key: cord-0066908-v02qnp2o authors: Ockenfels, Axel title: Pandemiebereitschaft, internationale Kooperation und Marktdesign date: 2021-08-24 journal: Wirtschaftsdienst DOI: 10.1007/s10273-021-2977-3 sha: d82732582606ab1410a5cd118bba54e7f22c8b6a doc_id: 66908 cord_uid: v02qnp2o nan Doch dank staatlicher Anreizprogramme wurden die Impfstoffe gegen SARS-COV-2 schneller entwickelt und produziert, als es selbst die größten Optimisten zu Beginn der Pandemie für möglich gehalten haben. Vor 2020 gab es kein Unternehmen, das einen Impfstoff gegen SARS-COV-2 produziert hat. Im Jahr 2021 dürften mehr als 10 Mrd. Impfdosen hergestellt werden. Es gibt zwar immer noch keine ausreichende Impfstoffproduktion, um insbesondere die ärmeren Länder zu versorgen, doch dass die Impfstoffproduktion überhaupt in Rekordzeit skaliert werden konnte, geht auf die entschiedene Politik insbesondere in den USA und in England zurück. Kluges Marktdesign spielte dabei eine zentrale Rolle. Eine wichtige Maßnahme war, Impfstoffe verschiedener Technologien in großen Mengen und zu hohen garantierten Preisen bereits zu einem Zeitpunkt einzukaufen, zu dem noch nicht absehbar war, welche Impfstoffe überhaupt funktionieren und eine Zulassung erhalten würden. Die resultierenden Anreize haben die Entwicklung und den Ausbau der Impfstoffproduktion sowie die Produktion der Vor-und Zwischenprodukte während der Pandemie massiv beschleunigt (Ahuja et al., 2021; Castillo et al., 2021) . Eine andere Frage ist, wie die Anreize für eine mittel-und langfristig resiliente Absicherung mit Impfstoffen ausgestaltet werden sollten. Die langfristige Resilienz oder Zuverlässigkeit eines Marktes ist für viele Ökonom:innen ein sonderbares Ziel. In Lehrbüchern der Wirtschaftswissenschaft spielt es keine Rolle, denn die Zuverlässigkeit der Versorgung wird üblicherweise durch den markträumenden Preis garantiert, zu dem alle Nachfragenden, die bei diesem Preis kaufen wollen, auch bedient werden können. Doch Krisenzeiten sind keine normalen Zeiten. In krisenanfälligen Sektoren wie Finanzmärkten und Strommärkten müssen besondere Spielregeln und Maßnahmen dafür sorgen, dass Marktmechanismen auch in höchster Not ihre Koordinationsfunktion übernehmen können. Das gilt auch für Märkte, bei denen der Preismechanismus in der Krise an seine ethischen, sozialen oder ökonomischen Grenzen stößt. Die angewandte Marktdesignforschung hat hierfür Werkzeuge entwickelt und in vielen Fällen erfolgreich erprobt (Cramton et al., 2020; Chen et al., 2021) . Krisen sind teuer. Für COVID-19 werden die globalen monatlichen Pandemiekosten auf 1.000 Mrd. Euro geschätzt, die deutschen Belastungen auf monatlich mehrere Milliarden Euro. Deshalb sind aus gesellschaftlicher Sicht fast alle Maßnahmen wünschenswert, die geeignet sind, Impfstoffe schneller zu entwickeln und zu produzieren. Dasselbe gilt jedoch nicht aus unternehmerischer Sicht. Unternehmen, die noch nicht wissen, ob ihr Impfstoffkandidat auch tatsächlich zugelassen werden wird und wie sich die Pandemie und mit ihr die Virusvarianten und die Notwendigkeit von Folgeimpfungen entwickeln, zögern mit teuren und riskanten Investitionen so lange, bis sich die Unsicherheiten möglichst aufl ösen. Im Ergebnis wird zu wenig und zu langsam in die Produktion von Impfdosen investiert. * Diese Arbeit ist in Teilen im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der von der deutschen Bundesregierung eingesetzten "Task Force Impfstoffproduktion" entstanden. Die hier geäußerten Einschätzungen und Vorschläge spiegeln meine Ansicht wider, nicht notwendigerweise die Ansicht der Task Force oder ihrer Mitglieder. Einige der hier vorgebrachten Argumente sind Ockenfels (2021) Beide Optionen haben Vorteile, jedoch für sich genommen auch gravierende Nachteile (Ockenfels, 2021) . Ein Nachteil von Kapazitätszahlungen ist, dass sie zwar die Bereitstellung von Produktionsanlagen für Impfdosen belohnen, aber nicht unbedingt die schnelle Bereitstellung von qualitativ hochwertigen Impfdosen. Dies ist besonders dann der Fall, wenn als Gegenleistung zur Kapazi-Zeitgespräch nur der Verteilung knapper Impfstoffe, sondern auch der Ausweitung der Produktion widmet. Auch ein reiches Land kann nur auf vergleichsweise wenige Technologien setzen und deshalb von einer international koordinierten, geografischen Streuung der Risiken profi tieren. Ärmere Länder mit eigener Impfstoffproduktion und Zugang zu relevanten Technologien ermöglichen eine resilientere