key: cord-0781965-qyawqxj1 authors: Raithel, Martin; Bischoff, Stephan C. title: Allergisch bedingte Magen-Darm-Erkrankungen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten date: 2020-12-18 journal: Allergo J DOI: 10.1007/s15007-020-2647-6 sha: bf5dc1d76bb7c3ba1707827f8b00451d24613a06 doc_id: 781965 cord_uid: qyawqxj1 nan Im Kapitel 3.14 der Neuauflage des "Weißbuch Allergie in Deutschland" befassen sich Martin Raithel und Stephan C. Bischoff mit der Abgrenzung von Nahrungsmittelunvertäglichkeiten und allergisch bedingten Magen-Darm-Erkrankungen zu anderen Nahrungsmittelallergien. Darüber hinaus beschäftigen sie sich unter anderem auch mit deren gesundheitspolitischer und wirtschaftlicher Bedeutung. A llergische Magen-Darm-Erkrankungen sind Folge überschießender immunologischer Reaktionen (Allergien vom Typ I-IV) des Magen-Darm-Trakts auf Nahrungsmittel, ihre Bestandteile oder Beimengungen. Sie können einerseits eine Vielzahl von Beschwerden im Magen-Darm-Trakt induzieren (Blähungen, Schmerzen, Durchfall etc.) und damit viele andere eigenständige Magen-Darm-Erkrankungen oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten imitieren, andererseits aber auch typische Allergiesymptome (Hautreaktionen, Juckreiz, Schock) an vielen anderen Organen (Haut, Mundhöhle, Respirationstrakt) hervorrufen. Die Diagnostik gestaltet sich daher oft schwierig und erfordert neben der üblichen Standarddiagnostik für Nahrungsmittelallergien (NMA) eine spezielle Ernährungsanamnese. Zudem müssen andere Unverträglichkeiten (z. B. Kohlenhydratmalassimilation) beziehungsweise andere Erkrankungen ausgeschlossen werden. Dies erfordert bei vielen Patienten eine Bestimmung der Entzündungsaktivität, eine Sonografie, eine Endoskopie und eine Gewebebeurteilung mittels Histologie. Bei Verdacht auf NMA mit intestinaler Manifestation sind auch oft spezielle Nachweise der Allergie am Magen-Darm-Kanal inklusive der oralen Provo-kationstestung nötig [1, 2, 3, 4] . Die Therapie allergischer Magen-Darm-Erkrankungen erfolgt durch das Weglassen des auslösenden Nahrungsmittels (Karenz) und durch medikamentöse sowie ernährungstherapeutische Behandlungsmaßnahmen. Allergische Magen-Darm-Erkrankungen sind definiert als Folge von NMA. Sie werden immunologisch vermittelt und durch spezifische Lebensmittel (All ergene) ausgelöst [4, 5, 6] . Neben dieser Definition sind sie charakterisiert durch Allergiemanifestationen, die entlang des Magen-Darm-Traktes von der Mundhöhle bis zum Mastdarm und Anus auftreten können, aber auch in unterschiedlich ausgeprägtem Maße andere Organe mitbetreffen können [2, 7] [2, 8, 9] . Sind diese IgE-Antikörper auch in Blut, Haut, Auge, Lunge et cetera vorhanden, kommt es nach Aufnahme des Nahrungsmittel allergens ins Blut und in die Organe mit Auslösung entsprechender Beschwerden wie Augentränen, Juckreiz, Nesselsucht, Asthmaanfall, Schockreaktion et cetera. Neben IgE-Antikörpern sind seltener auch die sogenannten nicht IgE-vermittelten Allergietypen II-IV am Magen-Darm-Trakt nachweisbar (z. B. Komplexe aus Lebensmittel und Antikörpern, spezifisch auf Lebensmittel reagierende Lymphozyten) [4, 5, 7, 10, 11, 12] . Lassen sich keine Allergiemechanismen der Reaktionstypen I-IV nachweisen, müssen andere Unverträglichkeiten in Betracht gezogen werden. Dabei sind verschiedene Mechanismen der Überempfindlichkeit abzugrenzen, z. B. bei Laktose-, Sorbit-oder Fruchtzuckerunverträglichkeit die Unverträglichkeit gegenüber Kohlenhydraten, bei Zöliakie die gegenüber Weizen und Gluten. Aber auch Veränderungen der Darmmikrobiota (sogenannte Dysbiose) und