key: cord-0077083-6qorvvfn authors: Riffer, Friedrich; Knopp, Magdalena; Oppenauer, Claudia; Sprung, Manuel title: Psychotherapeutische Versorgung in Österreich: Kassenfinanzierte Psychotherapie für Menschen mit chronisch psychischen Erkrankungen im Jahresvergleich 2017 bis 2020 date: 2022-04-13 journal: Psychother Forum DOI: 10.1007/s00729-022-00194-9 sha: 7adf3b451ad7bff9cd827e5dff15cfbdbfbe11ad doc_id: 77083 cord_uid: 6qorvvfn Outpatient psychotherapeutic care (private practice) in Austria is regulated financially through the cost subsidy regulation and health insurance funded psychotherapy hours. The present study examines the proportion of self-financed and health insurance funded psychotherapy units between the years 2017–2020, considering the socio-economic-/disease- and treatment related status of patients. A sample of 6387 inpatients with a mental illness was surveyed during inpatient treatment. The majority (70%) of inpatients had suffered from a mental illness for more than two years and had previously received inpatient (46%) or outpatient (82%) psychotherapeutic treatment. Of the patients with prior outpatient psychotherapeutic treatment, 45% received a health insurance funded psychotherapy. Of the patients who self-financed psychotherapy, the majority of patients (72%) paid up to € 100 for psychotherapeutic treatment—with 70% of patients who were unable to work prior inpatient treatment and 39% of patients whose monthly income is less than € 1000. The study data also show that the number of patients who have been able to use health insurance funded psychotherapy has not increased since 2017. The present study illustrates that the use of outpatient psychotherapy and health insurance funded psychotherapy amongst patients with chronic mental illnesses remained unchanged in the last four years, despite the increase in the health insurance subsidy in 2018 and any increases in health insurance funded psychotherapy hours. Given the limited health insurance funded psychotherapy hours, a transparent system for the allocation of health insurance funded psychotherapy hours is required to enable the use of outpatient psychotherapy for all patients with chronic mental illnesses. chotherapie privat finanziert haben, hat der Großteil der Patient*innen (72 %) für eine psychotherapeutische Behandlung bis zu 100 bezahlt -bei einem Anteil von 70 % von Patient*innen, die vor der stationären Behandlung arbeitsunfähig waren und 39 % von Patient*innen, deren monatliches Einkommen weniger als 1000 ausmacht. Die Studiendaten zeigen auch, dass sich der Anteil der Patient*innen, die eine kassenfinanzierte Psychotherapie in Anspruch nehmen konnten seit 2017 nicht erhöht hat. Die vorliegende Studie verdeutlicht, dass die Inanspruchnahme von ambulanter Psychotherapie und Kassenplätzen für Psychotherapie bei Patient*innen mit chronisch psychischen Erkrankungen in den letzten vier Jahren, trotz Erhöhung des Kassenzuschuss im Jahr 2018 und etwaiger Aufstockungen an Kassenplätzen, unverändert geblieben ist. Angesichts der limitierten Kassenplätze ist deshalb ein transparentes System für die Zuteilung von Kassenplätzen zu fordern, um die Inanspruchnahme von ambulanter Psychotherapie bei allen Patient*innen mit chronischen psychischen Erkrankungen zu ermöglichen. originalarbeit 2017-2020, considering the socio-economic-/diseaseand treatment related status of patients. A sample of 6387 inpatients with a mental illness was surveyed during inpatient treatment. The majority (70%) of inpatients had suffered from a mental illness for more than two years and had previously received inpatient (46%) or outpatient (82%) psychotherapeutic treatment. Of the patients with prior outpatient psychotherapeutic treatment, 45% received a health insurance funded psychotherapy. Of the patients who self-financed psychotherapy, the majority of patients (72%) paid up to 100 for psychotherapeutic treatment-with 70% of patients who were unable to work prior inpatient treatment and 39% of patients whose monthly income is less than 1000. The study data also show that the number of patients who have been able to use health insurance funded psychotherapy has not increased since 2017. The present study illustrates that the use of outpatient psychotherapy and health insurance funded psychotherapy amongst patients with chronic mental illnesses remained unchanged in the last four years, despite the increase in the health insurance subsidy in 2018 and any increases in health insurance funded psychotherapy hours. Given the limited health insurance funded psychotherapy hours, a transparent system for the allocation of health insurance funded psychotherapy hours is required to enable the use of outpatient psychotherapy for all patients with chronic mental illnesses. Keywords Psychotherapy · Mental health care · Mental disorders · Public insurance funded psychotherapy Einleitung Psychische Erkrankungen tragen im hohen Maße zur Krankheitslast bei und stellen für das österreichische Gesundheitssystem eine Herausforderung dar. Etwa jeder fünfte Mensch hat in den letzten 12 Monaten an einer psychischen Erkrankung gelitten, und ein Drittel der Allgemeinbevölkerung ist im Laufe des Lebens von psychischen Störungen betroffen (Steel et al. 2014 (Cuijpers et al. 2020) , und gesundheitsökonomische Studien auch ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis nach Abzug der Kosten für Psychotherapie aufzeigen (Margraf 2009 ). In den vergangenen Jahren ist in Österreich auch eine Zunahme der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen infolge psychischer Erkrankungen zu verzeichnen (Sagerschnig et al. 2018) . Eine psychotherapeutische Behandlung kann auch zu Einsparungen von indirekten Kosten beitragen. Die Kosten für psychotherapeutische Behandlung werden durch die Einsparungen, aufgrund der Reduktion von Hospitalisierungen, Medikamenten und Produktivitätsverlusten, mehr als aufgewogen (Margraf 2009 ). Ein früher Diagnosezeitpunkt und eine rechtzeitige Behandlung sind weiters für die Eindämmung der Kosten entscheidend, wie z. B. Schneider und Dreer in einer Analyse der volkswirtschaftlichen Kosten von Burnout gezeigt haben (Schneider und Dreer 2013) . Gemäß dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz der Republik Österreich ist eine Psychotherapie bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung (nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten ICD-10) eine Pflichtleistung der österreichischen Gesundheitskasse(n). Es ist jedoch festzustellen, dass in Österreich nur ein Teil der Personen mit psychischen Erkrankungen eine psychotherapeutische Behandlung erhält Die Ergebnisse zur psychotherapeutischen Vorbehandlung und geplanten weiterführenden Behandlung sind in Tab. 2 und 3 angegeben. Eine ambulante psychotherapeutische Vorbehandlung hatten 4283 Patient*innen (81,7 %), wobei diese bei 53,9 % länger als ein Jahr dauerte. Eine weiterführende ambulante Psychotherapie hatten 88,1 % der Patient*innen geplant. Von jenen Patienten*innen mit einer ambulanten psychotherapeutischen Vorbehandlung hatten 1932 (45,5 %) einen Kassenplatz und 2318 (54,5 %) keinen Kassenplatz. Vergleicht man Patient*innen mit/ohne einen Kassenplatz, hatten Patient*innen mit einem Kassenplatz ein signifikant geringeres Einkommen als jene ohne Kassenplatz (t = 12,69, p = 0,022). Zudem hatten Patient*innen mit einem Kassenplatz signifikant häufiger eine stationäre Vorbehandlung als jene ohne (t = -10,83, p = 0,041). Von jenen die keinen Kassenplatz hatten, zahlten 71,7 % bis zu 100 pro Psychotherapieeinheit. In Tab. 4 sind die privaten Kosten für nicht kassenfinanzierte Psychotherapie, sowie der Anteil der Patient*innen mit einer psychotherapeutischen Vorbehandlung vor und nach der Erhöhung des Kostenzuschusses am 01.09.2018 aufgelistet. Der Anteil der privaten Kosten für eine Psychotherapieeinheit ist demnach auch nach der Erhöhung des Kostenzuschusses 2018 unverändert hoch. Der Anteil der Patient*innen mit bzw. ohne Kassenplatz ist in Abb. 1 im Jahresvergleich von 2017 bis 2020 dargestellt. Es zeigt sich demnach zwischen 2017 und 2020 keine signifikanten Veränderungen in der Inanspruchnahme von Kassenplätzen (Kruskal-Wallis H (3) = 1,681, p = 0,641). Im Vergleich von Patient*innen mit versus ohne Kassenplatz zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in Hinblick auf den Schweregrad der krankheitsbezogenen Symptomatik, z. B. depressiv/ ängstliche Symptome (siehe Tab. 5). Die Ergebnisse zeigen, dass Patient*innen mit chronischer psychischer Erkrankung, trotz teilweise wiederholter stationärer psychotherapeutischer Aufenthalte nur zur Hälfte (54,5 %), einen Kassenplatz Knapp 30 % der Patient*innen ohne Kassenplatz haben ein geringes Einkommen (weniger als 1000 im Monat). Die privat finanzierten Kosten für Psychotherapie (ca. 4000 pro Jahr) stellen eine erhebliche finanzielle Belastung dar (Schosser et al. 2021) . Die Studienergebnisse zeigen weiters, dass sich im Zusammenhang mit der Erhöhung des Kostenzuschusses der Anteil der Patient*innen mit chronisch psychischen Erkrankungen, die Psychotherapie in Anspruch nehmen, nicht verändert hat und die finanziellen Belastungen durch die privat finanzierten Kosten unverändert hoch sind. Es zeigt sich auch, dass der Anteil der Patient*innen mit chronisch psychischen Erkrankungen, die einen Kassenplatz in Anspruch nehmen konnten, im Zeitraum zwischen 2017-2020 trotz Erhöhung des Kassenzuschuss und etwaiger Aufstockungen an Kassenplätzen unverändert geblieben ist. Die Prävalenz von psychischen Erkrankungen hat jedoch seit der COVID-19 Pandemie zugenommen (Duarte 2021) und die subjektive Belastung und der Behandlungsbedarf sind bei Patient*innen mit chronischen psychischen Erkrankungen ungleich höher als bei Patient*innen mit physischen Erkrankungen (Oppenauer et al. 2021) . Die Wirksamkeit von Psychotherapie ist gut belegt (Cuijpers et al. 2020) . Es ist bedauerlich, dass in Ös-terreich zwar fast alle Patient*innen mit chronischen psychischen Erkrankungen eine Psychopharmaka Therapie in Anspruch nehmen können, jedoch nur die Hälfte eine Psychotherapie in Anspruch nehmen kann (Grabenhofer-Eggerth und Sator 2019; Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger 2011). Die Effekte von Psychotherapie haben sich zudem im Vergleich zur Psychopharmaka Therapie als langfristiger erwiesen (Cuijpers et al. 2013 Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/licenses/by/4. 0/deed.de. Behandlungsbezogenen Angaben (geplante weiterführende psychotherapeutische Behandlung) Geplante psychotherapeutische Weiterbehandlung Kassenplatz % (n) Keine weiterführende Behandlung geplant Gender effects on outcomes of psychosomatic rehabilitation are reduced Does cognitive behaviour therapy have an enduring effect that is superior to keeping patients on continuation pharmacotherapy? A metaanalysis Psychotherapy for depression across different age groups: a systematic review and meta-analysis Health at a glance 2021: OECD indicators highlights for Austria Elektronisches Routine-Outcome-Monitoring (eROM) in Psychiatrie und klinischer Psychologie Mental health in the workplace Psychotherapieals Sozialversicherungsleistung -Inanspruchnahme und Finanzierung Analyse der Versorgung psychisch Erkrankter The Computer-based Health Evaluation Software (CHES): a software for electronic patient-reported outcome monitoring The global burden of mental disorders: an update from the WHO World Mental Health (WMH) surveys The patient health questionnaire somatic, anxiety, and depressive symptom scales: a systematic review The reliability and validity of the World Health Organization Disability Assessment Schedule(WHODAS-II)instroke.Disability and Rehabilitation Kosten und Nutzen der Psychotherapie: Eine kritische Literaturauswertung Mental health and work: Austria Psychological distress during the COVID-19 pandemic in patients with mental or physical diseases Detecting somatoform disorders in primary care with the PHQ-15 Geschlechtsspezifische Unterschiede in der psychotherapeutischen Versorgung Evaluationsergebnisse der Rehabilitationsklinik Gars am Kamp Stationäre medizinische Rehabilitation von Patienten mit psychiatrischen oder psychosomatischen Erkrankungen: Erste Evaluationsergebnisse der Rehabilitationsklinik Gars am Kamp Psychotherapeutische Versorgungslage: Aktuelle Daten. psychopraxis. neuropraxis Inanspruchnahme von Psychotherapie und psychiatrischer Rehabilitation im Kontext der Angebote (S. 50) Volkswirtschaftliche Analyse eines rechtzeitigen Erkennens von Burnout Thebenefitofanambulant psychiatric rehabilitation program in Vienna, Austria:anuncontrolledrepeatedmeasuresstudy A brief measure for assessing generalized anxiety disorder: the GAD-7 The global prevalence of common mental disorders: a systematic review and meta-analysis 1980-2013 Pflege und Konsumentenschutz und des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger