key: cord-0939840-coyc2ckq authors: Strauß, Bernhard; Berger, Uwe; Rosendahl, Jenny title: Bedeutung der COVID-19-Pandemie für die öffentliche Gesundheit und gruppenpsychologische Aspekte – Teil 2 einer (vorläufigen) Übersicht date: 2021-03-24 journal: Psychotherapeut (Berl) DOI: 10.1007/s00278-021-00505-6 sha: f5bf65ade3c3d432fd8014ed496253c42ee08947 doc_id: 939840 cord_uid: coyc2ckq Based upon the findings related to the impact of the coronavirus disease 2019 (COVID-19) pandemic on human living conditions and psychological health, in the first part of this review the authors discuss the consequences of the pandemic for public health. It is surprising to see that related to public health but also psychological factors and sequelae of the pandemic, a broad knowledge was already available based upon former pandemics and disasters long before the outbreak of COVID-19. This knowledge has been used very sparsely, if at all, for health political decisions. In view of the social significance of the pandemic and its social impact, findings from group psychology and group dynamics seem to be specifically important for a better understanding of behavior within the population as well as the conceptualization of public health interventions. An increase in psychological disorders was described related to the pandemic. For the treatment of these disorders, a range of psychotherapeutic approaches including evidence-based group psychotherapy are available. Whereas the use of telemedical and digital techniques is increasingly more common within individual psychotherapy, many questions are still open related to online group treatment. Im Frühjahr 2020 strahlte das ZDF eine 8-teilige fiktionale Fernsehserie aus mit dem Titel "Sløborn": Darin geht es um ... Bis aufdie Tödlichkeitdes Virus, die Wendung mit den Verwahranstalten und den Einsatz der Bundeswehr zur gewaltsamen Durchsetzung der Regierungsmaßnahmen ist die Serie unglaublich nah an dem, was nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie weltweit passierte. Aber das wirklich Erstaunliche ist, dass das Drehbuch (ebenso wie in dem Buch zur Psychologie der Pandemie von Taylor (2020)) bereits im Herbst 2019 fertig und die Serie bereits komplett abgedreht war, bevor das "severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2" (SARS-CoV-2) überhaupt die Pandemie verursachte. Die Autoren dieser Serie haben in ihrem Drehbuch Informationen verarbeitet, die schon lange vor COVID-19 bekannt waren. Denn die Krankheit "severe acute respiratory syndrome" (SARS) Public Health · Prävention · Gruppendynamik · Gruppentherapie · Gesundheitswissen, -einstellungen, -praxis Based upon the findings related to the impact of the coronavirus disease 2019 (COVID-19) pandemic on human living conditions and psychological health, in the first part of this review the authors discuss the consequences of the pandemic for public health. It is surprising to see that related to public health but also psychological factors and sequelae of the pandemic, a broad knowledge was already available based upon former pandemics and disasters long before the outbreak of COVID-19. This knowledge has been used very sparsely, if at all, for health political decisions. In view of the social significance of the pandemic and its social impact, findings from group psychology and group dynamics seem to be specifically important for a better understanding of behavior within the population as well as the conceptualization of public health interventions. An increase in psychological disorders was described related to the pandemic. For the treatment of these disorders, a range of psychotherapeutic approaches including evidence-based group psychotherapy are available. Whereas the use of telemedical and digital techniques is increasingly more common within individual psychotherapy, many questions are still open related to online group treatment. Public health · Prevention · Group dynamics · Group psychotherapy · Health knowledge, attitudes, practice In einem Beitrag aus einem Themenheft der Zeitschrift Group Dynamics mit dem Titel "Groups in a dangerous time: virtual work in therapy in the COVID-19 era" beschreibt Forsyth (2020) das