key: cord-0059085-9ftadt78 authors: Panning, Marcus; Forster, Johannes title: Respiratorische Viren date: 2020-06-22 journal: Pädiatrie DOI: 10.1007/978-3-662-60300-0_123 sha: 0a2866ee7f71b5c450c344e4d8836438430e7717 doc_id: 59085 cord_uid: 9ftadt78 Akute respiratorische Erkrankungen im Kindesalter sind ganz überwiegend durch Viren ausgelöst. Winterliche Epidemien sind die Regel. Die Krankheitszeichen sind initial sehr ähnlich, es gibt nur wenige spezifische Anfangssymptome, z. B. (Pseudo-)Krupp-Symptomatik durch Parainfluenza-Viren. Für die Pathogenese ist die hauptsächlich infizierte Zellpopulation, die Stärke der Immunreaktion sowie das Alter und die Veranlagung des Kindes ausschlaggebend, letzteres insbesondere hinsichtlich einer Asthmareaktion. Die Diagnostik erfolgt in der Regel durch (Multiplex-)PCR. Antigen-Schnellteste für einige Erreger sind ebenfalls verfügbar. Die Behandlung ist supportiv – nur wenige Maßnahmen sind allerdings hinreichend evidenzbasiert. Antivirale Therapien sind wenige verfügbar. Antibiotikagaben sind unwirksam zur Komplikationsprophylaxe. Für die Influenza-Prophylaxe gibt es eine aktive Impfung, für die passive RSV-Prophylaxe Indikationen bei drohenden schwerwiegenden Verläufen im Säuglingsalter. Nach einer Inkubationszeit von 1-3 Tagen tritt Schnupfen auf, die höchste Viruskonzentration im Nasensekret nach 2-4 Tagen, wiederum nach 2-4 Tagen bei disponierten Patienten auch eine bronchiale Obstruktion. Es konnte gezeigt werden, dass zu dieser Zeit auch Virus-RNA im Bronchialepithel vorhanden ist. Die Immunität ist im Wesentlichen abhängig von der nur sehr kurzen Anwesenheit sekretorischer spezifischer IgA-Antikörper. Die bei den Serotypen beobachtbare Kreuzreaktivität spiegelt sich nicht in protektiver Kreuzimmunität wider. Umgangssprachlich werden die klinischen Symptome mit Schnupfen, Erkältung oder Grippe beschrieben, je nach Ausbreitung und Auftreten von Allgemeinsymptomen. Ab dem Kleinkindesalter sind Rhinoviren die häufigsten Auslöser von einer obstruktiven Bronchitis bzw. Asthma-Exazerbationen. Die Diagnostik kann mit PCR aus Nasopharynxsekret/-Rachenabstrichen (üblicherweise mittels sog. Multiplex-PCR, mit der parallel verschiedene Atemwegserreger nachgewiesen werden können) durchgeführt werden. Infrage kommen Erreger von akuten Krankheiten der Atemwege, im Speziellen Influenza-, Parainfluenza-, Coronasowie Adeno-und RS-Virus-Infektion mit leichten klinischen Verläufen. Therapie und Prognose Die Behandlung erfolgt symptomatisch. Die Prognose ist stets günstig, lediglich durch die Infektion ausgelöste Asthmaereignisse können gefährlich werden. Eine durchgemachte obstruktive Bronchitis (Bronchiolitis in der englischsprachigen Literatur) ist ein eigenständiger Risikofaktor für infektausgelöste Asthma-Episoden bis ins Schulalter. Eine vorsorgliche Behandlung von Kleinkindern, die zu obstruktiver Bronchitis neigen, mit inhalativem Kortison im infektionsfreien Intervall hat sich als wirkungslos erwiesen. Zwar sind in der Epidemiezeit bis zu 25 % der hospitalisationspflichtigen Pneumonien durch Influenza bedingt, die primäre hämorrhagische und die schwere bakterielle Sekundärpneumonie sind im Kindesalter jedoch selten. Goldstandard in der Akutdiagnostik sind inzwischen molekulare Nachweisverfahren. Die Anzüchtung aus Rachenspülwasser/Rachenabstrichen oder anderen Atemwegsmaterialien dient vor allem der Charakterisierung im Rahmen der Influenza-Surveillance. Antigen-Schnellteste sind ebenfalls verfügbar, mit teilweise allerdings reduzierter Sensitivität/-Spezifität gegenüber molekularen Verfahren. Serologische Antikörper-Nachweisverfahren sind für die Akutdiagnostik obsolet. Der direkte Nachweis von Influenzaviren ist nach IfSG meldepflichtig. Hierunter fallen auch die Nachweise durch Schnellteste, z. B. im niedergelassenen Bereich. Aufgrund der ähnlichen klinischen Befunde kommen differenzialdiagnostisch Infektionen mit