereinheit des Spaltungsstimulationsfaktors (cleavage stimulation factor, CstF). CstF-64 begünstigt die Produktion des Transkripts für die sezernierte IgM-Form. Der Transkriptionselongationsfaktor ELL2, der von Plasmazellen induziert wird, unterstützt ebenfalls die Polyadenylierung an der pA s -Stelle und begünstigt so auch die sezernierte Form. CstF-64 und ELL2 assoziieren im IgG-Locus gemeinsam mit der RNA-Polymerase. Diese unterschiedliche RNA-Prozessierung ist für C μ in 7 Abb. 5.22 dargestellt; der Mechanismus ist bei allen Isotypen gleich. In aktivierten B-Zellen, die sich zu antikörpersezernierenden Plasmazellen differenzieren, wird ein großer Teil der Transkripte zur sezernierten und nur ein kleinerer zur membrandurchspannenden Form des jeweiligen Isotyps gespleißt, den die B-Zelle exprimiert. Alle Immunglobulinmoleküle bestehen zwar aus einer Grundeinheit von zwei schweren und zwei leichten Ketten, IgM und IgA können jedoch daraus Multimere bilden Die konstanten Regionen der schweren Ketten bestimmen die Klassen oder Isotypen der Immunglobuline. Jeder Isotyp wird von einem eigenen Gen codiert. Die Gene für die konstanten Bereiche der schweren Ketten liegen in einem Cluster auf der 3′-Seite der Gensegmente für die variablen V-, D-und J-Regionen. Ein produktiv umgelagertes Exon der variablen Region wird zunächst zusammen mit den Exons der μund δ-C H -Kette exprimiert, welche in naiven B-Zellen durch alternatives Spleißen eines mRNA-Transkripts coexprimiert werden, das die μund δ-C H -Exons enthält. Außerdem können B-Zellen jede Immunglobulinklasse als membrangebundenen Antigenrezeptor oder als sezernierten Antikörper exprimieren. Dies geschieht durch differenzielles Spleißen der mRNA, bei dem Exons ausgewählt werden, die eine hydrophobe Ankersequenz oder ein sezernierbares Schwanzstück codieren. Der Antikörper, den eine B-Zelle nach ihrer Aktivierung sezerniert, erkennt also das Antigen, durch das die B-Zelle ursprünglich mit ihrem Antigenrezeptor aktiviert wurde. Das Exon für die gleiche variable Region kann anschließend mit jedem anderen Isotyp verknüpft werden, wodurch Antikörper anderer Klassen entstehen. Diesen Vorgang des Klassenwechsels beschreiben wir in Kap. 10. Die Ausformung der adaptiven Immunantwort, wie wir sie in diesem Buch bis hier hin besprochen haben, beruht auf der Aktivität der RAG-1/RAG-2-Rekombinase. Dabei entsteht ein außerordentlich vielfältiges und klonal verteiltes Repertoire von Immunglobulinen und T-Zell-Rezeptoren. Dieses System wurde nur bei den kiefertragenden Vertebraten (Gnatho stomata) entdeckt, die sich vor über 500 Mio. Jahren von den übrigen Vertebraten abgespalten haben. Anscheinend ist die adaptive Immunität während der Evolution ziemlich unvermittelt entstanden. Sogar die Knorpelfische, also die älteste Gruppe der kiefertragenden Fische, die bis heute überlebt hat, besitzen ein strukturiertes Lymphgewebe, T-Zell-Rezeptoren und Immunglobuline und sie können adaptive Immunantworten hervorbringen. Die Vielfalt innerhalb des adaptiven Immunsystems der Vertebraten wurde ursprünglich als einmaliges Phänomen angesehen. Heute wissen wir jedoch, dass Organismen, seien sie auch so verschieden wie Insekten, Stachelhäuter und Mollusken, über eine Reihe verschiedener genetischer Mechanismen verfügen, die das Repertoire der Moleküle für die Pathogenerkennung vergrößern, wobei sie damit allerdings nicht an die adaptive Immunität heranreichen. Man hat entdeckt, dass die überlebenden Spezies der kieferlosen Vertebraten (Agnatha), die Neunaugen und die Myxiniformes (Schleimaale), die uns also in der Evolutionsgeschichte näher stehen, eine Form der "adaptiven" oder "antizipatorischen" Immunität besitzen, die auf antikörperähnlichen Nichtimmunglobulinproteinen beruht und bei der es auch ein System für eine somatische Genumlagerung gibt, das sich allerdings von der RAG-abhängigen V(D)J-Umlagerung ziemlich deutlich unterscheidet. Deshalb sollten wir unser adaptives Immunsystem, bei all seiner Leistungsfähigkeit, nur als eine mögliche Lösung des Problems betrachten, ein