key: cord-0689565-p3673q89 authors: Lock, Johan F.; Köhler, Franziska; Germer, Christoph-Thomas; Flemming, Sven; Wiegering, Armin title: Auswirkung von COVID-19 auf die elektive und notfallmäßige Kolorektalchirurgie date: 2021-07-13 journal: Chirurg DOI: 10.1007/s00104-021-01464-z sha: b8af902725e19284eee262cef60d83149acf1021 doc_id: 689565 cord_uid: p3673q89 BACKGROUND: The severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV-2) pandemic has led to far-reaching changes in the treatment reality in practically all fields of medicine. OBJECTIVE: Recommendations on the perioperative management with respect to SARS-CoV‑2 and presentation of the impact of the pandemic on colorectal surgery. MATERIAL AND METHODS: A systematic literature search was carried out. RESULTS: Perioperative SARS-CoV‑2 infections lead to a clearly increased postoperative mortality and must be avoided by a structured bundle of measures. The worldwide limitations on screening investigations and treatment options can in the medium term result in an increased mortality due to colorectal cancer. In emergency treatment there was also a substantial reduction in case numbers with the danger of delayed interventions. CONCLUSION: A rapid normalization of clinical treatment pathways in colorectal surgery is necessary to avoid long-term negative sequelae for patients. Die SARS-CoV-2("severe acute respiratory syndrome coronavirus 2")-Pandemie hat zu weitreichenden Veränderungen in die Versorgungsrealität praktisch aller medizinischen Fachbereiche geführt. Einer der Hauptaspekte im Umgang mit der COVID-19-Pandemie war und ist, möglichst alle nicht zwingenden notwendigen Kontakte zu reduzieren. Hierdurch wurden zum einen bestehende Termine vom Gesundheitssektor (Krankenhäuser und Praxen) abgesagt bzw. deutlich restriktiver vergeben. Auf der anderen Seite wurden von Patienten bestehende z. T. unspezifische Beschwerden ignoriert und erst verzögert medizinisch konsultiert. Hiervon war auch die Chirurgie in erheblichem Maße betroffen [13, 16] . In den ersten 12 Wochen der Pandemie mussten weltweit bereits über 30 Mio. Operationen bzw. 80 % der elektiven nichtonkologi-schenOperationenverschobenwerden [5] . Neben der Verschiebung elektiver Operationen können aber verzögerte Diagnostik und Vorsorge insbesondere im Bereich von Malignomen oder Infektionen zu weitreichenden Folgen in der Behandlung und Prognose führen. Die kolorektale Chirurgie stellt nach ihrer Fallzahl die größte Subspezialität in der Viszeralchirurgie dar [1] . Neben der chirurgischen Therapie des kolorektalen Karzinoms (KRK) ist die Therapie abdomineller Infektionen wie Divertikulitis und Appendizitis extrem häufig. Der Chirurg 1 Ziel dieser narrativen Übersichtsarbeit war es, aktuelle Empfehlungen zum perioperativen Management in Bezug auf SARS-CoV-2 darzulegen und die möglichen kurz-und mittelfristigen Auswirkungen auf die kolorektale Chirurgie anhand der aktuellen medizinischen Evidenz zu diskutieren. Mit Beginn der COVID-19-Pandemie und der raschen weltweiten Ausbreitung wurde auch das deutsche Gesundheitssystem vor enorme Herausforderungen gestellt. Zum damaligen Zeitpunkt lag das Hauptaugenmerk in der Vorbereitung auf die sich entwickelnde Krise in der Bereitstellung von Intensivkapazitäten und das Vorhandensein ausreichender Schutzausrüstung für das medizinische Personal. Diese Entwicklung hatte zur Folge, dass die Politik eine Absage bzw. Verschiebung elektiver Operationen einforderte, ohne dabei weitere Empfehlungen auszusprechen [13] . Im weiteren Verlauf wurden dann durch internationale wie nationale