key: cord-0688544-uzef0sb1 authors: Osiander, Christopher; Senghaas, Monika; Stephan, Gesine; Struck, Olaf title: Längeres Arbeitslosengeld in der Krise? Covid-19 und die angemessene maximale Bezugsdauer date: 2021-12-06 journal: Kolner Z Soz Sozpsychol DOI: 10.1007/s11577-021-00806-3 sha: 1ba33b9e66c8b949dc27e1ed5d24951e24aed373 doc_id: 688544 cord_uid: uzef0sb1 This article deals with the question of which unemployment benefit durations are considered fair for which groups. In addition, it examines the extent to which individuals consider longer unemployment insurance benefit durations to be appropriate in times of economic crisis, such as the current situation during the Covid-19 pandemic. Longer reference periods can stabilize the income situation of benefit recipients and can provide time to search for an adequate job and thus increase matching quality. However, they also initially reduce the pressure to look for a job, and they lengthen the period of unemployment in the longer term. Using survey data from two online surveys done in November 2019 and during the crisis in May 2020, we examine which unemployment benefit durations employees consider appropriate. For this purpose, we presented vignettes to the survey participants describing hypothetical unemployed people whose characteristics varied randomly. The results show that the same respondents considered similar reference periods to be appropriate at both dates. In addition, the respondents took into account criteria of contribution as well as neediness when assessing the appropriate duration of benefits for the unemployed. Characteristics such as the age of the unemployed and any existing culpability, life benefits, or contribution periods influenced the duration of the benefit receipt that respondents judged to be appropriate. Gegenleistungen oder auch Bedarfe richten können (Leisering 2004) . Hier dokumentieren viele Autoren seit mehr als zehn Jahren Akzentverschiebungen in Richtung einer investiven Sozialpolitik, die auch gesellschaftliche Erträge erzielen soll (Sachweh et al. 2009, S. 612; Vobruba 1996) . Für die Legitimität des Wohlfahrtstaates ist es von Bedeutung, dass Menschen sozialpolitische Maßnahmen und Regelungen akzeptieren und als gerecht empfinden (Sachweh et al. 2009, S. 618; Rothstein 1998; Roosma et al. 2013) . Dieser Beitrag untersucht die Einstellungen der Erwerbsbevölkerung zu maximalen Bezugsdauern des Arbeitslosengeldes. Ein besonderer Fokus dieser Studie liegt darauf, ob sich diese Einstellungen infolge der Covid-19-Pandemie verändert haben. Die maximalen Bezugsdauern sind in Deutschland immer wieder Gegenstand politischer Diskussionen und wurden in der Vergangenheit, anders als beispielsweise die Höhe des Arbeitslosengeldes, wiederholt neu ausgestaltet. Eine temporäre Verlängerung der Bezugsdauer, wie sie in der Covid-19-Pandemie erfolgt ist, ist allerdings für Deutschland ein Novum. In den USA sind solche "extended benefits" in Krisenzeiten bereits seit Langem im Einsatz (z. B. Howell und Azizoglu 2011). Bei der Festlegung der maximalen Bezugsdauern müssen die politischen Entscheidungsträger verschiedene Argumente abwägen, die jeweils wiederum Verteilungen von Gerechtigkeitsprinzipien widerspiegeln. Einerseits soll Arbeitslosengeld aus der von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und Arbeitgebern getragenen Arbeitslosenversicherung es ermöglichen, dass Menschen im Falle von Arbeitslosigkeit nicht sofort in finanzielle Not geraten (etwa aufgrund von fortlaufenden Ausgaben wie Miete oder für Kredite). Auch kann es für bessere Passungen zwischen Arbeitsuchenden und offenen Stellen oder den Erhalt von Qualifikationen volkswirtschaftlich sinnvoll sein, dass arbeitslos gewordene Personen nicht unmittelbar jede, auch eine nicht den eigenen Qualifikationen entsprechende Arbeit annehmen müssen. Andererseits sollen Leistungen des Sozialstaates keine Anreize für eine verzögerte oder verringerte Suche nach einer neuen Stelle bieten. Wenn mit der maximalen Bezugsdauer die Arbeitslosigkeitsdauer steigt, führt dies nicht nur zu (zusätzlichen) Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung, sondern kann auch mit (zusätzlichen) Qualifikationsentwertungen einhergehen. Zudem können Arbeitgeber längere Arbeitslosigkeitsdauern von Bewerberinnen und Bewerbern als negatives Signal interpretieren. Für Deutschland weist eine Anzahl von Studien kausal nach, dass die Dauer der Arbeitslosigkeit mit der maximalen Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes zunimmt (z. B. Riphahn und Schrader 2020; Schmieder et al. 2012) . Hingegen ist die Literatur nicht eindeutig, was die Effekte der maximalen Bezugsdauer auf die Beschäftigungsqualität betrifft (z. B. Caliendo et al. 2013; Schmieder et al. 2016) . Es gibt einige Argumente dafür, in Krisenzeiten länger Arbeitslosengeld zu zahlen als in wirtschaftlichen Boomphasen (Dietz et al. 2009 ). Längere Bezugsdauern erhöhen die Sicherheit für Personen, die in Krisen besondere Schwierigkeiten haben, eine neue Stelle zu finden. Personen, die nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung haben, brauchen Ersparnisse länger nicht anzugreifen. Darüber hinaus kann eine längere Arbeitslosenunterstützung in der Krise als Stabilisator der Konsumnachfrage dienen. Solche für politische Entscheidungen bedeutsamen und genauen Abwägungen zwischen aktueller Bedürftigkeit und individuellem Leistungserhalt, dem Setzen von Leistungsanreizen und der Wahrung gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Produktivität