hochgradig vielfältiges System zur Erkennung von Krankheitserregern hervorzubringen. Repertoire an Immunglobulingenen das Dscam-Gen von Drosophila enthält mehrere große Cluster alternativer Exons, die alternative gespleißt werden so können etwa 38.000 Isoformen des Dscam-Proteins erzeugt werden Abb. 5.24 Das DscamProtein, das an der angeborenen Immunität von Drosophila beteiligt ist, enthält multiple Immunglobulindomänen und ist aufgrund alternativen Spleißens sehr vielfäl tig. Das Gen, das Dscam in Drosophila codiert, enthält mehrere große Cluster mit alternativen Exons. Die Cluster, die Exon 4 (grün), Exon 6 (hellblau), Exon 9 (rot) und Exon 17 (orange) codieren, enthalten zwölf, 48, 33 beziehungsweise zwei alternative Exons. In der vollständigen Dscam-mRNA wird von jedem Cluster nur eines der alternativen Exons verwendet. In Neuronen, Fettkörperzellen und Hämocyten ist die Auswahl der Exons jeweils unterschiedlich. In allen drei Zelltypen gibt es alle alternativen Exons von Exon 4 und 6, in Hämocyten und Fettkörperzellen für Exon 9 jedoch nur eine beschränkte Auswahl von alternativen Exons. Durch die unterschiedlichen Kombinationen der alternativen Exons des Dscam-Gens können mehr als 38.000 Isoformen des Proteins entstehen. Teil II nität einzusetzen. Die Süßwasserschnecke Biomphalaria glabrata exprimiert eine kleine Familie fibrinogenverwandter Proteine (fibronogen related proteins, FREPs), die mutmaßlich eine Rolle in der angeborenen Immunität spielen. FREPs enthalten eine oder zwei Immunglobulindomänen an ihrem aminoterminalen Ende und eine Fibrinogendomäne an ihrem carboxyterminalen Ende. Die Immunglobulindomänen interagieren möglicherweise mit Pathogenen, während die Fibrinogendomäne dem FREP lektinartige Eigenschaften verleihen könnte, die bei der Präzipitation des Komplexes helfen. FREPs werden von Hämocyten produziert und in die Hämolymphe sezerniert. Ihre Konzentration steigt, wenn die Schnecke -sie ist Zwischenwirt für die Parasiten der Gattung Schistosoma (Pärchenegel), die Krankheitserreger der Schistosomiasis oder Bilharziose -von diesen Parasiten infiziert wird. Das Genom von B. glabrata enthält viele Kopien von FREP-Genen, die sich in etwa 13 Unterfamilien unterteilen lassen. Eine Untersuchung der Sequenzen der exprimierten Mitglieder der FREP3-Unterfamilie ergab, dass die von einem einzelnen Individuum exprimierten FREPs im Vergleich zu den Keimbahngenen außerordentlich vielfältig sind. In der FREP3-Familie gibt es weniger als fünf Gene, aber eine einzelne Schnecke kann mehr als 45 verschiedene FREP3-Proteine herstellen, jeweils mit geringfügig unterschiedlichen Sequenzen. Eine Analyse der Proteinsequenzen ließ vermuten, dass diese Vielfalt durch eine Anhäufung von Punktmutationen in einem der FREP3-Keimbahngene zustande kam. Obwohl der genaue Mechanismus dieser Diversifikation und auch der Zelltyp, in dem er stattfindet, noch nicht bekannt sind, drängt sich eine Ähnlichkeit zur somatischen Hypermutation auf, die bei den Immunglobulinen erfolgt. Der Mechanismus bei den Insekten und bei Biomphalaria scheint einen Weg zur Schaffung vielfältiger Moleküle darzustellen, die an der Immunabwehr beteiligt sind, der zwar in mancher Hinsicht der Strategie einer erworbenen Immunantwort ähnelt, aber keine Hinweise auf eine klonale Selektion zeigt, die schließlich ein entscheidendes Merkmal einer echten adaptiven Immunität darstellt. Seit den frühen 1960er-Jahren ist bekannt, dass der Schleimaal (Inger) und Neunaugen Hauttransplantate beschleunigt abstoßen können und eine Art Überempfindlichkeit vom verzögerten Typ zeigen. In ihrem Serum ließ sich außerdem eine Aktivität ähnlich der von spezifischem Agglutinin feststellen, dessen Konzentration nach einer zweiten Immunisierung zunahm, ähnlich einer Antikörperantwort bei höheren Wirbeltieren. Diese Beobachtungen lassen zwar an eine adaptive Immunität denken, aber es gibt keine Hinweise für einen Thymus oder Immunglobuline. Allerdings besitzen diese Tiere Zellen, die man aufgrund morphologischer und molekularer Analysen als echte Lymphocyten auffassen kann. Eine Untersuchung der Gene, welche die Lymphocyten der Meeresneunaugen, Petromyzon marinus, exprimieren, ergab keine Verwandtschaft mit T-Zell-Rezeptor-oder Immunglobulingenen. Die Zellen exprimieren jedoch große Mengen an mRNA von Genen, die multiple LRR-Domänen codieren -die gleichen Proteindomänen, aus denen die pathogenerkennenden Toll-like-Rezeptoren (TLRs) aufgebaut sind (Abschn. 