key: cord-0917962-hblgnsal authors: Wahrendorf, Morten; Rupprecht, Christoph J.; Dortmann, Olga; Scheider, Maria; Dragano, Nico title: Erhöhtes Risiko eines COVID-19-bedingten Krankenhausaufenthaltes für Arbeitslose: Eine Analyse von Krankenkassendaten von 1,28 Mio. Versicherten in Deutschland date: 2021-01-28 journal: Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz DOI: 10.1007/s00103-021-03280-6 sha: 932564ee2eb58800118c6382fe1871bdee6d421b doc_id: 917962 cord_uid: hblgnsal BACKGROUND AND OBJECTIVE: Unemployment is related to poverty and is a risk factor for poor health. The present study investigates if unemployment increases the risk of COVID-19 hospitalization for men and women of working age in Germany. METHODS: The study uses the health insurance data from AOK Rhineland/Hamburg (from 1 January 2020 until 18 June 2020) of 1,288,745 persons aged between 18 and 65. Four employment situations are distinguished: (1) regular employment, (2) low-wage employment with social support, (3) unemployment with receipt of unemployment benefit 1, and (4) long-term unemployment with receipt of unemployment benefit 2. COVID-19 hospitalizations are measured on the basis of the ICD codes U07.1 and U07.2 reported by the hospitals. Multiple logistic regression models are calculated (adjusted for age and sex). RESULTS: During the observation period, 1521 persons had hospitalization with COVID-19 as primary or secondary diagnosis. Overall, this corresponds to a rate of 118 cases per 100,000 insured persons. Rates varied by employment situation. Compared with regularly employed persons, the odds ratio for a hospitalization was 1.94 (CI 95%: 1.74–2.15) for long-term unemployment, 1.29 (0.86–1.94) for unemployed, and 1.33 (0.98–1.82) for low-wage employment. CONCLUSION: The results are in line with earlier studies from the USA and Great Britain reporting socioeconomic inequalities in COVID-19 hospitalization risk. This provides the first empirical support that socioeconomic inequalities in the severity of COVID-19 also exists in Germany. Sozioökonomische Unterschiede spiegeln sich in Deutschland auch in der Gesundheit ganzer Bevölkerungsgruppen und deren Lebenserwartung wider. Eine aktuelle Untersuchung berichtet etwa [1] , dass Männer mit einem niedrigen Einkommen durchschnittlich eine um 8,6 Jahre kürzere Lebenserwartung als Männer mit hohem Einkommen haben; bei Frauen sind es 4,4 Jahre. Diese sozialen Unterschiede (meist bestimmt anhand von Unterschieden in Einkommen, Bildung und beruflicher Position) sind in Deutschland und anderen Ländern auch für eine Vielzahl einzelner Erkrankungen wie Diabetes, Atemwegserkrankungen, koronare Herzkrankheiten und Depressionen gut belegt [2] [3] [4] Zusammenhang zwischen einer benachteiligten sozioökonomischen Position (kurz "SEP") findet sich dabei sowohl für ein grundsätzliches Infektionsrisiko als auch für unterschiedliche Indikatoren zur Schwere der Infektionserkrankung (z. B. Krankenhausaufenthalt, intensivmedizinische Versorgung, Beatmung oder Mortalität; [5] [6] [7] [8] [9] ). Damit stellt sich die Frage, ob sozioökonomisch benachteiligte Bevölkerungsgruppen auch während der aktuellen Pandemie häufiger und schwerer an COVID-19 (Corona Virus Disease 2019) erkranken. In der Tat deutet aktuell eine wachsende Zahl internationaler Studien darauf hin, dass sich sozioökonomisch benachteiligte Bevölkerungsgruppen häufiger mit dem Virus (SARS-CoV-2) infizieren und dass sie zugleich im Falle einer COVID-19-Erkrankung schwerere Krankheitsverläufe haben (zur Übersicht siehe: [10] [11] [12] ). Dies zeigen zum Beispiel Studien aus England und den USA, die den Zusammenhang regionaler sozioökonomischer Indikatoren (z. B. durchschnittliches Einkommensniveau einer Region) und aggregierter Daten zu COVID-19 in der jeweiligen Region untersuchen (sogenannte ökologische Studien). Ein Vergleich von New Yorker Stadtteilen zeigt beispielsweise [13] , dass zu Beginn der Pandemie die Zahl der SARS-CoV-2-Infektionen in ärmeren Stadtvierteln im Allgemeinen höher war als in reichen Stadtteilen. Ähnliches gilt für COVID-19-bedingte Krankenhausaufenthalte und Mortalität [14] . Das gleiche Muster zeigen auch Untersuchungen aus England, in denen detaillierte Informationen zum Ausmaß sozioökonomischer Deprivation in einzelnen Gebieten (verfügbar für mehr als 32.000 Gebiete) mit der durchschnittlichen Anzahl an COVID-19-Todesfällen verknüpft wurden [15] [16] [17] . Aktuell sind hierzu auch 2 Studien aus Deutschland erschienen, in denen 401 Landkreise und kreisfreie Städte verglichen werden. Dabei zeigt sich, dass sozioökonomisch benachteiligte Gebiete zwar zu Beginn der Pandemie weniger Erkrankungen aufwiesen, doch mit zunehmender Dauer der Pandemie stärker betroffen waren [18] . Zusätzliche Auswertungen zeigen, dass diese Umkehrung vor allem für Gebiete im Süden Deutschlands gilt, die bereits