werden Menschen vermutlich nicht immer anstellen, wenn sie ad hoc Entscheidungen über die maximale Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes treffen sollen, die sie als gerechtfertigt empfinden. Allerdings zeigen Befunde zur als angemessen empfundenen Höhe des Arbeitslosengeldes II, dass Menschen bei ihren Einschätzungen etwa die persönlichen Merkmale der potenziellen Empfängerinnen und Empfänger in Betracht ziehen. Eine besonders wichtige Rolle für die zugesprochene Höhe des Arbeitslosengeldes spielt dabei, ob Kinder im Haushalt vorhanden sind (Buss 2019; Hörstermann und Andreß 2015) . Für die Arbeitslosenversicherung wurde gezeigt, dass Merkmale der Leistungsbeziehenden, wie beispielsweise das Alter, Urteile von Befragten über die Zumutbarkeit von Stellenangeboten beeinflussen . Unseres Wissens liegen bisher keine empirischen Befunde dazu vor, welche Bezugsdauern des Arbeitslosengeldes in Deutschland als angemessen angesehen werden. Unbekannt ist zudem, ob sich Menschen an Gerechtigkeitsmerkmalen orientieren, die Bedürftigkeit oder individuelle Leistungen (Adams 1965; Kluegel et al. 1999; Gilliland 1993; Liebig 1997; van Oorschot 2000; Wegener 1992 ) widerspiegeln, und inwieweit sich in Entscheidungen auch produktivistische Gerechtigkeitsvorstellungen (Leisering 1999 (Leisering , 2004 Vobruba 1996) niederschlagen. Unbekannt ist zudem, ob Menschen in Krisenzeiten ihre Urteile über Bezugsdauern verändern und ob es zu Veränderungen von Gerechtigkeitsvorstellungen kommt. Wir untersuchen daher, welche maximale Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes (überwiegend) beschäftigte Personen hypothetischen Arbeitslosen vor der Covid-19-Pandemie Ende 2019 und während der ersten Hochphase der Pandemie und des Lockdowns im Mai 2020 zusprechen würden. In Abschn. 2 gehen wir kurz auf den institutionellen Rahmen unseres Untersuchungsgegenstands ein. In Abschn. 3 wird der theoretische und empirische Forschungsstand skizziert und in Hypothesen überführt. Abschnitt 4 erläutert Datensatz und Methode. In einer Panel-Onlinebefragung variieren wir in Vignetten Merkmale hypothetischer Arbeitsloser, die teilweise auch die Gesetzgebung aktuell heranzieht, wie das Alter und die Versicherungsdauer, aber auch den Haushaltskontext. Hierdurch wird deutlich, auf welchen Gerechtigkeitsprinzipien Bewertungen basieren. Die Ergebnisse der Analysen werden im Abschn. 5 vorgestellt und diskutiert. Ein Fazit schließt den Aufsatz ab. (Dlugosz et al. 2014) . Nach einer intensiven Diskussion wurden die maximalen Bezugsdauern im Jahr 2008 für Ältere wieder auf die oben erläuterten aktuellen Bezugsdauern angehoben (Bothfeld und Rosenthal 2014, S. 203) . Immer wieder wurden, auch schon vor der Pandemie, Verlängerungen der maximalen Bezugsdauer vorgeschlagen. So treten etwa DIE LINKE und die SPD für eine Verlängerung der maximalen Leistungsdauer für Antragstellende mit langen Beitragsnachweisen ein, um ihre "Lebensleistungen" zu respektieren (DIE LINKE 2019; SPD 2019). Die SPD schlägt vor, die maximale Leistungsdauer um drei, sechs oder neun Monate zu erhöhen, wenn Personen mindestens 20, 25 oder 30 Jahre lang Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geleistet haben (SPD 2019). Der DGB schlägt vor, Arbeitslose sollten "für je zwei Beschäftigungsjahre einen zusätzlichen Monat Arbeitslosengeld erhalten (2:1-Regel). Wer beispielsweise insgesamt 20 Jahre sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat, bekäme bis zu zehn Monate länger Arbeitslosengeld" (DGB 2019, S. 3). Im DGB-Entwurf sollen bestimmte Zeiten der Kinderbetreuung und der Pflege von Angehörigen den Beschäftigungszeiten gleichgestellt werden. Mit der vorgeschlagenen Verlängerung sollen explizit "Arbeits-und Beitragsleistungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern stärker gewürdigt und anerkannt" (SPD 2019) werden. Ob und, wenn ja, unter welchen Bedingungen die Bevölkerung eine solche Anerkennung von Lebensleistungen befürwortet, ist eine ebenso offene Frage wie mögliche Veränderungen von Einschätzungen in Krisenzeiten. Wohlfahrtsstaatliche Institutionen greifen in individuelle Lebensverhältnisse ein und strukturieren soziale Beziehungen. Bürgerinnen und Bürger sind unmittelbar davon betroffen, wie Maßnahmen und Regelungen ausgestaltet sind: Als Empfängerinnen und Empfänger von Transferleistungen und als Adressaten sozialer Dienstleistungen ebenso wie als Beitrags-und Steuerzahlende, die zur Finanzierung des Sozialstaates beitragen. Für die Legitimität des Wohlfahrtsstaates ist es deshalb von Bedeutung, dass Bürgerinnen und Bürger auf politischer Ebene entschiedene Maßnahmen und Regelungen akzeptieren. Diese Akzeptanz von Wohlfahrtsprogrammen und -institutionen basiert auf Vorstellungen der Bevölkerung über ein als gerecht empfundenes Verhältnis zwischen Anstrengungen und Belohnungen und einem bestimmten Lebensstandard, den die Gesellschaft den Menschen wiederum als Gegenleistung für ihren Beitrag zur Gesellschaft ermöglichen soll (Bowles und Gintis 2000; Kaufmann 1997a; Mau 2004; Roosma et al. 2013) . Um einen wohlfahrtsstaatlichen "Konsens" oder die gesellschaftsintegrierende Funktion des Sozialstaates (Kaufmann 1997b) aufrechtzuerhalten, sollten also sozialpolitische Normen und institutionell festgelegte Allokations-und Verteilungsmechanismen als fair empfundene Verteilungsprinzipien widerspiegeln. Diese Verteilungsprinzipien können sich dabei mehr oder weniger stark am Beitragsprinzip (Adams 1965) orientieren, d. h. an