key: cord-0717162-id5018h9 authors: M. Heim, Thomas title: Macht ADHS vulnerabler gegenüber SARS-CoV-2? date: 2021-06-25 journal: InFo Neurologie DOI: 10.1007/s15005-021-2006-5 sha: 5f5b9b31cf15239004e96c4515d1ad23efdb8ef9 doc_id: 717162 cord_uid: id5018h9 nan Dr. Eugene Merzon, Leiter des Department of Managed and Digital Care, Leumit Health Services (LHS), einer Einrichtung der öffentlichen Gesundheitsversorgung in Tel Aviv, Israel, berichtete auf dem diesjährigen ADHS-Weltkongress über zwei Registerstudien des LHS [1, 2] . An der einen nahmen 14.022 Personen im Durchschnittsalter von 39 Jahren teil, bei denen von Februar bis April 2020 mindestens ein PCR-Test auf COVID-19 erfolgt war, bei rund 10 % mit positivem Ergebnis. 16 % der positiv und 12 % der negativ Getesteten hatten ADHS. Dieser Unterschied ist statistisch signifikant (p < 0,001). In der Studie wurden Faktoren ermittelt, die mit einem erhöhten Risiko einhergehen, sich eine COVID-19-Infektion zuzuziehen. Neben bekannten Faktoren wie Alter < 20, niedrigem sozioökonomischen Status und männlichem Geschlecht, erwies sich auch ADHS als Risikofaktor (adjustierte Odds Ratio [OR]: 1,58; 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 1,27-1,97; p < 0,001). Merzon betonte, das treffe nur auf unbehandelte ADHS zu, laut Studiendefinition heißt das, dass nicht mindestens dreimal ADHS-Medikamente verordnet worden waren (▶Abb. 1). Merzon wies auf die im Design einer reinen Beobachtungsstudie begründete begrenzte Aussagekraft hin. Denkbare Erklärungen für eine erhöhte COVID-19-Prävalenz seien erhöhte Risikobereitschaft, Hypersensitivität und Schwie-rigkeiten, Anordnungen zu befolgen und sich zu disziplinieren. Eine weitere LHS-Registerstudie umfasste die Verlaufsdaten von 1.870 Personen, die im Zeitraum von Februar bis Juni 2020 im PCR positiv auf COVID-19 getestet wurden [2] . Die Tests waren durchgeführt worden, weil die Betroffenen COVID-verdächtige Symptome gezeigt oder engen Kontakt mit einer positiv getesteten Person hatten. Das Durchschnittsalter betrug 29 Jahre, 12 % hatten ADHS. Als Risikofaktoren für einen schweren COVID-19-Verlauf wurden Alter, männliches Geschlecht und Übergewicht bestätigt. Auch ein ADHS war mit erhöhtem Risiko assoziiert, sowohl für einen schweren Verlauf (OR: 1,81; 95 %-KI: 1,29-2,52; p < 0,05) als auch für Hospitalisierung (OR: 1,93; 95 %-KI: 1,06-3,51; p < 0,03) [2] . Merzon rät, Menschen mit ADHS als besonders vulnerabel anzusehen. Prof. Dr. Samuele Cortese, Psychologie, Uni Southampton, England, berichtete über die internationale Erhebung COH-FIT (Collaborative Outcomes study on Health and Functioning during Infection Times) [3, 4] . Bis zum Erhebungszeitpunkt am 6. April 2021 hatten 127.616 Personen aus 154 Ländern teilgenommen. In einer ersten Interimsanalyse wurden Daten von 1.253 ADHS-Betroffenen und 96.097 Kontrollpersonen verglichen. Dazu zählte unter anderem die Selbstbeurteilung anhand des WHO-5-Fragebogens zum Wohlbefinden. Bereits vor der Pandemie war der durchschnittliche WHO-5-Score bei den Teilnehmenden mit ADHS niedriger als bei den Kontrollpersonen. Im Verlauf der Pandemie nahm er in der ADHS-Gruppe um 17 Punkte ab, in der Kontrollgruppe um 11 Punkte (p < 0,01). Auch für andere psychische Symptome wie Angst, Depressivität, posttraumatische Belastungssymptome, Konzentrationsstörungen und stressbezogene Symptome zeigten sich bei den ADHS-Betroffenen eine höhere Ausgangsprävalenz und eine stärkere Zunahme während der Pandemie. World Health Organization 2020. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO