key: cord-0057206-e4tykd4j authors: Sure, Matthias; Rimmele, Felix title: Bewertungsoptionen für Start-ups in der Frühphase date: 2020-07-20 journal: Control Manag Rev DOI: 10.1007/s12176-020-0120-8 sha: 86152f380959267bbad2549e6cc695fc08757c0d doc_id: 57206 cord_uid: e4tykd4j nan Start-up-Unternehmen spielen in der Entwicklung von Innovationen, disruptiven digitalen Geschäftsmodellen sowie bei der Erschließung neuer Märkte eine wichtige Rolle. Um Finanzierungsengpässe zu überwinden, die sich im Laufe jedes Innovationsprozesses ergeben, greifen Start-up-Unternehmen zunehmend auf Risikokapital von Investoren zurück. So gab es allein in Deutschland im Jahr 2018 621 Start-up-Finanzierungsrunden, was einer Steigerung von mehr als 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Zu den Investoren im Start-up-Umfeld zählen insbesondere ehemalige Gründer und erfahrene Unternehmer, die die Gründer mit ihrer Expertise und ihrem Netzwerk unterstützen (Business Angels), sowie Venture-Capital-Gesellschaften. Von maßgeblicher Relevanz ist dabei, welchen Anteil am Eigenkapital des Start-ups Gründer und Risiko-Investoren im Gegenzug für die Kapitalbeteiligung für angemessen halten. Doch wie ist der Wert eines innovativen Start-ups zu bestimmen? Welche Art der Unternehmensbewertung lässt sich innerhalb des Beteiligungsprozesses umsetzen? Eine Forschungsarbeit ist diesen Fragen nachgegangen und hat dabei verschiedene Unternehmensbewertungs-Ansätze berücksichtigt (vergleiche Abbildung 1). Die Ergebnisse geben Aufschluss darüber, wie Start-up-Unternehmen aus der Perspektive des Managements den Problemfeldern der Unternehmensbewertung innerhalb des Beteiligungsprozesses begegnen (vergleiche zur Methodik der Studie, S. 56). Insbesondere die klassische Bewertungsliteratur, aber teilweise auch bisherige Forschungsarbeiten reflektieren eine hohe Bedeutung einer auf klassischen Methoden basierenden Unter-Zusammenfassung • Die Ergebnisse einer Studie zeigen, dass es bei Bewertungen digitaler Start-ups im Zuge des Beteiligungsprozesses insbesondere in der (Pre-)Seed-beziehungsweise Start-up-Phase keine einheitliche Vorgehensweise gibt. • Die Vorgehensweise wird in hohem Maße durch die zur Verfügung stehenden Informationen bestimmt. • Bedingt durch den Mangel an Informationen, entwickeln Start-up-Unternehmen zumeist eine eigene, auf ihren individuellen Fall abgestimmte Bewertungsstrategie. nehmensbewertung für den Beteiligungsprozess. So haben die Discounted-Cashflow-Ansätze (DCF-Ansätze) in der Theorie einen hohen Stellenwert, was insbesondere durch die Forschungsarbeiten von Manigart et al. (1997) , Peemöller et al. (2001 ) und Zellmann et al. (2014 Die Bewertung von Start-ups ist also komplex. In der Multifallstudie wird ersichtlich, dass dabei das Geschäftsmodell, die Unternehmensbranche, das Marktsegment, das Innovationspotenzial und die Phase des Lebenszyklus berücksichtigt werden müssen. Denn diese unternehmerischen Spezifika haben Einfluss auf die Informationsgrundlage der Bewertung, die Vergleichbarkeit der zur Verfügung stehenden Unternehmensdaten sowie auf die Prognosequalität und die Planungssicherheit. Die in der Studie untersuchten Unternehmen befanden sich weitestgehend in der gleichen Phase des Lebenszyklus, weisen aber Unterschiede in Bezug auf Geschäftsmodell, Branche und Marktsegment auf. So befanden sich vier der Unternehmen zum Zeitpunkt der Bewertung in der (Pre-)Seed-beziehungsweise Start-up-Phase, ein Unternehmen stand kurz vor dem Eintritt in die Growth-Phase, ein weiteres am Anfang der Growth-Phase. Die drei IT-Unternehmen sind in den hoch innovativen Sektor einzugliedern, während zwei weitere, medienorientierte Unternehmen einen Nischenmarkt bedienen. Das E-Commerce-Unternehmen bedient ebenfalls eine Marktnische, jedoch mit einem hoch individuellen Geschäftsmodell. Dominierend in der Bewertung von Start-ups ist neben dem Geschäftsmodell offenbar auch die Erfahrung des Managements (vergleiche Miloud/Aspelund/Cabrot 2012, S. 163 ff.). Sie spiegelt sich in dessen Fähigkeiten und Fertigkeiten wider. Das Management muss glaubhaft machen, dass es über den nö-tigen Erfahrungsschatz verfügt, um die Entwicklung des Unternehmens voranzutreiben. Alle sechs Unternehmen der untersuchten Stichprobe deklarierten die Erfahrung des Managements als einen Erfolgsfaktor von höchster Relevanz, der als