den Leistungen involvierter Personen (Greenberg 1990; Young 1993) , ggf. verbunden mit dem Verantwortungsprinzip beeinflussbarer und nichtbeinflussbarer Ergebnisse (Konow 1996 (Konow , 2001 . Sie können aber auch mehr oder minder stark am Bedarf von einzelnen Betroffenen (Kluegel et al. 1999, S. 255; Gilliland 1993 ) ausgerichtet sein. Van Oorschot (2000) und van Oorschot und Roosma (2017) sprechen von Hilfewürdigkeit ("deservingness"), K die Anspruchsgruppen zugemessen wird und die von Bedarfen, geleisteten oder zukünftigen gesellschaftlichen Beiträgen oder von einer Einstellung, die Dankbarkeit signalisiert, beeinflusst sein kann (allgemein zu Gerechtigkeitsprinzipien auch Liebig 1997; Stephan et al. 2006, S. 21 ff.) . Möglich sind aber auch generalisierte Abwertungen gegenüber Erwerbslosen (Freier 2016; Glatzer 2009; van Oorschot und Roosma 2015; Wogawa 2005; Zick 2010 ), die Auffassungen zu staatlichen Unterstützungen beeinflussen. Wogawa (2005) etwa sieht eine "Unbestimmtheitslücke", die ein Misstrauen und Vorbehalte gegenüber eher großzügigen Regelungen dadurch erzeugen kann, dass individuelle Beweggründe einer Inanspruchnahme nicht vollständig zu erkennen und zu kontrollieren sind. Vobruba (1996) hat darauf hingewiesen, dass in Gerechtigkeitsabwägungen zukünftige Wirkungen von Verteilungszuständen mitberücksichtigt werden. Diesem Tatbestand trägt "produktivistische Gerechtigkeit" Rechnung (Vobruba 1996, S. 969; vgl. auch Leisering 1999, S. 11) . Mit Blick auf die Forschung und Theorien zur Sozialpolitik werden damit direkt gesellschaftliche Effizienzwirkungen und ein "wirtschaftlicher Wert der Sozialpolitik" (Vobruba 1991, S. 49ff.; sowie Schmid 2009) angesprochen. Dies etwa dann, wenn Maßnahmen und Instrumente auf eine schnelle (Re-)Integration in produktive Erwerbsarbeit ausgerichtet sind. Indirekt kann sich eine produktive Gerechtigkeit aber auch in einer Anerkennung von Arbeitsleistungen (in Erwerbsarbeit und Nichterwerbsarbeit) ausdrücken. Vorher erbrachte Leistung kann als Signal einer auch prospektiv zu erwartenden individuellen Leistungsfähigkeit und -bereitschaft interpretiert werden. Vor allem aber wird gegenüber Gesellschaftsmitgliedern ausgedrückt, dass sich jene, die Arbeitsleistungen erbringen, auf Leistungen des Sozialstaates verlassen können. Gerechtigkeitsprinzipien, die sich eher an Beiträgen oder eher an Bedürfnissen orientieren, können ihrerseits unter Einbezug ihrer als (un-)produktiv eingeschätzten Wirkung beurteilt werden. Und so wird in Wissenschaft und Öffentlichkeit diskutiert, dass längere Bezugsdauern erstens Anreize für einen längeren Verbleib in Arbeitslosigkeit bieten (Kaufmann 2013; Mortensen 1986; Wogawa 2005) . Zweitens kann diese längere Arbeitslosigkeit auch zu einem Abbau von Humankapital führen (so u. a. Addison und Portugal 2008; Caliendo et al. 2013; Katz und Meyer 1990; Riphahn und Schrader 2020; Schmieder et al. 2012 Schmieder et al. , 2016 van Ours und Vodopivec 2008) . Farber und Valletta (2015) zeigen, dass eben dieser Effekt auch in Krisen zu beobachten ist. Längere Lohnersatzleistungen bewirken, dass Arbeitslose sich mit der Suche nach einem gut passenden Arbeitsplatz länger Zeit lassen können (McCall 1970; Mortensen 1986 ). Diese Erkenntnis diente u. a. als Begründung dafür, dass im Zuge der sogenannten Hartz-Reformen eine Verkürzung des Arbeitslosengeldbezugs umgesetzt wurde. Dabei wurden solche Maßnahmen der Aktivierung Arbeitsloser auch öffentlich viel diskutiert (Kaufmann 2013) . Jedoch können sehr kurze Bezugsdauern und ein schnell wirkender Zwang zur Arbeitsaufnahme die Qualität der Passung zwischen Beschäftigten und Stelle mindern (Belzil 1992 (Belzil , 2001 Caliendo et al. 2013; Ehrenberg und Oaxaca 1976; Voßemer und Schuck 2016; anders Fitzenberger und Wilke 2010 für ältere Beschäftigte). Vor diesem Hintergrund leiten wir im Folgenden Hypothesen zur Akzeptanz der gesetzlichen Ausgestaltung von Bezugsdauern des Arbeitslosengeldes ab. Grundsätzliche Gerechtigkeitsprinzipien variieren innerhalb stabiler Gesellschaften wenig (Gouldner 1960; Wegener 1992) . Zudem ist die Ausgestaltung der Arbeitslosenversicherung u. a. auf konjunkturelle Krisen ausgerichtet. Dennoch könnte sich die Akzeptanz gegenüber spezifischen sozial-und arbeitsmarktpolitischen Normen, etwa aufgrund von sozioökonomischen Entwicklungen, verändern, und dies möglicherweise auch situationsbedingt kurzfristig. Wenn wir die Akzeptanz der gesetzlichen Ausgestaltung von Bezugsdauern bei Arbeitslosen betrachten, dann kann diese unter anderem davon beeinflusst sein, wie sich die Gesamtsituation auf dem Arbeitsmarkt darstellt und als wie schwer es von den Befragten eingeschätzt wird, dass arbeitslos gewordene Personen eine neue Arbeitsstelle finden. In der ersten Hochphase der Covid-19-Pandemie bis zum Juni 2020 haben Arbeitgeber aus wirtschaftlichen Gründen vor allem das Instrument der Kurzarbeit genutzt. Darüber hinaus haben sie aber auch weniger neue Stellen ausgeschrieben, weniger Neueinstellungen vorgenommen und häufiger Beschäftigten gekündigt. Kündigungen waren zunächst auf wenige Branchen wie das Gastgewerbe konzentriert, die besonders hart von den politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie betroffen waren (Bossler et al. 2020 Den hier präsentierten Analysen liegt eine Stichprobe vergleichsweiser arbeitsmarktnaher Personen zugrunde, die im Jahr 2017 mindestens eine Meldung in den IEB hatten und die in den Jahren 2013-2017 ausschließlich sozialversicherungspflichtig oder geringfügig beschäftigt waren (aber keine Zeiten der Arbeitsuche, des Leistungsbezugs oder der Teilnahme an Maßnahmen aufwiesen). Die Stichprobe wurde weiterhin auf deutsche Staatsbürger eingegrenzt, die zum Zeitpunkt der Befragung mindestens 18 Jahre alt waren, nicht im Ausland lebten und für die relevante soziodemografische und betriebsspezifische Informationen vorlagen. Potenzielle Befragte dieser Gruppe -insgesamt 19.934 Personen -erhielten ein postalisches Anschreiben mit einem individualisierten Link zur Befragung und ein Passwort sowie einen QR-Code mit Link zur Befragungsseite. Der faktorielle Survey, der die Frage zur Angemessenheit der maximalen Bezugsdauer enthält, wurde zufällig der Hälfte der Angeschriebenen vorgelegt (die andere Hälfte erhielt inhaltlich anders gelagerte Themen). In Anlehnung an die AAPOR-Richtlinie (2016) berechnen wir die Nettorücklaufquote konservativ. 1324 Personen oder 6,6 % aller postalisch angeschriebenen Personen beantworteten die erste Befragung vollständig , Tab. 1, Spalte 3). Dies liegt im Rahmen dessen, was zu erwarten war. Die Teilnehmerstichproben sind nicht repräsentativ für die deutsche Erwerbsbevölkerung. Allerdings ermöglicht es die Ziehung aus den IEB, Selektivitäten umfassend nachzuvollziehen. Eine Selektivitätsanalyse für alle postalisch kontaktierten Personen zeigt (Osiander et al. 2020, Tab. 4 (Auspurg und Hinz 2015; Finch 1987; Wallander 2009 Die Befragten wurden gebeten, anzugeben, wie lange die beschriebene Person ihrer Ansicht nach maximal Arbeitslosengeld erhalten sollte. Dazu wurde ein Freitextfeld eingeblendet, in das die Zahl der Monate eingetragen werden konnte. Dabei wurde der Bereich auf die Werte zwischen 0 und 99 Monate eingeschränkt. In der erneuten Befragung im Mai 2020 wurde die Abfrage der abhängigen Variable modifiziert und erweitert. Die Befragten sollten angeben, wie lange die beschriebene Person "in normalen Zeiten (wie vor der Coronakrise)" und "in der aktuellen Coronakrise" maximal Arbeitslosengeld beziehen sollte. Für den Vergleich verwenden wir im Folgenden die Angaben aus dem November 2019 und die Angaben zu "in der aktuellen Coronakrise" vom Mai 2020. 3 Die Befragten wurden in beiden Befragungen gebeten, jeweils vier Vignetten zum Arbeitslosengeld zu beantworten, die zu beiden Zeitpunkten identisch waren. In der zweiten Befragungswelle sind die einzelnen Decks etwas ungleicher verteilt als in der ersten. Jedoch gibt es in beiden Befragungswellen keine signifikanten Korrelationen (α = 0,05) der Vignettendimensionen untereinander. Das spricht dafür, dass die zufällige Zuweisung von Vignetten zu Personen in beiden Wellen erfolgreich funktioniert hat. Bei etwa der Hälfte der Befragten wurde vor den Vignetten zufällig der in Tab. 3 dargestellte Hinweistext eingeblendet, der über die tatsächlichen gesetzlichen Regelungen zum Zeitpunkt der Befragung informiert. 3 Alternativ hätte statt der Angaben aus der Erstbefragung die Antwort "in normalen Zeiten (wie vor der Coronakrise)" aus der Zweitbefragung herangezogen werden können. Bei dieser Abfrage geben die Befragten eine im Mittel um etwa zwei Monate geringe maximale Bezugsdauer an als in der Erstbefragung. Allerdings handelt es sich dabei um die Ex-post-Bewertung einer kontrafaktischen Situation, die den Befragten mehr Abstraktionsvermögen abverlangt als die Beurteilung der jeweils aktuellen Situation, die wir hier daher als Referenzwert wählen. K Wir gehen davon aus, dass nicht jede oder jeder Befragte im Detail über die gesetzlichen Regelungen informiert war und der Hinweis deswegen für viele Befragten eine zusätzliche Information bereitstellt. Durch dieses Vorgehen lässt sich prüfen, inwieweit Ankereffekte die Einschätzungen der Befragten in ihrem Niveau und ihrer Streuung beeinflussen. Wir gehen entsprechend Hypothese H 7 davon aus, dass Personen, die den Hinweis eingeblendet bekamen, aus Gründen des Einvernehmens mit wohlfahrtstaatlichen Prinzipien ihre Einschätzung eher an der aktuellen gesetzlichen Lage ausrichten. In der Wiederholungsbefragung im Mai 2020 wurde der Hinweis um folgenden Satz ergänzt: "Aufgrund der Coronakrise wurde die maximale Bezugsdauer kürzlich unter bestimmten Voraussetzungen verlängert." Alle Befragten wurden in der ersten Befragung im Herbst 2019 um einige zusätzliche soziodemografischen Informationen gebeten (eigene Kinder, Anzahl Personen im Haushalt, klassiertes Nettohaushaltseinkommen). Anhand der Frage, welcher Partei sie am nächsten stehen, wurde zudem die politische Orientierung erfasst. Der Fragebogen enthält außerdem zwei Items, die die eigene Einstellung zur Schuld an Arbeitslosigkeit abfragen. Letztere sind in abgewandelter Form von Boockmann et al. (2014) übernommen. Erwerbstätige Personen wurden gefragt, für wie wahrscheinlich sie es halten, in den nächsten 12 Monaten (zeitweise) arbeitslos zu sein. Im Folgenden berichten wir die Ergebnisse der beiden Befragungen im Vergleich und eine multivariate Analyse der Einflussfaktoren auf die von den Befragten als angemessen empfundene Bezugsdauer von Arbeitslosengeld. Zum Befragungszeitpunkt im November 2019 geben die Befragten im Durchschnitt 22,6 Monate als angemessene Bezugsdauer an. Dieser Wert liegt für die spezifischen beschriebenen Situationen über den gesetzlich festgelegten maximalen Bezugsdauern. Im Mai 2020 halten sie in der aktuellen Coronakrise 22,0 Monate für angemessen, also sogar etwas weniger als zuvor. Ein t-Test auf Mittelwertunterschiede zwischen den Gruppen lehnt die Nullhypothese gleicher Mittelwerte nicht ab (p = 0,14). Entgegen unserer Vermutung in H 1 sehen die Befragten zu dem untersuchten Krisenzeitpunkt im Mai 2020 längere Bezugsdauern nicht als gerechtfertigt an. Abbildung 1 Die Vignettendimensionen haben überwiegend zu erwartende Effekte. Beiden Geschlechtern werden ähnliche Bezugsdauern zugestanden. Mit zunehmendem Alter der beschriebenen Person würden die Befragten erwartungsgemäß längere Bezugsdauern gewähren (H2a). Im Vergleich zur 48-jährigen Referenzperson wird einer 52jährigen Person im Durchschnitt eine um knapp zwei Monate längere Bezugsdauer zugestanden (p < 0,01), einer 56-jährigen Person eine um knapp drei Monate längere und einer 60-jährigen Person eine um knapp sechs Monate längere (p < 0,001). 6 Der Effekt des hohen Erwerbsalters von 60 Jahren ist zudem der stärkste im gesamten Modell. Dennoch differenzieren die Befragten letztlich weniger stark als der Gesetzgeber, der 60-Jährigen aktuell bis zu zwölf Monate länger Arbeitslosengeld gewährt als 48-Jährigen. Allerdings werden mit Personen zwischen 48 und 60 Jahren solche abgebildet, die mitten oder in der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens stehen. Die Effekte des Alters würden evtl. noch deutlicher ausfallen, wenn jüngere hypothetische Personen miteinbezogen worden wären. Die Effekte der zugemessenen längeren Bezugsdauern zugunsten Älterer erhalten sich auch in der Krise (RE-Modell 2). Hierbei ist, entgegen der Hypothese H2b keine stärker als in Nichtkrisenzeiten nach Alter differenzierte Abstufung der zugesprochenen Bezugsdauern zu beobachten. Pseudo-R2 0,08 0,02 Quelle: eigene Berechnungen Legende: *** p < 0,001; ** p < 0,01; * p < 0,05; + p < 0,10 # Angabe im Mai 2020 abzüglich Angabe im November 2019 Es wurde zusätzlich für die Vignettenposition kontrolliert. Da es an den Rändern der Verteilung der Residuen zu leichten Abweichungen von einer Normalverteilung kommt, sind in den Schätzungen robuste Standardfehler ausgewiesen Gegenüber Personen, die durch einen Unternehmenskonkurs arbeitslos geworden sind, sind die Befragten generöser als gegenüber Personen, deren Vertrag aufgrund wiederholter Unpünktlichkeit nicht verlängert wurde (+3 Monate, p < 0,001). Ein Effekt, der auch in der Covid-19-Pandemie in vergleichbarer Höhe besteht (RE-Modell 2). Das steht im Einklang mit Hypothese H 3a. Wir hatten aber in H 3b erwartet, dass Mitverantwortung an Arbeitslosigkeit in der Krise mit größerer Wahrscheinlichkeit "sanktioniert" wird. Die zeigt sich nicht. Ähnliches gilt für Personen, die in der Vergangenheit durchgängig beschäftigt waren und deshalb permanent Bei-K träge ins System eingezahlt haben. Die Befragten gestehen diesem Personenkreis in Nichtkrisenzeiten einen etwa vier Monate längeren Leistungsbezug zu als Personen, die unregelmäßig beschäftigt waren (p < 0,001). Das stimmt mit den in Hypothese H 4a formulierten Erwartungen überein. Wir hatten zudem erwartet, dass ein solcher Äquivalenz-oder Beitragseffekt (Adams 1965; van Oorschot 2000, S. 36 ) auch in der Krise erhalten bleibt (H 4b). Für Personen, die durchgängig beschäftigt waren, verringert sich jedoch der Unterschied im Vergleich zu den in Vignetten als unregelmäßig beschäftigt ausgewiesenen Personen in der Pandemie um 2,5 Monate (p < 0,01). Entsprechend wird mit höherer Wahrscheinlichkeit angegeben, dass durchgängig Beschäftigten in der Pandemie etwas kürzere Leistungsbezüge zugemessen werden. Dies könnte darauf hinweisen, dass Teile der Bevölkerung in Krisenzeiten das Beitragsprinzip der Arbeitslosenversicherung als etwas weniger wichtig ansehen als in Nichtkrisenzeiten (Bowles und Gintis 2000; Mau 2004; Sachweh et al. 2009; Vobruba 1989) . Im Vergleich mit Personen, die keine Kinder haben, gewähren die Befragten Personen, die aktuell den eigenen Vater pflegen, einen leicht längeren Arbeitslosengeldbezug von etwa 2,5 Monaten (p < 0,001). Die in Hypothese H 5a und H 5b formulierten Erwartungen, dass gesellschaftlich nützliche Tätigkeiten vor und in der Krisenzeit honoriert werden, bestätigt sich damit. Personen, deren Partnerin oder Partner durch ihr oder sein Einkommen den finanziellen Bedarf des Haushalts teilweise oder vollständig decken kann, werden von den Befragten hingegen restriktiver behandelt. Ist der Bedarf teilweise gedeckt, kürzen die Befragten den Leistungsbezug um gut einen Monat (p < 0,05) im Vergleich zur Situation, in der die Partnerin oder der Partner kein eigenes Einkommen hat. Kann die andere Person im Haushalt den finanziellen Bedarf vollständig decken, wird die Leistung um vier Monate gekürzt (p < 0,001). Dies widerspricht den Hypothesen H 6a und H 6b, in denen wir erwarten, dass finanziell bedürftigen Arbeitslosen in Nichtkrisenzeiten keine längeren Bezugsdauern gewährt werden, in Krisenzeiten jedoch höhere Bedarfe auch über Mittel der beitragsfinanzierten Arbeitslosenversicherung positiv berücksichtigt werden. Letzteres ist der Fall, aber es besteht keine Differenz zwischen Krise und Nichtkrise. Ein Hinweis auf die aktuelle Rechtslage als Anker hat keine Effekte auf den Durchschnitt der als angemessen eingeschätzten maximalen Bezugsdauern. Damit wird auch H 7 nicht bestätigt. Allerdings verringert der Anker die Varianz der angegebenen Dauern jener Befragten, denen die Rechtslage bekanntgegeben wurde, d. h. die Urteile werden etwas homogener. Bezieht man zusätzlich Merkmale der Befragten in die Schätzungen mit ein, womit auch mögliche Effekte der leicht verzerrten Stichprobe kontrolliert werden, bleiben die