key: cord-0066894-8v7jx5r5 authors: Schmitt, Roland title: Blockierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems: Einfluss auf die Progression der chronischen Nierenerkrankung date: 2021-08-23 journal: Nephrologe DOI: 10.1007/s11560-021-00525-y sha: 82ba60e79d9ec479e7d8bfaa574e7545c4d5382c doc_id: 66894 cord_uid: 8v7jx5r5 Chronic kidney diseases (CKD) are often progressive and usually associated with a relatively slow loss of function. This principally offers the opportunity for drug interventions over a prolonged period. The prerequisite is that clear therapeutic targets can be identified. One of the most important targets is the renin-angiotensin-aldosterone system (RAAS), the activation of which is a key contributor to the progression and deterioration of renal function. This article reviews the pathomechanistic principles of RAAS-mediated renal damage and the pharmaceutical possibilities for inhibition of the RAAS. The evidence from clinical studies on nephroprotection is summarized and the international guideline recommendations are discussed. As a future perspective, the novel possibility of a combined add-on treatment with nonsteroidal mineralocorticoid receptor antagonists is discussed based on the FIDELIO-DKD study. Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) ist ein wichtiges Multikomponentensystem zur Steuerung von Blutdruck und Volumenhaushalt. Eine Überaktivierung des RAAS, wie sie bei chronischer Nierenerkrankung ("chronic kidney disease", CKD) oder Herzinsuffizienz auftritt, setzt schädliche zelluläre und molekulare Signalwege in Gang. Dadurch werden Proteinurie, Fibrose und Inflammation angetrieben, und es kommt zum pathologischen Gefäß-und Organ-Remodelling. Renin bildet im RAAS den Startpunkt einer Kaskade unterschiedlich regulierter, sich gegenseitig aktivierender Faktoren. Renin ist ein Enzym, das im Bereich des juxta-glomerulären Apparats in intrazellulären Vesikeln gespeichert wird und als Reaktion auf eine Abnahme des Blutdrucks, eine Abnahme der Natriumkonzentration oder eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems (β1-adrenerge Rezeptoren) freigesetzt wird. Renin selbst hat keine direkte hämodynamische Wirkung, sondern spaltet zirkulierendes Angiotensinogen, welches hauptsächlich von der Leber produziert wird, in Angiotensin I (. Abb. 1). Nach Spaltung durch Renin wird Angiotensin I durch ACE ("angiotensin-converting enzyme") inphysiologischaktives AngiotensinII umgewandelt. Hierbei spielt v. a. endothelgebundenes ACE in der Lunge, aber auch im Plasma und in den Gefäßen von Niere, Herz und Gehirn eine Rolle. Angiotensin II ist der Hauptakteur des RAAS und bewirkt als sehr potenter Vasokonstriktor eine effiziente Blutdruckerhöhung. Durch eine besonders ausgeprägte Vasokonstri- Angiotensin II entfaltet seine Wirkung durch Bindung an spezifische Rezeptoren, wobei v. a. der AT1-(Angiotensin-II-Rezeptor Subtyp 1) und der AT2-Rezeptor (Angiotensin-II-Rezeptor Subtyp 2) entscheidend sind. Beim Menschen werden die oben beschriebenen Effekte von Angiotensin II v. a. durch AT1-Rezeptoren vermittelt, die sich unter anderem in der glatten Gefäßmuskulatur, in den Nieren, in der Lunge, im Herzen, im Gehirn und in der Nebenniere befinden. Obwohl der AT2-Rezeptor beim gesunden Erwachsenen viel niedriger exprimiert wird als der AT1-Rezeptor, spielt er eine wichtige Rolle bei Verletzungs-und Reparaturmechanismen und bietet z. B. bei Ischämie Schutz vor entzündlichen, oxidativen, profibrotischen und apoptotischen Prozessen [18] . Wichtig ist für uns, dass die klinisch gebräuchlichen Angiotensinrezeptorblocker (ARB) spezifisch den AT1-Rezeptor blockieren und die positiven Effekte einer AT2-Rezeptor-Stimulation nicht stören. Die RAAS-Hemmung durch ACE-Hemmer (ACE-I) und ARB ist eine der wichtigsten Säulen zur Reduktion von Proteinurie und CKD-Progression. Prinzipiell scheinen die beiden Substanzklassen vergleichbar gut zu wirken und haben ein ähnliches