die bakterielle Dünndarmüberwucherung können mit Unverträglichkeiten einhergehen. Zudem sind Lebensmittelvergiftungen und Infektionen abzugrenzen [7, 10, 13] . Auch pharmakologische Wirkungen oder pseudoallergische Phänomene können zu Unverträglichkeiten führen, z. B. durch Salicylate, Glutamat ("China-Restaurant-Syndrom"), Alkohol, Sulfite, Histamin (z. B. gereifter Käse, Thunfisch, Rotwein) sowie durch biogene Amine wie Serotonin (Banane) und Tyramin (z. B. Käse). Die Klärung, welche Auslöser infrage kommen, muss von geschulten Fachärzten geprüft werden [4, 11] und erfordert im Allgemeinen eine interdisziplinäre Abklärung verschiedener Fachbereiche (Gastroenterologie und Allergologie). Intoleranzen als Unverträglichkeitsreaktionen sind deutlich häufiger als NMA und betreffen circa 20-25 % der Bevölkerung. Viele Personen können dabei durch Meiden des auslösenden Lebensmittels beziehungsweise Reduktion der aufgenommenen Menge sehr gut leben, sodass bestimmte Krankheitssymptome vermieden werden. Problematisch wird das Zusammentreffen verschiedener Unverträglichkeitsmechanismen oder die Kombination mit NMA und/ oder begleitenden psychischen Reaktionen [7] . Die in Deutschland häufigsten Allergene, die bei allergischen Manifestationen am Magen-Darm-Trakt anhand der standardisierten verblindeten Provokationstestung identifiziert wurden, wurden im Beitrag "Nahrungsmittelallergien -ein Überblick", der im Allergo Journal 7/2020 erschienen ist (S. 66-70) aufgelistet. Von der Mundhöhle bis zum Magen spielen häufig pflanzliche, mit Pollenantigenen kreuzreagierende Lebensmittel (Obst, Gemüse, Nüsse) eine wichtige Rolle, während im Magen und in tiefer gelegenen Darmabschnitten die stabilen, hitze-und verdauungsresistenten Samen-und Speicherproteine sowie tierische Allergene relevant werden (z. B. Weizen, Nüsse, Fleisch etc). Das Allergenspektrum kann sich ähnlich wie bei NMA mit dem Lebensalter verändern und variiert regio nal, bedingt durch verschiedene Ernährungsgewohnheiten und möglicher weise auch durch verschiedene Sensibilisierungs-und Toleranzfaktoren oder Grunderkrankungen [2, 4, 7] . Die Mikrobiota des Darms spielt nach neueren Erkenntnissen ebenso eine wichtige Rolle für die Manifestation von NMA [12, 20] . Während man früher postulierte, dass eine Allergie am Magen-Darm-Trakt über das ganze Gastrointestinum einheitlich ausgeprägt sein sollte, gibt es heute Belege, dass neben generalisierten Formen auch lokalisierte Formen an bestimmten Organabschnitten existieren, zum Beispiel eine nahrungs-mittelinduzierte Dickdarmentzündung oder die in den letzten Jahren deutlich häufiger diagnostizierte eosinophile Ösophagitis [5, 12, 16] . Bei diesen Manifestationen müssen nicht zwangsläufig weitere typische systemische Allergiezeichen vorhanden sein. Auch können Blut-und Hauttests negativ sein, was die Diagnostik manchmal erheblich erschwert [2, 4, 7, 12] . Zudem existiert eine Vielzahl weiterer Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, bei denen allergische Phänomene durch Ernährungsbestandteile auftreten können oder manchmal Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung nehmen. Diese sind in Tab. 1 als "Krankheitsbilder mit möglicher Allergiekomponente" aufgelistet und sollten bei bestimmten Personen, die häufig Beschwerden nach Nahrungsaufnahme bekommen, Anlass dazu geben, eine Allergie am Magen-Darm-Trakt tatsächlich nachzuweisen oder auszuschließen [7, 12, 14] . Gerade Letzteres gestaltet sich bei allergischen Magen-Darm-Erkrankungen besonders schwierig, da solche Patienten primär vom Hausarzt, Internisten oder Klassische IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie Gastroenterologen gesehen werden, der schließlich mit dem Allergologen oder Dermatologen zusammenarbeiten sollte. Leider fehlen hier in der täglichen Praxis oft die notwendige Allergenkunde, Nachhaltigkeit und integrierte Versorgungswege, um komplexe Fälle von Allergien am Magen-Darm-Trakt konsequent im Sinne des Patienten abzuklären [4, 14] . Hierzu kann im Einzelfall auch eine endoskopische Untersuchung an einem spezialisierten Zentrum gehören [18, 21] . Die erfolgreiche klinische nicht medikamentöse (Tab. 2) wie medikamentöse Behandlung allergischer Magen-Darm-Erkrankungen wird heute zunächst unter dem Management der NMA zusammengefasst [4, 8, 14] . Diese ist in hohem Maße von einer exakten Allergenidentifizierung und genauen Einstufung des Ausprägungs-und Manifestationsgrads der Allergie abhängig. Der Ausbreitungsgrad einer allergischen Magen-Darm-Erkrankung (gastrointestinal vermittelte Allergie Grad I-IV) kann semiquantitativ folgendermaßen klassifiziert werden [5, 19] : Magen-Darm-Trakt mit Anaphylaxie Aufgrund spezifischer Gegebenheiten am Magen-Darm-Kanal kann die antiallergische Therapie von den für die IgE-vermittelten NMA gegebenen Empfehlungen im Einzelfall abweichen (z. B. Cromoglycinsäure, Abb. 1) [4, 7, 8, 14, 17] . Der hohe Stellenwert der oralen Provokation wird dadurch unterstrichen, dass bei allen Allergieformen das Weglassen des auslösenden Lebensmittels (antigenspezifische Karenz) die grundlegende Basis für eine erfolgreiche Therapie darstellt. Am Magen-Darm-Trakt kann dies zu völliger Rückbildung entzündlicher Veränderungen und aller Beschwerden des Patienten führen. Food for thought: progress in understanding the causes and mechanisms of food allergy Double blind, placebo controlled food reactions do not correlate to IgE allergy in the diagnosis of staple food related gastrointestinal symptoms Food allergy: an enigmatic epidemic Gastrointestinal food allergy: new insights into pathophysiology and clinical perspectives Immunoglobulin E and eosinophilic cationic protein in segmental lavage fluid of the small and large bowel identifies patients with food allergy Combination of allergic factors can worsen diarrheic irritable bowel syndrome: role of barrier defects and mast cells The malabsorption of commonly occurring monoand disaccharides -levels of investigation and differential diagnosis Treatment for food allergy The First Two Decades of Eosinophilic Esophagitis -From Acid Reflux To Food Allergy Food Intolerances, food intolerances, FODMAPs, gluten and functional gastrointestinal disorders -update Food allergy and the gut Mechanisms of food allergy Food allergy: A review and update on epidemiology, pathogenesis, diagnosis, prevention, and management Microscopic (collagenous and lymphocyytic colitis triggered by food allergy Food allergy and eosinophilic gastroenteritis and colitis Leitlinie zum Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien: Sk2-Leitlinie der DGAKI, DGVS, DGEM Colonoscopic allergen provocation test with rBet v 1 in patients with pollen-associated food allergy Klinik und Diagnostik von Nahrungsmittelallergien: Gastrointestinal vermittelte Allergien Grad I bis IV Food allergy and the microbiome: Current understandings and future directions Many Patients With Irritable Bowel Syndrome Have Atypical Food Allergies Not Associated With Immunoglobulin E Weißbuch Allergie in Deutschland Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus der aktuellen vierten überarbeiteten und erweiterten Auflage des Am 15. und 16