3.1.5). Das könnte einfach bedeuten, dass diese Zellen darauf spezialisiert sind, Pathogene zu erkennen und auf sie zu reagieren. Die exprimierten LRR-Proteine bargen jedoch einige Überraschungen. Es gibt nicht wie bei den invarianten TLRs nur relativ wenige Formen, sondern sie enthalten hoch variable Aminosäuresequenzen. Dabei liegen variable LRR-Einheiten zwischen weniger variablen amino-und carboxyterminalen LRR-Einheiten. Diese LRR-haltigen Proteine, die variablen Lymphocytenrezeptoren (VLRs), haben eine unveränderliche Stielregion, mit der sie über einen Glykosylphosphatidylinositolanker (GPI-Anker) mit der Plasmamembran verbunden sind, und können entweder an der Zelle haften oder wie Antikörper in das Blut sezerniert werden. Die Untersuchung der exprimierten VLR-Gene aus dem Neunauge ergab, dass sie sich durch somatische Genumlagerung organisieren (7 Abb. 5.25 (LRR, hellrot; und CT, rot) gespalten ist. Nahegelegene flankierende Regionen des Chromosoms enthalten multiple Kopien von VLR-Gen-Kassetten mit einzelnen oder doppelten Kopien variabler LRR-Domänen (grün) sowie Kassetten, die einen Teil der aminoterminalen LRR-Domänen (hellblau und gelb) codieren. Mitte: Durch somatische Rekombination werden verschiedene LRR-Einheiten in das ursprüngliche VLR-Gen kopiert. So entsteht ein vollständiges VLR-Gen, das die zusammengesetzte aminoterminale LRR-Kassette (LRR NT) und das erste LRR (gelb), danach mehrere variable LRR-Einheiten (grün) und die vollständige carboxyterminale LRR-Einheit umfasst. Am Ende befindet sich noch der Abschnitt mit der Stielregion des VLR-Rezeptors. Die Cytidin-Desaminasen PmCDA1 und PmCDA2 des Neunauges P. marinus sind möglicherweise die Enzyme, die diese Genumlagerung in Gang setzen. Die Expression des umgelagerten Gens bringt einen vollständigen Rezeptor hervor, der durch einen Glycosylphosphatidylinositolanker (GPI) der Stielregion an der Zellmembran verankert werden kann. Unten: In jedem einzelnen Lymphocyten findet somatische Genumlagerung statt, wodurch ein einzigartiger VLR-Rezeptor entsteht. Diese Rezeptoren können über den GPI-Anker auf der Oberfläche des Lymphocyten haften oder in das Blut sezerniert werden. Durch einzigartige Genumlagerungen in jedem sich entwickelnden Lymphocyten entsteht ein Repertoire an VLR-Rezeptoren unterschiedlicher Spezifitäten. (Nach: Pancer, Z., Cooper, M.D. Annu. Rev. Immunol. 2006, 24:497-518) Teil II LRR-Einheiten. Jeder Neunaugenlymphocyt exprimiert ein vollständiges und einzigartiges VLR-Gen, entweder VLRA, VLRB oder VLRC, in dem eine Rekombination dieser flankierenden Regionen mit dem VLR-Gen aus der Keimbahn stattgefunden hat. Zurzeit nimmt man an, dass die vollständigen VLR-Gene während der DNA-Replikation in den Lymphocyten der Neunaugen durch einen "Auswahlkopie"-Mechanismus entstehen, welcher der Genkonversion (Abschn. 5.4.4) ähnlich, aber nicht damit identisch ist. Bei der DNA-Replikation werden die LRR-Einheiten, die das VLR-Gen flankieren, in das VLR-Gen kopiert -wahrscheinlich indem bei der Synthese eines DNA-Stranges die Matrize wechselt und dadurch die Sequenz von einer dieser LRR-Einheiten kopiert wird. Der endgültige Beweis dafür fehlt zwar noch, aber dieser Matrizenwechsel könnte von Enzymen der AID-APOBEC-Familie ausgehen, die in den Lymphocyten der Neunaugen exprimiert werden. Die CytidinDesaminaseAktivität (CDA) dieser Enzyme verursacht möglicherweise die Einzelstrangbrüche in der DNA, an denen dann die Erzeugung der Auswahlkopie beginnt. Neunaugen verfügen über zwei solcher Enzyme: CDA1 wird von der VLRA-Lymphocytenlinie exprimiert, CDA2 von der VLRB-Lymphocytenlinie. Es ist noch nicht bekannt, ob