Größenordnungen der Effekte für die Vignettendimensionen sehr ähnlich. Signifikanzniveaus ändern sich in wenigen Fällen (s. Tabelle 6 im Anhang). Bei den Merkmalen der Befragten sind wenige Effekte signifikant -das liegt auch an der relativ geringen Fallzahl und der daraus resultierenden Breite der Konfidenzintervalle. Personen mit einem sehr niedrigen Haushaltseinkommen von maximal 1500 C (+8 Monate im Vergleich zur Referenzkategorie 3000 bis unter 4000 C, p < 0,05) sind großzügiger, ebenso Personen mit einem Einkommen von 2000 bis unter 3000 C (+6 Monate, p < 0,05). Bei Personen mit geringem Verdienst spricht das Ergebnis für ein Eigeninteresse an sozialstaatlich großzügigeren Leistungen, weil es sich tendenziell eher um Personen mit einer relativ schlechten Arbeitsmarktposition handeln dürfte. Personen, die der Partei DIE LINKE nahestehen, halten im Vergleich zu Anhängerinnen und Anhängern der CDU/CSU längere Bezugsdauern für angemessen (+10 Monate, p < 0,05). Befragte, die der Aussage zustimmen, der oder die Einzelne trage keine Schuld an seiner Arbeitslosigkeit, sind ebenfalls großzügiger (+5 Monate, p < 0,05). Hingegen sind Personen, die der Aussage zustimmen, man habe es selbst in der Hand, seine berufliche Situation zu ändern, restriktiver (-5 Monate, p < 0,01). Personen, die die Wahrscheinlichkeit hoch einschätzen, in den nächsten zwölf Monaten zumindest zeitweise arbeitslos zu sein, plädieren nicht für signifikant längere Bezugsdauern. Instrumenten und Maßnahmen der Sozialpolitik liegen Gerechtigkeitsvorstellungen in Form von Zuteilungsregeln zugrunde (Leisering 2004; Roosma et al. 2013) . Sie spiegeln sich in Demokratien in den in der Bevölkerung vorherrschenden Gerechtigkeitsprinzipien wider, müssen aber mit diesen nicht in jeder Regelung übereinstimmen und können sich mit der Dynamik individueller oder gesellschaftlicher Veränderungen wandeln (Vobruba 1996) . Die maximale Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes ist ein Dauerbrenner in wirtschafts-und sozialpolitischen Debatten. Seit Längerem werden von einzelnen Parteien oder Gewerkschaften Ausweitungen der Bezugsdauer und damit eine Rücknahme eines wichtigen Bausteins der Hartz-Reformen gefordert (DIE LINKE 2019; SPD 2019; DGB 2019). Hierbei dient besonders die Berücksichtigung der bisherigen Beschäftigungs-und Beitragsdauer und damit das Leistungs-und Äquivalenzprinzip als Rechtfertigung der Forderungen. Bei den Entscheidungen über Dauern des Arbeitslosengeldbezugs aus der Arbeitslosenversicherung sind Balancen zu finden, zwischen einerseits Ansprüchen Arbeitsloser auf Schutz und Neuorientierung und entsprechenden Bedürfnissen sowie Leistungen und Verantwortlichkeiten und andererseits einer gesamtwirtschaftlichen Effizienz durch Anreize für schnelle Arbeitsaufnahme oder auch durch Anerkennung bisheriger Leistungen als indirekt produktiv wirkendes Gerechtigkeitsprinzip. Mit Blick auf Instrumente und Maßnahmen des Gesetzgebers stellt sich die Frage, ob und inwieweit Gerechtigkeitsprinzipien einzelner Regelungen mit denen in der Bevölkerung übereinstimmen und in welcher Weise Gerechtigkeitsprinzipien und ihre Beziehungen zueinander über die Zeit variieren. Variieren sie, etwa in Krisen, dann wäre zu prüfen, ob Instrumente und Maßnahmen der sozialpolitischen Sicherung, die in Deutschland präventiv auch für Krisenfälle hinreichend Wirkung entfallen sollen, dynamischer als bisher auszurichten sind. Fraglich ist dann unter anderem, ob die maximale Bezugsdauer von Arbeitslosengeld in wirtschaftlichen Krisen steigen sollte und unter welchen Bedingungen dies Menschen befürworten. In den USA gibt es bereits lange regelgebundene eingesetzte "standby extended benefits" wie auch "emergency benefits" im Rahmen von Konjunkturpaketen (siehe auch Dietz et al. 2009 ). Bei regelgebundenen Ausweitun-K gen der Dauern ("extended benefits") sind dabei sowohl das auslösende Ereignis als auch der Umfang und die zeitliche Dauer von Ausweitungen festzulegen. Deutschland hat im Rahmen umfangreicher Sozialschutzpakete die maximale Bezugsdauer in der Covid-19-Pandemie um drei Monate verlängert. In Krisenzeiten wird die Leistungsfähigkeit sozialpolitischer Sicherungssysteme mit Blick auf Umverteilungen zur Sicherstellung von Teilhabechancen noch einmal in besonderer Weise sichtbar. Zudem verändern sich häufig die Bedingungen der Kriterien, die Verteilungen legitimieren. So beeinflussen wirtschaftliche Krisen beispielsweise die individuelle Kontrolle über die Situation von Arbeitslosen oder die Bedürfnisse von Personen und Haushalten (Konow 1996; Roosma et al. 2016; van Oorschot 2000, S. 36) . Dies ist oft auch ein Anlass, sozialpolitisch generösere Regelungen zu fordern. Vor diesem Hintergrund untersucht die vorliegende Studie, ob Personen in der jüngsten Pandemiekrise in hypothetischen Szenarien und im Vergleich zurzeit vor der Krise für längere Bezugsdauern plädieren und Gerechtigkeitsprinzipien verändert haben. Die Ergebnisse bestätigen dies nicht. Zumindest im Mai 2020 war die aktuelle Krise für die Befragten offenbar kein Anlass, eine Änderung in den Leistungen der Arbeitslosenversicherung für wünschenswert oder notwendig zu erachten. Die bestehenden Regelungen zur Dauer werden offenbar als effektiv und effizient angesehen. Hierbei kann auch eine Rolle spielen, dass Menschen in Gerechtigkeitserwägungen Wirkungen auf zukünftige Verteilungen berücksichtigen. Wesentlich wäre dann vor allem, ob eine wirtschaftliche Krise als sehr langfristig und die Wirtschaftslage für