key: cord-0066417-3di5fseq authors: Weigl, Josef title: Lehren aus der Russischen Grippe für das Endspiel der derzeitigen Pandemie – die Exitstrategie für Deutschland: Eine Streitschrift date: 2021-08-05 journal: Präv Gesundheitsf DOI: 10.1007/s11553-021-00882-5 sha: de552dfb07d283455cfd3e210b4576e9dc3316b0 doc_id: 66417 cord_uid: 3di5fseq BACKGROUND: Since the beginning of the severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2 (SARS-CoV-2) pandemic, Germany never formulated an explicit strategy so far. Topics continuously become disconnected from their origin and the justification for the lockdown gets out of focus, i.e. the reduction of mortality in the vulnerable population and age-groups, and the risk of an increased case fatality when the healthcare system—primarily intensive care capacity—would become overwhelmed. METHODS: On the basis of knowledge which was already available before the current pandemic and knowledge which has been accumulated so far, refocusing and developing of an exit strategy for Germany is attempted. RESULTS: The central goal in pandemics is to overcome the primary infection of the population by wild type infection or vaccination as quickly as possible and to achieve the herd immunity threshold. Only in this way can the virus lose its dangerous potential and a new endemic equilibrium can be achieved. The Russian Flu Pandemic from 1889–1892 by CoV OC43, today a pandemic scar from that time, can function as a role model. The successful vaccine development in unprecedented speed is a grace of historic dimension. CONCLUSIONS: The Russian Flu Pandemic was the most recent and largest coronavirus pandemic. After offering vaccination to all vulnerable groups (target population), the lockdown has to be ended as soon as possible. Vaccinations should continue to be offered to adults without established risk factors and the remaining population should be primed by infection with the wild virus. In spite of the rapid, successful development of a vaccine, time to avoid further disruptions is running out. Seit dem Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie wurde in Deutschland noch in keiner Phase eine konkrete Strategie formuliert. Aus den Entscheidungen auf Bundesebene konnte man nur folgern, was man jeweils nicht wollte. Ansonsten war das Vorgehen bisher bestenfalls ein Vorgehen auf Sicht, mit möglichst geringem Risiko und der möglichst niedrigsten Mortalität. Sehr früh hatte man sich gegen das Konzept der Herdenimmunität durch die Wildvirusinfektion entschieden, denn das Risiko und die Systembeanspruchung erschienen zu hoch, und man setzte damit alles auf eine Karte einer erfolgreichen Impfstoffentwicklung. Nun ist den bisherigen Entscheidungen wider Erwarten ein historischer Glücksfall beschieden worden. In nie da gewesener Geschwindigkeit konnte die Impfstoffentwicklung erfolgreich vorangetrieben werden, und die Impfstoffentwicklung scheint nach bisherigen Erkenntnissen mit einer Wirksamkeit je nach Studienendpunkt von bis zu 95 % weit über den Erwartungen (Wirksamkeit von 30 % als unteres Limit eines 95 %-Konfidenzintervalls) auch geglückt zu sein. Seit Ende Dezember 2020 wird auch in Deutschland gegen SARS-CoV-2 geimpft. Für eine abschließende Beurteilung ist es allerdings derzeit noch zu früh. Schwer auszumalen wäre wohl gewesen, wie die Lage derzeit wäre, wenn noch keine Impfstoffe zur Verfügung stünden und Deutschland in die Sackgasse zwischen Lockdown, wirt-schaftlichen Kollaps und Aufkündigung des Vertrauens der Bevölkerung geraten wäre [22] . Mit der hier vorgelegten Arbeit soll aufgezeigt werden, wie, ausgehend von dem natürlichen Verlauf von Coronaviruspandemien und dem wissenschaftlichen Kenntnisstand zu