CDA1 oder CDA2 in den VLRC-exprimierenden Lymphocyten produziert wird. Das fertige VLR-Gen enthält am Aminoterminus eine abschließende, vollständige LRR-Untereinheit, an die sich bis zu sieben interne LRR-Domänen mit jeweils 24 Aminosäure Länge anschließen, gefolgt von der carboxyterminalen LRR-Domäne, bei der noch die inneren nichtcodierenden Regionen entfernt wurden (7 Abb. 5.25). Man nimmt an, dass durch die somatische Umlagerung auf diesem Weg eine genauso große Vielfalt an VLR-Proteinen entstehen kann wie bei den Immunglobulinen. Tatsächlich ist in der Röntgenstruktur eines VLR-Proteins zu erkennen, wie die konkave Oberfläche, die durch die Abfolge von LRR-Wiederholungen entsteht, mit einem variablen inneren Bereich der carboxyterminalen LRR interagiert, sodass insgesamt eine Oberfläche entsteht, die mit einer Vielzahl von Antigenen in Wechselwirkung treten kann. Die Vielfalt des antizipatorischen Repertoires der Agnatha ist also möglicherweise nicht durch die Anzahl der möglichen Rezeptoren begrenzt, die sie bilden können, sondern durch die Anzahl der Lymphocyten, die es in einem Individuum gibt, genauso wie es im erworbenen Immunsystem ihrer evolutionären Cousins, der Gnathostomaten, der Fall ist. Wie oben erwähnt, lagert jeder Lymphocyt der Neunaugen nur eines der beiden VLR-Keimbahngene um und exprimiert entweder ein vollständiges VLRA-, VLRB-oder VLRC-Protein. Die ersten beiden Zellpopulationen besitzen anscheinend einige Merkmale, die den T-beziehungsweise B-Lymphocyten der Säuger ähnlich sind. Die VLRC-Zellen sind anscheinend eng mit der VLRA-Linie verwandt. So exprimieren beispielsweise VLRA-Lymphocyten auch Gene, die einigen T-Zell-Cytokin-Genen der Säuger ähnlich sind. Das deutet darauf hin, dass die Ähnlichkeiten zu unserem eigenen RAG-abhängigen adaptiven Immunsystem doch größer sind als bisher angenommen. Abb. 5.26 Integration eines Transposons in ein VTypImmunglobulinrezeptorgen, aus dem die Gene für die TZellRezeptoren und Immunglobu lingene hervorgegangen sind. Erstes Bild: DNA-Transposon in einem Vorfahren der Deuterostomia (zu dieser großen Gruppe von Phyla gehören zum Beispiel die Chordata), von dem man annimmt, dass er Gene besitzt, die mit RAG-1 und RAG-2 verwandt sind. Die Produkte dieser Vorformen von RAG-1 (violett) und RAG-2 (blau) haben als Transposasen gewirkt. DNA-Transposons sind von endständigen umgekehrten Sequenzwiederholungen (TR) eingerahmt. Zweites Bild: Damit ein Transposon aus der DNA herausgeschnitten werden kann, binden die Transposaseproteine (violett und blau) an die TR-Sequenzen, bringen sie zusammen und die enzymatische Aktivität der Transposase schneidet das Transposon aus der DNA heraus, wobei in der Wirts-DNA ein "Fußabdruck" zurückbleibt, der den TR-Sequenzen ähnlich ist. Nach dem Herausschneiden an der einen Stelle fügt sich das Transposon an irgendeiner anderen Stelle wieder in das Genom ein, in diesem Fall in ein V-Typ-Immunglobulinrezeptor-Gen (grün). Die enzymatische Aktivität der Transposase ermöglicht es dem Transposon, sich in die DNA integrieren; die Reaktion ist eine Umkehrung der Exzisionsreaktion. Drittes Bild: Durch die Integration des RAG-1/2-Transposons in die Mitte des Gens für einen V-Typ-Immunglobulinrezeptor wird das V-Exon in zwei Teile gespalten. Viertes und fünftes Bild: Während der Evolution der Immunglobulin-und T-Zell-Rezeptor-Gene folgten auf das ursprüngliche Integrationsereignis DNA-Umlagerungen, welche die Transposasegene (die wir heute als RAG-1 und RAG-2 bezeichnen) von den TR-Sequenzen des Transposons trennten. Diese bilden heute die Rekombinationssignalsequenzen (RSSs). Der Purpurseeigel (ein wirbelloser Deuterostomier) besitzt einen RAG-1/2-ähnlichen Gencluster (nicht dargestellt) und exprimiert Proteine, die den RAG-1/RAG-2-Proteinen ähnlich sind, verfügt aber nicht über Immunglobuline, T-Zell-Rezeptoren oder eine adaptive Immunität. Die RAG-ähnlichen Proteine sind bei diesem Tier wahrscheinlich für andere zelluläre Funktionen zuständig, die allerdings bis jetzt unbekannt sind Zelloberflächenrezeptor