key: cord-0056973-obn05tvp authors: nan title: Arbeitsforschung 2021+: Welche Forschungsfragen bewegen die Arbeitgeber und wie sieht die Arbeitswelt der Zukunft aus? date: 2021-03-05 journal: Z Arbeitswiss DOI: 10.1007/s41449-021-00240-3 sha: d524d6a274a5fbb2f4cc5ce5bd61ac03bc6c5777 doc_id: 56973 cord_uid: obn05tvp The working group “Work Design and Research” of the Confederation of German Employers’ Associations (BDA) describes important research needs for a working environment in the coming years (2021+) from a practical perspective of various German industrial and service sectors. The aim is to describe the many facets and changes in the world of work, to derive relevant positions and theses for work research from the employer’s point of view, and to stimulate discussion on the further development of work science. Socio-technical aspects are considered, such as the impact of digitization and artificial intelligence on work design, sustainability in the economy. Different work organization characteristics, such as mobile work, agile work, leadership requirements, are also the focus of the theses. Innerhalb der letzten 50 Jahre ist unsere Lebens-und Arbeitswelt um ein Vielfaches flexibler und digitaler geworden, Innovationszyklen werden immer kürzer. Faktoren wie die Digitalisierung, der demografische Wandel, die Globalisierung und ein Wertewandel in der Gesellschaft bewirken eine stetige Anpassung und Veränderung. Unternehmen müssen sich in Flexibilität üben und sich kontinuierlich verändern, um ihre Existenz zu sichern. Ein Teil der Unternehmen ist zu einem "permanenten Wandel" übergegangen -und es stellt sich die Frage, wie dieser gut gestaltet werden kann. Im Rahmen der stetigen Veränderungen gewinnen Arbeitsformen wie agiles, orts-bzw. zeitflexibles und digitales (und die Kombination aus diesen) Arbeiten an immer mehr Bedeutung. Diese Formen des Arbeitens fordern neue Arten der Führung und der Selbstorganisation. Führung muss heute ebenfalls aus der Distanz effektiv erfolgen. Im Arbeitskontext ist hierbei die Digitalisierung längst angekommen: Videokonferenzen, virtuelle Abstimmungstools, Arbeiten in der Cloud und mit Algorithmen bzw. Chatbots sowie mit den modernsten Produktionsmaschinen sind nichts Außergewöhnliches mehr. Eine weitere technische Entwicklungsstufe ist die Künstliche Intelligenz. Sie ermöglicht es den Beschäftigten mit intelligenter Assistenz, lernenden Robotern und benutzeroptimierter Informationsbereitstellung noch flexibler zu arbeiten, anspruchsvollere Tätigkeiten zu übernehmen, individuell angepasste Informationen zu erhalten sowie bei monotonen geistigen Routinetätigkeiten entlastet zu werden. Neben technischen Innovationen werden zunehmend Faktoren wie Nachhaltigkeit, Wertewandel und neue Arbeitsformen die Arbeitswelt der Zukunft bestimmen. Die Bedeutung von Eigenverantwortung und lebensbegleitendes Lernen nimmt weiter zu und ist nicht nur Herausforderung für Beschäftigte, sondern auch für Unternehmen, die ihre Beschäftigten bei diesen Themen unterstützen wollen. Zu diesen langfristigen Trends kommt die Erschütterung durch die SARS-CoV-2-Pandemie hinzu. Diese Krise konnte aufzeigen, wo Unternehmen Flexibilisierungs-und Digitalisierungspotenzial aufweisen, und an welchen Stellen Unternehmen bereits gut aufgestellt sind. Dieses Papier verdeutlicht aus einer Praxisperspektive Forschungsbedarfe für eine Arbeitswelt in den kommenden Jahren (2021+). Aus der Bestandsaufnahme ergeben sich zudem zentrale Thesen, die sich zusammengefasst am Ende des Papiers befinden. Ziel ist es, die Arbeit der Zukunft gut und sicher zu gestalten und dabei für die Unternehmen und Beschäftigten die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Damit dies gelingt, müssen aus Sicht der Unternehmen noch einige zentrale Fragen beantwortet werden und auch die Bedarfe von Kleinst-und Kleinunternehmen (KKU) sowie mittelständischen Betrieben Berücksichtigung finden. Insbesondere bei Letzteren muss in den Forschungsprojekten sichergestellt werden, dass die Ergebnisse auf KKU übertragbar sind. Veränderungsmanagement muss