key: cord-0064754-6z8j6h3u authors: Enste, Dominik H. title: Wirtschaft und Corona: Die Bedeutung von Vertrauen in Krisenzeiten date: 2021-06-21 journal: Z Politikwiss DOI: 10.1007/s41358-021-00265-4 sha: 6ec221de5010eb9e37ab6407d166c790c780e75c doc_id: 64754 cord_uid: 6z8j6h3u nan Unser internationaler Ländervergleich zeigt, welche Länder hier besser für die Krise gerüstet waren als andere . Dabei geht es weniger um die ökonomischen Maßnahmen und die finanziellen Möglichkeiten der Länder und Regierungen als vielmehr um das fragile, psychologische Konstrukt des Vertrauens. Denn Vertrauen sorgt nicht nur in guten Zeiten für mehr Wohlstand und Wachstum, sondern in schlechten Zeiten für die notwendige Verlässlichkeit, um Panik zu vermeiden. Allerdings lässt sich Vertrauen nur schrittweise und langfristig aufbauen, dafür aber umso schneller verspielen (Algan et al. 2017, S. 317; Newton und Zmerli, 2011) . Außerdem zahlt sich Vertrauen in Mitmenschen und Institutionen nicht generell aus, sondern nur in Ländern, die insgesamt über ein hohes Sozialkapital (Putnam 1993) verfügen. In solchen Ländern profitieren Menschen, die ihren Mitmenschen grundsätzlich vertrauen und erzielen höhere Lebenseinkommen und sind insgesamt zufriedener mit ihrem Leben (Stavrova und Ehlebracht 2016 Menschen müssen Vertrauen in die Notwendigkeit von Freiheitseinschränkung und die Beachtung zum Beispiel von Quarantäne-Maßnahmen, auch ohne Krankheitssymptome, haben. Denn häusliche Quarantäne lässt sich in Deutschland nur mit hohem Aufwand kontrollieren. Wenn aber die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist, sind auch Freiheitsstrafen bis zu 5 Jahren oder hohe Geldstrafen kaum abschreckend. Entscheidend ist das generalisierte Vertrauen in die Mitmenschen, dass sie sich solidarisch verhalten, eine persönliche, drastische Einschränkung hinnehmen, um der Gesellschaft bei der Eindämmung der Epidemie als Kollektivgutpro-K blem zu helfen. Private Zusammenkünfte lassen sich ebenfalls kaum kontrollieren und mit Ausgangssperren nur bedingt vermeiden, wenn diese dann vor 22 Uhr beginnen und erst um 5 Uhr am nächsten Tag enden, wie dies u. a. Studierendengruppen aus ihren Erfahrungen zum Beispiel in den Niederlanden, Frankreich oder Spanien berichteten. Außerdem ist Vertrauen in die Fakten und Maßnahmen von Autoritäten erforderlich. Dabei ist es problematisch, wenn das Robert Koch-Institut aber auch Universitäten und Forschungseinrichtungen suggerieren, sie wüssten, was richtig ist und es gäbe "die" Wissenschaft. Eine glaubwürdige Strategie und Kommunikation, die auch Unsicherheiten zugibt angesichts der dynamischen Entwicklungen, ist in Ländern ohne umfassende Kontrollmöglichkeiten langfristig erfolgreicher (Enste und Suling 2020). Eine langfristige Strategie, evidenzbasierte Argumente und Zuversicht in Kombination mit der Übernahme von Verantwortung wirken sowohl im Unternehmenskontext besser als auch auf staatlicher Ebene. Verantwortung und Vertrauen hängen eng zusammen. Eine Politik des "C.Y.A." ("Cover your ass"), bei der jeder nur darauf bedacht ist, letztlich nicht rechtlich verantwortlich gemacht werden zu können, sorgt insbesondere in der öffentlichen Verwaltung und großen Konzernen für ineffiziente, ineffektive, defensive Entscheidungen und zu einer Fehlervermeidung, die innovative Lösungen ausschließt (ausführlicher Artinger et al. 2019) . Die gewählte Strategie der Pandemiebekämpfung mithilfe des Ordnungsrechts und basierend auf Kontrollen, fußt auf