key: cord-0073115-hcb3x3qn authors: Morath, Christian; Zeier, Martin title: KDIGO-Leitlinie zu Evaluation und Management von Nierentransplantationskandidaten: Kommentierte deutsche Übersetzung der Zusammenfassung date: 2022-01-07 journal: Nephrologe DOI: 10.1007/s11560-021-00561-8 sha: 2baa74fa3962c52d5c85ed0ca004eaf8f1b329b4 doc_id: 73115 cord_uid: hcb3x3qn nan Die KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes) Clinical Practice Guideline on the Evaluation and Management of Candidates for Kidney Transplantation 2020 soll medizinischem Fachpersonal helfen, potenzielle Transplantationskandidaten korrekt einzuschätzen und zu behandeln. Die Empfehlungen der Leitlinie beruhen in erster Linie auf systematischen Übersichtsarbeiten relevanter Studien und der Bewertung der Qualität dieser Studien durch die KDIGO-Arbeitsgruppe. Die jeweilige Stärke der Empfehlung ist in der ausführlichen Version der Leitlinie angegeben (Level 1: "wir empfehlen", Level 2: "wir schlagen vor" oder "ohne Graduierung") wie auch die Graduierung der Evidenz mit den Buchstaben A bis D, wobei A hohe Evidenz und D sehr niedrige Evidenz bedeutet. In der aktuellen Leitlinie wird zudem auf Unterschiede zu früheren Leitlinien hingewiesen, und es werden Vorschläge für künftige Forschungsgebiete gemacht. Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine deutsche Übersetzung der Empfehlungen aus der Zusammenfassung der oben genannten englischsprachigen Originalversion der Leitlinie [1] entsprechend den Seiten 709 bis 714. Stärke der Empfehlung und Graduierung sind in der Zusammenfassung der Leitlinie nicht aufgeführt, wobei einschränkend gesagt werden kann, dass sich der Evidenzgrad häufig zwischen C (niedrig) und D (sehr niedrig) bewegt. Die ausführliche Origi-nalversion der Leitlinie [2] enthält weitere Aspekte, die in der hier vorgestellten Zusammenfassung nicht enthalten sind. Diese Aspekte werden teilweise in einzelnen Kommentaren aufgegriffen, wobei die Auswahl hier natürlich subjektiver Natur ist, wie die Kommentare insgesamt. In der Literatur gibt es unterschiedliche Angaben dazu, ab welchem Empfängeralter die Nierentransplantation gegenüber der Dialyse keinen Überlebensvorteil mehr für die Patienten bietet [5, 6] . Wichtig ist hierbei zu beachten, dass wir in Deutschland (Eurotransplant) inzwischen ein sehr hohes mittleres Spenderalter haben, das z. B. etwa 17 Jahre über dem Spenderalter in den USA liegt [7, 8] . Diese und andere Faktoren führen dazu, dass sich Daten aus anderen Ländern wie z. B. den USA nicht einfach auf die Verhältnisse bei uns übertragen lassen. Je nach Komorbidität des Transplantatempfängers sowie Qualität des Spenderorgans kann aber auch noch bei selektierten Patienten jenseits des 65. Lebensjahrs von einem Überlebensvorteil ausgegangen werden, im Vordergrund stehen jedoch v. a. Vorteile in der Lebensqualität nach (erfolgreicher) Nierentransplantation [9] . Dementsprechend sollten die Patienten beraten werden. Bei Adipositas wird eine Transplantation insbesondere ab einem Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 40 kg/m 2 kritisch gesehen, da hier das Risiko von Komplikationen und Transplantatverlust möglicherweise gegenüber dem Nutzen der Transplantation überwiegt. Es wird empfohlen, eine Nierentransplantation bei doppelter Plättchenhemmung (z. B. Acetylsalicylsäure [ASS] und Clopidogrel) solange zu verschieben, bis eines der beiden Medikamente abgesetzt werden kann. Ebenso wird eine Transplantation bei Antikoagulation mit direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) kritisch gesehen und hier auf den Einsatz alternativer Antikoagulanzien bei Patienten auf der Warteliste verwiesen. -Bei Transplantationskandidaten, bei denen kein Diabetes bekannt ist, wird die Durchführung eines oralen Glukosetoleranztests empfohlen. Die Leitlinie weist darauf hin, dass bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 