Arbeitslose als (unverändert) schlecht oder die Situation als kurz-oder mittelfristig vorübergehend angesehen wird (Vobruba 1996) . Die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie haben Wirtschaft und Arbeitsmärkte in Ländern unterschiedlich hart getroffen (Eichhorst et al. 2020) . In Deutschland konnte dabei Arbeitslosigkeit durch die massive Ausweitung von Kurzarbeit abgefedert werden. Auch dies ist eine mögliche Ursache für fehlende Effekte der Covid-19-Pandemie im Mai 2020 im Vergleich zum November 2019. Gleichwohl waren Grenzschließungen, Lockdown, Lieferkettenunterbrechungen und Produktionsstopps zum Befragungszeitpunkt ein deutliches Bedrohungsszenario mit zugleich erheblicher konjunktureller Wirkungskraft und schnell zeigten sich auch zuvor bestehende Ungleichheit verstärkende Effekte etwa in Form besonderer Risiken für befristet Beschäftigte, Leiharbeitnehmer oder Soloselbstständige, weil letztere oft keinen Schutz durch Kurzarbeit oder die beitragsabhängige Arbeitslosenversicherung hatten (Struck et al. 2021) . Eine wichtige Limitation ist, dass unsere Ergebnisse durch diese Erfahrungen der Menschen in der ersten Hochphase der Covid-19-Pandemie geprägt sind. Inwieweit die Stabilität der Angaben zu Kriterien und Leistungen der Arbeitslosenversicherung vor und während dieser Krise auch auf andere Krisen übertragbar ist, lässt sich nicht abschließend beantworten. Umfassende Krisen sind selten und jede ist in ihren Ursachen und den Bewältigungsversuchen anders. Sie bieten aber wichtige Gelegenheiten für Forschungen etwa zur Wirksamkeit und zur Akzeptanz von Regelungen und Maßnahmen der Sozial-und Arbeitsmarktpolitik, die ja besonders in Krisenzeiten Wirkung zeigen sollen. K Das Paneldesign und der faktorielle Survey ermöglichen es, einzelne (auch durch den Gesetzgeber herangezogene) relevante Merkmale in komplexeren Gesamtszenarien in ihrer spezifischen Bedeutung zu analysieren und dabei die Validität von Aussagen gut zu kontrollieren. Dabei kann der Einfluss dieser Merkmale auf die Beurteilungen vor und während der Covid-19-Krise untersucht werden. Hierbei zeigt sich dann, dass die Befragten der Studie mit dem Alter steigende Bezugsdauern sowohl vor als auch in der Krise unterstützen. Altersabhängige Steigerungen sieht auch die Gesetzeslage vor. Sie tragen den etwas schwierigeren und zum Teil individuell unverschuldeten Wiedereintrittsmöglichkeiten von Personen im höheren Alter Rechnung und berücksichtigen Bedarfs-und Bedürfnissituationen (Kluegel et al. 1999, S. 255; Gilliland 1993; van Oorschot 2000; van Oorschot und Roosma 2017) im Kontext der Verantwortung für die Situation (Konow 1996 (Konow , 2001 In der Politik herrscht vergleichsweise große Einigkeit darüber, die Arbeitslosenversicherung in ihrer Höhe auch weiterhin an den Gerechtigkeitsprinzipien von Äquivalenz und Leistung auszurichten. In den Augen der Befragten soll die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes an vorherige Beitragsleistungen der Arbeitslosen geknüpft und bei entsprechend langjährigen Beitragszahlungen ausgeweitet werden. Hier stehen sich dann direkte und mögliche indirekte gesellschaftliche Effizienz oder Produktivitätswirkungen (Vobruba 1996 sowie Leisering 1999 gegenüber. Es besteht keine empirische Grundlage für ein Urteil darüber, ob die Wirkungen hinsichtlich einer schnelleren Arbeitsaufnahme bei eher kürzer bemessenen Bezugsdauern, die Wirkungen schlechterer qualifikatorischer und soziale Mismatches am Arbeitsmarkt oder Effekte der Wertschätzung bisheriger Arbeits-und Lebensleitungen insgesamt in der Gesellschaft überwiegen oder ob sie geringer sind. Mangelnde empirische Evidenz bedeutet jedoch nicht, dass an produktivistischer Gerechtigkeit ausgerichtete Argumente der politischen Akteure nicht wichtig dafür sind, dass neue Maßnahmen und Instrumente in der Bevölkerung Akzeptanz finden (Vobruba 1996 sowie Leisering 1999 . "Am Paradigma investiver Sozialpolitik orientierte Reformen" können offenbar "mit dem Zuspruch der Sozialbürger rechnen" (Sachweh et al. 2009, S. 618 Quelle: eigene Berechnungen *** p < 0,001; ** p < 0,01; * p < 0,05; + p < 0,10 Funding Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL. Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. 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Quantitative Applications in the Social Sciences Der faktorielle Survey und die Messung von Normen On the Empirical relationship between Unemployment duration, Unemployment Insurance and Voluntary Unemployment Unemployment Insurance and Subsequent Job Duration: Job Matching vs. Unobserved Heterogeneity Vermittlerstrategien und Arbeitsmarkterfolg -Evidenz aus kombinierten Prozess-und Befragungsdaten Alexander Kubis und Benjamin Küfner. 