alte Konzept des Gruppendenkens ("groupthink") mit Perspektive auf die Pandemie: Dieses Konzept stammt aus den frühen 1970er-Jahren (Janis 1972) (Stasser und Abele 2020) . Schon Hill (1987) hat gezeigt, dass eine Vernachlässigung von Forderungen nach sozialer Distanz mit dispositionellen Unterschieden im Hinblick auf die Präferenz erklärt werden kann, im Fall von Stress andere Menschen zu kontaktieren (Forsyth 2020) . Eine ganze Reihe von Faktoren wird in der Literatur beschrieben, die auf individueller und auch Gruppenebene Reaktionen auf Interventionen gegen die Verbreitung der Pandemie negativ beeinflussen. Auf einer individuellen Ebene sind es offensichtlich vielfältige Faktoren, wozu etwa ein erhöhtes Maß an Narzissmus und Psychopathie gehört; in jüngster Zeit wird in diesem Kontext auch die "dunkle Triade" untersucht (Nowa et al. 2020) . Auf einer Gruppenebene sind es insbesondere unterschiedliche Arten von normativem Druck und das Gruppendenken, die das Verhalten der Gruppe und des Einzelnen bestimmen. Ein Schub für die Telepsychotherapie Im Einzeltherapiebereich ist mittlerweile Teletherapie als hoch wirksam beschrieben (z. B. Andersson 2018). "Remote formats" (Telefon, Internet) scheinen beispielsweise gut belegte Formate für kognitiv-behaviorale Therapie (CBT) und interpersonale Psychotherapie (IPT) bei (postnatalen) Depressionen zu sein (z. B. Dennis et al. 2020). So ist es nicht erstaunlich, dass in unserem Gesundheitssystem infolge der Pandemie und des Lockdowns viele psychotherapeutische Kontakte im individuellen Bereich auf Videosprechstunden und telemedizinische Formate verlagert wurden, wenngleich auch mit einer gewissen Ambivalenz und Selbstzweifeln aufseiten der Psychotherapeut*innen (Aafies-van Doorn et al. 2020) sowie kritischen Stimmen zu den möglichen Einschränkungen aus technischer, aber auch aus sozialer, psychotherapeutischer und ethischer Perspektive (Tullio et al. 2020) . Tatsächlich scheint sich -nicht zuletzt aufgrund der Angst der Psychotherapeut*innen vor Ansteckung -eine Reduktion realer zugunsten von telefonischen und Internetkontakten als Folge von COVID-19 ergeben zu haben (z. B. Humer et al. 2020; Inchausti et al. 2020) , was auch als eine positive Wirkung der Pandemie gewertet wird (Torous und Wykes 2020; Wright und Caudill 2020). Eine ausführlichere Übersicht hierzu bietet der Beitrag von Eichenberg (2021, in diesem Heft) . Die Anwendung gruppenbezogener Interventionen via Internet ist vergleichsweise noch deutlich weniger verbreitet und erprobt. Angesichts der Bedeutung gruppenpsychologischer Betrachtungen der Pandemie und ihrer Auswirkungen überrascht es nicht, dass auch bezüglich (neuer) Gruppenformate im klinischtherapeutischen Bereich infolge der COVID-19-Pandemie diskutiert wird. Wie in Teil I der Übersicht gezeigt (Strauß et al. 2021) , ist eine Vielzahl psychischer Probleme als Folge der Pandemie in der noch jungen epidemiologischen Literatur beschrieben, allen voran Angststörungen, affektive Störungen, belastungsabhängige Störungen, aber auch der erhöhte Missbrauch von Substanzen, wie Drogen und Alkohol. Die gruppenpsychotherapeutische Literatur (beispielsweise die aktuelle Zusammenfassung von Strauß et al. 2020 ) Weist aus, dass mittlerweile für eine Vielzahl eben dieser,aberauchandererpsychischerStörungen eine sehr überzeugende Evidenz zur Wirksamkeit von Gruppentherapien vorliegt. Diese Wirksamkeit lässt sich sowohl im Vergleich mit "inaktiven" Kontrollgruppen, wie Wartelisten etc., nachweisen, aber auch im Vergleich zu anderen aktiven Behandlungsmaßnahmen (einschließlich der Einzeltherapie), bei denen sich keine bedeutsamen Unterschiede zwischen Gruppen und anderen Behandlungssettings finden lassen (z. B. Burlingame et al. 2016) . Da auch aus hygienischen Gründen Live-Gruppen in Zeiten von COVID-19 schwierig geworden sind, stellt sich die Frage, ob es digitale oder virtuelle Alternativen gibt, die man auch für die Gruppenbehandlung in Zeiten von COVID-19 nutzen kann, nachdem viele psychotherapeutische Kontakte im individuellen Bereich ja auf Videosprechstunden und telemedizinische Formate verlagert wurden. Im Gruppenbereich gibt es schon lange verschiedene Formen von "Onlinegruppen", angefangen von E-Mail-Foren, in denen man die anderen Gruppenmitglieder nicht zu Gesicht bekommt, und asynchrone Gruppen, die sich eines Internetforums bedienen, in das man sich nach Bedarf einwählen kann und in dem man in erster Linie Meinungen und Informationen aufgreift. In Zeiten von COVID-19 sind synchrone Gruppen bedeutsamer geworden, vor allen Dingen solche, die mit Videounterstützung arbeiten, wie etwa Zoom-basierte Gruppen (Armington et al. 2020 If someone brought a cat to the group, most group leaders would explore the dynamic meaning for the participant who brought the cat. However, when someone passes behind one of the group members when they sit in front of a computer, or when the tail of a cat suddenly appears on the screen, most of the time no one, including the group therapist, comments on it. It is as if these background details become transparent to us. Special attention and training are needed not to ignore these events. (Weinberg 2020b) Weinberg (2020a) resümiert, dass die Onlinegruppentherapieforschung noch in ihren Kinderschuhen steckt und wir vor allen Dingen viel zu wenig über die Effektivität von Gruppenangeboten für einzelne Mitglieder wissen. Im Großen und Ganzen gibt es keine randomisierten kontrollierten Studien zur Wirksamkeit von Videogruppen im Vergleich zu anderen Ansätzen. In Weinbergs Sichtweise können zwei wesentliche Aspekte der therapeutischen Allianz, nämlich die Übereinstimmung bezüglich der Therapieziele ("goals") und der Frage ihrer Zielerreichung ("task") in Onlinegruppen durchaus erreicht werden, wohingegen die Frage der emotionalen Qualität der Beziehung ("bonds") noch nicht geklärt ist. Diese dürfte in star-kem Maße mit körperlicher Interaktion einschließlich Augenkontakt in Verbindung stehen, der in Videogruppensettings nicht bzw. sehr viel schwerer herstellbar ist. Darüber hinaus ist zu vermuten, dass wirkliche Präsenz über Bildschirmkontakte u. a. auch aufgrund zu vieler Ablenkungsfaktoren sehr schwer herstellbar sein wird. Hier ist also sehr viel Forschung nötig, wobei auch einige Hinweise aus der gruppendynamischen Forschung im nichtklinischen Bereich wichtig sein können. So konnten z. B. Holtz et al. (2020) zeigen, dass a priori erteilte Instruktionen und Hinweise auf den Umgang mit Emotionen interaktive Probleme zumindest in nichtklinischen virtuellen Gruppen deutlich reduzieren können und dazu beitragen, dass virtuelle und nichtvirtuelle Gruppen durchaus ähnlich wahrgenommen werden (Brown et al. 2020) , wobei der Umgang mit virtuellen Gruppen interindividuell stärker unterschiedlich ist. Beispielsweise ist die Bereitschaft zur Nutzung abhängig von der technischen Ausstattung, den Fertigkeiten im Umgang mit Technologie und den ganz allgemeinen Einstellungen zur Technologie sowie von der Nutzung der hierfür zur Verfügung gestellten "Tools" im Sinne der Entwicklung von Standards, mit denen alle gleichermaßen gut umgehen können. Insgesamt gesehen kommen Gruppendynamiker aber zu dem Schluss, dass Gruppen im Angesicht der aktuellen Pandemie einen gewaltigen Aufschwung erleben sollten: The light is shining more brightly than ever on the power of group psychotherapy to help people quickly make meaningful improvements in their quality of life. Hopefully, all of this will spur interest in groups, interest in funding scholars of groups, and willingness to more fully underwrite group-based treatments for mental and life issues (Parks 2020, S. 120 ). Einige Aspekte, die in dieser Übersicht gezeigt wurden, legen nahe, dass die momentan wie am Fließband produzierten Befunde zu psychosozialen Aspekten der COVID-19-Pandemie wis-senschaftliche Erkenntnisse bestätigen, die bereits vor dem Ausbruch prinzipiell bekannt waren. Hierzu zählen die potenzielle Steigerung einer Vielzahl psychischer Probleme und Störungen, die Notwendigkeit spezifischer Angebote, auch psychotherapeutischer Art, für die Betroffenen und die Betrachtung der gruppendynamischen Prozesse rund um die Pandemie, einschließlich der Reaktionen bestimmter Teile der Bevölkerung. So gesehen dürften die Inhalte der Übersicht vielleicht doch nicht so schnell veraltet sein (Strauß et al., in diesem Heft; Spitzer 