Atemwegsviren, auf einige Grundprinzipien geschlossen werden kann. Diese wiederum sind dann essentiell, um realistische Planungen bis hin zu einer Strategie, ja Exitstrategie, für Deutschland zu entwickeln. Auf der Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen, die bereits aus der Zeit vor der jetzigen Pandemie stammen, soll eine "Physiologie" von Coronaviruspandemien beschrieben werden und in Zusammenschau mit den Erkenntnissen zur Epidemiologie, Virologie, Infektiologie und Vakzinologie von Atemwegsviren beim Menschen i. Allg. eine Folgenabschätzung vorgenommen werden. Aus diesen Gesichtspunkten ergeben sich dann offensichtliche Entscheidungsgrundlagen oder Kernvariablen für eine definitive Strategie für Deutschland. Es gilt, noch weitere Kollateralschäden für unser Land zu vermeiden. Für die Strategieentwicklung werden zudem die bisherigen Beobachtungen zu Public-Health-Maßnahmen, insbesondere die sog. nicht-pharmazeutischen Interventionen (NPI), aber insbesondere auch die seit Dezember 2020 möglichen Impfungen, einbezogen. Zentral bei der Strategieentwicklung ist die Erkenntnissicherheit. Diese wird von den sog. "confoundern", den "eigentlichen Verursachern" eines Effekts, der durch andere Einflussgrößen (Variablen) vorgetäuscht wird, unterlaufen. Die Maßnahmen innerhalb einer Strategie sind auf ihre Auswirkungen auf die Zeitachse, die Nebenwirkungen und ihre Effekte flussabwärts bis hin zu einem "contingency plan" zu betrachten. Die Auswirkungen der Strategie auf die Gesundheit der Bevölkerung und auf die Wirtschaft und Finanzen sind schließlich Kosten-Nutzen-Betrachtungen zu unterziehen. An einigen Stellen erlaube ich mir politisch zu werden, denn die Politik mischt sich ja auch in die Fachebene ein. Bisher galt die sogenannte Russische Grippe aufgrund der klinischen Symptomatik als von einem Influenzavirus verursacht. Ein H2-bzw. ein H3N8-Virus wurde bisher favorisiert. Man vermutete dahinter bereits ein Dogma eines Abwechselns der drei beim Menschen bekannten Hämagglutinine (H1, H2, H3) in immer gleicher Reihenfolge [13] . Über die etablierte Technik der molekularen Uhr konnte mittels Mutationsfrequenz bei Isolaten aus eingelagerten Proben aus der Arbeitsgruppe von van Ranst aus Löwen nachgewiesen werden, dass das CoV-OC43 aus dem bovinen CoV (BoCoV) im 19. Jahrhundert hervorgegangen ist [18] . Das BoCoV stammt vermutlich aus der Maus und das Rind diente als letzte Zwischenstufe auf dem Weg zur Adaptation an den Menschen [4] . Nach Deletion und Mutation schaffte das BoCoV als CoV-OC43 den Speziessprung vom Rind auf den Menschen und löste 1889 die sog. Russische Grippepandemie aus [18] . Das heißt, die Russische Grippe war in echt keine Grippepandemie, sondern eine Coronaviruspandemie. Nach bisherigen Erkenntnissen nahm diese Pandemie ihren Ausgang in der Region des heutigen Buchara in Usbekistan, damals unter Verwaltung des zaristischen Russland und deshalb als "Russische Grippe" bezeichnet [13] . Von dort aus machte sie sich auf und erreichte nach ca. 7 Monaten Europa. Sie gilt als die erste, im Detail beschriebene Pandemie mit dem klassischen Verlauf in drei Wellen, mit der zweiten Welle als der stärksten. Es wird angenommen, dass weltweit 300.000 bis 1 Mio. Menschen dieser Pandemie zum Opfer fielen. Die detailliertesten epidemiologischen Daten gibt es aus Massachusetts [5] . Bei einer typischen U-förmigen Altersverteilung stieg die Mortalität mit dem Alter und übertraf bei über 55-Jährigen die altersstratifizierte Mortalität der Spanischen Grippe bei weitem. Bei 80-Jährigenbetrug die Mortalitätca. 