key: cord-0059177-683xrqtg authors: Dandekar, Thomas; Kunz, Meik title: Bioinformatik verbindet das Leben mit dem Universum und dem ganzen Rest date: 2020-10-27 journal: Bioinformatik DOI: 10.1007/978-3-662-62399-2_16 sha: 7dcbfccba69c7def202c049687b22a67d74123b7 doc_id: 59177 cord_uid: 683xrqtg Bioinformatik hilft das Leben besser zu verstehen. Ganz gleich, ob man mehr die Anpassung bewundert (Phylogenie, Sequenzanalyse), den Stoffwechsel (metabolische Modellierung, Enzymdatenbanken) oder die Regulation dieser Anpassungen (Systembiologie). Ein roter Faden bei allen großen Herausforderungen der Bioinformatik ist das Erklimmen einer neuen Sprachebene und sich damit dem eigentlichen Wesen biologischer Regulation tiefer zu nähern, Forward- und Feedback-Loops versteht, stabile Systemzustände erkennt, Ökosystem-Modellierung, Klima oder Evolution betrachtet. Aktives Hinterfragen gefährlicher Digitalisierung schützt die kreative Freiheit des Internets. Bioinformatik hilft, das Internet besser zu verstehen und das ‚Internet der Dinge‘ durch Software und Datenbanken zu unterstützen. Die Bioinformatik hilft neue, kreative und nachhaltige Technologien voranzutreiben (synthetische Biologie, Nanotechnologie, 3-D-Drucker, künstliche Gewebe etc.). Digitalisierung mithilfe der Bioinformatik ist ein Schrittmacher der molekularen Medizin. Bioinformatik zeigt zudem in mathematischen Modellen von Ökosystemen Grenzen des Wachstums (z. B. Verhulst-Gleichung für bakterielles Wachstum) und resultierende sinnvolle, angepasste Systemstrategien auf. spannenderes Thema sind, gleich ob man Pflanzen oder Tiere besser verstehen will. Oder man kümmert sich gleich um das faszinierendste Geschöpf auf diesem Planeten, dem Menschen, und möchte vielleicht seine Krankheiten besser heilen oder einfach besser verstehen und erkennen, wie er aufgebaut ist und was den Menschen von Tieren trennt (Anthropologie). Man bedenke, sowohl unsere mittlerweile sehr guten Anti-Virusmedikamente gegen HIV-Infektionen als auch unsere modernen, zielgerichteten Therapien gegen Krebs (Duell. J et al. 2017 ) benötigen zu einem ganz erheblichen Teil bioinformatische Berechnungen. So zeigte die Antiretroviral Therapy Cohort Collaboration (2008), dass man selbst mit HIV Erkrankung bei früher Therapie eine fast normale Lebenserwartung hat. Das hierfür neue Ansätze gefunden wurden, aber auch die zahllosen molekularen Therapieerfolge in den letzten zwei Jahrzehnten, wäre ohne die Unterstützung der molekularen Experimente durch die Bioinformatik nicht möglich gewesen. So beschreibt der Artikel von Lengauer et al. (2014) , wie Bioinformatik helfen kann, eine optimale individuelle Therapie gegen HIV zu entwickeln. Ähnlich wie Stratmann et al. (2014) , Göttlich et al. (2016) und Baur et al. (2020) Schritt für Schritt eine gerichtete Krebstherapie mithilfe der Bioinformatik und Zell-Kultur-Experimenten verbessern. Ebenso sieht es bei dem Versuch aus, das menschliche Gehirn besser zu verstehen. Hier sind Computermodelle wichtig und werden z. B. zurzeit auch massiv als EU-Leitprojekt gefördert ("Blue Brain"-Projekt der EU). Eine vielleicht bessere Strategie ist es, dem Gehirn einfach genau zuzuhören und nicht gleich an neue Computerarchitekturen zu denken. Genau dies ist das Ziel des "Brain Activity"-Projekts der US-Regierung, sogar noch dreimal stärker gefördert als das EU-Projekt. Ein roter Faden bei allen großen Herausforderungen der Bioinformatik ist das Erklimmen einer neuen Sprachebene. Gleich, ob man den genetischen (Proteinvorhersage) und den genomischen (Genvorhersage) Code versteht und Proteine aus fremden Genomen richtig vorhersagt oder aber die Sequenz eines Proteins in dreidimensionale Proteinstrukturen übersetzt, stets erklimmt man eine neue Sprachebene. Dies gilt natürlich erst recht, wenn man Systembiologie betreibt, sich also dem eigentlichen Wesen biologischer Regulation tiefer nähert und Forward-und Feedback-Loops versteht, stabile Systemzustände erkennt, und kann genauso für die Ökosystem-Modellierung ) gesagt werden. Ein wichtiger Ausgangspunkt für die Bioinformatik ist also zunächst einmal Interesse an dem biologischen Problem, das man ergründen möchte. Sobald man sich etwas tiefer mit dem Problem beschäftigt hat, gilt es, die richtige Sprache zu finden, um nun ein passendes Modell für dieses Phänomen zu erstellen. Sehr viel wird damit von vornherein klar: Wir haben nicht die Wahrheit gepachtet. Es könnte gut sein, dass mit einer anderen Sprache, mit einer neuen Software oder auch nur einer anderen Perspektive auf die biologische Fragestellung ganz andere Einsichten möglich werden, als mit dem gerade gewählten ersten Ansatz. Es ist genauso klar, dass nur die enge Zusammenarbeit mit experimentellen Biologen und Biologinnen helfen kann, die besten Modelle herauszufinden. "Wahr", d. h. in sich konsistent und korrekt, sollte jedes Modell möglichst durchgehend sein. Aber welches Modell ich dann wirklich verwende, bestimmt allein die erzielte möglichst geringe Abweichung vom Experiment. Es ist auch sicher in der Bioinformatik erheblich wichtiger, die Computerergebnisse richtig einschätzen und korrigieren zu können, also genug Wissen und Überblick zu haben, um die Computerergebnisse zu werten und einordnen zu können, als selber programmieren zu können (was dennoch nie ein Schaden ist). Notwendige Voraussetzung ist aber, keine Angst vor dem Computer zu haben und zumindest einige Programme bedienen zu können sowie ein echtes Interesse an einer biologischen Fragestellung. Wenn man es ganz gut machen will, sollte man sich aber vor allem auch genug bewegen und Sport machen, statt vor dem Computer oder dem Buch zu verkümmern ("Mens sana in corpore sano", also ein gesunder Geist in einem gesunden Körper). Darüber hinaus sollte man auch eine echte Bereitschaft und ein Interesse mitbringen, sich an Natur, an Biologie, an Tieren und Pflanzen, aber auch an der Begegnung mit dem Mitmenschen (Bioinformatik ist ein interdisziplinäres Fach) zu erfreuen. Die Biologie und natürlich auch ihre theoretischen Anteile, wie die Bioinformatik, die Systembiologie und die theoretische Biologie sind zusammen eine Schlüsselwissenschaft des 21. Jahrhunderts. Hier werden Fachleute für komplexe Systeme ausgebildet, die in ihrer biologischen Komplexität manchmal sogar die Physik überholen. Dabei gibt es viele Probleme, die uns auf den Nägeln brennen, gleich ob es Organismen, Zellen, Moleküle oder das ökologische Gleichgewicht betrifft. Genauso wichtig sind medizinische Probleme oder der biologische Anteil an Forschungen über künstliche Intelligenz und Neurobiologie. Wie in den letzten beiden Kapiteln angedeutet, steht uns eine neue industrielle Revolution bevor. Industrie 4.0 oder das "Internet aller Dinge" sind wichtige Schrittmacher für diesen Ansatz. Man weiß einfach genau, wo welches Teil zu jedem Zeitpunkt ist und steuert elektronisch, wann es wo und wie eingebaut wird. Das biologische Pendant kombiniert einfach wichtige Einzelaspekte der Bioinformatik, unter anderem den Computer mit synthetischer Biologie, Protein-Design und smarter Molekularbiologie (s. Infobox). Die Infobox stellt verschiedene Ansätze zum "Internet der Dinge" gegenüber. Das Internet notiert oder modelliert hier, wo jedes Ding ist. Dies führt zu schnellerer, sicherer und billigerer Produktion (Industrie 4.0), steigert die Lebensqualität und Nachhaltigkeit in Städten (Smart City) oder optimiert den Verkehr (Smart Traffic). In der Biologie und damit der Bioinformatik war einer der ersten Schritte hierzu das Gene Ontology Consortium (Datenbank-Katalog über alle Proteine, beantwortet dazu immer: Was ist wo in der Zelle lokalisiert? Welche molekulare Funktion hat dies? Welcher zelluläre Prozess ist das?). Eigene Arbeiten sind die GoSynthetic Database, um synthetische Biologie und technische Konstrukte einander gegenüberzustellen, sowie die DrumPID Database, die Medikamente und Protein-Protein-Interaktionen gegenüberstellt (s. Infobox). Besonders beeindruckend sind die BioBricks vom MIT, die ähnlich wie unsere Datenbank, aber nun mit spezifischen Experimenten unterfüttert, die künstliche Kombination biologischer Regelkreise erlauben. Außerdem sind auch die systembiologischen Errungenschaften der iGEM-Wettbewerbe in neuer synthetischer Biologie beeindruckend. Dabei kann man an neue Technologien denken wie den Nanozellulose-Computerchip, sodass man auch hier Moleküle einzeln ansteuern kann (insbesondere über lichtgesteuerte Proteindomänen, also LOV-oder BLUF-Domänen). Die moderne Biologie wird ganz entscheidend sein, um hier keinen technischen Wildwuchs zu haben, sondern eine stabile, resiliente und umweltverträgliche neue Technologie als echte Lebensgrundlage für unsere Zivilisation zu schaffen. Es ist aber auch eine allgemeine Entwicklung der Biologie, mithilfe der Bioinformatik und großer Datenmengen auch die Zelle immer mehr wie ein "Internet of Things" zu begreifen. Dazu gehört, dass man mit modernen Verfahren auch viel besser weiß, wo jedes Molekül jeweils ist (z. B. mit super resolution light microscopy) und man dann auch einen Prozess wirklich steuern kann (synthetische Biologie, Protein-Design, Nano Factories, Nano Printer usw.). Ebenso gilt das im großen Maßstab: Fernerkundung, aber auch Umweltproben des Mikrobioms von Ökosystemen (Metagenomik) kreieren nicht nur ebenfalls neue Datenfluten, sondern ich weiß immer genauer, wo sich welches Objekt befindet und wie es sich gerade ändert. Damit wird es auch immer besser möglich, zu verstehen, wie sich unsere Umwelt ändert und in welche Richtung. Damit steigen auch die Möglichkeiten, sie aktiv zu verändern. Wir dürfen uns dabei keinen Illusionen hingeben. Auch wenn wir alle doch "nichts tun" (Plan A: "Business as usual"), die allgemeine Tätigkeit des Menschen hat einen starken Einfluss auf unsere Umwelt vor Ort und auch global auf das Klima und die Biodiversität (Barnovsky et al. 2011) . Gegenwärtig ist klar: Wir haben diese stabile Lebensgrundlage noch nicht erreicht. Noch leben wir von geborgter Zeit. Wir erhöhen unseren Kohlendioxid-Ausstoß stetig, wir kämpfen mit globaler Erwärmung, Überbevölkerung und gefährlicher nuklearer Aufrüstung, Rohstoffe werden knapp, und Elektroschrott sowie Umweltgifte nehmen zu. Aber für diese komplexen Probleme gibt es eben gute Antworten nicht nur aus der Technik, sondern gerade auch aus der Biologie und Bioinformatik. Es ist klar, dass man dies nun entschlossen umsetzen muss, bevor unsere Lebensgrundlage unwiederbringlich beschädigt ist und unsere jetzige, veraltete Technologie zusammenbricht. Gerade zu den globalen Problemen können bioinformatische Ansätze viel beitragen. Das liegt daran, dass man unsere