chirurgische Fachgesellschaften Empfehlungen zur chirurgischen Therapie unter COVID-19-Bedingungen gegeben [2, 4] . Hierbei wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass wenn möglich nur dringliche und lebensbedrohliche Krankheitsbilder einer sofortigen chirurgischen Therapie zugeführt werden sollten. Diese Einschätzung ergab sich nicht nur aus den fehlenden Ressourcen an postoperativen intensivmedizinischen Betten, sondern wurde auch nachfolgend durch teilweise prospektive Studien unterstützt, die aufzeigen konnten, dass die postoperative Mortalität bei einer perioperativen SARS-CoV-2-Infektionsignifikanterhöhtist [7, 10] . Es ist leicht nachzuvollziehen, dass Patienten mit einer COVID-19-Erkrankung allein hierdurch ein deutlich erhöhtes Morbiditäts-und Mortalitätsrisiko haben, das sich nochmals erhöht, wenn ein chirurgischer Notfalleingriff durchgeführt werden muss. Daher sind Maßnahmen, die das Risiko einer nosokomialen Übertragung von SARS-CoV-2 reduzieren, für eine sichere Versorgung von COVID-19-und Non-COVID-19-Patienten essenziell. Hierzu zählen ein präoperatives Screening inklusive standardisiertem Fragebogen und PCR("polymerase chain reaction")-Testung sowiedieAusweisungspezieller COVID-19-Bereiche im stationären wie auch operativen Bereich inklusive der allgemeingültigen Hygienemaßnahmen (z. B. persönliche Schutzausrüstung). Beim Nachweis einer Infektion sollten elektive Operationen um mindestens 7 Wochen verschoben werden [7] . Außer der präoperativen Risikoevaluation, ob eine SARS-CoV-2-Infektion vorliegt, sind bei positivem Testergebnis noch weitere Sicherheitsmaßnahmen zu berücksichtigen. Neben einem schon genannten speziellen COVID-19-Operationsbereich sollte ein Laminar-Air-Flow-System in den Operationssälen vorhanden sein, um die Viruspartikelanzahl zu reduzieren, und das gesamte Operationsteam sollte über das normale Maß hinausgehende Schutzausrüstung tragen (FFP2/FFP3-Maske, Schutzbrille etc.). Diese Empfehlung beruht auf der initial fehlenden Evidenz, ob eine fäkal-orale Übertragung von SARS-CoV-2 möglich ist [8] . Aus diesem Grunde wurde am Anfang der Pandemie auch die Verwendung laparoskopischer Operationstechniken durch die damit verbundene Aerosolbildung kritisch bewertet [20] . Im Verlauf der Pandemie hat sich zwar die Evidenzlage etwas gebessert, was jedoch aufgrund gegensätzlicher Ergebnisse zu keiner vermehrten Sicherheit geführt hat [3] . Es bleibt somit ein potenzielles Risiko der intraoperativen SARS-CoV-2-Transmission im Rahmen kolorektaler Eingriffe bestehen und somit sind die eingangs erwähnten Sicherheitsmaßnahmen weiterhin zu empfehlen. In einem Editorial im Juni 2020 in Science hat der Direktor des US National Cancer Institut in Bethesda bereits auf die dramatischen Sekundärfolgen durch die SARS-Cov-2-Pandemie für andere Gebiete der Medizin hingewiesen. In einer damals erstellten, sehr zurückhaltenden Schätzung, unter der Annahme einer 6 Monate andauernden Pandemie, ist bis 2030 mit 4000 zusätzlich an einem KRK verstorbenen Patienten in den USA zu rechnen [27] . Dies verdeutlicht, dass sich neben den akuten medizinischen Engpässen und der Übersterblichkeit durch SARS-CoV-2 eine dramatische Anzahl an indirekten Sekundärschäden auftun wird. [22] . Neben der Reduktion der nominell durchgeführten Vorsorgeuntersuchungen hat auch das Interesse der Bevölkerung an Vorsorgeuntersuchungen deutlich abgenommen. In einer Arbeit, welche die Google-Suchanfragen analysiert hat, findet sich eine um 76 % geringere Suche nach Vorsorgeuntersuchungen bei Tumorerkrankungen inklusive Koloskopie. Wobei