sich selbst einem Wandel unterziehen (Albach et al. 2014) . Veränderungen laufen anders ab als noch vor 10 oder 20 Jahren und viele Empfehlungen für gute Veränderungsprozesse wären heute kontraproduktiv. Damals ging man noch von einzelnen, klar definierten Veränderungen aus, zwischen denen sich eine neue Routine herausbilden kann, und Beschäftigte sich auf die neue Situation einstellen können, weil sich ein neues Gleichgewicht herausbildet. Diese negative Sicht auf Veränderungen als Belastung der Beschäftigten und positive Bewertung von Phasen ohne Veränderungen als gute und präventive Arbeitsgestaltung lässt sich so nicht durchhalten. Externe Nicht alle Tätigkeiten lassen vollumfängliches flexibles Arbeiten zu oder Beschäftigte verzichten bewusst auf Flexibilisierungsmöglichkeiten, um Grenzen zwischen den Lebensbereichen zu wahren. Dennoch ist es wichtig, heute schon Konzepte für die Gestaltung guter Arbeitszeit von morgen zu entwickeln, denn bislang sind diese noch nicht immer so aufgebaut, dass sie von Unternehmen und Beschäftigten gleichermaßen akzeptiert werden. Natürlich gibt es bereits verschiedene Möglichkeiten Arbeitszeit flexibler zu gestalten, z. B. durch Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit, Teilzeit, (Lebens-) Arbeitszeitkonten, Sabbaticals usw. Die Möglichkeiten für mehr zeitliche Flexibilisierung sind jedoch nicht ausgeschöpft. Damit Unternehmen sinnvolle und zeitgemäße Angebote unterbreiten können und gleichzeitig in der Lage sind, auf sich wandelnde Märkte zu reagieren, braucht es bessere (rechtliche) Rahmenbedingungen. Eine wöchentliche statt tägliche Höchstarbeitszeit würde es erlauben, die Verteilung der Arbeitszeit entsprechend flexibel zu gestalten und auf mehr oder weniger arbeitsintensive Arbeitstage besser zu reagieren, in dem die täglichen Arbeitszeiten unter der Woche variiert werden können. Arbeitgeber könnten so ihren Beschäftigten einräumen, unterschiedlich lang oder in zeitlich getrennten Blöcken zu arbeiten. In diesem Zusammenhang wäre es für die Beschäftigten und Unternehmen ein großer Gewinn an Flexibilität, wenn Ruhezeiten in verschiedene Blöcke aufgeteilt werden könnten. Diese Fragestellung lässt sich beispielsweise in Experimentierräumen klären, die aufgrund der Forschungsfrage über einen gewissen Zeitraum unabhängig vom aktuellen Arbeitszeitgesetz agieren dürfen. Neben neuen Rahmenbedingungen für flexibleres Arbeiten nimmt auch die wirtschaftliche Bedeutung der Schichtund Nachtarbeit weiter zu. Dieser Trend wird sich mit der steigenden Nachfrage nach Dienstleistungen und dem Einsatz kapitalintensiver Produktionseinrichtungen weiter fortsetzen. Für die ergonomische, in jeder Lebensphase gesunderhaltende Schichtplangestaltung ist die Berücksichtigung arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse nach wie vor unerlässlich. Insbesondere vor dem Hintergrund der Digitalisierung und des demografischen Wandels erscheint es angebracht, die neu gewonnenen Ansätze und Erkenntnisse offen zu diskutieren und gegebenenfalls in die aktuellen und zukünftigen Diskussionen zu integrieren. Flexible, gesundheits-und bedarfsgerechte Schichtarbeit ist planbar, wie erste Studien verdeutlichen (vgl. Stowasser et al. 2019 Die Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" des Bundestages entwickelte 1995 das Drei-Säulen-Modell einer nachhaltigen Entwicklung, welches den Begriff Nachhaltigkeit interdisziplinär beschreibt: Die Säulen "Ökologie", "Soziales" und "Wirtschaft" stehen in Wechselwirkung zueinander und müssen für eine dauerhaft zukunftsfähige Entwicklung gemeinschaftlich betrachtet werden. Obwohl das Säulen-Modell immer wieder kritisiert wird, hat sich bisher kein anderes Modell durchsetzen können. Auch kommt kaum ein Modell ohne den Dreiklang Ökologie-Soziales-Wirtschaft aus, sodass über diesen Dreiklang als Ausgangspunkt für die Nachhaltigkeitsdiskussion und die langfristige Betrachtung einer nachhaltigen Entwicklung ein Konsens angenommen werden kann (Deutscher Bundestag 13. Wahlperiode 1998). Auf gesellschaftlicher Ebene beschreibt Nachhaltigkeit eine