ganze Welt auch als Gesamt-Ökosystem betrachten und mit dem Computer systembiologisch modellieren kann. Zudem sind alle typischen Schritte da, die sonst bei bioinformatischer Modellierung zu beachten sind. Insbesondere ist man gezwungen, teilweise stark zu vereinfachen. Man führt viele Simulationen durch, und wenn der Lösungsraum noch komplexer wird, versucht man, wichtige Kombinationen von Bedingungen in einzelnen Modellen abzubilden und zu erforschen (sogenannte "Szenarien"). Wichtige Probleme entstehen leider besonders durch unseren Erfolg als moderne, technische Zivilisation. Dieser Erfolg und insbesondere ein gewisser Wohlstand wurde verstärkt ab dem 2. Weltkrieg erarbeitet. Dies ist auch zentral wichtig, um die ärmsten Schichten der Menschheit (diese haben nur einen Dollar pro Tag zur Verfügung) aus Hunger und Krankheit herauszureißen, zumal erst bei vier Dollar pro Tag Verdienst ein Schulbesuch und bei 16 Dollar pro Tag ein Studium möglich und erst bei mindestens 32 Dollar pro Tag soviel Wohlstand vorhanden ist, dass Zeit zur Reflexion, zum Lesen und zu echter Zukunftsplanung bleibt (Rosling et al. 2019 ; anschaulich: Es gibt nur unterschiedlichen Wohlstand, ansonsten sind alle Kulturen immer die gleichen Menschen, zu sehen in Hans Roslings "Dollarstreet" https://www.gapminder. org/dollar-street/). Die Lösung darf nicht sein, in die Vergangenheit zurückzugehen (nach allgemeinem Zusammenbruch nur Hunger und Leid), sondern Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Umwelt-und Artenschutz sowie internationale Kooperation und Bildung voranzubringen. Dies ist besonders wichtig bei den fünf Systemrisiken globaler Krieg, globale Erwärmung, Wirtschaftskrise, Pandemie und Diktatur (etwa unterstützt von Digitalisierung). Im Gegensatz zu kleineren Katastrophen bergen die Systemrisiken die Gefahr, unsere Zivilisation insgesamt so stark zu schwächen, dass eine Abwärtsspirale eintreten kann. Beides ist hochgefährlich. Ein nuklearer oder selbst ein größerer konventioneller Krieg gerät allzu schnell außer Kontrolle und vernichtet alles. Zudem ist das Risiko für so eine unkontrollierte Entwicklung seit wenigen Jahren verschärft durch nationalistische und isolationistische Tendenzen und neue, auch nukleare Aufrüstung auf allen Seiten. 2020 wird Zeuge, wie sowohl das Abkommen über strategische Atomwaffen wie über nukleare Mittelstreckenraketen auslaufen. Spieltheorie: Interessanterweise kann man Aufrüsten, Wettrüsten, nuklearen Schlagabtausch aber auch ganz allgemein Kampf und Wettstreitstrategien sehr gut mithilfe der Spieltheorie (und sehr vielem spezifischen Fachwissen als Experte/Expertin) beschreiben. Leider wird die Brisanz dieses neuen Wettrüstens zurzeit verdrängt, vermutlich weil keiner Lust hat, sich ernstlich betroffen mit diesem immanenten und deutlich zu hohem Risiko auseinanderzusetzen. Stattdessen lenkt man die Angst auf andere, fassbarere Gefahren, etwa den internationalen Terrorismus oder Radioaktivität aus Kernkraftwerken, beides vernachlässigbare Gefahren. Immerhin, die UNO hat gerade die Ächtung der Atomwaffen seit Oktober 2016 eingeleitet. Außerdem kann man aus systembiologischen Überlegungen ableiten, dass es wichtig ist, unseren jetzigen friedlichen Zustand kontinuierlich robuster zu machen: Abrüsten, insbesondere nukleare Waffen, aber auch vertrauensbildende Maßnahmen sind sehr wichtig, um hier Zuspitzungen zu verhindern. Überschaubare eigene Beispiele der Modellierung von Angriffs-und Abwehrstrategien aus der Infektionsbiologie finden sich in Dühring et al. (2015) . Im "realen Leben", also wenn die Bakterien unter natürlichen Bedingungen überleben müssen, wachsen sie oft nicht kontinuierlich, sodass sich dann ein komplexes Gemisch aus diesen verschiedenen Kurven ergibt, je nach vorliegender Umwelt. Interessanterweise gibt es auch Labore für Computational Population Biology (z. B. https://compbio.cs.uic.edu/). Es gibt dazu auch eine Metaseite, das Biology WebDirectory (https://www.biologydir.com/over-population/p1.html), das noch sehr viel mehr andere Begriffe anbietet. Die globalen Probleme des Menschen sind jeweils Teilaspekte eines biologischen Systems (der Mensch, andere Tier-und Pflanzenarten und die ganze Umwelt). Sie sind alle natürlicherweise miteinander verknüpft und deshalb auch mit Methoden der Systembiologie modellierbar. Sie sind ein typisches Problem, das jede Spezies beim Überschreiten der Tragekapazität seines Ökosystems hat, wenn keine Anpassung an diese Gegebenheit erfolgt ("Plan A": nichts tun oder nichts ändern, sondern Wirtschaftswachstum um jeden Preis). Wichtig ist also, sich nun entschlossen durch nachhaltige Systemanpassungen an die Tragekapazität anzupassen ("Plan B"; Brown 2009 ). Falls das zu langsam erfolgt, sind sehr robuste, nachhaltige Technologien entscheidend ("Plan C", was tun, wenn das System einknickt?), um keinen schweren Schaden zu nehmen. Hier kann die Bioinformatik zusammen mit Molekularbiologie, Computertechnologie, synthetischer Biologie und Nanotechnologie wichtige Ansätze aufzeigen (s. Kap. 13). Die Anpassung müssen wir jetzt durchführen, es ist aber dafür noch nicht zu spät. Unsere Generation und unsere Kinder müssen dies leisten, um natürlichen Prozessen zuvorzukommen (Barnovsky et al., 2011). Wir haben als Menschen gute Chancen, dies auf eine intelligente und soziale Weise zu tun, statt dies entsprechend unserem bakteriellen Beispiel durch eine harte Abbau-und Zerfallsphase natürlich zu lösen. Die einfache Antwort lautet: mit dem richtigen Modell! Eine Beispielarbeit ist etwa Barberá et al. (2015) . Hier wird klar erklärt, wie man ein Diffusionsmodell für Internet-Nachrichten geeignet erweitert, insbesondere die speziellen Netzwerkknoten am Rande besser berücksichtigt. Es gibt aber auch ganz grundsätzliche Eigenschaften für Netzwerke, die natürlich wachsen. Das wird am einfachsten bei einem Netzwerk von Freund(inn)en klar. Für natürlich wachsende Netzwerke gilt, dass die hoch vernetzten Knoten besonders schnell noch stärker vernetzt werden (im Freundesnetzwerk: Der Star lernt besonders schnell neue Leute kennen und ist bei immer mehr Leuten beliebt), während die wenig vernetzten Knoten (die "Mauerblümchen") besonders langsam ihr Netzwerk vergrößern (für sich bleiben). Dieses natürliche Wachstum ist in Abb. 16.2 mit einem Beispielnetzwerk dargestellt. Abb. 16.2 Wachstum und Eigenschaften eines natürlichen Netzwerkes. Gezeigt ist ein Netzwerk, das durch natürliches Wachstum wächst ("Agglomeration"): Die besonders stark vernetzten Knoten wachsen besonders schnell (in rot), die weniger stark vernetzten Knoten wachsen langsamer, am langsamsten wachsen die sehr wenig vernetzten Knoten am Rand (in cyan). Dieses Wachstum betrifft viele natürliche Phänomene, etwa Netzwerke von Freund(inn)en, aber auch das Wachstum des Internets, von Stromnetzen, von Handel und Verkehr etc., aber auch genauso das Wachsen in der Molekularbiologie, beispielsweise von metabolischen Netzwerken oder von Proteinfamilien Solche Netzwerke bezeichnet man auch als skaleninvariant, weil sie ähnlich wie ein Fraktal (s. Abschn. 