früh hohe Infektionszahlen aufwiesen [19] . Eine wichtige Einschränkung dieser ökologischen Studien besteht allerdings darin, dass sie auf unterschiedlichen Aggregationsebenen basieren und dass weitreichende Schlussfolgerungen auf individueller Ebene nicht möglich sind (aufgrund der Gefahr ökologischer Fehlschlüsse). Bislang liegt nur eine kleine Anzahl von Studien vor, die sich direkt auf individuelle Daten stützen können. Auswertungen auf Basis der UK-Biobank (Kohortenstudie) zeigen zum Beispiel, dass sich Personen ohne Bildungsabschluss doppelt so häufig mit SARS-CoV-2 infizierten wie Personen mit Hochschulabschluss [20] . Gesundheitliche Ungleichheiten · COVID-19 · Arbeitslosigkeit · Infektionskrankheiten · Sozialepidemiologie · Deutschland Background and Objective. Unemployment is related to poverty and is a risk factor for poor health. The present study investigates if unemployment increases the risk of COVID-19 hospitalization for men and women of working age in Germany. Methods. The study uses the health insurance data from AOK Rhineland/Hamburg (from 1 January 2020 until 18 June 2020) of 1,288,745 persons aged between 18 and 65. Four employment situations are distinguished: (1) regular employment, (2) low-wage employment with social support, (3) unemployment with receipt of unemployment benefit 1, and (4) [34, 35] . Eine dritte Erklärung sind Ungleichheiten in der Versorgung. Das bezieht sich nicht nur auf die grundsätzliche Frage nach dem möglichen Zugang zu medizinischer Versorgung und der Erreichbarkeit medizinischer Einrichtungen [36] . Damit sind auch seltenere Testmöglichkeiten für ärmere Bevölkerungsgruppen [37] und eine möglicherweise verspätete Inanspruchnahme im Falle einer Erkrankung gemeint [38] . Eine klare Antwort auf die Frage, warum sozioökomische Ungleichheiten bei COVID-19-Krankenhausaufenthalten im hier untersuchten Kollektiv existieren, bleibt aber schwierig und komplex. Die oben genannten Gründe liefern sicherlich wichtige Anhaltspunkte. Doch wirken sie gewiss nicht einzeln, sondern sind miteinander verknüpft. Zudem variiert deren Stellenwert auch entlang der betrachteten sozioökonomischen Merkmale (Einkommen, Bildung und Beruf). So wird die Erforschung der Gründe und ihrer relativen Bedeutung für unterschiedliche sozioökonomische Merkmale -neben einer soliden epidemiologischen Beschreibung von Ungleichheiten -sicherlich Teil zukünftiger Forschung sein müssen. Für die vorliegende Studie kann davon ausgegangen werden, dass Unterschiede in der Vulnerabilität ein wichtiger Grund sein könnten. Denn wie frühere Studien zeigen, sind sowohl chronische Erkrankungen (bspw. koronare Herzkrankheiten) unter Arbeitslosen häufiger verbreitet als auch verhaltensbezogene Risikofaktoren wie Rauchen oder Adipositas [27, 39, 40] -alles Punkte, die einen schweren Erkrankungsverlauf von COVID-19 bedeuten können [41] . Eine genaue Prüfung dieser Vermutungen war in dieser Studie aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit von Daten zu Vorerkrankungen allerdings nicht möglich. Eine aktuelle Studie aus England zeigt aber, dass sozioökonomische Unterschiede einer COVID-19bedingten Mortalität auch dann bestehen bleiben, wenn Vorerkrankungen (inkl. Diabetes, Asthma und koronarer Herzkrankheiten), Rauchen und Übergewicht berücksichtigt werden [16] . Dies deutet darauf hin, dass auch weitere Faktoren für die Vulnerabilität eine Rolle spielen könnten. Ein weiterer möglicher Faktor ist die psychosoziale Belastung durch Arbeitslosigkeit (und innerhalb benachteiligter Berufsgruppen). Es ist gut dokumentiert, dass Arbeitslosigkeit ein starker Stressor ist und dass die physiologische Stressreaktion mit einer Immunsuppression (und einer erhöh- ten Infektionsanfälligkeit) verbunden ist [42] [43] [44] . Unterschiede in der Exposition spielen für die vorliegende Studie vermutlich keine große Rolle. Hierzu liegen bisher auch keine verlässlichen Studien vor, in denen das Infektionsrisiko zwischen Arbeitnehmern und Arbeitslosen verglichen wird. Möglicherweise ist das Infektionsrisiko für Arbeitslose sogar eher geringer, da sie in ihrer Mobilität eingeschränkt sind (z. B. keine Notwendigkeit des Pendelns) und dem Virus nicht durch soziale Kontakte mit Kollegen, Kunden oder Patienten während der Arbeit ausgesetzt sind. Allerdings ist dieser Punkt eher für das Infektionsrisiko selbst und weniger für die Schwere einer Erkrankung einschließlich einer Hospitalisierung wichtig. Auch die dritte Erklärung (Ungleichheiten in der Versorgung) könnte in unserem Fall weniger bedeutend sein. Das deutsche Gesundheitssystem bietet nämlich einen universellen Zugang zur ambulanten und stationären Versorgung. Trotz dieses freien Zugangs zeigen Studien aus Deutschland jedoch, dass die Inanspruchnahme der Versorgung von ärmeren Bevölkerungsgruppen vergleichsweise selten ist [36, 45] . In unserem Fall könnte dies