key: cord-0728670-v08kk9ev authors: Vohla, Dagmar title: Palliative Care bei über 80-jährigen Patienten mit COVID‑19-Pneumonie auf der Intensivstation – invasive Beatmung zielführend? date: 2022-03-22 journal: Wien Med Wochenschr DOI: 10.1007/s10354-022-00917-2 sha: 4c1ddf0e1de2bff1ea55428fc052c66d432e3cbb doc_id: 728670 cord_uid: v08kk9ev In February 2020 a new virus named-SARS-CoV‑2 emerged. As a result many patients suffered from COVID‑19-associated pneumonia and were in need of hospitalization in an intensive care unit (ICU). Especially at the beginning of this pandemic the mortality among intubated patients was very high. With ongoing experience in how to handle COVID‑19-associated respiratory insufficiency the mortality rate was reduced but is still high among older patients. In this case report it is discussed if validated scores can support the decision between intubating patients or providing best supportive care. case report it is discussed if validated scores can support the decision between intubating patients or providing best supportive care. Keywords COVID-19 · Geriatric intensive care · Intubation · Best supportive care scores Das Auftreten des neuartigen SARS-CoV-2-RNA-Virus zu Beginn des Jahres 2020 hat auch die Intensivmedizin vor neue Herausforderungen gestellt. Die intensivmedizinisch zu betreuenden Patienten, 3 % der an COVID-19 Erkrankten, zeichnen sich durch respiratorische Insuffizienz mit bilateraler Pneumonie im Sinne eines Acute-Respiratory-Distress-Syndroms (ARDS) aus [1] . Beim Großteil dieser Patienten besteht bereits früh Sauerstoffbedarf. Um den zehnten Tag nach Symptombeginn kommt es meist zu einer nochmaligen deutlichen respiratorischen Verschlechterung. Charakteristisch bei dieser Viruspneumonie ist eine in den Blutgasen deutlich sichtbar gemessene Hypoxämie bei oft fehlender Dyspnoesymptomatik [1] . Bei insuffizienter Beatmung durch eine "high flow nasal cannula" (HFNC) oder eine non-invasive Ventilation(NIV)-Maske ist eine Intubation notwendig. Im Vergleich zu Krankheitsverläufen bei bakteriellen Pneumonien ist die COVID-19-Pneumonie durch eine lange Intubationsdauer mit hohem Beatmungsaufwand gekennzeichnet [1] . Dies stellt bei bereits verminderten körperlichen Ressourcen wie hohem Alter und Vorerkrankungen ein entscheidendes Problem dar. Ein positives Outcome ist durch diese Faktoren deutlich reduziert. Auffällig zeigt sich nach unserer Erfahrung die Notwendigkeit hoher Sedierungsdosen. Um die Bauchlagerung, welche zu einer besseren Oxygenierung führt, zu gewährleisten, werden die Patienten zusätzlich re-laxiert. Das Sedierungsregime kann wiederum besonders bei älteren Patienten vermehrt zum Auftreten eines Delirs, einer verzögerten Aufwachreaktion und einer Critical-Illness-Neuropathie führen [2] . In einer hohen Zahl der Fälle ist aufgrund der langen Intubationsdauer und des oftmals schwierigen Weanings eine Tracheotomie notwendig. Bei Herr M. wurde mittels PCR-Test positiv auf SARS-CoV-2 getestet mit initialen Symptomen einer Diarrhö und Müdigkeit. Aufgrund einer Erhöhung des D-Dimer wurde bereits auf der Notfallabteilung zum Ausschluss einer Pulmonalembolie eine Computertomographie des Thorax durchgeführt, in der sich Veränderungen im Sinne einer Viruspneumonie zeigten. Bei steigendem Sauerstoffbedarf kam es nach 5 Tagen zur Transferierung auf die Lungenabteilung (Intermediale Care) zur weiteren Therapie mit HFNC und in weiterer Folge mit "continuous positive airway pressure" (CPAP). Im Verlauf-Thoraxröntgen zeigte sich eine Dichtezunahme der pneumonischen Infiltrate. Sechs Tage später kam es zu einer weiteren Verschlechterung, und eine ausreichende Oxygenierung mittels HFNC/CPAP konnte nicht mehr erreicht werden, sodass Herr M. am 15. Tag nach COVID-Symptombeginn auf die