1500 pro 100.000. Die absoluten Todeszahlen waren entsprechend der damaligen Bevölkerungsstruktur aber geringer als zum Zeitpunkt der Spanischen Grippe oder gar heute. Darüber hinaus gab es damals noch keine Intensivmedizin, Antibiotika oder Impfstoffe. Die Bezeichnung "Russische Grippe", ähnlich der Bezeichnung der Spanischen Grippe (1918) (1919) (1920) In einer Pandemie, auch in der jetzigen, ist das Grundproblem, dass auch die Erwachsenen immunologisch naiv für den neuen Erreger sind und durch die Erstinfektion (immunologisch: "priming") hindurchkommen müssen, nicht nur die Kinder. Mit zunehmendem Alter kann aber die immunologische Prägung ein Risikofaktor werden, insbesondere wenn sie nicht zur Immunität bzw. Kreuzimmunität wie bei den endemischen Coronaviren führt, sondern eine immunologische Unter-(z. B. insuffiziente Interferonantwort) oder Über-("cytokine storm") oder Fehlreaktion ("antigenic sin") auslöst. Durch die Erstinfektion zu kommen, kann mit dem Überqueren eines Flusses verglichen werden. Der Fluss, durch den man muss, ist die Erstinfektion. Der schwere Verlauf wäre das Abdriften nach flussabwärts. Der Weg zum gegenüberliegendem Ufer geht durch die Erstinfektion, entweder in Form der Wildvirusinfektion mit einer sehr breiten Immunantwort oder einer artifiziellen Immunantwort, ausgelöst durch eine Impfung, die schmäler ausfällt, je nach Impfstoffkonstrukt. Im Falle von SARS-CoV-2 beschränken sich die bisher zugelassenen Impfstoffe alleinig auf das Spike-Protein oder die "receptor binding domain" des Spike-Proteins als Zusammenfassung Hintergrund. Seit dem Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie wurde in Deutschland noch nie eine konkrete Strategie formuliert. Einzelne Themen verselbstständigen sich immerfort und die Begründungen für den Lockdown, nämlich die Reduktion der Mortalität bei den vulnerablen Personen-und Altersgruppen und die Gefahr einer erhöhten Letalität bei Überlastung des Gesundheitswesens, allen voran der Intensivstationen, geraten aus den Fokus. Methode. Auf der Basis von Erkenntnissen, die bereits vor dieser Pandemie vorlagen und solchen, die bisher akkumuliert wurden, wird eine Refokussierung vorgenommen und eine Exitstrategie für Deutschland entwickelt. Ergebnisse. Das eigentliche Ziel in der Pandemie ist, die Erstinfektion der Bevölkerung mittels Wildvirusinfektion oder Impfung möglichst schnell zu überwinden und die Herdenimmunitätsschwelle zu erreichen. Nur so kann dem Virus sein Gefahrenpotenzial genommen und eine neujustierte endemische Lage erreicht werden. Die Russische Grippepandemie 1889-1892 durch CoV-OC43, heute eine pandemische Narbe von damals, ist dazu das Modell. Die aktuell erfolgreiche Impfstoffentwicklung in nie dagewesener Geschwindigkeit ist eine historische Gnade. Schlussfolgerungen. Die Russische Grippepandemie war die zuletzt größte Coronaviruspandemie. Nach einem Impfangebot an die vulnerablen Gruppen ("Targetpopulation") ist der Lockdown schnellst möglich aufzuheben, das Impfangebot für Erwachsene ohne etablierte Risikofaktoren fortzusetzen und parallel dazu der Rest der Bevölkerung schnellst möglich durchseuchen zu lassen. Trotz erfolgreicher Impfstoffentwicklung drängt die Zeit, um weiteren Verwerfungen vorzubeugen. Background. Since the beginning of the severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2 (SARS-CoV-2) pandemic, Germany never formulated an explicit strategy so far. Topics continuously become disconnected from their origin and the justification for the lockdown gets out of focus, i.e. the reduction of mortality in the vulnerable population and age-groups, and the risk of an increased case fatality when the healthcare system-primarily intensive care capacity-would become overwhelmed. Methods. On the basis of knowledge which was already available before the current pandemic and knowledge which has been accumulatedso far, refocusing and developing of an exit strategy for Germany is attempted. Results. The central goal in pandemics is to overcome the primary infection of the population by wild type infection or vaccination as quickly as possible and to achieve the herd immunity threshold. Only in this way can the virus lose its dangerous potential and a new endemic equilibrium can be achieved. The Russian Flu Pandemic from 1889-1892 by CoV OC43, today a pandemic scar from that time, can function as a role model. The successful vaccine development in unprecedented speed is a grace of historic dimension. Conclusions. The Russian Flu Pandemic was the most recent and largest coronavirus pandemic. After offering vaccination to all vulnerable groups (target population), the lockdown has to be ended as soon as possible. Vaccinations should continue to be offered to adults without established risk factors and the remaining population should be primed by infection with the wild virus. In spite of the rapid, successful development of a vaccine, time to avoid further disruptions is running out. Impfantigen. Entsprechend dem oben Beschriebenen basiert das Impfkonzept darauf, dass man erwartet, dass durch die Impfung mit dem Spike-Protein eines gegebenen Isolats eine Kreuzimmunität gegen aufkommende Mutanten bzw. Varianten erzielt wird, wie es in der breiteren Immunantwort bei der Wildtypinfektion ohnehin meistens gegeben ist. Das ist der springende Punkt. Bei der Wildvirusinfektion im pandemischen Geschehen wie der Russischen Grippe wird die Bevölkerung in den drei genannten Wellen weitgehend (an die Herdenimmunitätsschwelle -"herd immunity threshold" heranreichend) durchseucht und ist nach überstandener Erstinfektion ausreichend immun gegen aufkommende Mutationen des nunmehr endemischen Erregers. Der Erreger muss aber mutieren, wenn er in der menschlichen Population nach abgelaufener Pandemie und Durchseuchung der vormals naiven Population weiter existieren will, denn er braucht empfängliche Menschen für seine Replikation und Weiterverbreitung [2, 20] . Dass Kinder unter 11 bzw. 14 Jahren nicht zum pandemischen Geschehen, sprich Übertragung auf andere, beitragen, sollte inzwischen Allgemeingut sein. Bei den Mutanten ("variants of concern" [VOC]), inklusive der britischen B 1.1.7 wird derzeit zwar behauptet, dass es anders wäre, aber hier sind "confounder" naheliegend, denn das sich dahinter verbergende biologische Prinzip hat sich mit dem Auftreten der VOC nicht verändert. Hohe Infektionsraten bei Kindern belegen noch keine Übertragung durch diese. Wenn viele Variablen ineinandergreifen und ein "deconfounding" nicht mehr sicher möglich ist, dann sind Daten aus Interventionsstudien von höchstem Wert. Soeben berichtete Ron Dagan (persönliche Mitteilungen), dass man in Israel einen drastischen Rückgang der Infektionen bei Kindern beobachtet, seitdem die Erwachsenen geimpft worden sind. Dies bestätigt, dass die bisherigen Beobachtungen einer unmöglichen oder ineffizienten Übertragung ausgehend von Kindern, auch bei der Variante B 1.1.7, der Fall ist und damit andere Verlautbarungen "confoundern" aufgesessen sind. Das Phänomen, dass Kinder SARS-CoV-2 nicht oder sehr ineffizient übertragen, ist zwar auf den ersten Blick eine Überraschung in Vergleich zu anderen endemischen Atemwegsviren, aber dann auch wieder keine, wenn man bedenkt, dass in der endemischen Situation die Kinder von der Erstinfektion betroffen sind und diese zu einer längeren Virusausscheidung führt als eine Zweitinfektion. Somit ist die Erstinfektion hier der Confounder. Bei diesem Erreger spielen aber scheinbar die pandemische Situation als auch evtl. besondere pädiatrische Faktoren eine Rolle [3, 17] . Letztere