bedeuten, dass Arbeitslose den Gang in die ärztliche Praxis meiden oder diese verspätet aufsuchen, wodurch es eher zu schweren Erkrankungsverläufen kommt, die einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machen. Soziale Unterschiede in der Mortalität und Lebenserwartung in Deutschland -Aktuelle Situation und Trends Health inequalities: persistence and change in modern welfare states Healthinequality: anintroduction to concepts, theories and methods Socio-economic disparities in mortality due to pandemic influenza in England The social determinants of health and pandemic H1N1 2009 influenza severity Social factors related to the clinical severity of influenza cases in Spain during the A (H1N1) 2009 virus pandemic Socioeconomic disparities and influenza hospitalizations Social determinants of influenza hospitalization in the United States Will the COVID-19 pandemic and infection control measures increase health inequalities? Kompetenznetz Public Health COVID-19 The COVID-19 pandemic and health inequalities Sozioökonomische Ungleichheit und COVID-19 -Eine Übersicht über den internationalen Forschungsstand An ecological study of socioeconomic predictors in detection of COVID-19 casesacrossneighborhoodsinNewYork City Variation in COVID-19 hospitalizations and deaths across new York City boroughs DeathsinvolvingCOVID-19bylocalarea and socioeconomic deprivation: deaths occurring between 1 March and 17 OpenSAFELY: factors associated with COVID-19 death in 17 million patients Ethnic disparities in hospitalisation for COVID-19 in England: the role of socioeconomic factors, mental health, and inflammatory and pro-inflammatory factors in a community-based cohort study The pandemic predominantly hits poor neighbourhoods? SARS-CoV-2 infections and Covid-19 fatalities in German districts Sozioökonomische Ungleichheit im Infektionsrisiko mit SARS-CoV-2 -Erste Ergebnisse einer Analyse der Meldedaten für Deutschland Ethnic and socioeconomic differences in SARS-CoV-2infection: prospectivecohortstudyusingUK Race, Socioeconomic Deprivation, and Hospitalization for COVID-19 in English participants of a National Biobank Coronavirus (COVID-19) related deaths by occupation, England and Wales: deaths registered up to and including Coronavirus disease 19 in minority populations of Hospitalization and mortality among black patients and white patients with Covid-19 Unemployment and ill health -understanding the relationship Is an insecure job better for health than having no job at all? A systematic review of studies investigating the health-related risks of both job insecurity and unemployment Comparison of patients hospitalized with pandemic 2009 influenza A (H1N1) virus infection during the first two pandemic waves in Wisconsin Influenza-related hospitalizations and poverty levels -United States Health inequalities and infectiousdiseaseepidemics:achallengeforglobal health security Pandemic influenza planning in the United States from a health disparities perspective Erwerbsarbeit in Zeiten von Corona Die Mannheimer Corona-Studie: Schwerpunktbericht zur Erwerbstätigkeit in Deutschland Social inequalities in exposure to ambient air pollution: a systematic review in the WHO European region Residential traffic exposure and coronary heart disease: results from the Heinz Nixdorf Recall Study Soziale Unterschiede in der ambulanten und stationären Versorgung Early evidence of disparities in COVID-19 testing in US cities Influenza-like illness, the time to seek healthcare, and influenza antiviral receipt during the 2010-2011 influenza season-United States The effects of exit from work on health across different socioeconomic groups: a systematic literature review Risk factors of critical & mortal COVID-19 cases: a systematic literature review and meta-analysis Lifestyle risk factors, inflammatory mechanisms, and COVID-19 hospitalization: A communitybased cohort study of 387,109 adults in UK Gesundheitliche Situation von langzeitarbeitslosen Menschen Psychological stress and the human immune system: a metaanalytic study of 30 years of inquiry Psychological stress, neuroimmunomodulation, and susceptibility to infectious diseases in animals and man: a review Forgone care and financial burden due to out-of-pocket payments within the German health care system Covid-19:Twothirdsofhealthcare workers who have died were from ethnic minorities COVID-19 exacerbating inequalities in the US Are some ethnic groups more vulnerable to COVID-19 than others? The Institute for Fiscal Studies Importance of collecting data on socioeconomic determinants from the early stage of the COVID-19 outbreak onwards Integrierte gesundheitspolitische Empfehlungen -Eine Begründung integrierter gesundheitspolitischer Empfehlungen zur Eindämmung indirekter gesundheiticher Folgen der COVID-19 Pandemie im Rahmen internationaler Public-Health Entwicklungen