9.5, Benoit Mandelbrot) auf jeder Skala gleich aussehen. Jeder Ausschnitt eines Teilnetzwerkes des großen Netzwerkes sieht wieder genau gleich aus. Wieder gibt es wenige zentrale Knoten (in rot), die schnell wachsen, und viele randständige, die kaum oder sehr langsam wachsen (in cyan). Bioinformatische Analysen berechnen dann weitere Eigenschaften, etwa den Durchmesser des Netzwerkes (wie weit sind die Knoten entfernt?), wie schnell Information weitergegeben wird, wie dominant einzelne Knoten sind ("centrality") und Ähnliches mehr. Hierzu ist die bereits angesprochene Software Cytoscape sehr nützlich, die über zahlreiche Plugins für verschiedene netzwerkbiologische Analysen verfügt, etwa den NetworkAnalyzer (https:// apps.cytoscape.org/apps/networkanalyzer). Genauso ist klar, dass Computer und Informationstechnologie in immer mehr Bereiche unseres Lebens vordringen. Auf den ersten Blick nimmt natürlich jeder an, das will er nicht, braucht er nicht und so weiter. Aber die Allgegenwärtigkeit von Internet und Handy, von WhatsApp und Facebook zeigen, dass unsere Zivilisation auch durch ihr Kommunikationsbedürfnis und nicht nur wegen der Industrie 4.0 und neuen Bionanotechnologien auf eine immer intensivere Partnerschaft mit dem Computer zusteuert. Hierfür müssen wir aber auch ethisch reif sein. Ohne eine aufgeklärte Nutzung des Internets und des Computers wird es sonst eine "stille Übernahme" durch autoritäre Kräfte geben, die dann die ganze Bevölkerung subtil über den Computer und die Medien steuern, einschließlich all ihrer Kommunikation. Das ist keine Utopie mehr (wie in George Orwells Roman "1984 ", Quelle: Orwell, George, 1949 aktuelle Auflage 2003) , sondern es gibt jetzt schon den "Citizen Score", der den chinesischen Bürger und die chinesische Bürgerin entsprechend der Regimetreue und seiner Bezugspersonen einordnet -sowie allmählich auch immer besser fernsteuert. Die Freiheit ist das wichtigste Gut eines denkenden Wesens mit Bewusstsein, die Kreativität, die Freiheit des Denkens, Bezugspersonen zu treffen, Menschen zu helfen, Kunst zu machen oder auch ein wissenschaftliches Problem zu lösen (Schiller 1789). Genau das sollten wir erhalten, diese Freiheit, unser Leben frei zu gestalten und nicht nur in der Bioinformatik durch eine aufgeklärte Benutzung des Computers und der modernen Medien diese Freiheit verbessern, erhöhen und für spätere Generationen sichern (s. Box: "Digitales Manifest"). Dann, und nur dann, werden die immer stärkeren Computer eine leistungsfähige Möglichkeit, unsere Freiheit und freie Kommunikation auszuleben. Denn unter einer computergestützten Diktatur stehen uns dagegen finstere Zeiten bevor. Die Hintergründe sind in der Box "Digitales Manifest" dargestellt. Das digitale Manifest wurde als gemeinsame Stellungnahme von acht Wissenschaftlern 2015 verfasst (https://www.spektrum.de/thema/das-digital-manifestalgorithmen-und-big-data-bestimmen-unsere-zukunft/1375924). Dieser Aufruf passt optimal zu unserem Kap. 16. Er gibt sowohl die Bedrohungen wie auch unsere Aufgaben und Chancen angesichts der geballten Macht von Internet und künstlicher Intelligenz wieder. Deswegen ist der Aufruf im Folgenden wortwörtlich wiedergegeben: Big Data, Nudging, Verhaltenssteuerung: Droht uns die Automatisierung der Gesellschaft durch Algorithmen und künstliche Intelligenz? Ein gemeinsamer Appell zur Sicherung von Freiheit und Demokratie. Alles wird intelligent: Bald haben wir nicht nur Smartphones, sondern auch Smart Homes, Smart Factories und Smart Cities. Erwarten uns am Ende der Entwicklung Smart Nations und ein