und gerechtere globale Versorgung. Überhaupt hilft eine leistungsfähigere globale Impfstoffproduktion allen Ländern und besonders den ärmeren Ländern, die sich am Ende der Warteschlange befi nden. Außerdem dämmt sie Impfstoffnationalismus (Handelsbarrieren, Horten von Impfstoffen etc.) wirksam ein. Das hybride Modell und die vorgestellten Anreizmechanismen sind nicht nur mit nationalen, sondern auch mit international koordinierten multilateralen Programmen zum Ausbau von Impfstoffproduktionskapazität vereinbar. In der Pandemie spielt Marktdesign eine zentrale Rolle bei der Beschleunigung der Impfstoffentwicklung und -produktion, bei der Ausgestaltung der Pandemiebereitschaft und bei den Herausforderungen, die sich bei nationalen und globalen Verteilungs-und Kooperationsproblemen ergeben. Zugleich gibt es noch wichtige Herausforderungen, etwa bei der Sicherstellung der Versorgung mit Vorprodukten, Therapeutika und Diagnostika sowie beim Design von Abkommen zum Ausgleich von nationalen und globalen Interessen. Preparing for a pandemic: Accelerating vaccine availability, NBER Working Paper, 28492 Market design, human behavior and management Global Carbon Pricing: The Path to Climate Cooperation Borrow crisis tactics to get COVID-19 supplies to where they are needed Capacity market fundamentals Economics and design of capacity markets for the power sector COVAX Needs a Political Future Marktdesign für eine resiliente Impfstoffproduktion Focusing climate negotiations on a uniform common commitment can promote cooperation Designing pull funding for a COVID-19 vaccine A beautiful idea: how COVAX has fallen short Challenges in ensuring global access to COVID-19 vaccines: production, affordability, allocation, and deployment logien und die biologischen Gefahrenlagen angepasst werden können und in Krisenzeiten nahtlos hochskaliert und danach wieder zurückgefahren werden können. Wichtig für die Effektivität des Marktdesigns ist, dass der tatsächliche Bedarf an Vorhaltekapazitäten für Impfstoffe sorgfältig ermittelt wird. Unter anderem sollten dafür analytische und datengetriebene Modelle über mögliche künftige Pandemielagen hinzugezogen werden und Prognosen über den Wert unterschiedlicher Portfolios von Impfstofftechnologien und Produktionsanlagen im internationalen Kontext erstellt werden (Snyder et al., 2020) . Internationale Kooperation ist essenziell für die nationale und globale Versorgung mit Impfstoffen. Sie ermöglicht den grenzübergreifenden Handel mit Vor-und Zwischenprodukten, erhöht die Nachfragemacht in den Verhandlungen mit Impfstoffproduzenten, beschleunigt die Impfstoffversorgung ärmerer Länder (aus humanitären Gründen und zur Eindämmung epidemiologischer Externalitäten), koordiniert die Diversifi kation der Impfstofftechnologien und nutzt Skaleneffekte in der Produktion aus. Kooperation in der Pandemie ist auch im Interesse der Gesundheits-, Sicherheits-und Wirtschaftspolitik. Deshalb sollte eine nationale Pandemiestrategie mit den europäischen Partnern und darüber hinaus abgestimmt werden. Eine mögliche Plattform dafür ist COVAX (COVID-19 Vaccines Global Access) (Gemünden und Thiel, 2021) .Die zentrale Herausforderung für internationale Kooperation ist die Anreizkompatibilität -die Vermeidung von Impfstoffnationalismus (Usher, 2021; Cramton et al., 2017; Schmidt und Ockenfels, 2021) . Solange sich die Kooperationsbemühungen auf die Verteilung von Impfdosen konzentrieren und diese extrem knapp sind, haben wir es nicht mit einem Kooperationsspiel zu tun, sondern mit einem tragischen Nullsummenspiel. Was der eine Staat hat, fehlt dem anderen. Geht es um Leben und Tod, ist die Bereitschaft der Länder zu teilen und zu kooperieren gering. So haben sich die reichen Länder große Mengen an Impfstoffen gesichert, sodass COVAX bisher nur enttäuschend geringe Mengen an ärmere Länder verteilen konnte (Wouters et al., 2021) .Wenn im Zeitablauf mehr und mehr Impfdosen bereitstehen, und sogar Überschussangebote verteilt werden können, gibt es zunehmend Potenzial für einen koordinierten Austausch, getrieben durch Skaleneffekte bei der Produktion sowie durch die Differenzierung der Impfstoffe. Hier kann eine zentrale Markt-und Matching-Plattform eine wichtige koordinierende Rolle bei der fairen Verteilung der Impfdosen einnehmen und das Horten von Impfstoffen eindämmen (Cramton et al., 2020 und die dort zitierte Literatur). Kooperation ist auch dann vielversprechend, wenn sie sich nicht