eine kombinierte Pankreas-und Nierentransplantation erwogen werden soll. Diese Prozedur ist gegenüber der alleinigen Nierentransplantation im Langzeitverlauf mit einem Überlebensvorteil vergesellschaftet [12, 13] . Hinzu kommen eine sehr gute Organqualität, da nur junge Spender (z. B. < 45 Jahre) akzeptiert werden, die Möglichkeit der präemptiven Listung zur Transplantation sowie eine deutlich kürzere Wartezeit aufgrund der prioritären Allokation im Eurotransplant-Raum. Die routinemäßige Durchführung eines oralen Glukosetoleranztests ohne Hinweis auf einen Diabetes mellitus beim Empfänger oder innerhalb der Familie des Empfängers ist kein Standard an deutschen Transplantationszentren. Im Rahmen der Aufklärung werden die Empfänger aber über das Risiko aufgeklärt, einen Diabetes mellitus nach Nierentransplantation zu entwickeln. Bei Patienten mit membranöser Glomerulonephritis wird die Bestimmung der Anti-PLA2R(Phospholipase-A2-Rezeptor)-Antikörper empfohlen, da bekannt ist, dass Patienten mit solchen Antikörpern ein höheres Rezidivrisiko ihrer Grunderkrankung haben als Patienten ohne solche Antikörper (60-83 % vs. 28-53 %; [14, 15] -Impfungen gegen bestimmte Krankheiten wie Tollwut, durch Zecken übertragene Meningoenzephalitis, Japanische Enzephalitis (inaktiviert), Meningokokken, Salmonella typhi (inaktiviert) und Gelbfieber können für Transplantationskandidaten in Betracht gezogen werden, die aufgrund von Alter, direkter Exposition oder Aufenthalt bzw. Reisen in Endemiegebiete ein erhöhtes Risiko für diese Erkrankungen haben. Die Originalleitlinie wurde am 06. Januar 2020 bei Transplantation eingereicht und am 31. März 2020 online publiziert. Somit umfasst diese Leitlinie noch nicht die SARS-CoV-2("severe acute respiratory syndrome coronavirus 2")-Pandemie betreffende Aspekte, die weiterhin großen Einfluss auf die Nierentransplantation haben. Hinsichtlich Empfehlungen zum Management von Transplantationskandidatenwährend der SARS-CoV-2-Pandemiesei hier deshalb beispielsweise auf [17] verwiesen. Der hier dargestellte Algorithmus bezüglich des Transplantatempfängers erscheint plausibel und wurde am Transplantationszentrum Heidelberg während der COVID-19("coronavirus disease 2019")-Pandemie entsprechend Abb. 1 der Publikation durchgeführt. Die Leitlinie empfiehlt nicht zwingend, eine Transplantation aufgrund einer Hepatitis-C-Infektion zu verschieben. Hier verweist die Leitlinie auf die KDIGO-Leitlinie zur HCV-Infektion bei chronischer Nierenerkrankung [18] . Liegt eine stabile Situation seitens der Leber vor, empfiehlt die Leitlinie im Fall einer Lebendspende innerhalb der nächsten 24 Wochen, zunächst die Transplantation durchzuführen und dann im Anschluss die antivirale Therapie einzuleiten. Hier sind die Autoren abweichend zur Leitlinie der Ansicht, dass die HCV-Infektion trotz der hohen Wirksamkeit und Sicherheit der neuen antiviralen Therapien zuerst behandelt und dann die Lebendnierentransplantation durchgeführt werden sollte [22] . Der Lebendnierenspender ist in der Regel auch nach Abschluss der Therapie (12 Wochen Therapie plus 12 Wochen Nachbeobachtung) verfügbar, die Verlängerung der Dialysezeit scheint vertretbar. Im Fall der Verstorbenenspende soll zunächst geprüft werden, ob auch ein HCVpositives Spenderorgan in Frage kommt. Ist dies der Fall, soll zunächst transplantiert und im Anschluss therapiert werden, andernfalls soll die Therapie bereits vor der Transplantation erfolgen. Die Empfehlung, auf HTLV(humanes T-lymphotropes Virus)-1 zu screenen, gilt entsprechend der Langversion der Leitlinie nur für Patienten in Gebieten, in denen dieses Virus endemisch ist (Japan, Karibik, Südamerika). Die KDIGO-Leitlinien bleiben bezüglich der kardialen Abklärung hinter dem zurück, was die meisten deutschen Transplantationszentren im Rahmen der Abklärung ihrer Transplantationskandidaten einfordern (KDIGO: Anamnese, körperliche Untersuchung und EKG für alle, ergänzt um eine Echokardiographie bei Hochrisikopatien-ten). Als Argument wird angeführt, dass ein weiterführendes Screening z. B. mittels eines nicht-invasiven Stresstests in verschiedenen Studien keinen Überlebensvorteil erbracht hat, aber Patienten mit positivem Stresstest häufiger von einer Transplantation ausgeschlossen wurden. Ebenso wird kein reguläres kardiales Screening während der Zeit auf der Warteliste empfohlen. Eine aktuelle randomisierte, kontrollierte Studie (Canadian Australasian Randomized Trial of Screening Kidney Transplant Candidates for Coronary Artery Disease [CARSK]) beschäftigt sich genau mit diesen Fragestellungen [20] . Inwieweit die Ergebnisse einer solchen Studie bei deutlich unterschiedlicher Altersstruktur und Wartezeit zur Transplantation dann auf Patienten hier übertragbar sein werden, bleibt abzuwarten. Eine hochdringliche Listung ("high urgency", HU) zur Nierentransplantation bei urämischer Polyneuropathie ist im Eurotransplant-Gebiet zwar prinzipiell vorgesehen, jedoch aufgrund unterschiedlicher Richtlinien nicht in jedem Mitgliedsland (auch nicht in Deutschland) möglich. -Die Kandidaten sollen über ihren Zugang zur Transplantation auf der Grundlage der Ergebnisse von Blutgruppen-und Histokompatibilitätstests informiert werden. Bei der immunologischen Beurteilung ist eine genaue Kenntnis der Sensibilisierungsereignisse (Blutprodukte, Schwangerschaften, Vortransplantationen), aber auch von Ereignissen, die Einfluss auf die Panelreaktivität haben können (Impfungen, Absetzen der Immunsuppression, Transplantatnephrektomie oder schwere Infektionen), wichtig. Eine genaue (molekularbiologische) HLA-Typisierung (idealerweise für alle HLA-Merkmale inkl. HLA-C, -DQ und -DP) sowie eine detaillierte Bestimmung bereits vorliegender HLA-Antikörper mittels Festphasenassays wie z. B. Luminex (Luminex Single Antigen Assay, One Lambda, Canoga Park, GA, USA) sind unerlässlich. Die ausführliche Version der Leitlinie empfiehlt für Pati- KnollGA(2020)SummaryoftheKidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Clinical Practice Guideline on the Evaluation and Management of Candidates for Kidney Transplantation KDIGO Clinical Practice Guideline on the Evaluation and Management of Candidates for Kidney Transplantation Comparison of mortality in all patients on dialysis, patients on dialysis awaiting transplantation, and recipients of a first cadaveric transplant Long-Term Survival after Kidney Transplantation Systematic review: kidney transplantation compared with dialysis in clinically relevant outcomes Understanding the causes of kidney transplant failure: the dominant role of antibody-mediated rejection and nonadherence Selective retransplant after graft loss to nonadherence: success with a second chance Metabolic control improves longterm renal allograft and patient survival in type 1 diabetes Transplantation of the type 1 diabetic patient: the long-term benefit of a functioning pancreas allograft Anti-phospholipase A2 receptor antibodies in recurrent membranous nephropathy Antiphospholipase A2 receptor antibody levels predict the risk of Posttransplantation recurrence of membranous nephropathy Lumasiran, anRNAi TherapeuticforPrimaryHyperoxaluria Type 1 Donor and transplant candidate selection for solid organ transplantation during the COVID-19 pandemic KDIGO 2018 clinical practice guideline for the prevention, diagnosis, evaluation, and treatment of hepatitis C in chronic kidney disease Malignancy in renal transplantation Canadian-Australasian Randomised trial of screening kidney transplant candidates for coronary artery disease-A trial protocol for the CARSK study Clinical practice guidelines on waitlisting for kidney transplantation: consistent and equitable? Directacting antiviral therapy for hepatitis C virus infection in the kidney transplant recipient