Intensivstation verlegt wurde. Es erfolgte nach Aufnahme die rasche Intubation mit Bauchlagerung. Bei steigendem Procalcitonin wurde eine antimikrobielle Therapie initiiert. Ab dem 8. Tag nach Intu-bation kam es zu einer Besserungstendenz bezüglich der Beatmungseinstellungen, sodass mit dem Weaning begonnen wurde. Allerdings zeigte sich nach Beendigung der Sedierung keine adäquate Aufwachreaktion des Patienten. Es erfolgte eine Computertomographie des Schädels mit Angiographie der Hirngefäße, in dem sich kein Hinweis auf eine Ischämie oder Blutung zeigte. Auch in dem in weiterer Folge durchgeführten Elektroenzephalogramm und einer kranialen Magnetresonanztomographie wurde kein ursächlich fassbares Korrelat für die verminderte Vigilanz gefunden. Da sowohl aufgrund der bestehenden Beatmungseinstellung und der neurologischen Situation eine Extubation nicht möglich war, erfolgte eine Tracheotomie. Medikamentös wurde die Behandlung sowohl eines hypoaktiven Delirs als auch einer Critical-Illness-Myopathie/Polyneuropathie initiiert. Im weiteren Verlauf kam es undulierend zu einer minimalen Vigilanzbesserung mit Augenöffnung und Blickfolge. Intermittierend konnte für ein paar Stunden die Beatmung auf HFNC umgestellt werden, jedoch musste der Patient nach respiratorischer Erschöpfung wieder an die Beatmungsmaschine genommen werden. Da sich in den 2 darauffolgenden Wochen bei protrahiertem Verlauf und beginnendem Multiorganversagen unter Ausschöpfung der intensivmedizinischen Maßnahmen keine Besserung zeigte, wurde schließlich nach Beschluss im intensivmedizinischen Team eine palliative Behandlungsstrategie eingeschlagen. Der Patient verstarb am 41. Tag nach Aufnahme auf der Intensivstation und 57 Tage nach Infektionsbeginn. Den Erfahrungen nach und auf Basis zahlreicher Studien, die in der Zeit der ersten Welle erfolgten, wird in der Zwischenzeit versucht, die respiratorische Insuffizienz möglichst lange mittels HFNC und NIV-Beatmung zu behandeln und eine Intubation, wenn möglich, zu vermeiden [1] . Als Leitlinie zur sofortigen Intubation gelten eine schwere Hypoxämie bei paO2/FiO2 <100mmHg, in Erwägung sollte eine Intubation gezogen werden bei paO2/FiO2 < 150 mm Hg und Atemfrequenzen > 30/min [4] . Verschiedene Studien zeigten unterschiedliche Empfehlungen bezüglich einer frühzeitigen oder einer verzögerten Intubation [4, 5] . Die Determinante für das Outcome scheinen die Schwere und der Fortschritt der Erkrankung zu sein. In Bezug auf Letzteres ist es wichtig, nicht außer Acht zu lassen, dass es durch eine bereits mehrere Tage bestehende nichtinvasive Beatmung zu einer respiratorischen Erschöpfung v. a. der Atemmuskulatur kommen kann. Seitens mancher Patienten besteht allerdings eine erstaunliche Symptomlosigkeit ("happy Hypoxia"). Die Erschöpfung macht sich nach erfolgter Intubation durch eine Palliative Care bei über 80-jährigen Patienten mit COVID-19-Pneumonie auf der Intensivstation -invasive. . . K fallbericht deutlich verlängerte Rekompensationszeit der respiratorischen Situation bemerkbar. Eine Reduktion der Beatmungseinstellungen ist langwierig, sodass nach einer ca. 14-tägigen Intubation eine Tracheotomie erfolgt [4] . Unabhängig von der Pandemie zeigt sich in den letzten Jahren ein Anstieg der über 80-jährigen Patienten auf den Intensivstationen mit einem Prozentsatz zwischen 15 und 30 % weltweit [6] . Auch bei anderen intensivpflichtigen Krankheitsbildern besteht die Überlegung, wie sinnvoll eine intensivmedizinische Behandlung in diesem Alter noch ist. Es kann festgehalten werden, dass unabhängig vom Alter für die Entscheidung zur Aufnahme oder Ablehnung einer intensivmedizinischen Maßnahme weitere Faktoren wie der funktionale Aktivitätszustand, der Schweregrad der Organdysfunktion, die Prognose der Erkrankung und der Grad