key: cord-0988836-2q0ih835 authors: Bielinski, Laura Luisa; Trimpop, Leonie; Berger, Thomas title: Die Mischung macht’s eben? Blended-Psychotherapie als Ansatz der Digitalisierung in der Psychotherapie date: 2021-07-09 journal: Psychotherapeut (Berl) DOI: 10.1007/s00278-021-00524-3 sha: 0ded824d7fc6b9ca6223d85c08fb24b1d687da0a doc_id: 988836 cord_uid: 2q0ih835 BACKGROUND: Over the last decades various approaches to digitalization of psychotherapy (PT) have been developed. The concept of blended PT, the combination of face to face and online interventions is one such example. While research interest on blended PT has greatly increased in the past years, the implementation of blended PT has lagged behind in German speaking countries. Also, due to the global pandemic caused by the coronavirus disease 2019 (COVID-19), blended PT and other online approaches seem to be more relevant than ever before. OBJECTIVE: The aim is to give an overview on the various forms of blended PT. Furthermore, the efficacy, the perspectives of patients and therapists as well as the topic of implementation are discussed. MATERIAL AND METHODS: Narrative review of the literature on the topic of blended PT. Important considerations and findings are classified and described based on a comprehensive search. RESULTS: Blended psychotherapy is a concept in need of definition. By taking inspiration from blended learning concepts, we propose that a definition of blended psychotherapy should consider different levels of blends and may also consider the transforming effect on face to face psychotherapy. In transforming blends face to face PT is fundamentally changed. For some forms of blended PT the effectiveness has already been confirmed but for others there is an urgent need for research. Compared to face to face PT and purely online therapy, blended psychotherapy could provide several advantages. CONCLUSION: The interest in blended PT is increasing among patients and therapists. To be able to successfully provide evidence-based blended PT, close cooperation between science, institutions, therapists and relevant stakeholders is needed. In den letzten Jahrzehnten wurden zunehmend neue Technologien zur Behandlung von psychischen Erkrankungen entwickelt und angewandt. Online-Interventionen haben sich diesbezüglich in vielen Studien als wirksam erwiesen (Barak et al. 2008; Carlbring et al. 2018 ). Die "Blended-Psychotherapie" (Blen-ded-PT) bezeichnet die Kombination von "Face-to-face"-PT und Online-Interventionen. Dieser Beitrag setzt sich mit der Frage der Definition von Blended-PT auseinander und gibt einen Überblick zur Wirksamkeit, zur Sicht von Therapeut:innen und Patient:innen sowie zu ihrer Implementierung in die Praxis. Der Begriff "blended" wird im Bereich der Therapie psychischer Erkrankungen uneinheitlich verwendet. Zum Teil werden Bezeichnungen wie "blended psychotherapy", "blended therapy", "blended care", "blended intervention" oder auf Deutsch -"verzahnte PT" oder "gemischte PT" ge-nutzt. Einige Autoren beschreiben mit dem Begriff "blended care" die Integration von Offline-und Online-Elementen in einen Behandlungsprozess (Wentzel et al. 2016 ). Andere Autoren subsumieren unter "blended interventions" auch "Stepped-care"-Ansätze oder die Online-Nachsorge, die auf eine Face-to-face-PT folgt (Erbe et al. 2017) . Gemeinsam haben die verschiede-nen Termini, dass sie eine Kombination von Face-to-face-und Online-Interventionen umfassen. Es stellt sich jedoch die Frage, wie diese Kombination genau realisiert wird. Merke. Blended-PT meint die Kombination von Face-to-face-PT mit Online-Interventionen. In Anlehnung an eine Einteilung in Ebenen aus dem Bereich des Blended Learning (Graham 2006) können auch "blends" im Bereich der PT als Mischung von Face-to-face-PT und Online-Intervention auf verschiedenen Ebenen stattfinden. Es kann zwischen der Ebene der Gesamtbehandlung (beispielsweise Online-Interventionen der Face-to-face-PT vor oder nachgeschaltet), der Ebene der PT (beispielsweise Online-Intervention als Zusatz zur Face-to-face-PT oder Face-toface-Sitzungen abwechselnd mit Online-Modulen) und der Ebene der Sitzung (beispielsweise Face-to-face-und Online-Teile in einer Sitzung) unterschieden werden (. Abb. 1). Kombinationen der verschiedenen Ebenen sind ebenfalls möglich. Interessanterweise wird im Bereich des Blended Learning neben der Unterscheidung von verschiedenen Ebenen auch der Begriff des "transforming blend" (Graham 2006 ) eingeführt. Gemeint ist ein Blend, der die Art der Pädagogik radikal transformiert und damit intellektuelle Aktivität ermöglicht, die ohne ihn nicht stattgefunden hätte (Graham 2006) . Im Bereich der Blended-PT kann zwischen transformierenden und ergänzenden Blends unterschieden werden (. Abb. 3). Beispielhaft handelt es sich um einen transformierenden Blend, wenn die Online-Intervention den Fokus und die Arbeit in den Face-to-face-Sitzungen verändert, indem das Online-Programm den Inhalt und die Struktur der Face-to-face-Sitzungen mitbestimmt oder bestimmte Themen nur noch online behandelt und andere online bereits eingeführte Themen in den Face-to-face-Sitzungen besonders vertieft werden. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass eine stärkere Verzahnung der Face-to-face-und Online-Elemente zu einer stärkeren Transformation der Therapie führt. Im Gegensatz dazu werden die Online-Programme in ergänzenden Blends als Zusatz eingesetzt, wobei die Struktur und der Inhalt der Face-toface-PT wenig tangiert werden sowie die Online-und Face-to-face-Elemente insgesamt meist wenig verzahnt sind. Merke. Im Bereich der Blended-PT kann neben der Differenzierung von verschiedenen Ebenen auch zwischen ergänzenden und transformierenden Blends unterschieden werden. Typischerweise ist der Grad der Transformierung auf der Ebene der Gesamtbehandlung am niedrigsten und auf der Ebene der Sitzung am höchsten, wobei es diesbezüglich sicherlich auch Ausnahmen gibt. Beispielsweise kann eine vorgeschaltete Online-Intervention im Rahmen eines Stepped-care-Ansatzes die darauffolgende PT auch verändern (spezifische Inhalte werden in der Face-to-face-PT nicht mehr thematisiert oder besonders in den Fokus gerückt etc.). Im Rahmen der Studie zu REMOTION (Bielinski et al. 2020) wird mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse von Interviewdaten u. a. die ergänzende vs. transformierendeWirkungder Blended-PT aus zwei unterschiedlichen Perspektiven, der Perspektive der Patient:innen und der Therapeut:innen, auch explorativ untersucht. In den letzten Jahren wurden verschiedene Studien zur Wirksamkeit von Blended-PT publiziert (Berger et al. 2018; Nordgreen et al. 2016; Wright et al. 2005) . Die meisten dieser Studien basieren auf der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) und wurden bei Depression, Angststörungen und Substanzabhängigkeit erforscht. Im Folgenden werden Beispiele für Studien zu Blends innerhalb der Gesamtbehandlung, der PT und auf der Ebene von Sitzungen dargestellt. Eine andere Studie konnte zeigen, dass die Wirksamkeit einer Blended-PT auch bei stationären Patient:innen gegeben war (Zwerenz et al. 2017) . Patient:innen erhielten zusätzlich zu einer psychodynamischorientierten, stationären Therapie entweder Zugang zu einem Online-Programm (Interventionsgruppe) oder Zugang zu reiner Online-Psychoedukation. Nach 12 Wochen gab es einen signifikanten Unterschied die depressive Symptomatik betreffend zwischen den beiden Gruppen, mit einem Vorteil für die Interventionsgruppe (moderater Effekt, d = 0,44). Darüber hinaus wurde die Überlegenheit der Blended-PT in Bezug auf die Angstsymptomatik, Lebensqualität und auf den Selbstwert der Patient:innen deutlich. Positive Effekte der Blended-PT fanden sich auch noch 6 Monate nach Studienbeginn (Zwerenz et al. 2019 ). In der Studie von Wright et al. (2005) war eine Blended-PT-Bedingung, im Vergleich zu einer Warteliste, zur Behandlung der depressiven Symptomatik gleich wirksam wie eine Face-to-face-PT. In dieser Studie wurde in der Interventionsgruppe ein Blend auf der Ebene der Sitzung angewandt (. Abb. 1, Ebene C). Patient:innen sahen während der Sitzungen zuerst ihre Therapeut:innen (erste Sitzung 50 min, danach immer 25 min) und bearbeiteten di-rekt anschließend während ca. 20-30 min ein internetbasiertes Programm. Nach 8 Wochen war die Behandlung abgeschlossen. Die Blended-PT beanspruchte weniger Therapeut:innenzeit als die Faceto-face-PT. Ähnliche Ergebnisse konnten in einer größeren Studie erhoben werden, die die Blended-PT mit Face-to-face-PT verglich, wobei dort die Blended-PT-Bedingung 16 Wochen dauerte und der Blend in den letzten 8 Wochen nicht strikt auf die Ebene der Sitzung begrenzt war, da Patient:innen das internetbasierte Programm nach Belieben nutzen konnten (Thase et al. 2018). Bezüglich Blends auf der Sitzungsebene gibt es bisher deutlich weniger Forschung als in den anderen Bereichen. Zusammenfassend liegen Hinweise auf die Wirksamkeit von Blended-PT auf den Ebenen der Gesamtbehandlung, der PT und der Sitzung vor. Auf der Ebene der Gesamtbehandlung scheinen jedoch wie bei reinen Online-Interventionen die Abbruchraten (Nordgreen et al. 2016) sowie die mangelnde Nutzung der Online-Elemente problematisch zu sein (Fuhr et al. 2018) . Hier wäre also zu überlegen, wie die Online-Elemente im Sinne eines transformierenden Blend besser in die Gesamtbehandlung integriert und damit auch begleitet werden können. Beispielsweise könnte ein Online-Programm zur Nachsorge nach einem stationären Aufenthalt bereits während des Klinikaufenthalts eingeführt und in die bestehenden therapeutischen Konzepte integriert werden, und nach dem Austritt könnten die Möglichkeit bestehen, Therapeut:innen weiter