Politik, deren Ziel es ist, ökologische, ökonomische und soziale Leistungsfähigkeit -unterstützt durch eine moderne Technologie -sicherzustellen und sogar zu verbessern. Auf betrieblicher Ebene heißt Nachhaltigkeit, die Unternehmenssituation bereits heute zu verbessern, ohne dadurch die langfristigen Zukunftsperspektiven zu verschlechtern. In den modernen Managementsystemen verschmelzen die Anforderungen aus gesellschaftlicher und betrieblicher Ebene zu den Anforderungen der sogenannten Anspruchsgruppen (engl.: Stakeholder). Daher lässt sich in modernen Managementsystemen ebenso die Auseinandersetzung mit dem Nachhaltigkeitsbegriff finden. Auch aus diesem Grund haben sich bereits viele Unternehmen den Gedanken der Nachhaltigkeit zugewandt. Das Einbeziehen von Nachhaltigkeitsstrategien und das Abwägen geeigneter Maßnahmen, wie z. B. die Implementierung abfallarmer und klimafreundlicher Arbeitsschritte in der Produktion oder die Einführung von "Nachhaltigkeits-Guidelines" bei Einkauf und Beschaffung sowie der Produktentwicklung, ergänzen und erweitern bestehende Unternehmensprozesse. Diese Veränderungen betreffen jede Ebene in Unternehmen und sind somit für Beschäftige und Führungskräfte relevant. Ferner resultiert aus diesen Veränderungen ein Bedeutungszuwachs an vernetzter, interdisziplinarer und holistischer Zusammenarbeit, um der Komplexität des Nachhaltigkeitsbegriffs gerecht zu werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden sich daher die Anforderungsprofile der Tätigkeiten in Bezug auf den Aspekt Nachhaltigkeit verändern. Der Bedarf an veränderten oder neuen Berufsbildern, Fachkräften mit spezieller Ausbildung oder zugeschnittenen Fort-und Weiterbildungsformaten wird steigen (Ellen MacArthur Foundation 2015) . In den letzten Jahren verstärkt die Politik den Druck auf Unternehmen, nicht nur die innerbetrieblichen Prozesse anzupassen, sondern auch ihre, nach außen wirkende, Verantwortung wahrzunehmen (Europäische Kommission 2019, 2020). Dabei stehen zusätzlich zur Versorgungssicherheit weitere Aspekte wie der Umwelt-und Klimaschutz, Fairness und gute Arbeitsbedingungen sowie die Auswirkungen von Digitalisierung und KI auf eine zukunftsfähige Arbeitsgestaltung im Vordergrund. Flankiert wird diese Entwicklung durch den zunehmenden wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn, nachhaltiger wirtschaften zu müssen sowie den gesellschaftlichen Wertewandel. Daraus ergeben sich folgende Forschungsfragen: Sven Hille (ifaa -Institut für angewandte Arbeitswissenschaft), Dr. Stephan Sandrock (ifaa), Prof. Dr Dr. habil. Birgit Verworn (BDA) Alexander Böhne (Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes), Klaus Depner (Randstad Deutschland GmbH & Co. KG) Hrsg) (2014) Management of permanent change Homeoffice in Zeiten der Corona-Pandemie. www. bitkom.org/Presse/Presseinformation/Corona-Pandemie-Arbeitim-Homeoffice-nimmt-deutlich-zu. Zugegriffen: 16 Chancen und Risiken mobiler und digitaler Kommunikation in der Arbeitswelt Wahlperiode (1998) Abschlussbericht der Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt -Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung Growth within: a circular economy vision for a competitive Europe IW-Analysen 135: Digitalisierung und mitarbeiterorientierte Führung. Die Bedeutung der Kontrollüberzeugung für die Personalpolitik Der europäische Grüne Deal. https:// eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:b828d165-1c22-11ea-8c1f-01aa75ed71a1.0021.02/DOC_1&format=PDF. Zugegriffen: 17 Ein neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft -Für ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa Hrsg) (2019) Gutachten zur Mobilen Arbeit. Erstellt im Auftrag der Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei (FDP). ifaa Status quo (scaled) agile. www.hs-koblenz.de/bpmlabor/status-quo-scaled-agile-2020. Zugegriffen: 17 Change Management -Grundlagen und Erfolgsfaktoren Konjunkturumfragen im Fokus: Coronakrise trifft deutsche Wirtschaft mit voller Wucht Agiles Arbeiten. www.certo-portal.de/mitdenken 4null/agiles-arbeiten/. Zugegriffen: 17