key: cord-0976491-k3g5xx02 authors: Zeeh, Joachim; Memm, Kristin; Heppner, Hans-Jürgen; Kwetkat, Anja title: Beatmung geriatrischer Patienten — ein ethisches Dilemma?: Corona-Pandemie 2020 date: 2020-05-14 journal: MMW Fortschr Med DOI: 10.1007/s15006-020-0475-y sha: adece9b0691929edd1495d8a619313f0e8a9acb9 doc_id: 976491 cord_uid: k3g5xx02 Dieser Beitrag möchte einen Überblick darüber geben, wie und mit Hilfe welcher Kriterien eine medizinisch, ethisch und rechtlich vertretbare Entscheidung darüber getroffen werden kann, welche der betagten Patienten mit einer schweren COVID-19-Pneumonie mittels künstlicher Beatmung behandelt werden sollten und welche von einer solchen Therapie eher nicht profitieren würden. Wie schwer muss ein Notstand wiegen, um Menschen das Recht zu gewähren, über den Wert des Lebens zu entscheiden? Recht und Rechtsprechung bestimmen eindeutig, dass dies niemals geschehen darf. Kein Notstand kann die Entscheidung rechtfertigen, ein Leben sei mehr oder weniger wert als ein anderes. Dies gilt unabhängig von den Kriterien, auf denen die Entscheidung beruht. Es ist nicht zulässig, das Leben eines Arztes höher zu bewerten als das Leben eines Mechanikers, nur weil der Arzt noch viele Leben retten könnte. Auch darf nicht entschieden werden, dass das Leben eines Kindes schwerer wiegt als das eines Menschen, der sein Leben bereits gelebt hat. Leben darf nicht gegen Leben abgewogen werden [1] . Mehrere notfall-und intensivmedizinische Fachgesellscha en haben dazu bereits Position bezogen und in ihren Empfehlungen klargestellt, dass eine ein-fache Begrenzung intensivmedizinischer Leistungen allein aufgrund des kalendarischen Alters eines COVID-19-Patienten nicht akzeptabel ist [2] . Und dennoch prognostizieren die Statistiken, dass bei einem sprungha en Anstieg der COVID-19-Infektionen damit zu rechnen ist, dass die apparativen und personellen Ressourcen nicht ausreichen werden, um jeden schwer erkrankten Patienten invasiv zu beatmen. Wenn nicht nach dem Lebensalter, nach welchen Kriterien soll ein Arzt dann urteilen? Die Antwort ist, dass allein die medizinischen Kriterien die Behandlung vorgeben. Es geht nicht darum, Leben zu bewerten, sondern Indikationen. Welcher Patient hat ein hohes Risiko, nicht von einer intensivmedizinischen Behandlung zu pro tieren? Zunächst sollte der Patient anhand der Clinical Frailty Scale ( [3] und Abb. 1) in eine der neun Gebrechlichkeitskategorien eingeteilt werden (von "überdurchschnittlich t, robust und voller Energie" bis "komplett von Unterstützung abhängig" und "terminal krank mit einer geschätzten Lebenserwartung < 6 Monaten"). Als nächste Entscheidungshilfe empfehlen wir die sog. "Wären-Sie-überrascht-Frage": "Wären Sie überrascht, wenn Ihr Patient in den nächsten sechs bis zwölf Monaten versterben würde?" Wenn die Antwort eines Arztes, der den Patienten länger kennt, "nein" lautet, ist dies ein subjektiver, aber dennoch aussagekrä iger Hinweis. Liegt zusätzlich noch mindestens ein Kriterium aus Tab. 1 vor, empehlt sich eine primär palliative Behandlungsstrategie [7, 8, 9] . Bleiben dennoch Zweifel, emp ehlt sich ein erneuter Blick auf Tab. 1: Je mehr der dort aufgeführten Kriterien bei dem Patienten vorliegen, desto nachdrücklicher ist die Empfehlung für eine zurückhaltende, symptomlindernde und palliative Behandlungsstrategie ("best supportive care"). Die subjektive Einschätzung eines Hausarztes, der seinen Patienten länger kennt, hat einen hohen Stellenwert bei der Entscheidung für oder gegen eine Intensivbehandlung. Ziel ist die Identifizierung von Patienten mit einem erhöhten Risiko für einen ausbleibenden Behandlungserfolg, welche nicht von einer intensivmedizinischen Intervention profitieren dürften. Personen in dieser Kategorie sind robust, aktiv, voller Energie und motiviert. Sie trainieren üblicherweise regelmäßig und sind mit die Fittesten innerhalb ihrer Altersgruppe. Personen in dieser Kategorie zeigen keine aktiven Krankheitssymptome, sind aber nicht so fit wie Personen in Kategorie 1. Sie sind durchschnittlich aktiv oder zeitweilig sehr aktiv, z.B. saisonal. Die Krankheitssymptome dieser Personengruppe sind gut kontrolliert, aber außer Gehen im Rahmen von Alltagsaktivitäten bewegen sie sich nicht regelmäßig. Auch wenn sie nicht auf externe Hilfen im Alltag angewiesen sind, sind Personen in dieser Kategorie aufgrund ihrer Krankheitssymptome oft in ihren Aktivitäten eingeschränkt. Häufig klagen sie über Tagesmüdigkeit und/oder berichten, dass Alltagsaktivitäten mehr Zeit benötigen. Münchener Kommentar zum StGB Deutsche Übersetzung der Clinical Frailty Scale Reliability of frailty assessment in the critically ill: a multicentre prospective observational study Clinical frailty scale reliably stratifies octogenarians in German ICUs: a multicentre prospective cohort study Clinical frailty scale in an acute medicine unit: a simple tool that predicts length of stay Recognising and managing key transitions in end of life care How accurate is the 'Surprise Question' at identifying patients at the end of life? A systematic review and meta-analysis Using intuition or a formal palliative care needs assessment screening process in general practice to predict death within 12 months: a random-ized controlled trial