online zu kontaktieren. Im Vergleich zur Face-to-face-PT sowie zu reiner Online-Therapie könnte eine Blended-PT i. Allg. verschiedene Vorteile haben (. Tab. 2). Es erscheint jedoch wichtig zu präzisieren, welche Ebene von Blended-PT genau gemeint ist. Während die genannten Vorteile auf der Sitzungsebene und der Ebene der PT klar ersichtlich sind, sind diese auf der Ebene der Gesamtbehandlung z. T. nicht anwendbar, weil die Online-Intervention zeitlich versetzt zur Face-toface-PT und, wie schon erwähnt, oft ohne gleichzeitige Unterstützung durch Therapeut:innen genutzt wird. Welche Kombination von Face-to-face-PT und Online-Intervention ist hilfreich? Welches Medium soll für welche Interventionen genutzt werden? Diese und ähnliche Fragen sollten in Zukunft vermehrt mit theoriegeleiteten Studien erforscht werden. Ein möglicher Ansatzpunkt ist der Forschungsbereich der computervermittelten Kommunikation. So nimmt beispielsweise die Theorie der medialen Reichhaltigkeit (Reichwald 1998 in Berger 2015 an, dass die Kommunikation bei einer guten Passung zwischen Aufgabenkomplexität und Reichhaltigkeit des Mediums am effizientesten ist. Komplexe Aufgaben benötigen reichhaltigere Medien, einfachere Aufgaben weniger reichhaltige (Berger 2015) . Eine Blended-PT könnte also beispielsweise psychoedukative Elemente (weniger komplexe Aufgabe) internetbasiert gestalten und problemaktualisierende Elemente (komplexere Aufgabe) face to face bearbeiten. Ähnliche Überlegungen (praktische Elemente wie Psychoedukation eher in den Online-Modulen und Tab. 2 Mögliche Vorteile der Blended-Psychotherapie im Vergleich zu Face-to-face-PT und Online-Therapie Im Vergleich zur Face-to-face-PT Im Vergleich zur Online-Therapie Abwechslungsreiches Therapieangebot Den Patient:innen kann ein breiteres Therapieangebot gemacht werden Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/ licenses/by/4.0/deed.de. A comprehensive review and a metaanalysis of the effectiveness of internet-based psychotherapeutic interventions Internetbasierte interventionen bei psychischen störungen Bd. 57. Hogrefe Evaluating an e-mental health program ("deprexis") as adjunctive treatment tool in psychotherapy for depression: results of a pragmatic randomized controlled trial REMOTION blended transdiagnostic intervention for symptom reductionandimprovementofemotionregulation in an outpatient psychotherapeutic setting: protocol for a pilot randomized controlled trial Interaktives Skillstrai-ningfürBorderline-Patienten,2.Aufl Internet-based vs. face-to-face cognitive behavior therapy for psychiatric and somatic disorders: an updated systematic review and meta-analysis Blending face-to-face and internet-based interventions for the treatment of mental disorders in adults: systematicreview Patient's experience with blended video-and internet based cognitive behavioural therapy service in routine care ErsteErfahrungenzurImplementierbarkeiteiner internetbasierten Selbsthilfe zur Überbrückung der Wartezeit auf eine ambulante Psychotherapie [Implementation of an internet-based selfhelp for patients waiting for outpatient psychotherapy Hrsg) The handbook of blended learning: Global perspectives, local designs Emotion-focused therapy: coaching clients to work through their feelings, 2. Aufl Emotion regulation: current status and future prospects Internet-and mobile-based aftercare and relapse prevention in mental disorders: a systematic review and recommendations for future research Stepped care versus direct face-to-face cognitive behavior therapy for social anxiety disorder and panic disorder: a randomized effectiveness trial WildWesteHealth: timetohold our horses? CBT at the crossroads: the rise of transdiagnostic treatments Advantages and disadvantages of online and blended therapy: replication and extension of findings on psychotherapists' appraisals Improving the efficiency of psychotherapy for depression: computer-assisted versus standard CBT Barriers and facilitators for the implementation of blended psychotherapy for depression: a qualitative pilot study of therapists' perspective A patient post hoc perspective on advantages and disadvantages of blended cognitive behaviour therapy for depression: a qualitative content analysis Blending online therapy into regular faceto-face therapy for depression: content, ratio and preconditions according to patients and therapists using a Delphi study Mixing online and face-to-face therapy: how to benefit from blended care in mental health care Computerassisted cognitive therapy for depression: maintaining efficacy while reducing therapist time Improving the course of depressive symptoms after inpatient psychotherapy using adjunct web-based self-help: follow-up results of a randomized controlled trial Online self-help as an add-on to inpatient psychotherapy: efficacy of a new blended treatment approach