an Komorbiditäten mit berücksichtigt werden sollten [6] . Physiologisch zeigt sich mit zunehmendem Alter aufgrund der Abnahme der kognitiven Funktionsreserven mit Reduktion der Hirnmasse und der zerebralen Perfusion die Gefahr einer beschleunigten Entwicklung eines Delirs. In Bezug auf die Lunge besteht eine verminderte physiologische Reserve, ebenso der Atempumpe und der Atemwegsabwehr mit einem erhöhten Risiko für Atemwegskomplikationen. Auch bei den restlichen Organsystemen (kardiovaskulär, renal, gastrointestinal, endokrin) besteht eine altersbedingte Verringerung der Funktionsreserve mit erhöhter Gefahr eines Organversagens [6] . Eine Unterscheidung in Scores, die eine allgemeine Aussage über das Outcome der Patienten nach intensivmedizinischen Behandlungen voraussagen, und in Scores, die sich spezifisch auf eine Erkrankung beziehen, ist gegeben. In Bezug auf COVID-19 vermehrt Anwendung findet der CURB-65-Score, spezifiziert als A-DROP, für COVID-19, der APACHE II-Score als Vorhersage der Spitalsmortalität und der 4C-Mortality-Score (Tab. 1; [7] ). Auf Intensivstationen in Österreich wird der SAP III-Score verwendet, ähnlich zum APACHE II-Score. Bei älteren Patienten macht es Sinn unabhängig vom chronologischen Alter mittels Scores eine Einschätzung bezüglich der Funktionalität zu bekommen, da eine erhöhte Einschränkung mit der Mortalitätsrate korreliert [6] . [6] . Die bereits für COVID-19 erwähnten Scores erfassen wie folgt: CURB-65: Zur klinischen Einschätzung des Schweregrades einer ambulant erworbenen Pneumonie mit den Parametern: Verwirrtheit ("confusion"), Harnstoff-Stickstoff (Urea-N), Atemfrequenz ("respiratory rate"), Blutdruck und Alter > 65 Jahre. APACHE II: Ist ein auf der Intensivstation verwendeter Score, um eine Aussage über die Schwere einer Erkrankung zu machen. Es werden 3 verschiedene Anteile, der "acute physiology score", die "age points" und die "chronic health points" berücksichtigt. In Studien zeigte er sich im Vergleich zum CURB-65 und dem Sepsis-related Organ Failure Assessment(SOFA)-Score, der zur Beurteilung des Zustandes und des Ausmaßes der Organschädigung bei Sepsis auf der Inten- Kann nicht mehr mit Geld umgehen 0 sivstation verwendet wird, aussagekräftiger bezüglich Spitalsmortalität in Bezug auf COVID-19 [8] . 4C-Mortalitäts-Score: Erlaubt bereits am Aufnahmetag eine Einschätzung des In-hospital-mortality-Risikos mit Unterteilung in niedrig, mittel, hoch und sehr hoch mit zusätzlicher Prozentangabe. Es werden insgesamt 8 Variablen bezüglich Geschlecht, Begleiterkrankungen, Atemfrequenz, periphere Sauerstoffsättigung, Glasgow-Coma-Scale, Harnstoff und C-reaktives Protein miteinbezogen. Die Basis der Therapiezielfindung beruht immer auf dem Patientenwillen und der medizinischen Indikation. Die medizinische Indikation verlangt eine realistische Nutzenerwartung im Rahmen einer vertretbaren Schadensabwägung auf Basis des jeweils aktuellen Erkenntnisstandes [6] . Das Herausfinden des Patientenwillens ist in einer Notsituation nicht immer einfach. Die Deutsche Palliativgesellschaft empfiehlt, bei bereits vorhandenen Patientenverfügungen die Patienten aufzuklären und Zusatzblätter spezifisch für COVID-19 auszufüllen [9] . Patienten, die bereits auf der Normalstation sauerstoffpflichtig sind, sollten bei einsetzender Verschlechterung über die weiteren möglichen Schritte informiert werden, und der bestehende Patientenwunsch sollte erfasst und dokumentiert werden. Im vorgestellten Patientenbeispiel hätte sich bei einer Evaluierung mittels Scores bei der primären Aufnahme ein Frailty-Score von 2 bis 3 ergeben, was einen "Gesund"-bis "Angemessen"-Zustand ergibt. In einer deutschen Studie mit 308 ICU-Patienten > 80 Jahre zeigte sich bei einem Wert von 5 ("leicht gebrechlich") ein 30 Tage Mortalitätsrisiko