qualitatives Argument in die Bewertung einfließt. Eine direkte quantitative Berücksichtigung im Unternehmenswert konnte bei den Unternehmen jedoch nicht festgestellt werden. Dem Erfahrungsschatz der Gründer (die in dieser Lebenszyklusphase -wie auch in der vorliegenden Multifallstudiezumeist gleichzeitig das Management repräsentieren) kann nach einhelliger Meinung der Befragten eine so hohe Bedeutung beigemessen werden, weil er die Voraussetzung für eine gute Vertrauensbeziehung zum Investor ist. Denn ein Investor wird einem Gründer nur dann sein Vertrauen schenken, wenn er glaubt, dass der Gründer den Herausforderungen des Marktes gewachsen ist. Die Beteiligungsquote schränkt einerseits den Verhandlungsspielraum im Beteiligungsprozess und andererseits die potenzielle Auswirkung der Beteiligung auf den Unternehmenswert ein. Die Höhe der Beteiligungsquote muss gewisse Standards erfüllen, damit der Investor eine Motivation entwickelt, die Unternehmensentwicklung zu unterstützen, denn gerade im Venture-Capital-und Business-Angel-Bereich wird den Investoren die Aufgabe zugesprochen, das Management zu unterstützen. Liegt die Beteiligungshöhe außerhalb marktüblicher Spannen, kann das ein Anzeichen für eine schlechte Risiko-oder Erfolgsbeurteilung sein und wird potenziell bei späteren Finanzierungsrunden zum Nachteil des Unternehmens ausgelegt. Welchen Stellenwert die Beteiligungsquote im Beteiligungsprozess hat, hängt maßgeblich auch von der Einstellung des Gründers ab. Zwei der befragten Gründer beziehungsweise Manager gaben an, keine großen Verhandlungen über die Höhe der Beteiligungsquote geführt zu haben. Begründet werden kann dieses Verhalten dadurch, dass der Fokus der Gründer nicht auf einer hohen Bewertung, sondern auf einer möglichst hohen Kapitalaufnahme und auf der Wahl des "richtigen" Investors lag. Lediglich ein Unternehmen verfolgte bei der Verhandlungsführung das Ziel, möglichst viele Anteile zu halten. Es benötigte die verbliebenen Anteile für weitere Investitionsrunden. Ein plausibler Unternehmenswert kann unter anderem durch den Vergleich zu Unternehmen aus der gleichen Branche ermittelt werden. Dafür sind Informationen über die Höhe der Investition und über die Beteiligungsquote notwendig. Eine Plausibilitätsprüfung des Unternehmenswerts wurde von keinem der drei befragten Unternehmen im Vorfeld durchgeführt. Als Ablehnungsgründe wurden von einem Interview-Partner die mangelnde Notwendigkeit einer Plausibilisierung des Unternehmenswerts innerhalb des Beteili-gungsprozesses und die Unternehmensgröße genannt. Es sei lediglich ein Konsistenz-Check mit Erfahrungswerten ähnlicher Investments durchgeführt worden, welcher sich auf die Angemessenheit des Kapitalbedarfs bezog. Im Fall der drei IT-Start-ups wird deutlich, dass unter der Prämisse einer standardisierten Beteiligungsquote die Bewertungshöhe maßgeblich von der Höhe des Kapitalbedarfs und schlussendlich von der Kapitalaufnahme bestimmt wird. In der Annahme, dass vergleichbare Unternehmen einen vergleichbaren Wert aufweisen, ermittelt ein marktorientierter Ansatz den Unternehmenswert auf Basis von Vergleichsunternehmen, bei denen bereits eine Unternehmensbewertung realisiert wurde. In der vorliegenden Multifallstudie wählten zwei der Unternehmen diesen Ansatz und ermittelten den Unternehmenswert auf Basis der Similar-Public-Company-Methode und der Recent-Acquisitions-Methode. Bei der Similar-Public-Company-Methode wird der aktuelle Börsenwert von Vergleichsunternehmen herangezogen, während bei der Recent-Acquisitions-Methode Marktpreise von Unternehmenskäufen verwendet werden, die kurz vor dem Bewertungszeitpunkt stattgefunden haben. Beide Unternehmen sind den Sektoren Medien und soziale Netzwerke zuzuordnen, bewegen sich in einem Nischenmarkt und bauen ihr Geschäftsmodell auf einer bestehenden Online Community auf. Eines der betrachteten Unternehmen befand sich zum Bewertungszeitpunkt in der (Pre-)Seed-beziehungsweise Start-up-Phase. Das Unternehmen konnte zu diesem Zeitpunkt bereits auf den Prototyp einer App verweisen, jedoch waren noch keine Nutzer akquiriert, und das Unternehmen generierte noch keine Umsätze. Das zweite Unternehmen befand sich zum Bewertungszeitpunkt am Ende der (Pre-)Seed-beziehungsweise Start-up-Phase und in Vorbereitungen auf die Growth-Phase. Dieses Unternehmen konnte bereits eine Anzahl von Nutzern