mit einer Ig-ähnlichen V-Domäne codierte. Höchstwahrscheinlich handelte es sich um eine Domäne, die den heutigen VJ-Domänen entspricht. Diese Domänen kommen in einigen invarianten Rezeptorproteinen vor; die Bezeichnung wurde gewählt, weil einer der Stränge einem J-Segment ähnelt. Man kann sich vorstellen, wie das Eintreten eines Transposons in ein solches Gen die beiden heute getrennten V-und J-Segmente hervorgebracht hat (7 Abb. 5.26). Aufgrund von phylogenetischen Analysen geht man derzeit davon aus, dass die APARRezeptoren (agnathan paired receptors resembling Ag receptors), die von einer Multigenfamilie bei den Myxiniformes (Schleimaalen) und Neunaugen codiert werden, am ehesten mit dem Vorfahren des Antigenrezeptors verwandt sind. Aus ihren DNA-Sequenzen lassen sich Transmembranproteine mit nur einer Membranpassage und einer einzelnen extrazellulären VJ-Domäne sowie einer cytoplasmatischen Region mit Signalmodulen ableiten. APAR-Rezeptoren werden von Leukocyten exprimiert. C μ VDJ μ C λ VJ λ C μ VDJ μ C λ VJ λ C μ VDJ μ C λ VJ λ unreife B-V H D μ C μ J μ V λ C λ J λ V H -Pseudogene V λ -Pseudogene RAG-1 RAG-2 Keimbahngene verschiedener V L -J L -C L -und V H -D H -J H -C H -Kassetten, und Umlagerungen finden innerhalb der einzelnen Kassetten statt (7 Abb. 5.28). Diese Mechanismen unterscheiden sich zwar von den kombinatorischen Genumlagerungen der höheren Vertebraten, aber in den meisten Fällen ist auch noch ein RAG-abhängiges somatisches Umordnungsereignis notwendig. Knorpelfische können nicht nur ihre Gene umlagern, sondern sie verfügen zudem über mehrere "umgelagerte" V L -Regionen (manchmal auch "umgelagerte" V H -Regionen) im Keimbahngenom (7 Abb. 5.28) und die Diversifikation erfolgt anscheinend, indem die Transkription der verschiedenen Kopien aktiviert wird. Selbst hier gibt es noch einen, wenn auch geringen, Beitrag zur Diversität, indem sich in der Folge schwere und leichte Ketten zusammenlagern. Diese "keimbahngekoppelte" Struktur der Loci der leichten Kette ist wahrscheinlich keine Zwischenstufe der Evolution, denn dann hätten die Gene der schweren und der leichten Ketten unabhängig voneinander in einem konvergenten Abb. 5.28 Die Organisationsstruktur der Immunglobulingene unterscheidet sich bei den ver schiedenen Spezies, aber es kann immer ein breit gefächertes Repertoire entstehen. Die Organisationsstruktur der Gene für die schweren Ketten der Immunglobuline bei Säugern, die aus getrennten Clustern von wiederholten V-, D-und J-Abschnitten besteht, ist nicht die einzige Lösung für die Aufgabe, ein große Bandbreite von unterschiedlichen Rezeptoren zu erzeugen. Andere Spezies haben alternative Strukturen entwickelt. Bei "primitiven" Spezies wie den Haien besteht der Locus aus mehrfachen Wiederholungen einer Grundeinheit, die sich aus einem V-Gen-Abschnitt, einem oder zwei D-Gen-Abschnitten, einem J-und einem C-Gen-Abschnitt zusammensetzt. Bei einigen Spezies der Knorpelfische (Rochen und echte Haie) gibt es am Locus für die κ-artige leichte Kette Wiederholungseinheiten in Form bereits vorgefertigter VJ-C-Gene, und eine zufällige Kombination davon wird exprimiert. Bei Hühnern schließlich gibt es nur einen Locus für die schwere Kette, dessen Genabschnitte sich umlagern. Es existieren aber mehrfache Kopien von Pseudogenen mit präintegriertem VH-D-Segment. Hier entsteht Vielfalt durch Genkonversion. Dabei werden Sequenzen der V-Pseudogene in das einzelne umstrukturierte V H -Gen eingefügt enthält eine konstante Region, die aus sechs Immunglobulindomänen besteht, der zweite, IgNAR (immunoglobuline new antigen receptor, Abschn. 4.2.5), scheint mit IgW verwandt zu sein, hat aber die erste konstante Domäne verloren. IgNAR paart nicht mit leichten Ketten, sondern bildet ein Homodimer, in dem jede V-Domäne eine separate Antigenbindungsstelle darstellt. IgW ist anscheinend mit IgD verwandt, das zum ersten Mal bei Knochenfischen auftritt. Anscheinend reicht IgW wie IgD bis zu den Ursprüngen der adaptiven Immunität zurück. In keiner Art, die evolutionär älter als die Knorpelfische ist, ließen sich bisher T-Zell-Rezeptoren oder Immunglobuline nachweisen. Bei den Knorpelfischen haben sie aber beide beim ersten Auftreten bereits im Wesentlichen dieselbe Form wie bei den Säugetieren. Bei Haien ließen sich Homologe der β-und δ-Kette des T-Zell-Rezeptors identifizieren, in einem Rochen weitere Homologe der α-, β-und δ-Kette des T-Zell-Rezeptors; das zeigt, dass diese Rezeptoren des erworbenen Immunsystems schon in den Spezies, in denen sie sich in der Evolution am frühesten nachweisen lassen, bereits in mindestens zwei Erkennungssystemen vorlagen. Und jedes ermöglicht durch kombinatorische somatische Umlagerung noch weitere Vielfalt. Die Identifizierung zahlreicher Liganden, die von den γ:δ-T-Zellen erkannt werden, hat dazu beigetragen, ihre Funktion bei der Immunantwort zu klären. Die Liste dieser Liganden ist zwar noch immer nicht vollständig, aber tendenziell handelt es sich doch eher um eine Form der angeborenen Immunerkennung und nicht um eine genaue Peptidspezifität, wie wir sie bei den α:β-T-Zellen finden. Zu den Liganden der γ:δ-T-Zellen gehören auch verschiedene Lipide von Mikroorganismen und nichtklassische MHC-Klasse-Ib-Moleküle, deren Expression eine Infektion oder zelluläre Stresssituationen anzeigen kann (Abschn. 6.3.2). Sogar bestimmte α:β-T-Zellen sind anscheinend an einer Art angeborener Immunerkennung beteiligt, etwa die mucosaassoziierten invarianten T-Zellen (Abschn. 4.3.8). Das deutet möglicherweise darauf hin, dass die Rezeptoren, die durch Ausschneiden des ursprünglichen Retrotransposons entstanden sind, in einer frühen Evolutionsphase der RAG-abhängigen adaptiven Immunität als angeborenes System für das Erkennen von Infektionen fungierten. Diese Funktion ist bei bestimmten kleineren T-Zell-Populationen bis heute erhalten geblieben. Jedenfalls lässt die sehr frühe Aufspaltung in die zwei Klassen von T-Zell-Rezeptoren und ihre Konservierung durch die nachfolgende Evolution vermuten, dass sie auch schon früh verschiedene Funktionen wahrgenommen haben. Man würde vermuten, dass die spezifischen Liganden der T-Zell-Rezeptoren, die MHC-Moleküle, ungefähr um die gleiche Zeit wie die Rezeptoren in der Evolution auftraten. Auswählen von Peptiden zur Präsentation, während der Abspaltung von Agnatha und Knorpelfischen entwickelt, sondern die andauernde Selektion durch Pathogene resultierte auch in dem Polymorphismus, der den MHC auszeichnet. In Abschn. 4.3.10 haben wir die Unterscheidung zwischen den klassischen MHCKlasse IGenen (auch bezeichnet als Klasse Ia) und den nichtklassischen MHCKlasseIbGenen (Kap. 6) eingeführt. Diese Einteilung gilt auch für Knorpelfische, denn unter den Klasse-I-Molekülen von Haien ähneln einige den Klasse-Ib-Molekülen von Säugetieren. Bei den Klasse-I-Genen hat es den Anschein, dass sich diese innerhalb jeder der fünf Hauptlinien der Wirbeltiere, die untersucht wurden (Knorpelfische, Quastenflosser, Strahlenflosser, Amphibien und Säugetiere) unabhängig in klassische und nichtklassische Loci aufgetrennt haben. Die charakteristischen Merkmale der MHC-Moleküle waren also alle vorhanden, als diese Moleküle erstmals auftraten, und es gibt keine Zwischenformen, die uns bei unserem Verständnis hinsichtlich ihrer Evolution helfen. Wir können zwar die Evolution der Bestandteile des angeborenen Immunsystems verfolgen, der Ursprung des adaptiven Immunsystems bleibt jedoch noch weitgehend im Dunkeln. Und obwohl wir also bis jetzt keine genaue Antwort auf die Frage haben, welche Selektionskräfte zur Ausbildung der RAG-abhängigen adaptiven Immunität führten, wird die Gültigkeit von Darwins Aussage über die Evolution im Allgemeinen immer deutlicher: "Aus solch einfachen Anfängen entwickelten sich und entwickeln sich weiterhin zahllose äußerst schöne und wundervolle Formen". Früher sprach man von einem einzigartigen und völlig unerklärlichen immunologischen "Urknall", heute dagegen weiß man, dass sich die adaptive Immunität im Verlauf der Evolution mindestens zweimal unabhängig voneinander entwickelt hat. Unsere engen Verwandten bei den Vertebraten, die