2020. IAB-Stellenerhebung im ersten Quartal 2020: Mit dem Corona-Shutdown ging zuerst die Zahl der offenen Stellen zurück Paradigmenwechsel durch inkrementellen Wandel: Was bleibt von der Arbeitslosenversicherung? WSI-Mitteilungen Reciprocity, Self-Interest, and the Welfare State Public opinion towards targeted labour market policies: A vignette study on the perceived deservingness of the unemployed Benefit Duration, Unemployment Duration and Job Match Quality: A Regression Discontinuity Approach Debattenpapier des DGB-Bundesvorstands. Soziale Sicherheit statt Hartz IV. 7. Mai Konzept zur Stärkung der Arbeitslosenversicherung. Positionspapier 06 Arbeitslosengelddauer nach wirtschaftlicher Lage: Extended Benefits auf dem Prüfstand Fixing the leak: unemployment incidence before and after a major reform of unemployment benefits in Germany Unemployment Insurance, Duration of Unemployment, and Subsequent Wage Gain Manoeuvring Through the Crisis: Labour Market and Social Policies During the COVID-19 Pandemic Do extended unemployment benefits lengthen unemployment spells? Evidence from recent cycles in the US labor market The Vignette Technique in Survey Research Unemployment durations in West Germany before and after the reform of the unemployment compensation system during the 1980s Soziale Aktivierung von Arbeitslosen? Praktiken und Deutungen eines neuen Arbeitsmarktinstruments The Perceived Fairness of Selection Systems. An Organizational Justice Perspective Gefühlte (Un)Gerechtigkeit The Norm of Reciprocity: A Preliminary Statement Organizational Justice: Yesterday, Today, and Tomorrow Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!" Eine Vignettenanalyse zur Bestimmung eines Einkommensmindestbedarfs Unemployment benefits and work incentives: the US labour market in the Great Recession The impact of the potential duration of unemployment benefits on the duration of unemployment Herausforderungen des Sozialstaates. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Schwindet die integrative Funktion des Sozialstaates? Kein Recht auf Faulheit: Das Bild von Erwerbslosen in der Debatte um die Hartz-Reformen The Legitimation of Capitalism in the Postcommunist Tradition A Positive Theory of Economic Fairness Fair and Square. The Four Sides of Distributive Justice IAB-Stellenerhebung 2/2020: Fast 500.000 weniger offene Stellen als ein Jahr zuvor. IAB-Forum Eine Frage der Gerechtigkeit. Armut und Reichtum in Deutschland. Politik und Zeitgeschichte (Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament) 30.4 Paradigmen sozialer Gerechtigkeit Soziale Gerechtigkeitsforschung und Gerechtigkeit im Unternehmen. München: Mering Welfare regimes and the norms of social exchange Economics of Information and Job Search Job Search and Labor Market Analysis Who Should Get What, and Why? On Deservingness Criteria and the Conditionality of Solidarity Among the Public The social legitimacy of differently targeted benefits The social legitimacy of targeted welfare and welfare deservingness Woran orientieren sich Einschätzungen zur Zumutbarkeit einer Beschäftigung? Befunde aus einer Vignettenbefragung Acceptance of social-and labor market programs and regulations: Methodological report on the first survey wave. IAB-Forschungsbericht Does reducing unemployment insurance generosity reduce job match quality Institutional reforms of 2006 and the dramatic rise in old-age employment in Germany The multidimensionality of welfare state attitudes: A European cross-national study The Achilles' heel of welfare state legitimacy: perceptions of overuse and underuse of social benefits in Europe Just Institutions Matter: The Moral and Political Logic of the Universal Welfare State Die gesellschaftliche Akzeptanz der Sozialhilfe Konjunkturumfragen im Fokus: Deutsche Wirtschaft in Corona-Schockstarre Der Mehrwert der Arbeitsmarktpolitik The effects of extended unemployment insurance over the business cycle: Evidence from regression discontinuity estimates over 20 years The causal effect of unemployment duration on wages: Evidence from unemployment insurance extensions Arbeitsmarkt und Sozialpolitik -Flexibilität benötigt Sicherheit Ein neuer Sozialstaat für eine neue Zeit Theoretischer Bezugsrahmen und methodischer Ansatz Daniel Fackler und Christian Hohendanner. 2021. Flexibilitätsinstrumente am Arbeitsmarkt in der Corona-Krise Arbeiten und Essen. Politik an den Grenzen des Arbeitsmarkts. Wien: Passagen. Vobruba, Georg. 1991. Jenseits der sozialen Frage Die Faktizität der Geltung: Gerechtigkeit im sozialpolitischen Umbaudiskurs Better Overeducated than Unemployed? The Short-and Long-Term Effects of an Overeducated Labour Market Re-entry 25 Years of Factorial Surveys in Sociology: A Review Kurzarbeit, Entlassungen, Neueinstellungen: Wie sich die Corona-Krise von der Finanzkrise 2009 unterscheidet (Serie "Corona-Krise: Folgen für den Arbeitsmarkt"). IAB-Forum Evaluation der Sonderregelung für kurzfristig Beschäftigte in der Arbeitslosenversicherung Missbrauch im Sozialstaat Equity: In Theory and Practice Arbeitslos, nutzlos, abgewertet. Vorurteile gegenüber Arbeitslosen sind in Deutschland weit verbreitet Aktuelle Veröffentlichungen: Development of a new COVID-19 panel survey: the IAB high-frequency online personal panel (HOPP) Woran orientieren sich Einschätzungen zur Zumutbarkeit einer Beschäftigung? Befunde aus einer Vignettenbefragung Aktuelle Veröffentlichungen: Street-level judgements about welfare deservingness. How jobcentre advisors decide about the individual mix of "support" and "demand" in the delivery of activation policies. Social policy and society 20, 2020; Woran orientieren sich Einschätzungen zur Zumutbarkeit einer Beschäftigung? Befunde aus einer Vignettenbefragung Arbeitsförderung und Erwerbstätigkeit" am IAB und Professorin für Empirische Mikroökonomie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Forschungsgebiete: mikroökonometrische Arbeitsmarktforschung, insbesondere Evaluation aktiver und passiver Arbeitsmarktpolitik Professor für Arbeitswissenschaft an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Forschungsgebiete: Arbeitsmarkt, Wirtschaft, Organisation, Lebenslauf, Sozialpolitik, Bildung. Letzte Veröffentlichung: Flexibilitätsinstrumente am Arbeitsmarkt in der Corona-Krise