key: cord-1040124-809wc69s authors: Donau, Kai-Friedrich title: Nach Corona kommt die Schuldenwelle — begründete Sorge oder Panikmache? Aktuelle Entwicklungen im Kredit- und Konsummarkt date: 2022-03-19 journal: Wirtschaftsdienst DOI: 10.1007/s10273-022-3127-2 sha: 0160d31392e8c8a0756ee7b967ba5c7d83c31df2 doc_id: 1040124 cord_uid: 809wc69s The corona pandemic had a considerable impact on consumers. The difficult situation in numerous sectors of the economy has led to financial burdens for many households. Despite repeated warnings announcing significantly increasing debts, the number of new payment arrears during the past two years has been below the level of the pre-COVID-19 period according to analysis based on SCHUFA data. This is due to the fact that consumers have adjusted their financial and consumption behavior or made use of their financial reserves — reserves that could now be lacking due to rising prices, especially for energy. Der SCHUFA Risiko-und Kredit-Kompass für das Gesamtjahr 2020 zeigt, dass die Deutschen etwa 17,6 Mio. Ratenkredite hatten, die damit eine wichtige und genutzte Finanzierungsform für größere Konsumausgaben darstellen. Die durchschnittliche Kredithöhe lag bei 12.988 Euro. Der größte Anteil der neu abgeschlossenen Ratenkredite (43,7 %) entfi el auf höhere Kreditsummen über 10.000 Euro. Die durchschnittliche Laufzeit neuer Kredite lag bei 54 Monaten. Innerhalb des Jahres 2020 gab es bei der Kreditaufnahme erhebliche Schwankungen, die im Wesentlichen von der Coronakrise beeinfl usst waren. So waren etwa viele Kontaktpunkte, an denen Ratenkreditverträge geschlossen werden, wie etwa Elektromärkte, über längere Zeit geschlossen. Rückblickend ging während des ersten Lockdowns zwischen März und Juli die Nachfrage nach neuen Kreditverträgen stark zurück, hatte sich aber bis Ende 2020 erholt und das Niveau von 2019 teilweise sogar übertroff en. Die Coronapandemie hat tiefe Spuren bei den Verbraucher:innen hinterlassen. Die schwierige Situation in zahlreichen Wirtschaftsbranchen hat zu fi nanziellen Belastungen vieler Haushalte geführt. Entgegen wiederholter Warnungen vor einer Schuldenwelle lagen die neuen Zahlungsstörungen in den vergangenen zwei Jahren jedoch gemäß der Auswertung der SCHUFA-Daten unterhalb des Niveaus der Vor-Corona-Zeit. Der Grund: Die Verbraucher:innen haben ihr Finanz-und Konsumverhalten angepasst oder haben auf ihre Rücklagen zurückgegriff en -Rücklagen, die nun allerdings angesichts steigender Preise vor allem bei der Energie fehlen könnten. Betroff ene ihren Insolvenzantrag bei Ankündigung dieser Gesetzesreform im Verlauf des Jahres 2020 hinausgeschoben haben. Darüber hinaus scheint durch die verkürzte sogenannte Wohlverhaltensphase eine Privatinsolvenz eine Option für Menschen geworden zu sein, denen der Zeitraum von sechs Jahren als zu lang erschien. Und nicht zuletzt waren viele Beratungsangebote Corona-bedingt eingeschränkt, die mit entsprechender Zeitverzögerung nachgeholt wurden. Diese Annahmen werden durch die Entwicklung im Jahresverlauf 2021 untermauert. In der ersten Jahreshälfte stiegen die Privatinsolvenzen sprunghaft an und lagen bereits höher als im gesamten Vorjahr (Statista, 2021) . Allerdings schwächte sich diese Entwicklung bis Ende 2021 wieder erheblich ab. Die insgesamt sehr erfreuliche Situation bei den Zahlungsstörungen bedeutet jedoch nicht, dass die Coronapandemie keine fi nanziellen und wirtschaftlichen Spuren bei den Verbraucher:innen hinterlassen hätte. Um dies zu erfassen, führt die Schufa seit September 2020 regelmäßig Umfragen unter Verbraucher:innen durch. Diese werden von Nordlight Research im Auftrag der Schufa durchgeführt. Nordlight Research ist ein marktpsychologisches Forschungsinstitut mit Sitz in Hilden bei Düsseldorf. Die 1.000 Teilnehmenden der Befragung werden in einem reichweitenstarken Online-Panel rekrutiert und nach Alter, Geschlecht, Haushaltsnettoeinkommen und Bundesland quotiert. Die Ergebnisse sind repräsentativ für deutschsprachige Verbraucher:innen mit Internetzugang ab 18 Jahren. Wenig überraschend profi tierte der Online-Handel erheblich von der Krise: Vor dem Hintergrund eingeschränkter Einkaufsmöglichkeiten in den Geschäften verlagerten Deutschlands Verbraucher:innen ihren Konsum während der Pandemie ins Internet. Dies spiegelt sich auch in der hohen Zahl der SCHUFA-Anfragen aus dem eCommerce wider, die zeitweise 50 % höher als im Vorjahreszeitraum lag. Insgesamt setzt sich der langfristige Trend zum Online-Shopping fort und erhielt durch die Coronapandemie noch mal einen Schub. Bei der Rückzahlung der Ratenkredite sind die deutschen Verbraucher:innen sehr zuverlässig. Besondere -negative -Einfl üsse durch die Coronapandemie sind nicht zu erkennen: 2020 wurden, wie in den beiden Vorjahren, 97,9 % der Kredite ordnungsgemäß bedient. Die regionale Verteilung folgte ebenfalls längerfristigen Entwicklungen und stand in keinem Zusammenhang etwa mit Ansteckungsraten oder lokalen Pandemiemaßnahmen. So waren 2020 in den südlichen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg, wie in den Jahren zuvor, die wenigsten Zahlungsschwierigkeiten zu verzeichnen, während in den Bundesländern Bremen und Berlin der Anteil der Menschen mit Zahlungsschwierigkeiten am höchsten war. Der Trend sinkender Zahlungsstörungen bei Privatpersonen setzte sich im Jahr 2021 fort (vgl. Abbildung 1). Um die Entwicklung der Zahlungsstörungen genau im Blick zu behalten und diese Erkenntnisse mit der Öff entlichkeit zu teilen, veröff entlicht die Schufa Holding AG auf ihrem Corona-Dashboard (Schufa, o.J.) regelmäßig einen Index der Personen mit neuen Zahlungsstörungen. Hier lässt sich gut erkennen, dass der Indexwert 2021 fast durchgängig unterhalb des Mittelwerts von 2019 lag. Die Insolvenzzahlen der vergangenen beiden Jahre waren hingegen von einer wesentlich höheren Dynamik gekennzeichnet -allerdings nicht infolge der Coronapandemie. Bereits seit längerem ist ein Trend sinkender Verbraucherinsolvenzen zu beobachten. Mitte des Jahres 2020 sank deren Zahl rapide ab, die Privatinsolvenzen gingen insgesamt gegenüber 2019 um ein Drittel zurück (Statista, 2021) . Der starke Rückgang an Privatinsolvenzen in der Coronazeit lässt sich vor allem durch die Gesetzesreform des Insolvenzrechts erklären: Bei Privatinsolvenzen, die ab dem 1. Oktober 2020 beantragt wurden, ist schon nach drei -und nicht wie zuvor nach sechs Jahren -eine Restschuldbefreiung möglich. Es ist anzunehmen, dass viele 01 03 05 07 09 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37 39 41 43 45 47 49 51 Wenn es um Energiekosten geht -z. B. für Strom und Benzin -vermuten sogar 81 % der Umfrageteilnehmer:innen, dass sich die Preisspirale weiter nach oben dreht. Steigende Lebenshaltungskosten haben direkte Auswirkungen auf die persönliche Situation der Menschen: 44 % der Verbraucher:innen geben an, nicht genug Spielraum zu haben, um bei dieser Entwicklung ihren Lebensstandard weiter halten zu können. Mehr als ein Viertel der Befragten (28 %) glaubt sogar, dass es ihnen zunehmend schwerfallen wird Auch wenn eine kurzfristige Schuldenwelle ausgeblieben ist, wird die Coronakrise nicht ohne längerfristige Folgen bleiben. Es gilt, speziell diese Gruppen, also Menschen mit niedrigem Haushalteinkommen und junge Menschen SCHUFA Risiko-und Kredit-Kompass 2020 SCHUFA Corona-Update #10 SCHUFA Risiko-und Kredit-Kompass Aktuell, www. schufa-kreditkompass.de (25 Privatinsolvenzen in Deutschland bis 2021