sowie kleinere Umsätze vorweisen. Im Rahmen der Recent-Acquisitions-Methode wurden Vergleichsunternehmen identifiziert, die bereits eine Bewertung realisiert hatten und hohe Übereinstimmungen hinsichtlich Geschäftsmodell, Nutzeranzahl und Internationalisierungsgrad aufwiesen. Auf Basis von qualitativen und quantitativen Vergleichen hinsichtlich der Zielgrößen Unternehmensentwicklung, Produktentwicklung und Monetisierungspotenzial des Vergleichsunternehmens leitete das Management eine Schätzung des Unternehmenswerts für das eigene Unternehmen ab. Bei der Similar-Public-Company-Methode wurde der Unternehmenswert direkt über einen Umsatz-Multiplikator ermittelt. Der Umsatz als Informationsgröße basierte auf einer Prognose, die anhand einer Top-down-Vorgehensweise erstellt wurde. Über eine Zielgruppen-und Marktanalyse wurde der zu erreichende Marktanteil ermittelt. Zusätzlich erfolgte die Aufnahme einzelner Projekte inklusive zugehöriger Umsätze in die Prognose. Um eine hohe Stabilität der Prognose zu erreichen, wurde der Top-down-Ansatz mit einer Bottom-up-Prognose gespiegelt. Bei der Kostenprognose wurde der Fokus auf die Schlüsselkosten gelegt. Die Plausibilitätsüberprüfung der Prognose erfolgte anhand von Daten aus Vergleichsunternehmen mit ähnlichem Geschäftsmodell. Hierfür wurden absolute Kosten und Kosten-Umsatz-Relationen verglichen. Die Planungsrechnung erstreckte sich über einen zeitlichen Horizont von fünf Jahren, wobei die Prognose in den ersten zwei Jahren stärker am Geschäftsmodell ausgerichtet war und für die weiteren Jahre mehr auf Umsatz-Kosten-Relationen gesetzt wurde. Zusätzlich wurden Experten aus der Werbe-und Online-Marketing-Branche zur Validierung herangezogen. Der Als für den vorliegenden Forschungsfall geeignete Methodik wurde eine explorative Multifallstudie auf Basis von Experten-Interviews ausgewählt, zumal der Fokus der Datenerhebung auf der Tiefe der Informationserhebung lag. Richtgröße für eine Multifallstudie sind vier bis zehn Fälle, da sich bei größeren Stichproben die Komplexität erheblich erhöht (vergleiche Eisenhardt 1989, S. 532 ff.). Die Interview-Partner wurden über persönliche Kontakte, konventionelle Internetsuchmaschinen, den Inkubator und Accelerator "Startplatz Köln" und das Online-Magazin "Gründerszene" gefunden. Insgesamt wurden mit sechs Start-up-Unternehmen Experten-Interviews geführt, die sich allesamt in der (Pre-)Seed-beziehungsweise Start-up-Phase beziehungsweise in einem Fall am Anfang der Growth-Phase befanden und über digitale Geschäftsmodelle verfügen. Im Gegensatz zu den marktorientierten Verfahren konnte der Multiplikator mangels Verfügbarkeit nicht von Vergleichsunternehmen abgeleitet werden, sondern wurde auf Basis der Post-Money-Bewertung und der Ausprägungen von KPIs zu diesem Zeitpunkt gebildet. Die Beteiligungsquote errechnete sich aus dem Verhältnis zwischen Kapitalbedarf und Bewertungshöhe. Neben dem Kapitalbedarf wurde die Beteiligungsquote von den Zielsetzungen der existierenden Gesellschafter bestimmt, da Verwässerungseffekte hinsichtlich ihres Einflusses für sie vertretbar sein mussten. Ergebnisse einer Untersuchung zur Bewertung von sechs schwerpunktmäßig in der (Pre-)Seed-beziehungsweise Startup-Phase befindlichen Start-ups aus dem IT-, Medien-und E-Commerce-Sektor zeigen, dass die Bewertung gegenüber der Kapitalaufnahme aus Sicht des Managements von nachgelagerter Bedeutung ist und qualitative Faktoren wie Erfahrung und Vertrauen im Beteiligungsprozess eine wichtige Rolle spielen. Klassische Methoden der Unternehmensbewertung wie insbesondere die DCF-Methode sind aus Sicht der Gründer und Manager zumeist ungeeignet. Bewertung von Unternehmen bei Venture-Capital-Finanzierungen Valuing Start-ups -Selected Approaches and their Modification Based on External Factors Building Theories from Case Study Research Valuation of Early Stage High-tech Start-up Companies Venture Capitalists Appraisal of Investment Projects: An Empirical European Study Startup Valuation by Venture Capitalists: an Empirical Study, in: Venture Capital: An International Bewertung von Early-Stage-Investments im Rahmen der Venture Capital-Finanzierung, in: Finanz Betrieb Die Bewertung von Venture Capital Portfoliounternehmen -Best Practice Studie bei VC-Fonds in Deutschland Die Unternehmensbewertung von Startup Unter nehmen Entrepreneur ship, 5. Auflage