die Rate an sonstigen Abfragen nach chronischen Erkrankungen nicht abgenommen hat [29] . Mittlerweile liegen mehrere Modellberechnungen vor, wie der Rückstand an Koloskopien wieder aufgeholt werden könnte. Ho und Kollegen berechnen, dass es bei einer Erhöhung der Kapazitäten um 30 % gegenüber der Vorpandemiezeit mindestens bis Juni 2022 dauert, die ausgefallenen Untersuchungen des Jahres 2020 nachzuholen [14] . Issaka und Kollegen aus den USA berechnen als Folge der reduzierten Vorsorgeuntersuchungen 8000 bis 12.000 Fälle nicht diagnostizierter Kolonkarzinome im Zeitraum 2020 bis 2023 [17] . Daher [23] . In eigenen noch unveröffentlichten Untersuchungen, welche die deutschen Krankenkassenabrechnungsdaten analysieren, findet sich ebenfalls zwischen April 2020 bis Oktober 2020 ein Abfall der operativen Fallzahlen von 17 % für Kolon-und 23 % für Rektumkarzinome. Mehrere Arbeiten beschäftigen sich mit dem hypothetischen Einfluss einer Verschiebung der Diagnostik und Therapie beim KRK. In einer italienischen Arbeit wird eine potenzielle Verzögerung von 0 bis 3, 4 bis 6, 7 bis 12 und >12 Monaten betrachtet. Der Analyse liegt die Annahme zugrunde, dass drei Viertel aller Patienten, welche im Rahmen des Screenings entdeckt werden, im UICC-Stadium I/II sind und ein Viertel im Stadium III/IV. Bei einer Verzögerung des Screenings von über 6 Monaten kommt es zu einer signifikanten Zunahme von Patienten im fortgeschrittenen Stadium (7-12 Monate 29 %, p = 0,008; >12 Monate 33 %, p < 0,001). Diese Verzögerung wird sich nach 5 Jahren in einer 12 % höheren Letalitätsrate niederschlagen [24] . Eine britische Arbeit kalkuliert den Einfluss einer 3-bzw. 6-monatigen Verschiebung von Tumoroperationen über ein Jahr auf das potenzielle 5-Jahres-Überleben betroffener Patienten. In diese Analyse fließen zum einen das Patientenalter, zum anderen auch das Tumorstadium ein. Hierbei findet sich für KRK im Stadium I sowohl bei einer 3-als auch 6-monatigen Verschiebung der Operation kein negativer Einfluss auf das 5-Jahres-Überleben. Eine 3-monatige Verzögerung im Stadium II führt bei Patienten zwischen 30 und 39 Jahren zu einem um 6,6 % reduzierten 5-Jahres-Überleben und bei Patienten über 80 Jahrenzu einem um 1,1 %reduzierten 5-Jahres-Überleben. Bei einer 6-monatigen Verzögerung steigt dieser Wert auf 16,7 % respektive 4,8 %. Im Stadium III findet sich altersunabhängig bei einer 3-bzw. 6-monatigen Verzögerung ein reduziertes 5-Jahres-Überleben von etwa 13 % respektive 30 % [30] . Die Pandemie hatte nicht nur einen drastischen Effekt auf onkologische Erkrankungen, sondern beeinflusste auch den Bereichder Notfallmedizin. Analogzum Rückgang internistischer Notfälle [28] kam es zu einem erheblichen Rückgang von Notfallvorstellungen in der Chirurgie (z. B. -58 % Fallreduktion in der 1. Welle in Schottland [9] ). Die meisten Untersuchungen liegen mittlerweile zur akuten Appendizitis vor. Für Deutschland zeigte sich im 1. Lockdown eine Reduktion von Appendektomien um 12-18 % [18] . Insgesamt hat die COVID-Pandemie daher ein einzigartiges Umfeld bereitgestellt, um fundamentale Fragen in der Therapie der akuten Appendizitis zu evaluieren, z. B. ob die akute, unkompli-zierte Appendizitis im Verlauf zur komplizierten voranschreitet oder ob die konservative Therapie einen größeren Stellenwert verdient. Interessanterweise wurde insgesamt eine relative Zunahme der komplizierten Appendizitiden beschrieben im Vergleich zu den Vorjahren [17, 19] . Die Anzahl der antibiotisch therapierten Appendektomien stieg ebenfalls deutlich an, in den meisten Studien wird dies damit