von 31 % [10] . Der 4C-Mortalitäts-Score ergab ein hohes Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken. verbunden mit einer 30 %igen In-hospital-Mortalität. Die Problematik zeigte sich an der bereits langen Hospitalisierung mit 14 Tagen vor dem Intensivaufenthalt, sodass es innerhalb dieser Zeit zu einer deutlichen Verschlechterung kam und eine Neuevaluierung der Scores ein wesentlich schlechteres Outcome berechnet hätte. Der Frailty-Score wäre zum Zeitpunkt der Aufnahme auf der Intensiv bei 6 bis 7 gewesen, ebenso der 4C Mortality-Score mit einem Mortalitätsrisiko von 60 %. In einer Studie zeigt sich, dass die ärztliche Entscheidung bezüglich intensivmedizinischer Maßnahmen meist "intuitiv" statt "rational" ist [11] . Der Patient war zu Beginn in einem für sein Alter sehr guten Allgemeinzustand, er wurde intermittierend auf eine andere IMC zur HFNC und NIV-Beatmung verlegt und kam dann direkt auf die Intensivstation. Eine Patientenverfügung gab es nicht, die Transferierung erfolgte bei akut einsetzender massiver Verschlechterung. Einer der limitierenden Faktoren dürfte die lange Intensivpflichtigkeit und protrahierte maschinelle Beatmung gewesen sein, die gerade bei älteren Patienten mit ein wichtiges Outcome-Kriterium ist. Scores können bei der Entscheidungsfindung ein hilfreiches Tool sein, jedoch sollten sie immer in Kombination mit dem Patientenwunsch und v. a. der klinischen Einschätzung verwendet werden, wobei das Alter nur einen geringen Anteil am prognostischen Teil der Scores hat und nicht als alleiniger Faktor für eine Entscheidungsfindung herangezogen werden kann [12] . Unter diesen Bedingungen können sie als Einbindung nachvollziehbarer Kriterien gemeinsam mit Ein weiterer v. a. sozialpsychologisch bedeutender Faktor, der nicht unerwähnt bleiben sollte, ist, dass während einer Pandemie Begleitung und Support der Angehörigen aufgrund der erhöhten Infektionsgefahr nicht möglich sind. Auch ein adäquates Abschiednehmen durch die Familie kann nicht stattfinden. Hoffnung allerdings besteht derzeit in den verschiedenen Impfstoffen gegen eine SARS-CoV2 Infektion, sodass die vulnerabelsten Menschen vor schwer verlaufenden COVID-19-Infektionen geschützt werden können. Wichtig wäre es, vor allem bei vorbestehender Multimorbidität eine vorzeitige Abklärung des Patientenwunsches durchzuführen, sodass Patienten, die eine Intubation ablehnen, ausreichend palliativ versorgt werden können und für diese Patienten eine Triagesituation vermieden werden kann. Funding Open access funding provided by Paracelsus Medical University. Interessenkonflikt D. Vohla gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/licenses/by/4. 0/deed.de. COVID-19: Die ersten Timing of intubation and its implications on outcomes in critically ill patients with Coronavirus disease 2019 S3-Leitlinie -Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit COVID-19 Stellungnahme der ÖGP zum Management von akuten SARS-CoV-2 Infektionen und zum Management von chronischen Lungenerkrankungen während der SARS-CoV-2 Pandemie Geriatrische Intensivmedizin Comparison of severity scores for COVID-19 patients with pneumonia: a retrospective study Clinical risk score to predict in-hospital mortality in COVID-19 patients: a retrospective cohort study COVID-19 -Behandlungsansätze aus palliativmedizinischer Perspektive. Z Palliativmed Clinical Frailty Scale (CFS) reliably stratifies octogenarians in German ICUs: a multicentre prospective cohort study The challenge of admitting the very elderly to intensive care Der alte Patient in der Intensivmedizin-Was macht wann noch Sinn Allokationsethische Orientierungshilfe für den Einsatz knapper intensivmedizinischer Ressourcen Increased mortality in community-tested cases of SARS-CoV-2 lineage B.1.1.7. Nature