sind wissenschaftlich noch nicht völlig schlüssig: die Antwort des natürlichen Immunsystems, allen voran die Interferonantwort, ist bei Kindern erheblich stärker als bei Erwachsenen [28] , aber es könnten darüber hinaus noch ganz andere Mechanismen eine Rolle spielen, wie z. B. ein "small molecule", das vor der Pubertät vorhanden bzw. aktiv ist (Chebrolu A., CNN 16.10.2020). Dieses "small molecule" könnte die Tertiärstruktur des Spike-Proteins derart verändern,dassesnichtmehrandenACE2-Rezeptor andocken kann. Die Kinder jetzt auch noch durch einen Impfzwang zu schleusen, wäre das Fatalste überhaupt und würde nicht der wissenschaftlichen und epidemiologischen Grundlage entsprechen, sodass den Entscheidungsträgern und Fachkollegen dringend zu raten ist, von derartigen Maßnahmen Abstand zu nehmen. Teilimmune asymptomatische oder oligosymptomatische Erwachsene mit einer Virusausscheidung, die zwar geringer ist als bei einer Erstinfektion, die aber dennoch sehr wirksam sein kann über ihr erhebliches Kontaktmuster, zumindest in einigen Berufen und sozialen Situationen, wurden als Treiber der Verbreitung bei Atemwegsviren, auch der Influenza, bisher viel zu wenig erforscht. Die saisonale Grippe hat durch die Erstinfektionen bei Kindern mit längerer Ansteckungsfähigkeit das Bewusstsein diesbezüglich doch auch in eine vornehmliche Richtung, sprich Überbetonung der Kinder, verzerrt, denn das Letztere kann zwar leichter untersucht werden, aber die Rolle der Erwachsenen ist dabei unzureichend untersucht. Nach dem Impfangebot an die vulnerable Bevölkerung auf freiwilliger Basis, an weitere, die in den Priorisierungsstufen genannt sind und ggf. auch an weitere Personen, die sich für vulnera-bel halten oder Befürchtungen wegen des Long-COVID-Syndroms haben, sollten die Beschränkungen bzw. die Lockdowns so schnell wie möglich aufgehoben werden und die Durchseuchung (Immunisierung) der Restbevölkerung nicht weiter verzögert werden. Die Auswirkungen auf die Bevölkerung, allen voran der Kinder, die Wirtschaft und Finanzen sind jetzt schon unabsehbar. Die immensen Geldsummen, die bisher verbrannt wurden, müssen spätestens nach der Bundestagswahl beglichen werden. [4, 14] . Wie am Beispiel von CoV-OC43 gezeigt wurde, haben vermutlich alle eine Pandemie, oder zumindest weite Epidemien, nach sich gezogen. Selbst vor 1889 gab es schon zahlreiche Pandemien bis weit vor unsere Zeitrechnung wie die Seuche von Thukydides (430 v. Chr); [9] . und alte chinesische Aufzeichnungen zeigen [7] . Coronaviren können bis 400 v. Chr. datiert werden [12] . CoV-NL63 wird auf das 10. bis 11. Jahrhundert und CoV-229E auf das 17. bis 18. Jahrhundert datiert [12, 14] . Die Technik der molekularen Uhr gilt heutzutage in Abhängigkeit der Probenanzahl über die Zeit als relativ präzise, ist gerade für die Paläovirologie von RNA-Viren von höchstem Wert und konnte u. a. auch belegen, dass Masern ca. zur Zeitenwende auf den Menschen übergegangen sind [16] . Die Antoninische Pest (165-180 n. Chr.), die bis-her den Pocken zugeordnet wird, könnte sehr wohl durch Masern verursacht gewesen sein, denn früher wurde bei exanthemischen Krankheiten bis ins 8. Jahrhundert nach Christus nicht zwischen Masern und Pocken unterschieden [15] . Die Russische Grippe zeigt, dass "Grippe" eben nicht automatisch verursacht durch ein Influenzavirus bedeutet, sondern dass damit zuerst einmal nur eine respiratorische Infektion gemeint ist. Die Russische Grippe belegt erstmals in der Medizingeschichte das Grundmodell einer Pandemie in drei Wellen. Allerdings wurde keine Pandemie bisher so derartig durch die Menschheit beeinflusst wie die jetzige, im positiven und im negativen Sinne. Ganz gewiss war auch keine bisher so teuer. Jetzt