der Annahme, dass Menschen nur durch Zwang und Bestrafung oder Anreize zu Verhaltensänderungen zu bewegen sind. Diese zum einem vom Menschenbild des Homo oeconomicus und zum anderen stark juristisch geprägte Sichtweise führte zu ausgefeilten, seitenlangen Gesetzestexten und konkretisierenden Verordnungen und hohen Strafandrohungen, die in vielen Fällen nicht logisch und nicht nachvollziehbar waren und zum Beispiel zu Ungleichbehandlungen innerhalb der Wirtschaft geführt haben. Dies betrifft die Regelungen hinsichtlich des Lockdowns und der Schließung von Geschäften, aber auch die Regelungen zur Kompensation der Umsatzausfälle. Wenngleich viele Milliarden an Steuergeldern zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zum Überleben von Unternehmen ausgegeben wurden, gibt es viele Verlierer, deren Geschäftsmodelle nach Monaten des Lockdowns nicht mehr funktionieren. Damit soll nicht in Frage gestellt werden, dass der Schutz von Menschenleben und die Eindämmung der Verbreitung des Virus notwendig und unabdingbar gewesen sind. Was fehlte -insbesondere vor dem zweiten und dritten Lockdownwar eine breitere interdisziplinäre Fundierung der Maßnahmen und die Suche nach alternativen Wegen, sowie eine empirische Evidenz für die Wirksamkeit der staatlichen Zwangsmaßnahmen. Dabei hätte die Politik und öffentliche Verwaltung viel von der Wirtschaft lernen können. Unternehmen haben angesichts der Megatrends wie Demographischer Wandel, Individualisierung und Digitalisierung frühzeitig erkannt, dass die Mitarbeiterführung mit einem neoklassischen Menschenbild und einer Misstrauenskultur langfristig für viele Mitarbeiter nicht funktioniert . Die Analysen verdeutlichen, dass eine Verantwortungs-und Fehlerkultur die Vertrauenskultur stärkt und dazu führt, dass Menschen freiwillig kooperieren und im Sinne der Gemeinschaft agieren, auch ohne regelmäßige Kontrollen. Damit ist kein naives, blindes Vertrauen gemeint, sondern eine wertschätzende Kontrolle für eigenverantwortlich tätige Mitarbeiter. Übertragen auf die staatliche Ebene würde ein allgemeiner Rahmen gefordert mit nachvollziehbaren, logischen Regeln und dem grundsätzlichen Vertrauen in mündige Bürger und deren Selbstverantwortung. Wie in Unternehmen auch, müssen Fehlverhalten und Verstöße gegen diese allgemeinen Regelungen sanktioniert werden. Der Vorteil dieses Weges bedeutet weniger Kosten durch pauschale Lockdowns, weniger generelle Freiheitseinschränkungen und zugleich eine größere Effektivität der Bekämpfung, zumindest wenn sich die Ergebnisse aus den Unternehmen ) und aus der Forschung rund um Steuerhinterziehung (Kirchler und Muehlbacher 2010) hier übertragen lassen. Leider gibt es bisher auf staatlicher Ebene keine verlässlichen empirischen Befunde, welche Pandemiebekämpfungsstrategie langfristig erfolgreicher ist. Aber die Schweiz, Schweden und die Niederlande haben mit ihrer Strategie, mehr auf Selbstverantwortung zu setzen, ähnliche Entwicklungen bei den Fallzahlen und Sterberisiken erzielt wie Deutschland (Ourworldindata.org 2021) . Angesichts des von vielen beklagten Staatsversagens wird deutlich, wie erfolgreich marktwirtschaftlich organisierte Prozesse bei der Lösung von Knappheiten sind. Staatsversagen zeigt sich bei den "Jo-Jo-Effekten der Lockdowns und Lockerungen sowie dem kompletten Wirrwarr, wer nun wann was darf oder nicht." (Straubhaar 2021) . Dies sei der "Offenbarungseid, dass die Staatswirtschaft nicht halten kann, was sie verspricht." (Straubhaar 2021) . Ursachen