Neben- In keiner Kombination sind ARB, ACE-I und direkte Renininhibitoren empfohlen Die KDIGO-Empfehlungen werden mit Buchstaben und Ziffern bewertet, wobei die Stärke der Empfehlung als 1 = stark und 2 = schwach und die Stärke der Evidenz als A = stark, B = mittel, C = gering, D = sehr gering graduiert ist CKD "chronic kidney disease", DM Diabetes mellitus, AKI "acute kidney injury" wirkungsprofil. EinewichtigeAusnahmeist der ACE-I-abhängige Reizhusten. Die Häufig werden ACE-I und ARB abgesetzt, wenn die Nierenfunktion schlecht wird. Mit sinkender GFR steigt unter RAAS-Blockade das Risiko einer Hyperkaliämie. Dazu kommt, dass der Beginn oder die Dosissteigerung einer ACE-I-oder ARB-Therapie zu einem akuten funktionellen Abfall der GFR führen kann. Der GFR-Abfall entspricht hämodynamisch dem eigentlich gewünschten Effekt (Vasodilatation des Vas efferens und damit glomeruläre Druckentlastung). Dieser Effekt ist für die Progressionshemmung proteinurischer Nierenerkrankungen entscheidend. In einer Post-hoc-Analyse der RENAAL-Studie wurde ermittelt, dass, je stärker der initiale GFR-Abfall unter Losartan ausfiel, der anschließende Funktionsabfall desto langsamer war [15] . In einer rezenten Registerarbeit aus Schweden wurden fast 5000 Patienten mit einer eGFR von weniger als 30 ml/min/1,73 m 2 , die entweder ACE-I, ARB oder Kalziumkanalblocker verordnet bekommen hatten, vergleichend beobachtet [11] . Während der medianen Nachbeobachtungszeit von 4 Jahren war die Wahrscheinlichkeit, dass eine Dialyse oder eineTransplantationerforderlichwurde, in der RAAS-Hemmer-Gruppe (35 %) geringer als in der Kalziumkanalblockergruppe (39 %). In der multivariablen Analyse war das Erreichen einer terminalen Niereninsuffizienz statistisch signifikant geringer (Hazard Ratio: 0,79). Das Risiko für Tod, schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse und Krankenhausaufenthalte wegen Hyperkaliämie war in beiden Gruppen ähnlich [11] . Eine andere retrospektive Fall-Kontroll-Studie untersuchte, wie das Absetzen von ACE-I oder ARB bei Patienten mit eGFR unter 30 ml/min/1,73 m 2 das Risiko für terminale Niereninsuffizienz beeinflusst [30] . In einer Untersuchungszeit von knapp 3 Jahren war das Absetzen mit einer fast 40 %igen Risikoerhöhung für Tod und kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert. Bezüglich des Eintritts einer terminalen Niereninsuffizienz gab es zwar keinen signifikanten Unterschied für die Gesamtgruppen, jedoch zeigte die Untergruppe der Patienten mit Diabetes mellitus eine signifikante Risikoerhöhung nach Absetzen der RAAS-Inhibition [30]. Hier sei angemerkt, dass es in retrospektiven Studien selbst bei sehr guter Kontrollgruppenanpassung schwierig ist, eine Verzerrung auszuschließen, da ACE-I und ARB eher abgesetzt werden, wenn die Patienten kränker und fragiler sind. Die KDIGO-Leitlinien für Evaluation und Management der CKD von 2012 empfehlen, dass RAAS-Blocker pausiert werden sollen, wenn Patienten mit einer eGFR von weniger als 60 ml/min/1,73 m 2 eine schwere Erkrankung haben, welche das Risiko für ein akutes Nierenversagen steigert [3]. Interessanterweise halten sich die KDIGO-Leitlinien zum akuten Nierenversagen (ebenfalls von 2012) diesbezüglich zurück und empfehlen lediglich die Durchführung weiterer Studien zu dem Thema [19] . Die Ergebnisse der laufenden STOP-ACEi-Studie, einer randomisierten, kontrollierten Studie könnten diesbezügliche Fragen beantworten. Solange aber Daten aus randomisierten, prospektiven Studien fehlen, sollte ein Verzicht auf ACE-I und ARB nur in folgenden Situationen und bei konkreter Gefährdung erfolgen: -Bei unerwartet starkem Abfall der GFR unter ACE-I oder ARB sollte eine signifikante Nierenarterienstenose ausgeschlossen werden. Die FIDELIO-DKD-Ergebnisse zeigen, dass mit Finerenon als Add-on zu bestehender ACE-I-oder ARB-Therapie bei CKD-Patienten mit Diabetes mellitus eine effiziente Progressionsverlangsamung erzielt werden kann. Dabei ist es wichtig, dass die Patienten bereits eine State-of-the-Art-Dosierung mit ACE-I oder ARB erhalten hatten, was in früheren Studien oft nicht der Fall war. Mit einer Zulassung von Finerenon zur Behandlung von CKD-Patienten mit Diabetes mellitus ist noch 2021 in Deutschland zu rechnen. Weitere nichtsteroidale MRA werden folgen wie z. B. Apararenone oder Esaxerenon, welches in Japan bereits für arteriellen Hypertonus zugelassen ist und aktuell für die Indikation der diabetischen Nephropathie in einer Phase-III-Studie getestet wird. Basierend auf den erfolgreichen Ergebnissen von FIDELIO-DKD, wird es wichtig sein zu prüfen, ob die positiven Effekte der MRA-Blockade auch für Patienten mit nichtdiabetischer CKD zutreffen. Die kombinierte Nephroprotektion durch erstens ACE-I oder ARB, zusammen mit zweitens MRA und drittens SGLT2("sodium-glucose linked transporter 2")-Inhibitor könnte dann zur neuen Triple-Standardtherapie bei CKD werden. Effect of mineralocorticoid receptor antagonists on proteinuria and progression of chronic kidney disease: a systematic review and meta-analysis Combined angiotensin inhibition for the treatment of diabetic nephropathy Comparative effectiveness of Renin-Angiotensin system inhibitors and calcium channel blockers in individuals with advanced CKD: a nationwide observational cohort study Renin-angiotensin system revisited Olmesartan for the delay or prevention of microalbuminuria in type 2 diabetes Effects of Sacubitril/Valsartan versus Irbesartan in patients with chronic kidney disease An acute fall in estimated glomerular filtration rate during treatment with losartan predicts a slower decrease in long-term renal function Efficacy and safety of benazepril for advanced chronic renal insufficiency Telmisartan, ramipril, or both in patients at high risk for vascular events AT2 receptors in cardiovascular and renal diseases Diagnosis, evaluation, and management of acute kidney injury: a KDIGO summary (Part 1) The effect of angiotensin-converting-enzyme inhibition on diabetic nephropathy. The Collaborative Study Group Renoprotective effect of the angiotensin-receptor antagonist irbesartan in patients with nephropathy due to type 2 diabetes Effect of aliskiren on proteinuria in non-diabetic chronic kidney disease: a double-blind, crossover, randomised, controlled trial Angiotensin-neprilysin inhibition versus enalapril in heart failure Dual blockade of the renin-angiotensin system: a strategy that should be reconsidered in cardiorenal diseases The effect of aldosterone and aldosterone blockade on the progression of chronic kidney disease: a randomized placebo-controlled clinical trial Comparative efficacy and safety of blood pressurelowering agents in adults with diabetes and Aldosterone antagonists in addition to renin angiotensin system antagonists for preventing the progression of chronic kidney disease. Cochrane Chronic kidney diseases (CKD) are often progressive and usually associated with a relatively slow loss of function. This principally offers the opportunity for drug interventions over a prolonged period. The prerequisite is that clear therapeutic targets can be identified. One of the most important targets is the reninangiotensin-aldosterone system (RAAS), the activation of which is a key contributor to the progression and deterioration of renal function. This article reviews the pathomechanistic principles of RAAS-mediated renal damage and the pharmaceutical possibilities for inhibition of the RAAS. The evidence from clinical studies on nephroprotection is summarized and the international guideline recommendations are discussed. As a future perspective, the novel possibility of a combined add-on treatment with nonsteroidal mineralocorticoid receptor antagonists is discussed based on the FIDELIO-DKD study. Angiotensin-converting enzyme inhibitors · Angiotensin receptor antagonists · Nephroprotection · Chronic renal insufficiency · Mineralocorticoid receptor antagonists