beginnt das Problem bereits bei der Begriffsfassung, denn momentan befinden wir uns in der 2. Welle, die in ihrer Intensität je nach Härte des Lockdowns moduliert wird. Fälschlicherweise wird das derzeitige Aufflackern nach den Lockerungen als 3. Welle bezeichnet. Von einer erneuten Welle spricht man aber nur, wenn es über längere Zeit nahezu keine Fälle gegeben hat, die Pandemie quasi eine Pause einlegte. SARS-CoV-1 wurde zwar 2003 in viele Länder getragen, aber es kam zu keinem pandemischen Geschehen in Wellen, denn der Erreger hatte außerordentlich günstige Voraussetzungen für eine Kontrolle mittels NPI, da eine Ansteckung erst möglich war, nachdem der Patient schon erkrankt war, d. h. keine Präpatenzzeit vorgelegen hat [6, 23] . Das Krankheitsbild einer Grippe ist unspezifisch und die Krankheitsbilder der meisten viralen Atemwegsinfektionen können klinisch nicht treffsicher unterschieden werden. Durch die drei Influenzapandemien im 20. Jahrhundert dominierte die Influenzavirusforschung die Forschung zu Atemwegsviren und das Bewusstsein, sodass man erst durch die Untersuchungen von Vijgen et al. [18] auf die alternative Hypothese von CoV-OC43 in der Ätiologie der Russischen Grippe kam, an der für den Autor kein Zweifel mehr besteht. Es war ein Glücksfall, dass wenigstens seit den 1960er-Jahren Isolate über mehrere Jahre hinweg vorlagen, nach denen man die molekulare Uhr justieren konnte. Seit dem Auftauchen von SARS-CoV-1 im Jahre 2003, gefolgt von MERS 2011, hat die Forschung an Coronaviren Fahrt aufgenommen und der seitdem umfangreiche Corpus an wissenschaftlicher Literatur hat sehr wohl die Potenz von Coronaviren und das Arsenal an Coronaviren in ONE Health dargelegt, die dem von Influenzaviren nicht nachsteht. Im Rahmen des Infektionsschutzes und der Seuchenkontrolle scheint jetzt der Hauptunterschied zwischen den beiden Virusgruppen v. a. noch in der potenziellen Anflutungsgeschwindigkeit gegeben zu sein, die bei Influenzaviren aufgrund der kürzeren Tg (Generationszeit bzw. Serienintervall) stärker ist als bei Coronaviren, trotz des höheren R0 bei letzteren. Die erheblich kürzere Tg bei Influenzaviren ist hier zentral und könnte der Hauptmechanismus sein, über den VOC momentan in der noch weitgehend SARS-CoV-2-naiven Bevölkerung gefährlich werden könnten. Die Erkenntnisse aus grundlegenden Forschungen zur Epidemiologie und Virologie sind von hohem Wert und die seinerzeit nicht weitere Förderung des Forschungsnetzwerkes PID-ARI.net scheint aus heutiger Sicht nochmals unverzeihlicher [24] . Bei der Beurteilung der Schwere und der Komplikationen von Primärinfektionen im Vergleich zu Zweit-oder Folgeinfektionen muss unterschieden werden zwischen Immunologie und Anfälligkeit durch pathophysiologische Fragilität im Alter mit einer höheren Prävalenz an Grundkrankheiten (Alter und Grundkrankheiten haben eine hohe Koliniarität). Ob man immunologisch naiv ist oder bereits geprimt, macht einen großen Unterschied in der Viruslast und der Pathogenität. Hiervon muss die schwächere Physiologie bei Grundkrankheiten im Allgemeinen und im hohen Alter im Besonderen unterschieden werden. In der Pädiatrie ist es umgekehrt und die Alterskomponente wirkt in umgekehrter Richtung, umso mehr, je jünger man ist [25, 26] . Bei Erstinfektionen ist das Hospitalisierungsrisiko erhöht. Dass Kinder im Vergleich zu Erwachsenen bei Erstinfektionen mit Atemwegsviren deutlich besser abschneiden, liegt an der natürlichen Immunantwort (Interferone) bzw. keiner überschießenden oder unterreagierenden adaptiven Immunantwort, außer bei den wenigen Fällen an MIS-C ("multisystem inflammatory syndrome in children") [28] . Bei SARS-CoV-2 kommt noch die Rezeptorenausstattung als wissenschaftlicher