key: cord-0682288-94q494rg authors: Haverkamp, Katarzyna; Runst, Petrik; Proeger, Till title: Das Handwerk zwischen Corona-Krise und Rückvermeisterung date: 2021-03-17 journal: Wirtschaftsdienst DOI: 10.1007/s10273-021-2873-x sha: e991ee250b7f467da3ad3c4c703b5814cdb55a9c doc_id: 682288 cord_uid: 94q494rg In the spring of 2020, the skilled crafts sector was simultaneously affected by two different policy measures: the COVID-19-induced lockdown measures and a new market entry regulation. We use administrative data from the German Chambers of Skilled Crafts to analyse the effects of both of these policy changes on firms’ registration rates. The results provide no evidence of possible structural damage in business formation as a consequence of corona measures. Instead, we find a reduction in entrepreneurial activity due to the new regulation policy consistent with prior expectations. Zu den wesentlichen Merkmalen von Wirtschaftskrisen gehört, dass sie sich auf einzelne Wirtschaftsbereiche unterschiedlich stark auswirken (Heilemann, 2019; Bofi nger et al., 2020; Thomä, 2011) . Das Handwerk meldete vor der Corona-Krise eine ausgesprochen positive Geschäftslage (ZDH, 2019) . Im ersten Quartal 2020 konnten die Umsätze weiter gesteigert werden: Die Handwerksberichterstattung zeigte ein Umsatzplus von 3,4 %. Im zweiten Quartal 2020 kam es zu einem tiefen Einbruch: Zum ersten Mal seit sieben Jahren verzeichnete das Handwerk einen Absatzrückgang. Die Umsätze gingen in den zulassungspfl ichtigen Handwerken um 7,4 %, in den zulassungsfreien Handwerken um 9,4 % zurück. Besonders tiefe Spuren hat die Krise im Kraftfahrzeuggewerbe (-21,6 %), im Gesundheitsgewerbe (-19,9 %) sowie bei den Konditor:innen (-29 %) und dem Friseurhandwerk (-24,8 %) hinterlassen. Die zulassungspfl ichtigen Bauhaupt-und Ausbaugewerbe konnten hingegen auch in der Corona-Krise die Umsätze gegenüber der Vorjahresperiode leicht steigern (+4,7 % und +1,1 %) (Statistisches Bundesamt, 2020a Bundesamt, , 2020b Bundesamt, , 2020c . Während in vielen Handwerksbranchen betriebliche Strategien zur Bewältigung der Umsatzrückgänge und der Liquiditätsengpässe entwickelt werden mussten, blieb die Beschäftigung weitgehend stabil: Die Beschäftigtenzahlen im zulassungspfl ichtigen Handwerk lagen im zweiten Quartal 2020 nur um 1,7 % unter dem Vorjahresquartal. Wie in der Wirtschaftskrise 2008/2009 reagierten die Betriebe auf die Umsatzrückgänge nicht mit einer Entlassungswelle, sondern hielten an ihren Beschäftigten fest. Erneut zeigte sich das beharrende Beschäftigungsverhalten des Handwerks bei Konjunktureinbrüchen (Thomä, 2011 (Konon, Fritsch und Kritikos, 2018; Fossen 2020) . Somit konnte zu Beginn der Corona-Krise erwartet werden, dass die konjunkturelle Eintrübung mit einer stärkeren Gründungsdynamik im Handwerk einhergeht -mit einer Verschiebung von Chancen-zu Notgründenden . Rasch zeigte sich jedoch, dass die Unternehmen auf die Krise nicht mit einer Entlassungswelle, sondern mit der intensiven Inanspruchnahme des Kurzarbeitsgelds reagierten, sodass der gesamtwirtschaftliche Anstieg der Arbeitslosigkeit und damit der Notgründungen vergleichsweise moderat blieben (Anger et al., 2020) . Entscheidend für die Entwicklung der Gründungsdynamik im Handwerk 2020 sollten daher zwei andere Faktoren werden. Zum einen war der Beginn der Krise mit einer starken Verunsicherung verbunden; die Beurteilung der Geschäftslage verschlechterte sich in einigen Handwerksbranchen massiv. So schätzten im zweiten Quartal 2020 nur noch 12 % der Betriebe aus dem Gesundheitsgewerbe die Geschäftslage als gut ein, im Kraftfahrzeuggewerbe 17 % und im Lebensmittelhandwerk 25 %. Nur im Bau-und Ausbaugewerbe berichteten mehr Unternehmen von einer positiven als von einer negativen Geschäftslage (ZDH, 2020). Da die Beurteilung der Geschäftslage die Gründungsabsichten beeinfl usst (Giotopoulos, Kontolaimou und Tsakanikas, 2017) , ist anzunehmen, dass die gestiegene Unsicherheit die Gründungszahlen reduzierte. Zum anderen trat im Frühjahr 2020 die Novelle der Handwerksordnung in Kraft. Am 12. Dezember 2019 verabschiedete der Bundestag das Vierte Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung. Hiermit wurden zwölf Handwerke aus dem Bereich der zulassungsfreien in den Bereich der zulassungspfl ichtigen Handwerke überführt. 