kieferlosen Fische, haben ein adaptives Immunsystem entwickelt, das einen ganz anderen Ursprung besitzt. Hier werden die LRR-Domänen diversifiziert und nicht die Immunglobulindomänen, wobei andererseits offensichtlich grundlegende Merkmale eines adaptiven Immunsystems -die klonale Expression von Rezeptoren, die durch somatische Umlagerung entstehen, und eine Form des immunologischen Gedächtnisses -vorhanden sind. Man geht inzwischen davon aus, dass die Evolution des RAG-abhängigen adaptiven Immunsystems mit dem Einbau eines Transposons in ein ursprüngliches Gen der Immunglobulinsuperfamilie zusammenhängt. Dieses Ereignis muss in einer Keimbahnzelle eines Vorfahren der Wirbeltiere stattgefunden haben. Durch Zufall gelangten die terminalen Sequenzen des Transposons, die Vorläufer der RSS-Sequenzen, an eine Stelle innerhalb dieses primordialen Antigenrezeptorgens, die für die somatische intramolekulare Rekombination geeignet war, wodurch der Weg für die ausgeklügelte somatische Genrekombination in den heutigen Immunglobulin-und T-Zell-Rezeptor-Genen geebnet wurde. Die MHC-Moleküle, die als Liganden des T-Zell-Rezeptors fungieren, treten zuerst bei den Knorpelfischen auf, was auf eine parallele Evolution mit der RAG-abhängigen adaptiven Immunität hindeutet. Die Transposasegene (die RAG-Gene) waren wahrscheinlich schon im Genom dieses Vorfahren vorhanden und aktiv, und sie besaßen möglicherweise eine andere Funktion. Der Ursprung von RAG-1 liegt anscheinend schon lange Zeit zurück, da RAG-1-verwandte Sequenzen bei den Tieren in einer Vielzahl verschiedener Genome entdeckt wurden. Die Antigenrezeptoren der Lymphocyten sind besonders vielfältig und sich entwickelnde B-und T-Zellen verwenden dieselben Grundmechanismen, um diese Diversität zu erreichen. In jeder Zelle werden funktionelle Gene für die Ketten von Immunglobulinen und T-Zell-Rezeptoren durch somatische Rekombination aus Gruppen separater Gensegmente zusammengesetzt, welche zusammen die variable Region codieren. In allen Rezeptorloci sind die Substrate für den Verknüpfungsprozess, die Gruppen von V-, D-und J-Gen-Segmenten, ähnlich. Die lymphocytenspezifischen Proteine RAG-1 und RAG-2 steuern die spezifische Spaltung der DNA an den RSS-Sequenzen, welche die V-, D-und J-Gen-Segmente flankieren. Dabei entstehen Doppelstrangbrüche, die den Rekombinationsprozess in T-und B-Zellen einleiten. Bei der Verknüpfung arbeiten diese Proteine mit ubiquitären DNA-modifizierenden Enzymen für die Reparatur von Doppelstrangbrüchen und mindestens einem anderen lymphocytenpezifischen Enzym, TdT, zusammen. Da jede Art des Gensegments in multiplen, geringfügig unterschiedlichen Variationen vorhanden ist, ist die zufällige Auswahl der Gensegmente die Quelle für die enorme potenzielle Diversität. Während des Zusammenbaus ergibt sich an den Verbindungsstellen der Gensegmente weitere Diversität durch ungenau arbeitende Verknüpfungsmechanismen. Diese Vielfalt konzentriert sich in den CDR3-Schleifen der Rezeptoren, die in der Mitte der Antigenbindungsstelle liegen. Der zufällige Zusammenbau der beiden Ketten von Immunglobulinen oder T-Zell-Rezeptoren vervielfältigt die Gesamtdiversität der vollständigen Antigenrezeptoren. Ein wichtiger Unterschied zwischen Immunglobulinen und T-Zell-Rezeptoren besteht darin, dass Immunglobuline in membrangebundener (B-Zell-Rezeptor) und in sezernierter Form (Antikörper) vorkommen. Die Fähigkeit, sowohl eine membrangebundene als auch eine sezernierte Form des gleichen Moleküls zu exprimieren, ist auf differenzielles mRNA-Spleißen der schwere Kette zurückzuführen, wodurch Exons eingebaut werden, die unterschiedliche Carboxylenden codieren. Konstante Regionen der schweren Immunglobulinkette enthalten drei oder vier Immunglobulindomänen, die T-Zell-Rezeptor-Ketten nur eine. Auch andere Spezies haben Mechanismen entwickelt, durch welche die Vielfalt der Rezeptoren im Immunsystem erhöht wird. Die Kieferlosen verfügen über ein System von VLR-Rezeptoren, die eine somatische Umlagerung durchlaufen, die wiederum spezifische