Grund hinzu [3, 17] . Ob hier noch weitere Phänomene wie das bereits erwähnte "small molecule", wie es die 14-jährige Texanerin Anika Chebrolu entdeckt hat (CNN, 16. Oktober 2020), eine Rolle spielen, muss momentan noch offen bleiben. Das Phänomen, dass Kinder bei neuen Erregern deutlich besser wegkommen als Erwachsene, war auch schon bei der Spanischen Grippe sehr eindrücklich wie die Altersverteilung der Überlebenden in Inuit-Dörfern zeigte. Oft war der Dorfälteste nach der Pandemie nur 15 Jahre alt (John Oxford persönliche Mitteilung)! Die Breite der ersten Immunantwort ("priming") ist bei der Wildvirusinfektionen um ein vielfaches größer als bei der Impfung und richtet sich bei ersterer nicht nur gegen das Attachmentprotein, hier das Spike-Protein, sondern gegen alle immunogenen Virusbestandteile, insbesondere auch gegen interne Antigene oder die sog. Nicht-Strukturproteine [19] . Deshalb ist die Kreuzimmunität gegen Mutanten des gleichen Erregers oder sogar gegen verwandte Coronaviren aus der ß-Gruppe nach durchgemachter Wildvirusinfektion ausgeprägter als bei einer Impfung. Die bisher bekannten Atemwegsviren (außer bei saisonalen Grippeviren) verlieren nach der Erstinfektion ihren Schrecken und ihre Potenz für schwere Verläufe. Bei SARS-CoV-2 ist das Gleiche zu erwarten [10] . Umgekehrt ist es aus Sicht des Erregers von großem Vorteil, soweit ein "escape" zu schaffen, dass zwar die Übertragung möglich ist, aber die Erkrankungsschwere beim Wirt gering bleibt, sodass die Verbreitung durch einen infizierten Wirt voranschreiten kann und durch überwiegend leichte Verlaufsformen ohne ein Darniederliegen eine Verbreitung nicht unterbunden wird. Die Infektion mit dem Virus selbst ist für die Zukunft und aus der Perspektive der Population die bessere Versicherung als eine Impfung. Die nach den begonnenen Impfungen gegen SARS-CoV-2 schmälere Immunantwort ist bereits dadurch sichtbar, dass eine bereits stattgehabte Infektion mittels Spike-Protein-Vakzine nicht verhindert werden kann (Postexpositionsprophylaxe unmöglich!) und die Impfung, selbst wenn sie bereits einige Tage vorher stattgefunden hat, versagt, da keine internen Virusproteinantigene im Impfstoff enthalten sind [21] . Die "Targetpopulation" entspricht den bisherigen drei bzw. fünf Priorisierungsgruppen nach Impfverordnung bzw. STIKO [2, 20] ErreichenderHerdenimmunitätsschwelle entspricht? Der Anteil der Menschen, die empfänglich für die Erstinfektion ist, muss schnellst möglich gesenkt werden, und das mit möglichst geringen Kollateralschäden auf allen Ebenen. Dann wird die Pandemie an Wucht und Potenz einbüßen und ab Oktober 2021 mit maximal 30-50 % an nicht explizit vulnerablen SARS-CoV-2-naiven Personen in eine 3. Welle zu gehen, sollte dann verkraftbar sein. Was zu tun und zu lassen ist, ergibt sich aus der . Tab. 1. Hat man den roten Faden, dann kann man auf nicht zielführende Nebenschauplätze wie ein Impfzertifikat verzichten. Den einzigen Sinn, den man nach dem Dargelegtem dafür noch sehen könnte, wäre, dass ein Zertifikatinhaber, der entweder geimpft ist oder eine Wildvirusinfektion durchgemacht hat, einem Gastgeberland signalisieren kann, dass er dem dortigen Gesundheitssystem wegen COVID nicht zur Last fallen könnte, da eine schwere Erkrankung dann unwahrscheinlich wäre. Aber alleinig dafür wäre das Instrument höchstens von einer sehr kurzen Nutzungsdauer. Public-Health-Maßnahmen müssen einfach (d. h. wenig komplex), robust und schlagkräftig sein. Die Misere der Impfstoffbeschaffung Deutschlands zusammen mit der EU soll hier nicht weiter vertieft werden, allerdings sollte man, nachdem die über 80-Jährigen weitgehend geimpft sind für jüngere Altersgruppen, wie im Vereinten Königreich auch, nun