Parainfluenzavirus, Adenovirus, RS-Virus, Metapneumovirus, Rhinoviren, Mycoplasma pneumoniae (Multiplex-PCR) sowie verschiedenen Coronaviren in Betracht. Eine spezifische antivirale Therapie ist verfügbar. Die Neuraminidasehemmer Zanamivir (inhalativ) und Oseltamivir (oral) wirken gegen Typ A und B und können auch zur Prophylaxe eingesetzt werden. Beide Produkte sind für das Säuglingsalter hinsichtlich Dosierung und Sicherheit allerdings nur unvollständig untersucht. Indikationen bestehen bei wegen ihrer Grundkrankheit gefährdeten Patienten oder bei sehr schweren Verläufen, wobei die Substanzen innerhalb von 24-48 Stunden nach Symptombeginn eingesetzt werden sollten. Daten zur Wirksamkeit sind umstritten. Die antivirale Substanz Amantadin (nur Influenza-A-Viren) wird aufgrund weit verbreiteter Resistenz und schlechter Verträglichkeit nicht mehr angewandt. In der symptomatischen Therapie ist die Verwendung von Salicylaten wegen der Gefahr eines Reye-Syndroms kontraindiziert. Influenzaviren lösen bei Kindern mit Asthma bronchiale Exazerbationen aus. Ein Risiko für einen schweren klinischen Verlauf haben Kinder mit angeborenen Herzfehlern, bronchopulmonaler Dysplasie, zystischer Fibrose und neuromuskulären Krankheiten. Bekannte, häufig auftretende Komplikationen sind bakterielle Otitis media und Pneumonie. Diese und andere bakterielle Folgekrankheiten sind zu vermuten, wenn 3-4 Tage nach Krankheitsbeginn noch keine klinische Besserung zu beobachten ist. Seltene Komplikationen sind Myositis, Myokarditis, ZNS-Befall und toxisches Schocksyndrom sowie das Reye-Syndrom. Bei nicht vorerkrankten Patienten, die die Krankheit ohne Komplikation durchmachen, ist eine Restitutio ad integrum zu erwarten. Wegen des Wechsels der antigenen Eigenschaften der Viren ist eine jährliche, bei Pandemien punktuelle Neuformulierung der Zusammensetzung des Impfstoffes unumgänglich. Kinder mit chronischen Erkrankungen, insbesondere Asthma sollten jährlich geimpft werden. Neben den bekannten Totimpfstoffen stehen seit 2012 hierfür auch adjuvantierte Influenzaimpfstoffe und attenuierte Lebendimpfstoffe im Kindesalter zur Verfügung. Die Neuraminidasehemmer stehen erst in der zweiten Reihe (u. a. bei Antigen-Shift) und nur bei ausgewählten Patienten (siehe oben). Epidemiologie Parainfluenzaviren verursachen im frühen Kindesalter in der Regel gutartige Krankheiten der Atemwege, am häufigsten eine Laryngotracheitis (Pseudokrupp). Ein begrenzter Schutz vor schwerer Erkrankung besteht durch diaplazentar übertragene, mütterliche, neutralisierende Antikörper. Der Erkrankungsgipfel für Parainfluenza 3 liegt in der Altersgruppe 6-24 Monate, der für Parainfluenza 1 und 2 im 3.-5. Lebensjahr. Typ 1 und 2 zeigen ein saisonales Auftreten im Herbst und Frühwinter in einem meist 2-jährigen Zyklus, Typ 3 eher ein endemisches Verhalten. Parainfluenzaviren sind Paramyxoviren mit negativ orientierter, unsegmentierter Einzelstrang-RNA. Die Hüllproteine sind eine Hämagglutinin-Neuraminidase (HN) und ein Fusionsprotein (F), gegen die bei der immunologischen Abwehr auch Antikörper gebildet werden. Die Familie der Parainfluenzaviren enthält 4 Typen (1-4), von denen die ersten 3 auch in Nagern und Meerschweinchen gefunden werden, der letzte nur beim Menschen. Obwohl es auch primär animale Para-myxoviren gibt, ist ein entsprechender Genaustausch wie bei Influenzaviren nicht üblich. In den ersten beiden Lebensjahren kommen als differenzialdiagnostisch wichtige Erreger Metapneumo-, Parainfluenza-, Influenza-, Adenoviren und Chlamydien in Betracht. Hinsichtlich der Asthmaauslösung bei Klein-und Schulkindern auch Rhinoviren und Mycoplasma pneumoniae. Die Therapie der Bronchiolitis und der obstruktiven Bronchitis erfolgt symptomatisch. Gesichert wirksam ist die Sauerstoff-Supplementation. Therapieversuche sind möglich mit Adrenalin-Inhalation, auch in Kombination von systemischem Kortikoid, Inhalation von Salbutamol mit Ipratropium sowie der Inhalation von hyperosmolarer Kochsalzlösung. In der Intensivtherapie hat sich die CPAP-Atemunterstützung bzw. High-flow-Therapie bewährt (▶ Kap. 185, "Tracheobronchitis und Bronchiolitis"). Die meisten der Therapie-Studien sind an Patienten durchgeführt worden, bei denen eine RSV-Ätiologie gesichert war. Die RSV-Pneumonie bei immunsupprimierten Patienten kann auch parenteral mit Ribavirin behandelt werden (30 mg/kg KG in 3 Dosen am 1. Tag, 15 mg/kg KG/Tag an den folgenden Tagenanalog zu Fallserien bei Erwachsenen). Der monoklonale Antikörper Palivizumab ist zur Therapie nicht geeignet. Eine antibiotische Behandlung oder "Prophylaxe" ist nicht indiziert. Klinisch relevant ist, dass in der Rekonvaleszenz die Oxygenierung, insbesondere im Schlaf, noch über viele Tage grenzwertig niedrig sein kann (O 2 -Sättigung 90 %), ohne dass dies bei sonst gutem Allgemeinzustand eine weitere Sauerstoff-Supplementation und damit Hospitalisation rechtfertigt. Verlauf und Prognose der RSV-Infektion haben sich in den vergangenen Jahren durch die angemessene Anwendung intensivmedizinischer Techniken deutlich verbessert. Die Mortalität bei nicht vorerkrankten hospitalisierten Patienten beträgt unter 1 %, diejenige von Patienten mit Vorerkrankungen (Herzfehler, bronchopulmonale Dysplasie) etwa 1,5 %. Die obstruktive Bronchitis in den ersten 2 Lebensjahren hat für sich genommen keinerlei prädiktiven Wert für die Entstehung eines Asthma bronchiale. Dessen Inzidenz ist lediglich höher bei pulmonal schwer Erkrankten und bei Patienten aus atopischen Familien. Extrem wichtig, besonders für die Prävention von nosokomialen Infektionen, sind Hygienemaßnahmen (▶ Kap. 114, "Epidemiologie und Prävention von nosokomialen Infektionen in der Pädiatrie"), insbesondere Händedesinfektion. Zu berücksichtigen ist dabei, dass RSV auch auf unbelebtem Material (z. B. Stethoskop-Membranen) für mehrere Stunden überleben kann. Für Patienten mit hohem Morbiditäts-und Letalitätsrisiko (sehr unreife Frühgeborene, Kinder mit bronchopulmonaler Dysplasie und Herzfehlern) ist eine Prophylaxe im Winter mit monatlicher Immunglobulininjektion (eines humanisierten monoklonalen Antikörpers gegen das F-Protein gerichtet) möglich (Palivizumab). Für die Anwendung liegen in Österreich, Deutschland und der Schweiz unterschiedliche Empfehlungen der pädiatrisch-infektiologischen und pädiatrisch-kardiologischen Gesellschaften vor (siehe jeweilige Homepages). Metapneumovirus-Infektionen Multiplex-PCR zur Diagnostik von frühkindlichen Atemwegserkrankungen. Differenzialdiagnose RS-, HMP-, Influenza-, Parainfluenza-, Entero-und Adenoviren sowie atypische bakterielle Erreger sind zu differenzieren. Die Therapie erfolgt symptomatisch, eine spezifische antivirale Therapie ist nicht verfügbar. Die Prognose der leicht verlaufenden oberen Atemwegsinfektionen ist in der Regel sehr gut. Ausnahme bilden schwer verlaufende Infektionen mit dem MERS-CoV. Impfstoffe liegen zurzeit nicht vor. Weiterführende Literatur Aktuelle Klassifikation der Picorna-Viren Performance of a novel microarray multiplex PCR for the detection of 23 respiratory pathogens (SYMP-ARI study) Long-term inhaled corticosteroids in preschool children at high risk for asthma Viral bronchiolitis in children Efficacy and effectiveness of influenza vaccines: a systematic review and meta-analysis Viral infections of the lower respiratory tract: old viruses, new viruses, and the role of diagnosis Prophylaxe von schweren RSV-Erkrankungen bei Risikokindern mit Palivizumab Community-acquired pneumonia in children: the challenges of microbiological diagnosis Influenza burden, prevention, and treatment in asthma-A scoping review by the EAACI Influenza in asthma task force Human metapneumovirus infections in hematopoietic cell transplant recipients and hematologic malignancy patients: a systematic review The pediatric burden of human coronaviruses evaluated for twenty years