key: cord-0705882-l4vhxd31 authors: Nowak, Dennis; Ochmann, Uta; Mueller-Lisse, Ullrich G. title: Berufskrankheiten der Atemwege und der Lunge date: 2021-08-13 journal: Internist (Berl) DOI: 10.1007/s00108-021-01109-7 sha: aea75db4af0885e6471f93f8e2d57a2da1cf60cf doc_id: 705882 cord_uid: l4vhxd31 The attributable proportion of occupation-related influences on airway and lung diseases is 10–30%. In patients with obstructive airway diseases it is extremely important to sufficiently document findings during the period of activities burdening the airway as compared to periods off work. Chronic obstructive pulmonary disease (COPD) can have a work-related (partial) cause even in smokers. Regarding occupational infectious diseases, the main cause up to 2019 was tuberculosis but the corona pandemic has led to coronavirus disease 2019 (COVID-19) being the most frequent occupational disease. For the occupational medical assessment of interstitial and malignant pulmonary diseases, checklists can be helpful to support the medical history. Die attributablen Anteile berufsbedingter Einflüsse auf Atemwegs-und Lungenerkrankungen betragen 10-30 %. Bei obstruktiven Atemwegserkrankungen ist eine medizinische Dokumentation insbesondere noch zu Zeiten der atemwegsbelastenden Tätigkeit im Vergleich zu arbeitsfreien Zeiten erforderlich. Auch bei Rauchern kann eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) berufsbedingte (Teil-)Ursachen haben. Bei berufsbedingten Infektionskrankheiten stand bis 2019 die Tuberkulose im Vordergrund, die Coronapandemie hat die "coronavirus disease 2019" (COVID-19) zur häufigsten Berufskrankheit gemacht. Für die arbeitsmedizinische Beurteilung interstitieller und maligner Lungenerkrankungen können anamneseunterstützende Checklisten hilfreich sein. Asthma · Infektionskrankheiten · Obstruktive Atemwegserkrankung · Interstitielle Lungenerkrankungen · Lungenkarzinom Epidemiologie Nichtmaligne Atemwegs-und Lungenerkrankungen. Zur Abschätzung der Krankheitslast ("burden of disease", BOD) durch berufsbedingte nichtmaligne Atemwegs-und Lungenerkrankungen haben Blanc et al. [2] kürzlich eine Berechnung vorgelegt (. Abb. 1). Bei dem überraschend hohen Anteil beruflicher Risikofaktoren bei der idiopathischen Lungenfibrose (IPF) sind zwei Möglichkeiten denkbar: In relevantem Umfang sind Pneumokoniosen nicht erkannt worden, oder/und die berufliche Exposition gegenüber Dampf, Gas, Staub bzw. Rauch stellt einen Trigger für die Entstehung einer IPF dar, ohne dass eine Pneumokoniose im klassischen Sinne vorliegt. Dann stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß dies durch chronische Exposition oder durch etwaige Expositionsspitzen verursacht worden sein kann. Bei den granulomatösen Erkrankungen, einschließlich der Sarkoidose, dürfte es sich zu einem gewissen Anteil um nichterkannte Berylliosen handeln. Maligne Atemwegs-und Lungenerkrankungen. Für das Lungenkarzinom als Beispiel eines besonders durch exogene inhalative Kanzerogene induzierten Organtumors wurden attributable Anteile bei 2-5 % der betroffenen Frauen und bei 10 bis über 30 % der Männer in der Literatur beschrieben [21] , was hierzulande vermutlich einer Überschätzung entspricht. Beim Mesotheliom als Signaltumor einer arbeitsbedingten Asbesteinwirkung wurden attributable Anteile von 83 % für Männer und von 42 % für Frauen beschrieben [18] . Im vorliegenden Beitrag werden vorrangig die arbeitsanamnestischen Schwerpunkte, bezogen auf das "Daran-Denken", und diagnostische Besonderheiten, die über die alltägliche Funktions-, Bildgebungs-und pathologisch-anatomische Diagnostik hinausgehen, aufgeführt. Darüber hinaus wird auf die entsprechenden Bei interstitiellen Lungenerkrankungen gilt es, mithilfe der Erhebung der Arbeitsanamnese durch Arbeitseinflüsse verursachte Krankheitsbilder herauszuarbeiten, um ggf. weitere schädliche Arbeitseinflüsse zu eliminieren, um die gesetzlich vorgeschriebene Berufskrankheiten-Verdachtsanzeige zu erstatten und um ggf. die Gefährdung weiterer potenziell exponierter Personen zu reduzieren. Der hohe Anteil arbeitsattributabler Ursachen bei der vordergründig "idiopathischen" Lungenfibrose (. Abb. 1) ist Mahnung zu konsequenteren arbeitsanamnestischen Erhebungen. Ein wichtiges Anamnesehilfsmittel ist der Patientenfragebogen zur Erfassung der Ursachen interstitieller und seltener Lungenerkrankungen [16] . Der Kombination aus Expositionsanamnese, klinischer und bildgebender Untersuchung kommt im interdisziplinären Konsil für interstitielle Lungenerkrankungen ("ILD-Board") eine Schlüsselfunktion zu. Aufgrund der im Vergleich zu anderen Lungenerkrankungen geringen Häufigkeit der interstitiellen Lungenkrankheiten und aufgrund der Verschiedenartigkeit von Erscheinungsbild, Verlauf und Prognose dieser Erkrankungen erscheint es besonders wichtig, die radiologischen Verfahren zu deren bildlicher Darstellung, Unter-scheidung und Verlaufsbeurteilung möglichst weitgehend zu vereinheitlichen. Hier soll auf die ausführlicheren radiologischen Ausführungen von Müller-Lisse [19] und Nowak et al. [24] verwiesen werden. Seit 2004 gibt es für die High Resolution Computed Tomography (HRCT) bzw. die Niedrigdosis-Multi-Detektor-Computertomographie (Niedrigdosis-MDCT) des Thorax die "International Classification of Occupational and Environmental Respiratory Diseases" (ICOERD), mit der Befunde an Lunge und Pleura sowie an den übrigen abgebildeten anatomischen Strukturen des Thorax kodiert werden können. Diese ist mit der Klassifikation der International Labour Organisation (ILO) bei der konventionellen Radiographie vergleichbar. Mithilfe der ICOERD sollen die Forderungen der Versicherten und der Berufsgenossenschaften, im Entscheidungsfall auf reproduzierbare und vergleichbare Befunde zurückgreifen zu können, erfüllt werden [7, 8] . Sowohl die Begriffe der ILO-als auch die der ICOERD-Klassifikation beruhen auf den einschlägigen Begriffsbildungen der Fleischner Society, sodass eine international durchgängige Terminologie für die bildgebende Untersuchung des Thorax geschaffen worden ist [5] ); diese wurde inzwischen auch in die deutsche Sprache übersetzt [37] . Anorganische Pneumokoniosen, die hierzulande relevant sind, finden sich mit Bezug zur jeweiligen BK-Nummer in . Tab. 3. Auch wenn viele der Expositionen altbekannt und durch arbeitstechnische Vorkehrungen vermeidbar sind, ist es erschreckend zu beobachten, dass beispielsweise Asbestosen weltweit zunehmen [38] und Silikosen durch das Sandstrahlen von Jeans und das Schleifen und Schneiden künstlicher quarzbasierter Küchenplatten in den letzten Jahren in neuen Szenarien wieder aufgetreten sind [9] . Unter den organischen Pneumokoniosen ist vorrangig die EAA zu nennen. Die Diagnosekriterien von Quirce et al. [31] ), deutschsprachig zitiert bei Koschel et al. [14] , haben die älteren deutschen Diagnosekriterien [32] wegen ihrer besseren Differenzierung nach akuten/subakuten und chronischen Verlaufsformen weitgehend abgelöst; sie sind in . Tab. 4 aufgeführt. Tab. 4 Diagnosekriterien der akuten und chronischen exogen-allergischen Alveolitis (EAA). (Aus Koschel et al. [14] , nach Quirce et al. [31] ) Eine akute/subakute EAA kann diagnostiziert werden, wenn folgende Kriterien erfüllt sind 1 Exposition gegenüber potenzieller Antigenquelle 2 Rezidivierende Symptome 4-8 h nach Exposition 3 Erhöhte spezifische IgG-Antikörper 4 Nachweis einer Sklerophonie (Knisterrasseln) bei der Auskultation der Lunge 5 HRCT-Befund vereinbar mit einer akuten/subakuten EAA Fehlt eines der oben genannten Kriterien, so kann dieses durch eines der folgenden ersetzt werden: 6 Lymphozytose in der BAL 7 Histopathologischer Befund mit akuter/subakuter EAA zu vereinbaren 8 Positiver inhalativer Expositions-oder Provokationstest bzw. positiver Karenztest Eine chronische EAA kann diagnostiziert werden, wenn mindestens 4 Kriterien erfüllt sind 1 Exposition gegenüber potenzieller Antigenquelle 2a Erhöhte spezifische IgG-Antikörper oder 2b Lymphozytose in der BAL 3 DLCO eingeschränkt und/oder paO2 in Ruhe und/oder bei Belastung erniedrigt 4 HRCT-Befund vereinbar mit einer chronischen EAA 5 Histopathologischer Befund mit chronischer EAA zu vereinbaren 6 Positiver inhalativer Expositions-oder Provokationstest