2020) . Zusammenfassend sind auch aus der Public-Health-Perspektive COVID-19 und SARS-CoV-2 vom grundsätzlichen Agieren her in Bezug auf den Bevölkerungsschutz keine einmalige oder neue Herausforderung. Wenngleich dies 100 Jahre nach der sog. Spanischen Grippe die erste Infektionskrankheit wirklich pandemischen Ausmaßes ist, wird es erwartungsgemäß weder die Letzte sein, noch gibt es eine Garantie dafür, dass bis zur nächsten Pandemie wieder 100 Jahre vergehen werden (insofern entspricht die Bezeichnung "Jahrhundertpandemie" vom Gesundheitsminister Jens Spahn im Bundestag am 18.11.2020 wohl eher dessen Wunschdenken). Die in den vergangenen Jahrzehnten sprunghaft gestiegene globale Mobilität, die Zunahme von Massentierhaltung, das weltweite Bevölkerungswachstum und die globale Erwärmung im Zuge des Klimawandels sprechen für zunehmend bessere Entstehungs-, Überlebens-und Verbreitungschancen insbesondere von Viren, die Menschen und Tiere wechselseitig als Wirte nutzen und die eine hohe Mutationsrate mit immer neuen Varianten aufweisen. Insofern wäre es gut, wenn die Gesundheitspolitik nicht nur aus den Erfahrungen mit dem COVID-19-Virus, sondern auch mit früheren Pandemien und den damit verbundenen Erkenntnissen aus einer psychosozialen und Public-Health-Perspektive lernen könnte und das sozialwissenschaftliche Wissen und die Kompetenz in diesen Feldern auch noch adäquater für die Entscheidungsfindung auf dem Feld der Gesundheitspolitik und der öffentlichen Gesundheit nutzen würde. /article_zooming-along-in-thepandemic-and-beyond.pdf?sfvrsn=41999ba9 Euren Applaus könnt ihr euch sonst wohin stecken" -Pflegenotstand, Materialmangel, Zeitnot -was alles in unserem Gesundheitssystem schiefläuft. HarperCollins, Hamburg BrooksSK,WebsterRK,SmithLEetal(2020)Thepsychological impact of quarantine and how to reduce it: rapid review of the evidence Distancing ourselves from geographic dispersion Outcome differences between individual and group formats Physical distancing, face-masks, and eye protection to prevent person-to-person transmission of SARS-CoV-2 and COVID-19: a systematic review and metaanalysis Telephone-based nurse-delivered interpersonal psychotherapy for postpartum depression: nationwide randomised controlled trial Online-Psychotherapie in Zeiten der Corona-Pandemie Kindness can work wonders. Especially for the vulnerable. The Guardian Group-level resistance to health mandates during the COVID-19 pandemic: a groupthink approach Afficiliation motivation: people who need people ....but in different ways Virtual team functioning. Modelling the affective and cognitive effects of an emotional management intervention Provision of psychotherrapy during the COVID.19 pandemic among Czech, German and Austrian Psychotherapists Psychological intervention and COVID-19: what we know so far and what we can do Victims of groupthink The psychology of the COVID.19 pandemic. A group-level perspective Adaptive and maladaptive behavior during the COVID-19 pandemic: the roles of dark triad traits, collective narcissism, and health beliefs Group dynamics when battling the pandemic What the data say about wearing facemasks Nationaler Pandemieplan Teil I und II Collective choice, collabroation and communication Neuere Entwicklungen in der Gruppenpsychotherapieforschung -ein Update Mittelbare und unmittelbare psychosoziale Folgen der COVID-19-Pandemie -Eine (vorläufige) Übersicht: Teil I: Folgen für die psychische Gesundheit und Konsequenzen für die Psychotherapie Infection fatality rate of SARS-CoV-2 infection in a German community with a super-spreading event Lehrbuch der Gesundheitspsychologie -Ein sozialpsychologischer Ansatz Die Pandemie als psychologische Herausforderung Opportunities from the coronavirus disease 2019 pandemic for transforming psychiatriccarewithtelehealth Psychological support and psychotherapy via digital devices in COVID-19 emergency time: some critical issues Form the circle to the screen Online group psychotherapy: Challenges and possibilities during COVID-19-A practice review Hrsg) (2019) Theory and practice of online therapy. Routledge, New York Wright JH, Caudill R (2020) Remote treatment delivery in response to the COVID-19 pandemic