auf Einmaldosisschemen setzen und die zweite Dosis erst nachholen, wenn ausreichend Impfstoff vorhanden ist [1] . Bei der letzten Influenzapandemie 2009/2010 hielt man zu lange an dem Zweidosisschema von Pandemrix fest. In Pandemiezeiten sollte man starre Entscheidungswege vermeiden und das vorliegende, supportive Wissen in die Entscheidungen einbeziehen. Nachdem die Höchstbetagten bereits 2-mal geimpft sind und für jüngere ausschließlich Einzeldosisschemen verwendet werden, könnte die "zweite Dosis" ein Booster durch das Wildvirus oder die zweite Dosis eines Impfstoffs zu gegebener Zeit sein. Das immunologische Gedächtnis gilt und jede Dosis zählt, auch wenn die Impfabstände erhöht werden. Wie bereits erwähnt, sollte man jetzt dringend darüber nachdenken, die CureVac-Vakzine mittels "Bridging"-Daten zuzulassen, sollten sich die Studien noch weiter verzögern. Nachdem inzwischen umfängliche Erfahrung mit den mRNA-Produkten von BioNTech und Moderna akkumuliert wurden, wäre "bridging" innerhalb der gleichen Plattformtechnologie die Begründung. Auch das Paul-Ehrlich-Institut müsste dazu flexibler werden, seine Ansätze überdenken und von rigiden Schemen Abstand nehmen, dass jeder Impfstoff für sich erst einmal die Wirksamkeit mittels einer Phase-III-Studie belegt haben muss, bevor "bridging" über Daten zur Immunogenität zu einer Verkürzung des Zulassungsverfahrens oder der Zulassungsspezifitäten herangezogen werden können. An dieser Stelle wäre das kein "bridging" innerhalb der gleichen Zulassung, sondern innerhalb der gleichen Plattformtechnologie. Für das Management künftiger Krisen ähnlich dieser Pandemie wäre dieser Schritt jetzt sinnvoll, auch aus erkenntnistheoretischen Gründen. Es wäre dann dafür zu plädieren, diesen Impfstoff vordringlich Deutschland zukommen zu lassen. Dem Autor ist bewusst, dass dies eine weitgehende (ja politische) Forderung ist, aber diese in Synopsis der Sachlage und der Kosten für einen noch längeren Lockdown bei schnell abfallender Resilienz und Vertrauen der Bevölkerung geboten ist. Deutschland hat hier nicht nur altruistische Aspekte bezüglich den anderen Mitgliedsstaaten der EU zu Delaying the second dose of covid-19 vaccines Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung -CoronaImpfV Nasal gene expression of angiotensin-converting enzyme 2 in children and adults Hosts and sources of endemic coronaviruses Mortality from influenza 1957-58 and 1959-1960. International Conference on Asian Influenza 17.-19.2.1960, Bethesda Maryland Factors that make an infectious disease outbreak controllable The coming plague-newly emerging diseases in a world out of balance A new virus isolated from the human respiratory tract Die Geschichte der Infektionskrankheiten -von der Antike bis ins 20 SARS-CoV-2-specific T cell memory is long-lasting in the majority of convalescent COVID-19 individuals Recoveryintrachealorganculturesofnovelviruses from patients with respiratory disease Distant relatives of severe acute respiratory syndrome coronavirus and close relatives of human coronavirus 229E in bats Chronicle of influenza pandemics Mosaic structure of human coronavirus NL63, one thousand years evolution Exanthematous infectious diseases in pediatrics: curiosities from the old pediatric literature Origins of human virus diversity Reduced development of COVID-19 in children reveals molecular checkpoints gating pathogenesis illuminating potential therapeutics Complete genomic sequence of human coronavirus OC43: molecular glock analysis suggests a relatively recent zoonotic coronavirus transmission event Coronavirus biology and replication: implications for SARS-CoV-2 Beschluss der STIKO zur 3. 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