bzw. positiver Karenztest BAL bronchoalveoläre Lavage, DLCO "pulmonary diffusion capacity", HRCT High Resolution Computed Tomography, paO2 arterieller Sauerstoffpartialdruck Arbeitsbedingte Auslöser einer Alveolarproteinose ist vorrangig Quarz, aber auch Indiumzinnoxid und andere Arbeitsstoffe [17] kommen in Frage. Von neuen international publizierten interstitiellen Lungenerkrankungen sollen hier nur die Popcorn-Lunge und die Beflockungslunge erwähnt werden. Bei der Popcorn-Lunge handelt es sich um eine Bronchiolitis obliterans, ausgelöst durch Aromastoffe wie Diacetyl (2,3-Butandion) und 2,3-Pentandion in der Herstellung von Popcorn, Aromastoffen und in der Kaffeeproduktion [11] . Die Beflockungslunge ist eine interstitielle Pneumonie mit nodulären peribronchovaskulären interstitiellen Infiltraten mit lymphozytärer und eosinophiler Bronchiolitis, ausgelöst durch geschnittene Kunstseidefasern [13] . Rückfragen bei den Unfallversicherungsträgern ergaben, dass solche Krankheitsbilder aufgrund technisch anderer Herstellungsverfahren hierzulande nicht zu erwarten seien. Merke. Vonseiten der Kliniker, Pneumologen, Radiologen und Pathologen ist stetige Aufmerksamkeit gegenüber inhalativen Noxen in der Genese von Lungengerüsterkrankungen angezeigt -auch durch solche, die in neuem Gewand einherkommen. Bei Krebserkrankungen der Lunge gilt es, neben dem leicht und rasch erhobenen und routinemäßig quantifizierten Faktor "Rauchen" eine qualifizierte Arbeitsanamnese zu erheben. Da das Vorkommen der karzinogenen Arbeitsstoffe oft wenig bekannt ist, kann es nützlich sein, diese vonseiten der Arbeitsstoffe mit dem Patienten zu ermitteln. Hierzu soll . Tab. 5 dienen. Der Übersichtlichkeit halber sind hier nur die jeweiligen Berufskrankheiten und die klassischen zugehörigen Expositionen genannt. In der Diagnostik unterscheiden sich Lungenkrebserkrankungen durch arbeitsbedingte Noxen weder radiologisch noch histopathologisch von Lungenkrebserkrankungen durch ubiquitäre Noxen bzw. das Rauchen. Bezüglich Besonderheiten der histopathologischen Diagnostik bei asbestbedingten Lungenkrebserkrankungen wird auf die Leitlinie [15] und bei quarzbedingten Lungenkrebserkrankungen auf die Leitlinie [1] verwiesen. Es gibt eine ganze Reihe von Syndromen mit Arbeitsplatzbezug, bei denen schwerpunktmäßig, aber nicht nur, pneumologische Symptome benannt werden. Deren fundierte Abhandlung würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, genannt werden daher im Folgenden nur 3 quantitativ bedeutsame Syndrome. Weiterführende Literatur ist bei Nowak et al. [26] zitiert. Der Begriff ist insofern problematisch, als die Gebäudenutzer und nicht das Gebäude Krankheitssymptome äußern. Es wird ein breites Spektrum gebäudebezogener unspezifischer Schleimhaut-, Haut-, Atemwegs-und Allgemeinsymptome geäußert. Im Gegensatz dazu umfasst der Begriff der "building-related diseases" klare nosologische Entitäten wie die gebäudebezogene Legionellose, EAA wie das Befeuchterfieber oder klare toxikologische Expositionsfolgen. In Gebäuden mit Klimaanlagen ist die Symptomatik häufiger, auch wenn hier einschlägige Empfehlungen für Raumluftqualität oft eingehalten werden. Soziale Faktoren (weibliches Geschlecht, niedrige Hierarchieebene, ungünstige Arbeitsatmosphäre) spielen eine Rolle. Ein biopsychosoziales Modell ist angemessen. Verbesserte Belüftung, verbesserte Reinigung und verbesserte Interaktion zwischen Betroffenen und Vorgesetzten können oft helfen. Frühzeitiges Tätigwerden der verantwortlichen Vorgesetzten ist klug. Laserdruckeremissionen führen zu einer erhöhten Belastung der Innenraumluft mit Nanopartikeln. Unzureichender Luftwechsel scheint zu irritativen Symptomen beizutragen [4] . Kontrollierte Expositionsstudien [6, 12] ergaben keine Anhaltspunkte für objektiv messbare pathophysiologische Prozesse, die mit den berichteten Beschwerden korrespondierten. Gleichwohl ist unter Präventivaspekten der Einsatz gering emittierender Geräte sinnvoll. Diagnostik und Begutachtung der Berufskrankheit Nr. 4101 Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) der Berufskrankheitenverordnung The occupational burden of non-malignant respiratory diseases -An Official Current and new challenges in occupational lung diseases Review of the characteristics and possible health effects of particles emitted from laser printing devices Fleischner society: glossary of terms for thoracic imaging Psychological and cognitive effects of laser printer emissions: a controlled exposure study Pneumokoniosen erkennen und klassifizieren Update: Standardisierte CT-/HRCT-Klassifikation der Bundesrepublik Deutschland für arbeits-und umweltbedingte Thoraxerkrankungen Silica-related diseases in the modern world Flavorings-related lung disease: a brief review and new mechanistic data Health effects of laser printer emissions: a controlled exposure study flock-workers-lung?search=flock %20worker's%20lung&source=search_result& selectedTitle=1~5&usage_type=default& display_rank=1 Exogenallergische Alveolitis Diagnostik und Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten. Interdisziplinäre S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. und der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e Patientenfragebogen zur Erfassung der Ursachen interstitieller und seltener Lungenerkrankungen Pulmonary alveolar proteinosis secondary to occupational exposure Occupational and non-occupational attributable risk of asbestos exposure for malignant pleural mesothelioma Grundlagen der Röntgen-diagnostikdesThorax mitCT-Korrelationeinzelner Fälle. Kapitel 1.11 Tuberkulose als Berufskrankheit. Ein Leitfaden zur Begutachtung und Vorsorge, 4. Aufl. Ecomed Berufliche Risikofaktoren, Berufskrankheit, arbeitsmedizinische Begutachtung Arbeitsmedizin -Das Wichtigste für Ärzte aller Fachrichtungen Arbeitsmedizinische Aspekte in der Pneumologie COVID-19 als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall: Überlegungen zu Versicherungsschutz und Meldepflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung Arbeitsbedingte Lungen-und Atemwegserkrankungen Indoor environment. In: Feary J, Suojalehto H, Cullinan H (Hrsg) Occupational and environmental lung disease Predictive value of nonspecific bronchial responsiveness in occupational asthma Chronische obstruktive Atem-wegserkrankungalsBerufskrankheit Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Klinische Umweltmedizin), DGP (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und DGAKI), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (2021) Leitlinie Arbeitsplatzbezogener Inhalationstest Occupational hypersensitivity pneumonitis: an EAACI position paper Empfehlungen zur Diagnostik der exogen-allergischen Alveolitis. Arbeitsgemeinschaft Exogen-Allergische Alveolitis der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) und der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI) ERS Task Force on Specific Inhalation Challenges with Occupational Agents (2014) Specific inhalation challenge in the diagnosis of occupational asthma: consensus statement Diagnosing occupational asthma COVID-19 -die arbeitsmedizinische Sicht und die Sicht des Öffentlichen Gesundheitsdienstes Glossar thoraxradiologischer Begriffe entsprechend der Terminologie der Fleischner Society Increasing incidence of asbestosis worldwide, 1990-2017: results from the Global Burden of Disease study The attributable proportion of occupation-related influences on airway and lung diseases is 10-30%. In patients with obstructive airway diseases it is extremely important to sufficiently document findings during the period of activities burdening the airway as compared to periods off work. Chronic obstructive pulmonary disease (COPD) can have a work-related (partial) cause even in smokers. Regarding occupational infectious diseases, the main cause up to 2019 was tuberculosis but the corona pandemic has led to coronavirus disease 2019 (COVID-19) being the most frequent occupational disease. For the occupational medical assessment of interstitial and malignant pulmonary diseases, checklists can be helpful to support the medical history. Asthma · Infectious diseases · Obstructive respiratory disease · Interstitial lung disease · Lung cancer