1 Aus zahlreichen empirischen Untersuchungen zu den Effekten der letzten Novelle der Handwerksordnung von 2004 ist bekannt, dass die regulatorischen Veränderungen tiefe Spuren in den Gründungsstatistiken hinterlassen haben (Fredriksen et al., 2020) . Damit war zu erwarten, dass die Wiedereinführung der Meisterpfl icht zur Reduktion der Gründungszahlen im Handwerk führen würde. Das Änderungsgesetz trat zum 14. Februar 2020 in Kraft, sodass sich dessen Effekte mit den Effekten der Corona-Maßnahmen überlagern. Um diese Effekte zu trennen, werden für die Gruppe der rückvermeisterten Handwerke eine zusätzliche statistische Kategorie (Gruppe C) und für alle neu entstandenen Handwerksgruppen mit einem jeweils unterschiedlichen Zulassungsstatus neue konsistente Zeitreihen ab 2007 gebildet. Die Statistik der Abgänge (vgl. Abbildung 4) zeigt einen anderen Verlauf als die der Zugänge: Die meisten Abmel-dungen erfolgen zum Jahresende bzw. im ersten Quartal des Jahres. Damit wäre mit deutlicheren Spuren der aktuellen Wirtschaftskrise auch erst zum Jahreswechsel zu rechnen. Allerdings lässt die Zeitreihe für 2020 (Januar bis August) erkennen, dass bereits ab April 2020 eine deutlich reduzierte Austragungsdynamik feststellbar ist, die bis August 2020 unverändert anhält. Zwischen April und August 2020 liegen die Austragungswerte durchgehend unter dem Niveau der Werte in den übrigen betrachteten Jahren. Damit kam es im Handwerk im Zuge der aktuellen Krise nicht zum Anstieg der Marktaustritte, sondern zu einer Reduktion. Das unerwartete Ergebnis der gesunkenen Marktaustritte im Abschwung lässt sich nur mit der Wirkung der wirtschaftspolitischen Stabilisierungsmaßnahmen im Zuge der Corona-Krise erklären. Offenbar konnten die Soforthilfeprogramme des Bundes und der Länder den Unternehmensbestand so weit stabilisieren, dass eine Insolvenzwelle trotz der Umsatzrückgänge und Liquiditätsprobleme bislang ausblieb und sogar mehr Unternehmen am Markt verblieben, als dies in den Vorjahren der Fall war. 5 Entscheidend für die endgültige Bestimmung der Auswirkungen der aktuellen Krise wird aber die Entwicklung um den Jahreswechsel bzw. mit dem Ende der Aussetzung der Insolvenzantragspfl icht sein. Quelle: Sonderabfrage bei 13 Handwerkskammern, August/September 2020. Befunde der IAB-Forschung zur Corona-Krise -Zwischenbilanz und Ausblick Stellungnahme zur Wiedereinführung der Meisterpfl icht im Handwerk Wirtschaftliche Implikationen der Corona-Krise und wirtschaftspolitische Maßnahmen Self-employment over the business cycle in the USA: a decomposition Handwerksordnung: ökonomische Effekte der Deregulierung von Drivers of highquality entrepreneurship: what changes did the crisis bring about? Gewerbliche Existenzgründungen und Unternehmensaufgaben im 1. Halbjahr 2020 -Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie, IfM-Hintergrundpapier, Oktober Betriebsdynamik und Resilienz des Handwerks in der Corona-Krise Rezessionen in der Bundesrepublik Deutschland von Business cycles and startups across industries: an empirical analysis of German regions Statistische Datenquellen für das Handwerk, Göttinger Handwerkswirtschaftliche Studien Die Handwerksrechtsnovelle 2020 Beschäftigte und Umsatz im Handwerk -Messzahlen und Veränderungsraten, 1./2. Vierteljahr Handwerk: 7,4 % weniger Umsatz im 2. Quartal 2020, Pressemitteilung Das Handwerk als Stabilisator der konjunkturellen Entwicklung? Kurzbericht zur wirtschaftlichen Lage des Handwerks im II Quelle: Sonderabfrage bei 13 Handwerkskammern, August/September 2020.