key: cord-0828063-uql4ni27 authors: Ulas, Thomas; Aschenbrenner, Anna C. title: Neue Krankheiten mit Bluttranskriptomik entschlüsseln date: 2021-06-26 journal: Biospektrum (Heidelb) DOI: 10.1007/s12268-021-1590-8 sha: feefaa4dd5aff2db8a7bb70fbacad8624894f2e9 doc_id: 828063 cord_uid: uql4ni27 The COVID-19 pandemic is leading to increasing numbers of patients all over the world. Reports on a dysregulated immune system in the severe cases calls for a better characterization of the ongoing changes. To dissect COVID-19-driven immune host responses, we profiled whole blood transcriptomes enabling a data-driven stratification based on molecular phenotype. This analysis allowed prediction of patient subgroup-specific drug candidates targeting the dysregulated systemic immune response of the host. WISSENSCHAFT BIOspektrum | 04.21 | 27. Jahrgang schiedliche klinische Verläufe hervorbringen kann. Während einige COVID-19-Patienten nur über leichte Erkältungssymptome klagen, müssen andere stationär behandelt und beatmet werden. Die schweren Verläufe gehen zudem mit infl ammatorischen Parametern einher, die auf eine systemische Immunantwort hinweisen. Insofern stellten wir uns folgende Fragen: -Was passiert bei COVID-19? -Können wir milde und schwere Fälle anhand der Immunreaktion bzw. deren potenzieller Dysregulation im Blut auslesen? -Lassen sich COVID-19-Patienten anhand ihrer Bluttranskriptome stratifi zieren? -Können die Transkriptomdaten genutzt werden, um Vorhersagen für potenzielle neue Therapieansätze zu treffen? Über unsere klinischen Partner in Athen, Nijmegen und Bonn hatten wir Zugang zu Blutproben von drei verschiedenen Kohorten von COVID-19-Patienten unterschiedlichen Schweregrades, welche wir mittels RNA-Sequenzierung untersuchten [1] . Die RNA- The COVID-19 pandemic is leading to increasing numbers of patients all over the world . Reports on a dysregulated immune system in the severe cases calls for a better characterization of the ongoing changes. To dissect COVID-19-driven immune host responses, we profi led whole blood transcriptomes enabling a data-driven stratifi cation based on molecular phenotype. This analysis allowed prediction of patient subgroup-specifi c drug candidates targeting the dysregulated systemic immune response of the host. 19-Patienten. Die Vorhersage der genassoziierten Funktionen der jeweiligen Gene in den zehn Modulen sollte dabei helfen, die fünf COVID-19-Patientengruppen und Kontrollspender besser zu verstehen. Zum Beispiel wurden entzündungsassoziierte Gensignaturen für die Patientengruppen G1 und G2 in unterschiedlichem Ausmaß vorhergesag t, was darauf hinweist, dass in diesen Patientengruppen möglicherweise eine stärkere e ntzündliche Immunreaktion vonstattengeht (Abb. 3). Nur ein geringer Anstieg des entzündungsassoziierten Moduls 2 und ein Anstieg der Expression in den Genen von Modul 3 (angereichert mit oxidativer Phosphorylierung, mTORC1-Signaling und zellzyklusassoziierten Gensignaturen) beschreiben die Patientengruppe G4. Die Kontrollpatientengruppe G6 war nicht mit entzündlichen Prozessen assoziiert und zeigte eine Anreicherung von grundlegenden zellulären und metabolischen Prozessen. Besonders die Analyse des Moduls 6 (spezifi sch für G1/G2) zeigte eine deutliche Anreicherung von Gensignaturen, die im Zusammenhang mit der Aktivierung von Granulozyten/Neutrophilen stehen. Die Analyse der im Blut zirkulierenden Immunzellpopulationen mittels Durchfl usszytometrie zeigte erhöhte Neutrophilen/Lymphozyten-Anteile insbesondere für G1 und G2, was zuvor bereits mit schweren Verläufen in Verbindung gebracht worden war [2]. Um der Ursache der im Vollblut von Patienten -insbesondere mit schwerem COVID-19-Verlauf -beobachteten Neutrophilen-mit zunehmendem Schweregrad der Erkrankung. Der an den klinischen Daten orientierte klassische Ansatz der Analyse half allerdings nicht dabei, alle in den Daten vorhandenen Strukturen zu erklären. Daher entschieden wir uns, die Transkriptome der Patienten und Kontrollspender zusätzlich mithilfe eines Koexpressionsnetzwerks zu analysieren (https://github.com/Ulas-lab/CoCena2). Die Koexpressionsnetzwerkanalyse ermöglicht die gleichzeitige Identifi zierung, Gruppierung und Erforschung von Tausenden von Genen mit ähnlichen Expressionsmustern. Dabei wird keinerlei a priori Wissen benötigt, um das Netzwerk zu generieren und Substrukturen (Module) im Netzwerk zu identifi zieren. Diese Analyse ergab ein Netzwerk aus 6.085 Genen und zehn Modulen (Abb. 1). Als nächstes haben wir mithilfe des Netzwerks die Ähnlichkeit der einzelnen Patienten und Kontrollen untereinander untersucht. Dabei ergab die Ähnlichkeitsanalyse ein Dendrogramm, das auf mehr als nur drei Gruppen (milder und schwerer Verlauf und Kontrollen) hindeutete. Die Berechnung des Silhouettenkoeffizients bestätigte diese Vermutung und schlug sechs Gruppen als optimale Anzahl in unserem Datensatz vor (Abb. 2). Die so identifi zierten fünf unterschiedlichen COVID-19-assoziierten Patientengruppen (G1-G5) sind nur teilweise durch den Schweregrad der Erkrankung zu erklären und veranschaulichen sehr deutlich die Heterogenität der Immunantwort der COVID-Sequenzierung erfasst dabei in etwa 15.000 Gene und bestimmt gleichzeitig deren Quantität. Im ersten Teil unserer Studie haben wir zunächst die sequenzierten Transkriptome von 39 COVID-19-Patienten und zehn Kontrollspendern mithilfe eines klassischen bioinformatischen Ansatzes untersucht. Im klassischen Ansatz werden die Daten mit den klinischen Daten -wie Krankheitsschweregrad, WHO-Klassifi zierung, Alter, Geschlecht usw. -verknüpft und wissensorientiert analysiert. Dabei werden die Transkriptomdaten mithilfe der klinischen Daten gruppiert und Unterschiede zwischen diesen Gruppen bestimmt. Der Vergleich zwischen den C OVID-19-Patienten und den Kontrollspendern ergab 2.289 hoch-und 912 herunterregulierte differenziell exprimierte Gene. Im darauffolgenden Schritt haben wir die Gruppe der COVID-19-Patienten in solche mit mildem und schwerem Verlauf unterteilt. Viele der im Vergleich zwischen COVID-19 und den Kontrollspendern gefundenen differenziell exprimierten Gene wurden auch bei der zusätzlichen Unterscheidung nach Schweregrad gefunden. Sowohl Patienten mit schwerem als auch mit mildem COVID-19-Verlauf zeigten eine erhöhte Expression der Neutrophilenspezifi schen Gene CD177 und HP im Vergleich zu Kontrollspendern. Unter den am stärksten differenziell niedriger exprimierten Genen waren Lymphozyten-assoziierte Gene wie NELL2, RCAN3, RORC, BACH2 und KLRB1. Auch funktionelle Vorhersagen der differenziell exprimierten Gene zeigte sehr deutlich, dass Neutrophile eine prominente Funktion während COVID-19 spielen. Der Vergleich von milden und schweren Verläufen zeigte zudem stärkere Veränderungen ˘ Abb. 2: Hierarchische Gruppierung der Proben mit den 6 Patientengruppen G1-G6. Dies weist eindeutig auf eine einzigartige, durch die SARS-CoV-2-Infektion vermittelte. Immunantwort hin, die bei der Entwicklung von patientenorientierten Therapien berücksichtigt werden muss. assoziierten Aktivierungssignaturen auf den Grund zu gehen, sequenzierten wir Transkriptome von Granulozyten einer zweiten longitudinal angelegten Kohorte. Diese Analyse zeigte, dass es neben der relativen Zunahme von Neutrophilen in schweren COVID-19-Fällen tatsächlich Veränderungen im Transkriptionsprogramm dieser Zellen selbst gibt. Wir fanden eine Anreicherung von Signaturen, die typisch für Vorläuferzellen von Neutrophilen sind [3], und Hinweise auf gleichzeitige entzündliche und suppressive Eigenschaften, was für eine Dysregulation im peripheren Granulozytenkompartiment spricht. Interessanterweise sind diese Granulozyten-Phänotpyen auch in der Analyse der Vollbluttranskriptome offensichtlich. Um COVID-19 in den Kontext anderer bekannter Krankheiten zu stellen, fassten wir als nächstes Transkriptome von zwölf weiteren Krankheiten, darunter verschiedene virale und bakterielle Infektionen sowie immunologische Erkrankungen, in einem Unser Ansatz zeigt, wie molekulare Signaturen von Bluttranskriptom-basierten stratifi zierten Patientengruppen in einem in silico-Verfahren genutzt werden können, um potenziell wirksame Medikamente gegen eine noch unbekannte Krankheit zu identifizieren. Viele der von uns identifi zierten Treffer werden inzwischen in klinischen Studien getestet. COVID-19 beginnt als lokale respiratorische Infektion mit SARS-CoV-2, die im weiteren Verlauf eine systemische Immunantwort induziert, die v. a. in schweren Krankheitsverläufen eine Dysregulation der Immunantwort aufweist, die auch als virale Sepsis beschrieben wurde [5] . Unsere hier vorgestellte Studie zeigt, dass sich Transkriptome aus dem Blut hervorragend dazu eignen, die Pathophysiologie von COVID-19 besser zu verstehen. Die daraus resultierende Patientenstratifizierung ermöglicht eine genauere Analyse ihrer Immunphänotypen. Des Weiteren wurde deutlich, dass eine derartige Einteilung von Patienten in klinischen Studien genutzt werden könnte, um Behand lungsstrategien im Sinne der Präzisionsmedizin gezielter in Abhängigkeit von den molekularen Signaturen der Patienten zu evaluieren. Wir danken unseren klinischen Partnern Prof. Dr. Evangelos Giamarellos-Bourboulis 2009-2012 Promotion in der Bioinformatik. 2012-2015 Postdoktorand an der Universität Bonn