smarter Planet? Wir erleben derzeit den größten historischen Umbruch seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs: Auf die Automatisierung der Produktion und die Erfindung selbstfahrender Fahrzeuge folgt nun die Automatisierung der Gesellschaft. Damit steht die Menschheit an einem Scheideweg, bei dem sich große Chancen abzeichnen -aber auch beträchtliche Risiken. Treffen wir jetzt die falschen Entscheidungen, könnte das unsere größten gesellschaftlichen Errungenschaften bedrohen. Die Entwicklung verläuft von der Programmierung von Computern zur Programmierung von Menschen. In der Tat zielt "Big Nudging" auf die Gleichschaltung vieler individueller Handlungen und auf eine Manipulation von Sichtweisen und Entscheidungen. Dies rückt es in die Nähe der gezielten Entmündigung des Bürgers durch staatlich geplante Verhaltenssteuerung. Wir befürchten, dass die Auswirkungen langfristig fatal sein könnten, insbesondere wenn man die oben erwähnte, teils kulturzerstörende Wirkung bedenkt. The critical periphery in the growth of social protests Design and analysis of synthetic carbon fixation pathways Has the Earth's sixth mass extinction already arrived? Connecting cancer pathways to tumor engines: A stratification tool for colorectal cancer combining human in vitro tissue models with Boolean in silico models Kai Homilius Verlag. Eine sehr schöne Einführung in die Modellierung dieses komplexen Problems und wie der Mensch die Tragekapazität seiner Umwelt wiederherstellen kann. Als Konsequenz ist dies auch ein packender Aufruf. Wir müssten nur einen kleinen Teil der Ausgaben, die für militärische Rüstung aufgewendet werden Frequency of regulatory T cells determines the outcome of the T cell engaging antibody blinatumomab in patients with B precursor ALL Host-pathogen interactions between the human innate immune system and Candida albicans-understanding and modeling defense and evasion strategies A combined 3D tissue engineered in vitro/in silico lung tumor model for predicting drug effectiveness in specific mutational backgrounds Australia is ‚free to choose' economic growth and falling environmental pressures Imprecise probability assessment of tipping points in the climate system Ensemble modeling for Robustness analysis in engineering non-native metabolic pathways Personalized HIV therapy to control drug resistance PubMed Central PMCID: PMC2538841 * Besonders die Abbildungen sind sehr schön anschaulich. Weitere hilfreiche und interessante Details solcher Modellierungen entnimmt man den beiden Folgearbeiten Schellnhuber HJ. Tipping elements in the Earth System Staphylococcus aureus physiological growth limitations: insights from flux calculations built on proteomics and external metabolite data Massive global ozone loss predicted following regional nuclear conflict Nineteen eighty-four A novel Erich Fromm (Afterword) Schiller F (1789) Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? (Antrittsvorlesung in Jena, 26. Mai 1789). Akademische Buchhandlung A synthetic pathway for the fixation of carbon dioxide in vitro Establishment of a human 3D lung cancer model based on a biological tissue matrix combined with a Boolean in silico model Citizen scientists create an exascale computer to combat Cross-neutralization of SARS-CoV-2 by a human monoclonal SARS-CoV antibody Proteomics of SARS-CoV-2-infected host cells reveals therapy targets Structural basis of receptor recognition by SARS-CoV-2 Synthetic rewiring of plant CO 2 sequestration galvanizes plant biomass production https://bluebrain.epfl.ch/