Ähnlichkeiten mit unserem eigenen adaptiven Immunsystem aufweist. Die Entwicklung der adaptiven Immunität der kiefertragenden Vertebraten (Gnathostomata) ist anscheinend durch den Einbau eines Retrotransposons, das Vorformen der RAG-1/2-Gene enthalten hat, in ein bereits existierendes, immunglobulinähnliches V-Gen ausgelöst worden. Dieses hat sich anschließend diversifiziert und so die T-und B-Zell-Rezeptor-Gene hervorgebracht. ■ Okamura, K., Ototake, M., Nakanishi, T., Kurosawa, Y., and Hashimoto, K.: The most primitive vertebrates with jaws possess highly polymorphic MHC class I genes comparable to those of humans. Immunity 1997, 7:777-790. rend Süßwasserschnecken in den FREP-Genen eine Diversität aufweisen, die durch unterschiedliche Anhäufung von genomischen Mutationen in diesen Genen entsteht Kieferlose Fische rekombinieren die VLR-Gene während der DNA-Replikation, sodass in diesen Genen eine Diversität entsteht. Die Gene werden in Form von Oberflächenmolekülen exprimiert, die durch einen GPI-Anker an den Lymphocyten befestigt sind RAG-1 entstand aus einer Transposase, während die RSS-Sequenz, die das Protein erkennt, aus den endständigen Sequenzwiederholungen eines DNA-Transposons hervorging Knorpelfischen vor den T-Zellen und Immunglobulinen entstanden The RAG pro teins and V(D)J recombination: complexes, ends, and transposition Exon shuffling generates an immunoglobulin heavy chain gene Organization of the human immunoglobulin heavychain locus The variable genes and gene families of the mouse immunoglobulin kappa locus Antigen receptor gene rearrangement The mechanism of human nonhomologous DNA end joining Sequences at the somatic re combination sites of immunoglobulin lightchain genes RAG1 and RAG2 form a stable postcleavage synaptic complex with DNA containing signal ends in V(D)J recombination XLF interacts with the XRCC4DNA ligase IV complex to promote nonhomologous endjoining Hairpin opening and overhang processing by an Artemis:DNAPKcs complex in V(D)J recombination and in non homologous end joining Cernunnos, a novel non homologous endjoining factor, is mutated in human immunodeficiency with mi crocephaly Mechanism and control of V(D)J recombination at the immunoglobulin heavy chain locus Crystal structure of the V(D)J recombinase RAG1RAG2 The XRCC4 gene encodes a novel protein involved in DNA doublestrand break repair and V(D)J recombination Defective DNA dependent protein kinase activity is linked to V(D)J recombination and DNArepair defects associated with the murine scid mutation Artemis, a novel DNA double strand break repair/V(D)J recombination protein, is mutated in human severe combined immune deficiency RAG1 and RAG2, adjacent genes that synergistically activate V(D)J recombination Partial V(D)J recombination activity leads to Omenn syndrome Structure of the RAG1 nonamer binding domain with DNA reveals a dimer that mediates DNA synapsis The joining of V and J gene segments creates antibody diversity IgH diversity in an individual with only one million B lymphocytes Mechanistic constraints on diversity in human V(D) J recombination Mice lacking TdT: mature animals with an immature lymphocyte repertoire Lack of N regions in antigen recep tor variable region genes of TdTdeficient lymphocytes Rearrangement of genetic information may produce immunoglobulin diversity Recombination signal se quences restrict chromosomal V(D)J recombination beyond the 12/23 rule Nonoverlapping functions of polX family DNA polymerases, pol μ, pol λ, and TdT, during immunoglobulin V(D)J recombination in vivo The polymerases for V(D)J recombination The complete 685kilobase DNA sequence of the human β T cell receptor locus RAG2 deficient mice lack mature lym phocytes owing to inability to initiate V(D)J rearrangement Tcell antigen receptor genes and Tcell recognition Struc ture of the complex between human Tcell receptor, viral peptide and HLAA2 Evolutionary implications of a third lymphocyte lineage in lampreys The evolution of the immune response. 3. Structural studies of the lamprey immunoglobulin