dafür sind aus Sicht der Ökonomik falsche Anreize in der Verwaltung, fehlender Wettbewerb, Eigenleben von Verwaltung und Politik sowie ausufernde Bürokratie, die u. a. erklären, warum eine Staats-und Planwirtschaft scheitern muss. Die Pandemie hat dies leider bestätigt. Die Soziale Marktwirtschaft hat hingegen funktioniert. Bei der Absicherung durch Build-In-Stabilisatoren wie dem Kurzarbeitergeld konnten insbesondere niedrige Einkommensschichten vor Einkommenseinbußen erfolgreich geschützt werden, so dass die Ungleichheit sogar gesunken ist (ausführlicher Beznoska et al. 2020; Grabka 2021) . Zugleich hat die (Markt-) Wirtschaft auch in Krisenzeiten ihre Resilienz bewiesen und unter schwierigen Bedingungen zuverlässig die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, Strom, Internet, Homeoffice-Equipment usw. sichergestellt. Nicht zuletzt hat der Kapitalmarkt genügend Risikokapital bereitgestellt für die Impfstoffentwicklung. Neben den wenigen erfolgreichen Unternehmen wie Biontech SE, die nun die ersten Impfstoffe liefern, gibt es viele Verlierer, bei denen Investoren ihr Risikokapital verloren haben. Aber dieser Wettbewerb hat sichergestellt, dass es nun in Kürze ausreichend Impfstoffe geben wird. Sofern von Beginn an mehr Impfstoff bestellt worden wäre -auch um ihn dann an Länder wie Indien weiterzugeben, die über weniger finanzielle Ressourcen verfügen, wären frühzeitiger noch mehr Kapazitäten aufgebaut worden. Vielleicht hätten im Projektmanagement erfahrene Unternehmen und in der Logistikbranche erfolgreiche Manager auch an anderen Stellen das staatliche Pandemiemanagement effizienter und effektiver gestalten können. Generell veranschaulicht die Krise, dass mehr Vertrauen in (Markt-) Wirtschaft unter klaren ordnungspolitischen Rahmenbedingungen und mehr Vertrauen in die Menschen (fast) überall eine gute Idee ist. Funding Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL. Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/ licenses/by/4.0/deed.de. The European Trust crisis and the rise of populism und Gerd Gigerenzer. 2019. C.Y.A. frequency and causes of defensive decisions in public administration Aus dem Lockdown ins neue Normal. IW Policy Paper, Bd. 4/2021. Köln: Institut der deutschen Wirtschaft Stabil durch die Krise? Verteilungsfolgen der Corona-Pandemie -eine Mikrosimulationsanalyse Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Zeiten der Pandemie. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung The business ethics of the corona crisis. A critical analysis of political measures, economic consequences, and ethical challenges Digitalisierung und mitarbeiterorientierte Führung -Die Bedeutung der Kontrollüberzeugung für die Personalpolitik Vertrauen in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft 2020 -Vertrauensindex: Europäische Länder im Vergleich Do people trust too much or too little Einkommensungleichheit stagniert langfristig, sinkt aber während der Corona-Pandemie leicht Das Slippery Slope Framework des Steuerverhaltens -Zum Einfluss von Macht und Vertrauen auf erzwungene und freiwillige Kooperation Three forms of trust and their association Daily new confirmed COVID-19 deaths per million people Making democracy work: civic traditions in modern Italy Todesfälle mit Coronavirus (COVID-19) in Deutschland nach Alter und Geschlecht Cynical beliefs about human nature and income: Longitudinal and cross-cultural analyses Korrupte Regierung, verfallende Behörden? Mach mal halblang