erklärt, dass Krankenhaus-und Operationskapazitäten in Zeiten der maximalen Belastung gespart werden sollte [11, 12, 17] Die SARS-CoV-2-Pandemie hat zu erheblichen Veränderungen in der kolorektalen Chirurgie geführt und wird auch über die kommenden Jahre einen erheblichen Einfluss auf die chirurgische Versorgung der Patienten haben. Alle bisher verfügbaren Publikationen deuten aber darauf hin, dass es spezielle für kolorektale Karzinome zu einer reduzierten Früherkennungsrate kommen wird und somit mehr Patienten in einem fortgeschrittenen Tumorstadium diagnostiziert werden. Dies kann in den nächsten 5 bis 10 Jahren zu einer deutlichen Übersterblichkeit beim kolorektalen Karzinom führen. Mortality and complications following visceral surgery: a nationwide analysis based on the diagnostic categories used in German hospital invoicing data Managing COVID-19 in surgical systems Laparoscopic surgery during the COVID-19 pandemic: detection of SARS-COV-2 in abdominal tissues, fluids, and surgical smoke Surgery in COVID-19 patients: operational directives Elective surgery cancellations due to the COVID-19 pandemic: global predictive modelling to inform surgical recovery plans Outcomes from electivecolorectalcancersurgeryduringtheSARS-CoV-2 pandemic GlobalSurg Collaborative (2021) Timing of surgery following SARS-CoV-2 infection: an international prospective cohort study Fecal-oral transmission of SARS-CoV-2: review of laboratoryconfirmed virus in gastrointestinal system Changes in emergency general surgery during Covid-19 in Scotland: a prospective cohort study Factors associated with surgical mortality and complications among patients with and without Coronavirusdisease2019(COVID-19)inItaly Investigation and management of suspected appendicitis during the COVID-19 pandemic Surgery in times of COVID-19-recommendations for hospital and patient management Predicting endoscopic activity recovery in England after COVID-19: a national analysis Hospital presentations of acute diverticulitis during COVID-19 pandemic may be more likely to require surgery due to increased severity: a single-centre experience The corona crisis and its consequences for surgery Impact of the COVID-19 pandemic on appendicitis treatment in Germany-a population-based analysis Changes in the management of acute appendicitis during the COVID-19 pandemic Influence of COVID-19 confinement measures on appendectomies in Germany-a claims data analysis of 9797 patients The risk of COVID-19 transmission by laparoscopic smoke may be lower than for laparotomy: a narrative review Impact of the COVID-19 pandemic on the detection and management of colorectal cancer in England: a population-based study Impact of COVID-19 on cancer care: how the pandemic is delaying cancer diagnosis and treatment for American seniors An observational study of the demographic and treatment changes in a tertiary colorectal cancer center during the COVID-19 pandemic Impact of SARS-CoV-2 pandemic on colorectal cancer screening delay: effect on stage shift and increased mortality Colon cancer screening in times of COVID-19 Assessment, endoscopy, and treatment in patients with acute severe ulcerative colitis during the COVID-19 pandemic (PROTECT-ASUC): a multicentre, observational, case-control study COVID-19 and cancer Medical emergencies during the COVID-19 pandemic Google search volume trends for cancer screening terms during the COVID-19 pandemic Collateral damage: the impact on outcomes from cancer surgery of the COVID-19 pandemic Improved survival of patients with colon cancer detectedbyscreeningcolonoscopy